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Pearls of Bulgarian Folklore
Am 17. Mai holt die Armeegruppe Kleist zur Konteroffensive aus, um Timoschenkos tiefe Südflanke an der Basis zu packen. Starke Luftunterstützung liefert das IV. Fliegerkorps. Heiß brennt die Sonne vom blauen Himmel. Rasch steigen die Temperaturen auf 30 Grad. Drückende Schwüle. In die Hitze des Tages platzt der Angriff des III. Panzerkorps unter General der Kavallerie Mackensen. Die völlig überraschten Truppen der 9. und 57. Sowjetarmee werden geworfen. Der Gefechtsbericht der 257. Infanteriedivision verzeichnet schwere Kämpfe. Das Regiment 466 vernichtet ein russisches Bataillon – dabei fallen 450 Rotarmisten. Mackensens gepanzerte Fäuste, die 14. und 16. Panzerdivision, schlagen mit brutaler Wucht zu. Die Einbrüche werden schnell zu Durchbrüchen erweitert.
Am 22. Mai erreicht die 14. Panzerdivision den Schlüsselpunkt Bairak am Donez, während die 44. Infanteriedivision, die Paulus 6. Armee doch noch zur Unterstützung der Gruppe Kleist freimachen kann, das Nordufer forciert. Schließlich gewinnt auch die 16. Panzerdivision bis zum 23. Mai den Strom bei Andrejewka. Damit sind die 6. und 57. Sowjetarmee eingeschlossen. Eine dramatische Wende der Schlacht! Timoschenkos Präventivschlag hat sich tatsächlich als verhängnisvoller Stich ins Wespennest erwiesen.
Um den Ausbruch der eingekesselten Sowjets zu verhindern, trifft der Kommandierende des III. Panzerkorps, General Mackensen, geschickte Gegenmaßnahmen. Tagelang toben schwerste Ausbruchskämpfe südlich von Charkow. Nachts, im Schein von Magnesium-Leuchtraketen, werden die ohne Rücksicht auf Verluste unter „Geschrei und Gejohle“ stürmenden Eingeschlossenen, vielfach „sinnlos betrunken“, massenhaft niedergemetzelt. Aber auch die deutsche 1. Gebirgsdivision, die im Zentrum der Ausbruchskämpfe steht und nach den gespentischen Gefechten 8.000 tote Russen vor ihrer Front zählen soll, verliert „auf dieser Straße des Todes“, wie es in einem dramatischen Gefechtsbericht von Generalleutnant Lanz27 heißt, zahlreiche Männer. Seit dem 17. Mai verzeichnet der Großverband nach späteren Angaben des Kommandeurs 431 Gefallene und über 1.300 Verwundete.28 Der Kommandeur, der an zwei Weltkriegen teilgenommen hat, kann sich nach dem Krieg an „kein vergleichbares Bild erinnern, wie damals an der Bereka. Unsere Verluste waren gewiss bitter, wenn auch nur ein kleiner Bruchteil von denen der Sowjets.“
Der Soldat Jakob Geimer29 schreibt am 2. Juni an seine Frau: „Dann geht das große Kesseltreiben los, und das Scheibenschießen auch. Nur keine Bange Jäb, was vor die Flinte kommt, wird umgelegt, den Hunden treiben wir‘s aus. So etwas stures gibt es nicht wieder, meinst Du die kämen aus ihren Löchern raus, was bleibt da anderes übrig, als Handgranate hinein, oder ne Kugel durch den Schädel. Was kann man da anderes machen, unsere Zeit ist kostbar, lange gefackelt wird nicht. Zäh und verbissen sind die Burschen, nützt aber nichts, wir sind besser, die Infanterie muß ja das Rennen machen.“
Und von Bocks Verbände gewinnen diese Runde. Bis zum 28. Mai meldet der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd 22 russische Schützen-, sieben Kavalleriedivisionen, 14 Panzer- und mechanisierte Brigaden als zerschlagen. 239.000 Rotarmisten werden gefangen genommen. Dazu kommen schwerste blutige Verluste, vermutlich rund 70.000 Tote, darunter der stellvertretende Oberbefehlshaber der Südwestfront, Generalmajor Bobkin, sowie die Generalleutnante Gorodnjanskij und Podlas, Führer der 6. beziehungsweise 57. Armee, die mitsamt ihren Stabsoffizieren gefallen sind. An Material büßt die Rote Armee 1.250 Panzer, 540 Flugzeuge und 2.026 Geschütze ein. Die Deutschen erleiden Verluste in Höhe von rund 20.000 Mann. Demnach ist von 5.000 Gefallenen für die an der Kesselschlacht bei Charkow beteiligten Armeen auszugehen. Ein hoher Preis für die Heeresgruppe Süd angesichts der kurz bevorstehenden großen Sommeroffensive!
Der sowjetische Versuch, General der Panzertruppe Paulus 6. Armee einzukesseln, ist katastrophal gescheitert. Angesichts der schweren Schlappe bei Charkow fällt Stalin ein vernichtendes Urteil über den Oberbefehlshaber der Südwestfront, Marschall Timoschenko, und dessen Armeekommissar, dem späteren Sowjetführer Nikita Chruschtschow. Der Diktator zürnt:
„Wenn ihr nicht gelernt habt, eure Truppen besser zu führen, wird die gesamte Ausrüstung, die im Land hergestellt wird, nicht für euch ausreichen. Merkt euch das, wenn ihr eines Tages den Feind schlagen wollt!“30
Noch schärfer rügt Stalin den Generalstabschef der Südwestfront, Generalleutnant Iwan K. Bagramian. Er wird seines Postens enthoben. In einem bitter-bösen Brief vom 26. Mai an das Frontoberkommando zürnt der Diktator:
„Während einer Dauer von nur drei Wochen ist es, dank der Kurzsichtigkeit der Südwestfront, gelungen, nicht nur die schon halb gewonnene Charkower Operation zu verlieren, sondern auch noch gelungen, 18 bis 20 Divisionen an den Feind zu übergeben.“
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Trotz des Vernichtungssieges, laut Chruschtschow die größte deutsche Leistung im Ostfeldzug, herrscht indes auch bei den Siegern eine durchaus nachdenkliche Stimmung. General von Mackensen, der Kommandierende des III. Panzerkorps, lässt am 28. Mai 1942 in einem Fernschreiben an Generaloberst Kleist verlauten: „Die Rote Führung riskiert alles. Sie faßt im Großen klare Entschlüsse und setzt alles zu ihrer Verwirklichung ein. Truppenführung und Truppe folgen ihr in der Durchführung der Entschlüsse weit mehr als im vergangenen Jahr [...] Rote Panzerwaffe und Kavallerie zeichnen sich durch unerhörten Schneid und Kampfwillen zur Vernichtung aus [...]“31
Mackensen weiß, dass der Erfolg „nur mit letzter Kraft“ errungen werden konnte. Der US-Historiker Glantz kommt zu dem Urteil, dass der deutsche Sieg bei Charkow durch überlegene taktische Führung sowie den konzentrierten Einsatz der Panzer- und Luftwaffe erreicht worden ist. Im Prinzip haben die Russen den gleichen Fehler gemacht, der ein gutes Jahr später den Deutschen vor Kursk selbst unterlaufen soll: an der stärksten Stelle der gegnerischen Verteidigung angesichts feindlicher Panzerreserven im Hinterland anzugreifen. Zwar kann man nur mutmaßen, wie die Schlacht bei Charkow wohl geendet hätte, wenn die Rote Armee, statt ins offene Messer zu rennen, in der Defensive geblieben wäre. Es spricht zwar vieles dafür, dass die angreifende Wehrmacht, wie auf der Krim eindrucksvoll demonstriert, Timoschenkos Verbände im einen wie im anderen Fall ausmanövriert haben würde. Aber vielleicht wäre der deutsche Sieg bei einer rein defensiven Ausrichtung des Gegners nicht so deutlich ausgefallen, hätte mehr Zeit und noch wesentlich größere Opfer gekostet. Denn die Rotarmisten gelten in festen Stellungen als harte Steher. Ein Trumpf, der in Bewegungsgefechten nicht stechen kann, zumal die Deutschen in dieser Hinsicht wiederum deutlich überlegen sind. Fakt ist: Während die Deutschen 1943 mit der „Operation Zitadelle“ tatsächlich eine gewisse präventive Wirkung durch Zerschlagung eines namhaften Teils der operativen Panzerreserven des Gegners erzielen, erreicht die Rote Armee vor Charkow keines der gesteckten Ziele. Ganz im Gegenteil, Paulus und Kleists schnelle Verbände sind intakt geblieben und nehmen die Ausgangsstellungen für die Sommeroffensive 1942 ein.
Angesichts des Triumphes spottet Hitler am Abend des 2. Juni über die Tendenz, militärische Niederlagen mit dummen Theorien zu bemänteln. „Er erinnere nur an die von uns im I. Weltkrieg nach der Schlacht bei Verdun vertretene Abnutzungstheorie. Solche Redensarten seien immer ein Beweis dafür, daß man nicht den Mut aufgebracht habe, ein nicht mehr Erfolg versprechendes Vorhaben sofort abzubrechen.“32 Als sich Paulus 6. Armee dreieinhalb Monate später in operativ sinnlosen Häuserkämpfen um die Ruinen von Stalingrad festbeißt, ist diese kluge Einsicht freilich schon wieder verflogen. Während der Schlacht an der Wolga soll sich Hitler selbst in „dumme Theorien“ von „ganz kleinen Stoßtrupps“ flüchten ...
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Nachdem Bocks Heeresgruppe Süd die Donezlinie zurückgewonnen hat, sollen gleich noch die nächsten Sprünge zur finalen Vorbereitung von „Fall Blau“ gemacht werden. Die Operation „Wilhelm“ richtet sich gegen die sogenannte „Pestbeule“ bei Woltschansk. Damit will die 6. Armee geeignete Absprungbasen am Donez und Burluk gewinnen. Der Angriff beginnt am 10. Juni. Binnen drei Tagen schließen das III. Panzer- und VIII. Armeekorps namhafte Verbände der 28. Sowjetarmee ein. Am 15. des Monats ist die Schlacht geschlagen. 21.000 Rotarmisten geraten in Gefangenschaft. Vor allem aber sind Brückenköpfe über den Donez gebildet, die es erlauben, ohne Zeitverzögerung in die Operation „Blau“ zu starten.
Um auch weiter südlich günstige Ausgangsstellungen am Oskol zu erkämpfen, beginnt am 22. Juni die ebenfalls umfassend angelegte Operation „Fridericus II“. Die Gruppe Mackensen, gebildet aus dem III. Panzer- und LI. Armeekorps, tritt auf Kupjansk an. 24 Stunden später beginnt weiter südlich auch der Vorstoß der Gruppe Strecker (deutsches XI. und rumänisches VI. Korps) sowie des XXXXIV. Armeekorps gegen Isjum. Bereits am 24. treffen sich die beiden Zangenarme bei Gorochovatka. Zwei Tage später ist auch diese zweite vorbereitende Operation erfolgreich geschlagen. 24.000 Rotarmisten strecken die Waffen.
Obwohl operativ erfolgreich, halten sich die Erfolgsmeldungen diesmal – gemessen an den katastrophalen Verlusten der Roten Armee auf der Krim und in der Vernichtungsschlacht bei Charkow sowie Hitlers überzogenen Erwartungen – allerdings in Grenzen. Sowohl der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe, Feldmarschall von Bock, als auch OKH-Chef Generaloberst Halder sehen darin erste Anzeichen eines Strategiewechsels beim Gegners. Statt um jeden Preis zu halten, scheint die Rote Armee nach der Charkower Katastrophe zu taktischen Rückzügen bereit und fähig gewesen. Die Abteilung Fremde Heere Ost unter Oberst Gehlen, bislang eher durch grobe Unterschätzung des Feindpotentials aufgefallen, attestiert am 28. Juni, dass sich der Gegner von der „Taktik eines unwirtschaftlich rücksichtslosen Menschen- und Materialeinsatzes“ abgewandt habe und damit zu rechnen sei, dass er seine „in der Front eingesetzten Kräfte den überraschend geführten deutschen Stößen und Umfassungsversuchen weitgehend zu entziehen und die deutschen Vorstöße aus der Tiefe des Raumes durch Angriffe gegen ihre Flanken aufzufangen“ beabsichtige.33
Und ebenjene Flanken, die nach Eröffnung der großen Sommeroffensive durch die Marschrichtung Stalingrad-Kaukasus zwangsläufig drohen, sollen gemäß Führerweisung Nr. 41 hauptsächlich die schwachen verbündeten Streitkräfte im Verlauf der sich nach Südosten gefährlich verlängernden Donlinie decken. Kein Zweifel: Die 1941 völlig versagende deutsche Feindaufklärung ist effektiver geworden. Aber die besten Prognosen nützen nichts, wenn sie ignoriert werden. Hitler malt sich lieber sein eigenes Feindbild, freilich gestützt auf die jüngsten Erfolge. Und wer will es ihm verdenken? Seit Mai hat die Heeresgruppe Süd immerhin über eine halbe Million Gefangene gemacht. Und die vermeintlich planvollen Rückzüge des Gegners können auch als erzwungene gedeutet werden. Die Rote Armee scheint tatsächlich zu wanken. Wie ein angezählter Boxer, der sich nur noch vor dem K.o. in die Ecken des Ringes flüchtet …
Ein Jahr nach Beginn des Russlandfeldzuges ist allerdings auch Hitlers Ostheer schwer angeschlagen. Stellvertretend für viele andere Verbänden stehen die Gesamtverluste der 1. Gebirgsdivision.34 Vom 22. Juni 1941 bis zum 24. Juni 1942 meldet der Eliteverband 2.296 Gefallene, 6.737 Verwundete und 144 Vermisste. Die Substanz der Kampftruppe blutet nachhaltig aus, zumal der Ersatz unzureichend und weniger gut ausgebildet ist. In dieser Zeit haben die Regimenter von Generalleutnant Lanz 2.325 Kilometer, das entspricht einem Tagesschnitt von 40 Kilometern, zurückgelegt. Durch Galizien und die Ukraine, vom San bis an den Donez. Überdies verzeichnet die Statistik nicht weniger als 304 Kampftage. Aber keine Zahl erfasst das menschliche Leid, die Verbitterung der Truppe angesichts der langen Gräberreihen gefallener Kameraden auf dem Marsch in die schier unendlichen Weiten des Ostens. Wie lange soll, kann das noch so weitergehen?
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Sewastopol aus der Vogelperspektive. Nördlich der Sewernaja-Bucht verlaufen die Hauptbefestigungen der sowjetischen Verteidiger. Hier liegt auch der Angriffsschwerpunkt von Mansteins 11. Armee. Erreicht das LIV. Korps die Bucht, ist der Fall der Seeefestung besiegelt. Von Südwesten her kämpft sich unterdes das XXX. Korps auf Sewastopol vor.
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Südlich des Belbek-Tals treten die Divisionen des LIV. Armeekorps am 7. Juni 1942 ihren blutigen Weg Richtung Südwesten/Sewernaja-Bucht an.
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Das Luftbild zeigt die Nordfront der Sewastopoler Festungsanlagen, darunter die mit schweren Batterien bestückte Anlage „Maxim Gorki“.
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Oben: Die todesmutigen Verteidiger Sewastopols fordern ihren Tribut, ein Verwundeter Landser wird von seinen Kameraden zurück getragen.
Unten: Eine Scheibe Brot für die hungernde Zivilbevölkerung in der leidgeprüften Stadt.
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III. Blutige Nebenfronten
06.05.1942-23.11.1942
„Hier, in der Schlacht bei Rshew, die schlimmer war als die bei Stalingrad, haben wir 15 Monate mit der deutschen 9. Armee gerungen. Wir mussten die Stellungen halten, um jeden Preis. Aber Moskau will sich an diese Schlacht nicht erinnern – weil sie anderthalb Millionen Soldaten verschlang. Und weil wir sie verloren haben.“35
So wird der 86-jährige Wladimir Miroschnitschenko, ehemaliger Frontkämpfer der Roten Armee, 2010 in einem deutschen Nachrichtenmagazin zitiert. Was für die Schlacht um Rshew gilt, trifft auch auf die Ereignisse im Raum Leningrad während des Jahres 1942 zu. Blutige Nebenfronten, die bis heute im Schatten des großen Dramas von Stalingrad liegen und in Vergessenheit geraten sind.
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„Ihr fanatisches Geschrei und ihre Art zu kämpfen, ließen uns das Blut in den Adern stocken. Es war ein so furchtbares Erlebnis; ich werde es nie vergessen können.“
Leutnant Siegfried Bucher36 vom Jäger-Bataillon 6 über den Angriff eines Frauenbataillons der Roten Armee Anfang September 1942 im Raum Witebsk-Surasch.
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„Was ist Tapferkeit? Es ist nichts weiter als die Überwindung der Angst […] Wirklich schlimm waren die ausgebrannten Panzer, wo teilweise die verbrannten Köpfe heraus schauten. Diese kohlschwarzen Köpfe, die einem manchmal noch angeschaut haben, die waren scheußlich.“
Sagt Franz Schmid37, Träger der Nahkampfspange in Gold38, der während des Ostfeldzuges an mindestens 74 Tagen „das Weiße im Auges des Feindes“ sieht.
Frontbereinigung im Zentrum – Unternehmen „Hannover“ und „Seydlitz“
Am 21. Mai hebt Hauptmann Freiherr von Malapert39 mit seinem Stuka von einem Feldflugplatz in der Nähe von Brjansk ab. Zu einem Spezialauftrag: Der Kommandeur der II. Gruppe/Schlachtgeschwader 1 soll eine wichtige Brücke im russischen Hinterland zerstören. Für den Ritterkreuzträger ist es der 510. Feindflug.
Aus der Vogelperspektive wirkt die 1.400 Kilometer Front der Heeresgruppe Mitte ziemlich unübersichtlich. Klare Verläufe sind längst nicht überall zu erkennen. Stattdessen blicken die Stuka-Piloten auf viele Einbuchtungen, die beim Überfliegen der Hauptkampflinie (HKL) fürs geschulte Auge sichtbar werden. Feldmarschall von Kluges Verbände halten eine zerbeulte Front von Welikije Luki bis südlich Mzensk. Wie Narben nehmen sich die tiefen sowjetischen Einbrüche der Winteroffensive aus. Und die Zeichen für 1942 stehen alles andere als günstig, da sich von Kluge den veränderten Prioritäten fügen muss. Der Schwerpunkt liegt im Süden. Die knappen Ressourcen der Wehrmacht werden in von Bocks Befehlsbereich gelenkt. Teilrückzüge zur Frontbegradigung, um der Heeresgruppe Mitte Kräfte einzusparen und Reserven zu gewinnen, lehnt Hitler indes ab. Damit würde er auch seine Absichten im Süden verraten. Statt dessen befiehlt der Führer weiterhin striktes Halten der Front im Zentrum plus örtlich begrenzte Offensiven zur Bereinigung. Mit einer Truppe, die allein schon für rein defensive Zwecke nicht übermäßig stark erscheint.
Schlagartig einsetzendes, konzentriertes Flakfeuer signalisiert von Malapert das Erreichen des Angriffsziels. Der Hauptmann kippt mit seiner Maschine über dem Flügel ab und stürzt im Adrenalinrausch auf die Brücke. Er hat jetzt nur noch das Ziel vor Augen. Riesengroß! Kurz über dem Boden klinkt der Darmstädter die Bombe aus und fängt die Maschine ab. Der erfahrene Pilot hat gut gezielt. Die Brücke fliegt in die Luft. Allerdings bekommt der Stuka einen Flak-Treffer in den Kühler.
Von Malapert und sein Bordfunker, der Oberfeldwebel Mees, können mit Mühe und Not im Niemandsland notlanden. Die beiden Luftwaffensoldaten bleiben unversehrt, können sich aus dem Flugzeug befreien. Doch als sie sich erheben, um zu den eigenen Linien zu flüchten, kracht ein Schuss. Ein sowjetischer Scharfschütze hat den Offizier aufs Korn genommen. Von Malapert fällt im gezielten Gewehrfeuer. Sein Bordfunker hat mehr Glück. Oberfeldwebel Mees schlägt sich zu den vordersten deutschen Stellungen durch und kann über den Tod seines Kommandeurs berichten. Freiherr Robert-Georg von Malapert ist 29 Jahre alt geworden. Er wird am 8. Juni posthum mit dem Eichenlaub ausgezeichnet.
Pioniere gegen Pioniere, lautet zwischenzeitlich das Motto im Kampfraum der 17. Panzerdivision bei Orel. Gruppenführer Andreas Wecker40 erlebt die Gefechte in der 2. Kompanie/Panzerpionierbataillon 27. Seine Einheit unternimmt einen Angriff gegen eine eingebrochene Pionierkompanie. Die russischen Elitesoldaten haben sich in einer Igelstellung verschanzt. Gefällte Baumkronen dienen als Sichtblende. Dahinter kauern, lauern die Rotarmisten in Erdlöchern. Wecker und seine Kameraden pirschen bis auf Handgranatenwurfweite an die Stellung heran. Dann stürmen die Pioniere mit „Hurra“ gegen den Feind. Handgranatensalven sprengen Schneisen in die Deckung aus Baumkronen. Der Gefreite Holler feuert mit der Signalpistole auf die Schützenlöcher. Die glühenden Leuchtpatronen setzen Rotarmisten in Brand. Und auch die Flammenwerfer der deutschen Pioniere leisten „ganze Arbeit“. Gruppenführer Wecker berichtet:
„Da war das ,Erschossen werden‘ schon eine Wohltat, als bei lebendigem Leib zu verbrennen.“
„Wie eine brennende Fackel“ türmen die in Flammen gehüllten Rotarmisten. Bis die Hitze sie zu Boden zwingt und umbringt. Nach einem halbstündigen Gefecht ist die russische Pionierkompanie aufgerieben.
Blutige Randnotizen. Unterdessen plant die Heeresgruppe Mitte zwei lokale Angriffsunternehmen, die zwischen Mai und Juli starten sollen: „Hannover“ bei der 4. Armee und „Seydlitz“ bei der 9. Armee.
Am 24. Mai tritt General Heinricis 4. Armee mit Unterstützung des XXXXVI. Panzerkorps von Reinhardts 3. Panzerarmee zum konzentrischen Angriff an. General Belows in der Winterschlacht vorgeprellte Truppen sollen in die Zange genommen werden. Stärker als die insgesamt 20.000 sowjetischen Verteidiger im Dreieck Smolensk-Wjasma-Spas-Demensk verzögern in den ersten Tagen starke Regenfälle die deutsche Offensive. Dadurch werden die Marschbewegungen durch das ohnehin schon heikle, waldreiche Gelände weiter erschwert. Als sich die Angriffsspitzen der beiden Stoßkeile am 27. Mai treffen, haben sich große Teile der Gruppe Below bereits der Einschließung entzogen.
Nach diesem ersten Fehlschlag folgt am 3. Juni noch ein weiterer Vorstoß, die Operation „Hannover II“. Das Unternehmen führt zwar zu Geländegewinnen bis zum Dnjepr, nicht jedoch zur angestrebten Vernichtung der Gruppe Below. Schlammiges Waldgelände und ein taktisch geschickt operierender Gegner verzögern den deutschen Zugriff. Erst Ende Juni kann die feindliche Gruppierung aufgerieben werden. OKH-Chef Halder konstatiert anerkennend über General Below: „Der Mann hat immerhin im ganzen 7 deutsche Divisionen in Bewegung gesetzt.“41
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Weiter nördlich stellen sich die Verbände der 9. Armee für das Unternehmen „Seydlitz“ bereit. Darunter der Funker Robert Schumacher42, Angehöriger des II. Bataillons/Infanterieregiment 232 der 102. Division. Ende Juni erlebt der Norddeutsche, wie eine Kugel den Stahlhelm des Unteroffiziers Czock glatt durchschlägt. Der Schwerverwundete ist nicht zu retten, ein Abtransport unmöglich. Die Kameraden können dem Bewusstlosen nur den Helm abnehmen und in den Schatten einer Birke legen. Vor den Sterbenden tritt ein Offizier des Bataillons, nimmt Haltung an, salutiert. Ein soldatischer Gruße zum Tode. Vier schrecklich lange Stunden währt der Endkampf des Unteroffiziers an diesem heißen Sommertag.
Ziel des Unternehmens „Seydlitz“ ist die Vernichtung der südlich und östlich von Bely stehenden Feindkräfte in Stärke von rund 60.000 Mann, namentlich der 39. Armee und des XI. Kavalleriekorps. Damit soll die Lage im Rücken von Generaloberst Models 9. Armee endgültig bereinigt werden. Der Angriff beginnt am 2. Juli. Von Norden tritt das XXIII. Armeekorps an, während sich von Süden die schnelle „Gruppe Esebeck“ in Bewegung setzt. Doch die 1. und 5. Panzerdivision rollen nur langsam voran.
Der Gefreite Otto Will43 nimmt an dem Unternehmen „Seydlitz“ teil. Als Angehöriger der 5. Panzerdivision dient der Melder im II. Bataillon/Schützenregiment 14. Der auf dem rechten Auge nahezu blinde Will berichtet über den Vorstoß seiner 5. Kompanie:
„2. Juli 1942. Um 3 Uhr ist das Warten vorbei. Die Spannung löst sich, der Angriff beginnt. Unter massierter Artillerievorbereitung und Einsatz von Fliegern greifen wir an. Gegen 5 Uhr haben wir erste Feindberührung. Es kommt zu einem Gefecht, als wir gegen Berasui 1 vorgehen. Die Russen verteidigen den Ort mit großer Hartnäckigkeit. Wir kommen nur schwer voran, weil der Himmel seine Schleusen geöffnet hat und wir wegen des starken Regens nicht weit sehen können […]
3. Juli 1942. […] Wir verfolgen den fliehenden Feind in den dahinter liegenden Wald. Mitten im Wald ist plötzlich die Hölle los. Hier haben sich die Russen im Unterholz festgesetzt und leisten erbitterten Widerstand. Man kann sie kaum ausmachen. Es knallt an allen Ecken und Enden. Die Baumkrepierer sind besonders gefährlich.“
Damit benennt der Gefreite drei Faktoren, die symptomatisch für alle Offensiven der Heeresgruppe Mitte im zweiten Kriegsjahr sind:
1. der zähe Feindwiderstand
2. der verregnete Sommer 1942 im Mittelabschnitt
3. das schwer passierbare Gelände
Für den Angreifer bedeutet das bestenfalls ein langsames Vorwärtskommen, noch dazu unter hohen Verlusten. Die unübersehbaren Schwierigkeiten des Unternehmens „Seydlitz“ verdeutlichen wie durch ein Brennglas alle Vorbehalte gegen einen zweiten großen Marsch auf Moskau.
Unter dem Druck sowjetischer Gegenstöße frisst sich die Offensive der Gruppe Esebeck schon nach wenigen Tagen fest. Am 4. Juli tritt das XXXXVI. Panzerkorps zur Unterstützung der festliegenden Verbände an. Für den verwundeten Generaloberst Model übernimmt zwischenzeitlich General der Panzertruppe von Vietinghoff die Führung der 9. Armee. Auf dem Schlachtfeld zeichnet sich schließlich eine Wende zugunsten der deutschen Angreifer ab: Die bislang in Reserve gehaltene und nunmehr ins Gefecht geworfene sächsische 14. I.D. (mot.) bringt die Entscheidung. Unter dem zusätzlichen Druck wird der Gegner weich. Die deutschen Zangenarme können Raum gewinnen und sich schließlich vereinigen. Bis zum 12. Juli werden die eingeschlossenen sowjetischen Verbände vernichtet. Am Monatsende meldet das Armeeoberkommando 37.000 Gefangene. Was aber noch viel wichtiger ist: Die 9. Armee hat ihre logistische Basis gesichert, der Nachschub kann ungehindert in den Frontbogen bei Rshew rollen.