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Pearls of Bulgarian Folklore
Wenngleich die meisten Piloten der Luftwaffe, dank ihres fliegerischen Könnens und nicht zuletzt aufgrund der größeren Erfahrung, immer noch russische Masse mit deutscher Klasse schlagen, machen sich die numerische Unterlegenheit und dadurch bedingte Überbeanspruchung von Görings Fliegerassen zunehmend bemerkbar. Zumal die taktische Reife des Gegners langsam, aber sicher wächst. Das pausenlos im Einsatz stehende Jagdgeschwader 51 verliert im August 16 Mann. Darunter so erfahrene Piloten wie Oberleutnant Weismann.75 Am 13. August 1942 findet der Sieger in 69 Luftkämpfen seinen Meister. Seit dem Abschuss seiner Me 109 wird der posthum mit dem Ritterkreuz ausgezeichnete „Schützenkönig“ der 12. Staffel vermisst. Der von den Russen als „Fleischwolf von Rshew“ bezeichnete Kampfraum kostet unablässig schwere Blutopfer. Auf beiden Seiten. Vor allem aber zu Lande.
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Der Gefreite Hans Heinz Rehfeldt76 macht die schweren Kämpfe im Verband der motorisierten Infanteriedivision Großdeutschland (GD) mit. Ursprünglich sollte die schlagkräftige Heerestruppe per Eisenbahn nach Frankreich verlegt werden. Doch als die Division endlich auf dem Transport ist, blicken ihre Angehörigen tief betrübt aus den Waggons Richtung Horizont. Denn an diesem 19. August geht die Sonne in Fahrtrichtung auf. Das aber bedeutet: Der Zug rollt nicht wie erhofft nach Westen, sondern nach Osten! Also geht das große Sterben in Russland weiter, statt endlich mal wieder wie Gott in Frankreich zu leben.
Am 20. August rollt der Zug auf dem Smolensker Bahnhof ein. Endstation. Entladen. Sammeln. Motorisierter Weitermarsch über Wjasma auf Sytschewka. Von dort geht es am 28. August über einen Knüppeldamm Richtung Rshew. Dichter Wald deckt die Marschbewegungen gegen feindliche Luftangriffe. Je weiter es nach Norden geht, desto lauter hören die Soldaten das unheimliche Grummeln der Front, Flugzeuggebrumm und Geschützdonner. Die Hölle hat die großdeutschen Grenadiere wieder!
Zirka vier Kilometer südlich Rshew graben sich die Männer vom Regiment 1/GD in Busch und Sumpf ein. Die kampferfahrenen Soldaten haben ein sensibles Gehör entwickelt, um aus dem Lärm der Schlacht die Zwischentöne herauszuhören. Darunter einer, der selbst alte Ostfronthasen stets aufs Neue aufhorchen lässt: der harte Abschussknall von Panzerkanonen – vielen Panzerkanonen! Die Furiere geben Schnaps an die Truppe aus, denn es wird hart kommen. Der Alkohol beruhigt und macht die ersten kühlen Septembernächte in den Erdlöchern etwas erträglicher.
Ab dem 9. September wird es ernst für die Soldaten des II. Bataillons. Die Elitedivision „Großdeutschland“ wird im Rahmen des XXVII. Armeekorps eingesetzt und zählt zu den gepanzerten Eingreifreserven der 9. Armee. Das bedeutet, dass die Einheiten des Verbands schwerpunktmäßig gegen eingebrochenen Feind antreten müssen. Eine Art Feuerwehr, die Brandherde an der Front bekämpft. Darunter auch die 9. Kompanie/II. Bataillon GD, in deren Reihen der Gefreite Rehfeldt steht. „Großdeutschland“ soll nichts weniger, als die Russen bis über die Wolga zurückwerfen.
Der erste Einbruch in die feindliche Grabenstellung gelingt. Doch beim Weiterstoß durch eine sumpfige Mulde wird die Kompanie vom undurchdringlichen Sperrfeuer der russischen Artillerie gepackt und in Deckung gezwungen. Fünf Meter von Rehfeldt entfernt krepiert eine Granate. Der Gefreite fühlt den Luftdruck der Detonation, hört die Splitter fauchen, spürt „einen kurzen harten Schlag am rechten Oberarm“, und fühlt, wie sein rechtes Knie „brennt“. Dazu der beißende Pulverdampf, der in Augen und Lunge brennt. Rehfeldt hat unverschämtes Glück, ist nur leichtverwundet. Er bleibt bis auf weiteres einsatzfähig.
Beim erneuten Antreten seiner Einheit am 11. September ist Rehfeldt wieder dabei. Die eigene Artillerie schießt Wirkungsfeuer. Darunter auch Mörser vom Kaliber 21 Zentimeter. Die schweren Koffer schlagen in die 800 Meter entfernten Feindstellungen. Dann stürmt die Infanterie der 9. Kompanie mit Gebrüll durch das buschige Sumpfgelände. Der Gefreite berichtet:
„Mit ,Hurraaaa!‘ stürmen wir mutig vor. Da wird man einfach mitgerissen! Aber im selben Augenblick, wo wir noch glauben, es heute zu schaffen, hören wir beim Iwan Unmengen von Artillerieabschüssen. Und dann ist da ein Heulen, Rauschen und johlendes Pfeifen in der Luft, wir verhalten kurz – dann sehen wir nur 50 bis 60 Meter vor uns, dort wo jetzt unsere Infanterie sein muss, schnell aufeinanderfolgende Einschläge blitzen, donnern und krachen. Da entsteht in wenigen Minuten eine ,schwarze Wand‘ – eine ,Mauer‘ krepierender Granaten aller Kaliber! Wir stehen starr! So ein Sperrfeuer haben wir bisher noch nicht erlebt! Die Erde bebt, erzittert, Splitter aller Größen fetzen umher! Dort kann man unmöglich hindurch!“77
Fast Unmögliches leistet die 2. Kompanie/Sturmpionierbataillon GD unter Oberleutnant Horst Warschnauer.78 Am 22. September stürmt seine Einheit bei Chermassowo binnen 20 Minuten 120 Bunker im Nahkampf! Mit Flammenwerfern, Sprengladungen, Spaten und Messern bezwingen die großdeutschen Pioniere die sowjetrussischen Besatzungen. Für seine Erfolge während der Operation „Max und Moritz“ wird Warschnauer am 12. Dezember das Ritterkreuz verliehen.
Bis Monatsmitte September ersäuft die Schlacht im Blut und Morast, den schwere Regenfälle erzeugen. In Rehfeldts 40 Mann starkem Granatwerferzug sind fünf Kameraden gefallen, weitere acht verwundet worden. 13 Abgänge binnen sechs Tagen. Und so wie dieser Zug fast ein Drittel seiner ursprünglichen Kampfstärke verliert, bluten Kompanien, Bataillone, Regimenter, Divisionen aus. Deutsche wie russische. Für den Gefreiten Rehfeldt endet die extrem blutige Sommerschlacht um Rshew am 18. September mit der Einlieferung ins Lazarett. Auf dem Verwundetenzettel steht: „Eilt! Granatsplitter-Infektion, Durchschuss. Feldlazarett Artinowo.“
Aber der Gefreite ist der Hölle immerhin lebend entronnen. Im Gegensatz zu vielen anderen GD-Angehörigen. Am 16. September noch hat Rehfeldt die Überreste des von einem Artillerievolltreffer getroffenen Kameraden Karl Viole geborgen, nämlich „blutige Uniformfetzen, einzelne Körperteile, einen Fuß mit dem Schnürschuh – sonst nichts!“.
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Der poetisch veranlagte „Anti-Soldat“ Willy Peter Reese79, der in jenem Sommer 42 mit der 95. Infanteriedivision gleichfalls bei Rshew im Einsatz steht, fasst seine schwermütigen Eindrücke in melancholische Zeilen: „Regenschauer und kühle Tage verwehten mit dem Herbst. In den Mulden sammelte sich lehmgelbes Wasser, und grundloser Schlamm überzog das Sumpfgelände im Raum von Rshew. Entlaubt standen die Erlen im Morast, Feuchte tropfte von Kiefern und Birken, verschmutzt und zertreten drückte sich das Steppengras auf den Boden. Trübe Rinnsale flossen über aufgeweichte Straßen. Die Erde triefte. Bei jedem Schritt sanken die Stiefel ein. Ein Sprühregen überschüttete uns, wenn wir die Fichtenzweige streiften.“
Auch die Einheiten der 5. Panzerdivision ringen schwer um den Eckpfeiler Rshew. Darunter die 5. Kompanie80 des II. Bataillons/Panzergrenadierregiment 14. An einem Bahndamm im Südteil der Stadt liegen sich die Kombattanten auf wenige Meter gegenüber. Die Landser auf der einen, die Rotarmisten auf der anderen Seite. Die über den Damm geworfenen Handgranaten der Iwans schlagen die Panzergrenadiere mit dem Gewehrkolben weg. Ein Wahnsinn: „Baseball“ mit Karabiner und Sprengstoff sowie vielen Toten und Verwundeten. Am 5. Oktober zählt die Kompanie noch eine Grabenstärke von 21 Mann, davon sieben mit leichten Verwundungen.
In der zweiten Septemberhälfte gelingt den Sowjets ein gefährlicher Einbruch in die Nordostfront der Rshew-Verteidigung. Doch einmal mehr zeigt sich eine große deutsche Stärke – der blitzschnelle Gegenstoß. Am 23. September bereinigt ein Stoßtrupp der 6. Kompanie/Infanterieregiment 18 unter Führung von Oberfeldwebel Albrecht Schnitger81 im scharfen Zupacken die Lage. Schnitger! Der geborene Kämpfer hat sich in der 6. Division einen geradezu legendären Ruf erworben. Unter anderem für die Vernichtung einer Feindgruppe in der Seidenfabrik wird der blonde Stoßtruppführer am 18. Oktober mit dem hochverdienten Ritterkreuz ausgezeichnet. Dieser Detmolder ist wirklich ein Phänomen; er scheint die Gefahr zu suchen, aber der Tod scheint ihn nie zu finden. Kann Soldatenglück doch unendlich wehren?
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Bis Ende September gelingt es dem unermüdlichen und taktisch geschickt agierenden Model mit seiner 9. Armee, die russische Walze unmittelbar vor den Toren Rshews zum Stehen zu bringen. Selbst in seinen stark frisierten „Erinnerungen und Gedanken“ fällt es Schukow schwer, das Scheitern der Offensive mehr schlecht als recht zu kaschieren. Entlarvend das seltsame Fazit des Memoirenschreibers:
„Nachdem wir die Verteidigung des Gegners durchbrochen hatten, wurden die Angriffe der Westfront eingestellt, so daß Rshew in den Händen des Gegners blieb.“82
Der Einsatz der letzten Reserven („Großdeutschland“, 72. Infanteriedivision) sowie die alles überragende Tapferkeit, Zähigkeit und Leidensfähigkeit des Landsers haben schließlich den Ausschlag für die deutschen Waffen gegeben. Der Abwehrsieg der Heeresgruppe Mitte ist nicht zuletzt der wendigen und genauen Feuerleitung der Artillerie zu verdanken. Allein das Artillerieregiment GD hat in drei Wochen, vom 10. September bis 1. Oktober, über 30.000 Granaten verfeuert.
Ihre bescheidenen Geländegewinne bezahlt die Rote Armee mit exorbitant hohen Blutopfern. Nach Abschluss der Kämpfe meldet Generaloberst Model fast 250.000 Feindtote. Eine Viertelmillion – eine unglaubliche, erschreckende Zahl! Ein russischer Offizier der 17. Garde-Schützendivision berichtet erschüttert über das Grauen auf dem Schlachtfeld:
„Im ganzen Krieg habe ich nichts Schrecklicheres gesehen: Riesige Bombenkrater, bis zum Rand mit Wasser gefüllt, am Wegesrand zerstörte Fuhrwerke und Autos, tote Pferde und ringsherum nur Leichen. Und aus dem Wald das Stöhnen der Verwundeten.“83
Zu den grässlichen Menschenverlusten kommen immense Materialeinbußen. Zwischen dem 11. August und 8. September sind 1.000 Russenpanzer zerstört worden. Das Flakregiment 10 hat mit seinen gefürchteten 88-Millimeter-Kanonen allein am 9. August nicht weniger als 50 sowjetische Kampfwagen außer Gefecht gesetzt.
Schwer wiegen auch die deutschen Einbußen. Die Verluststatistik der 9. Armee verzeichnet bereits für die ersten beiden Wochen der Schlacht, vom 30. Juli bis zum 14. August, 15.000 Gefallene und Verwundete; oder anders ausgedrückt: täglich 1.000 Abgänge. Insgesamt meldet die Heeresgruppe Mitte nach dem Abflauen der Kämpfe 42.000 Mann blutige Verluste. Aber nicht nur die Grabenstärken sind bedenklich gesunken, auch die Moral scheint in einigen Verbänden angeknackst. Das Kriegstagebuch der sächsisch-fränkischen 256. I.D.84 vermerkt über den 10. August: „Die russischen Panzer verfolgen eine neue Taktik: Sie fahren nur auf 1500 bis 2000 Meter an die HKL heran, bleiben so außerhalb des Bereiches unserer panzerbrechenden Waffen und schießen systematisch als gepanzerte Artillerie jede Stellung, jedes MG und schließlich jedes Schützenloch zusammen. Demoralisierende Wirkung bei der Infanterie, beginnender Panzerschock.“
Und in einem anderen Gefechtsbericht liest man: „Wir Jungen ahnten, die Alten bestätigten es überzeugt: Die Materialschlacht der Somme, der Kampf um stahlzerpflügte, blutgetränkte Quadratmeter wurden in Vorstellungen oder Erinnerungen zu neuerlebter Wirklichkeit.“
Es ist an der Zeit, diese Erinnerungen endlich aus dem Dämmerreich des Vergessens, Verdrängens, Verschweigens zu reißen und in eine angemessene Reihe mit den berühmten militärischen Brennpunkten des Zweiten Weltkrieges zu stellen. Denn am Oberlauf der Wolga, rund um Rshew, sind zumindest kaum weniger Soldaten gefallen als am Unterlauf, bei Stalingrad. Auf russischer Seite kündet jahrzehntelang kaum mehr als eine Gedichtzeile von Alexander T. Twardowski vom Massensterben im Zentrum der Ostfront:
„Ich wurde in der Nähe von Rshew getötet.“
Es darf noch mehr der Menschenopfer gedacht werden. Auf beiden Seiten. Gerade weil es in dieser gigantischen Abnutzungsschlacht keine ruhmreichen Sieger, sondern nur Verlierer gibt, denn der deutsche Abwehrerfolg erweist sich letztlich als wertloser Pyrrhussieg. Zwar binden die 9. und Teile der 4. Armee starke Feindkräfte im Zentrum der Ostfront, und nicht zuletzt ihr Stehenlassen als Lanzenspitze gegen Moskau hat der Heeresgruppe Süd das Überraschungsmoment für den „Fall Blau“ in die Hand gegeben. Aber damit wäre die wichtige Aufgabe der Täuschung des Feindes bis zum Sommer 1942 erfüllt gewesen. Mit Fortschreiten der deutschen Großoffensive im Süden hätte eine vorausschauende Rücknahme des überdehnten Frontbogens um Rshew auf eine verkürzte Sehnenstellung jedenfalls Kräfte in Stärke von einer Armee bei der Heeresgruppe Mitte freigemacht. Ein gutes Dutzend Divisionen, die etwa zur Deckung der langen Donflanke herangezogen werden konnten, statt diese heikle Mission allein den schwachen verbündeten Streitkräften der Ungarn, Italiener und Rumänen anzudienen. Deutsche Verbände, die sehr wahrscheinlich ausgereicht hätten, nicht nur zur Verhinderung der Stalingrader Katastrophe überhaupt, sondern um der Kaukasus-Offensive genug Rückhalt für einen durchschlagenden und nachhaltig gesicherten Erfolg zu geben ...
Aber Hitler will eben nicht mal an Nebenfronten Boden preisgeben, obwohl damit dringend benötigte Reserven für den Schwerpunkt im Süden gewonnen werden könnten. Die kräfteraubende Belagerung Leningrads, der gefährliche Kessel von Demjansk und der exponierte Frontbogen Rshew besitzen dagegen operativ keinen Wert mehr. Statt diese unhaltbar gewordenen Positionen spätestens im Herbst 1942 freiwillig zu räumen, soll die Rote Armee schon bald den Rückzug erzwingen.
Todeszone Orel – Unternehmen „Wirbelwind“
Am Südflügel der Heeresgruppe Mitte ist die Stadt Orel der Dreh- und Angelpunkt, mit dem die Front steht oder fällt. Zu den Verbänden, die im Kampfraum der 2. Panzerarmee fechten, zählt die 25. I.D. (mot.). Generalleutnant Grassers Truppe führt während des Sommers 42 einen verbissenen Kleinkrieg an der Suscha. Darunter auch Bertold Elzer85, der als Zugführer im Infanterieregiment 35 eingesetzt ist.
Am 11. Juli schleicht ein deutscher Stoßtrupp durchs Niemandsland. Der Auftrag der Einheit: Einen Steg über die Suscha zerstören. Unterwegs trifft der Trupp plötzlich auf eine Gruppe Rotarmisten. Leutnant Rauscher reißt die Maschinenpistole hoch. Aber auch der russische Führer bringt seine automatische Waffe blitzschnell in Anschlag. Die beiden Offiziere drücken ab. Zugleich. Treffen. Fallen. Beide. Zwei Gegner, im Tode vereint.
Tragische Fälle, die sich dieser Tage hinter der Phrase „keine besonderen Kampfhandlungen“ verbergen. Die „Todeszone“ im Großraum Orel gilt als einer dieser leidigen Nebenkriegsschauplätze, damals wie heute wenig beachtet. Als Bertold Elzer am 28. Juli den Divisionsfriedhof in Deschkino besucht und die vielen bekannten Namen auf den Grabkreuzen liest, verliert er die Fassung. – „Nach zwei, drei Reihen war ich so erschüttert, dass ich weglief.“
Am 10. Juli notiert Divisionspfarrer Wolf von der 18. Panzerdivision: „Die Toten mehren sich, die Verluste werden unheimlich. In meinem schwarzen Büchlein steht schon ein schwarzes Kreuz hinter dem anderen [...]“86
Angesichts der über 400 Gräber für die Gefallenen des Schützenregiments 52, die die Abwehr eines russischen Großangriffs, vorgetragen von 150 Panzern und 21 Bataillonen, mit Stoßrichtung Shisdra, Fernziel Orel, gekostet hat, sagt der übernächtigte Kommandeur nach langem Schweigen: „Da liegt meine alte Garde. Eigentlich gehörten wir auch da hin. Dann wäre es vorbei.“
Für die letzten zehn heißen Sommertage vom 1. bis zum 10. Juli meldet die 18. Panzerdivision den Abgang von 43 Offizieren und 1.363 Unteroffizieren und Mannschaften. Bereits im Vorjahr hat der sächsische Großverband einen überdurchschnittlich hohen Blutzoll an der Ostfront zahlen müssen. Zwischen dem 22. Juni und 31. Dezember 1941 verzeichnete die 18. Panzerdivision 1.009 Gefallene, 3.560 Verwundete, 480 Vermisste, dazu kamen noch 2.274 Kranke. Das bedeutete 7.323 Gesamtabgänge bei einer Ausrückstärke von zirka 13.000 Mann zu Beginn des Unternehmens „Barbarossa“. Allein der Anteil der blutigen Verluste betrug somit annähernd 40 Prozent, während es beim gesamten Ostheer gut 25 Prozent waren.
Nach dem erneuten schweren Opfergang Anfang Juli 1942 sieht Divisionspfarrer Wolf den wegen „besonderer Tapferkeit und persönlichem Einsatz“ in den letzten Gefechten zum Ritterkreuz vorgeschlagenen Chef der 7. Kompanie/Schützenregiment 101, Oberleutnant Günter Schulze, „weinend über das Schlachtfeld“ laufen. Der verzweifelte Offizier ist auf der Suche nach seinem Bataillon, „das zerschlagen war“. Von einer Siegesstimmung über den hart errungenen Abwehrerfolg, die vernichteten 91 Feindpanzer, berichtet Pfarrer Wolf indes nicht. Am 18. Juli wird die ausgeblutete 18. Panzer- durch die 52. Infanteriedivision abgelöst, um endlich aufgefrischt zu werden. Es ist die erste Frontablösung seit August 1941.
Noch einmal Vorwärtsstürmen soll die 2. Panzerarmee am 11.8.1942. An diesem Tag beginnt das Unternehmen „Wirbelwind“, der lange geplante konzentrische Angriff von Generaloberst Schmidts Großverband auf den sowjetischen Frontvorsprung bei Suchinitschi, nördlich Orel. An Artillerie haben immerhin 46 Batterien, insgesamt 184 Geschütze87, Feuerstellungen bezogen. Die Operation sieht vor, von Süden her eine schnelle Kampfgruppe auf die Schisdra anzusetzen, den Fluss zu überschreiten und dann weiter nach Norden bis zur Vereinigung mit der 4. Armee durchzustoßen. Einhundert Kilometer sind zu bewältigen. Aber nur am ersten Tag gelingt der 11. Panzerdivision ein tiefer Einbruch bis Uljanovo. Dann gebietet das befestigte, verminte Gelände, in dem sich der Gegner so geschickt wie verbissen verteidigt, unüberwindlichen Halt.
Auch die 20. Panzerdivision88, die am 12. August mit 80 Kampfwagen zwischen Bolchow und Suchinitschi vorrollt, kämpft von Anfang an mit unvorhergesehenen Schwierigkeiten. Bereits beim Überfahren der Hauptkampflinie (HKL) rammt ein Panzer einen Stapel Minen, die Pioniere geräumt und mit Grasnarben getarnt am Straßenrand aufgeschichtet haben. Der Kampfwagen explodiert in einer 100 Meter hohen Feuer- und Rauchsäule. Von der fünfköpfigen Besatzung bleibt nichts mehr zum Beerdigen übrig. Ein böses Omen. In den Folgetagen läuft sich der Angriff fest. Eingegrabene, vorzüglich getarnte und noch schwerer auszuschaltende T 34 sowie eine Pak-Front, bestehend aus rund 40 Ratsch-Bumm-Geschützen, Kaliber 7,62 Zentimeter, fordern ihren Tribut. Das Panzerregiment 21 verliert 30 Kampfwagen, davon 13 Totalausfälle, die nicht wieder repariert werden können.
Nicht besser ergeht es den anderen Großverbänden der 2. Panzerarmee. Bei der 9. Panzerdivision zählen die Kompanien in der HKL gerade noch zehn bis 15 Mann. Am 22. August wird die Offensive abgebrochen, das Nordufer der Schisdra geräumt. Für Hitler ist das Unternehmen rückblickend „unser kapitalster Fehler in diesem Jahr“. Zumindest lässt der Verlauf der Operation „Wirbelwind“ abermals erahnen, wie schwer eine neuerliche Moskau-Offensive zu diesem Zeitpunkt gewesen wäre, speziell wenn der Großraum Brjansk-Orel die Basis dazu gebildet hätte.
Im August 1942 fallen an der Ostfront auf deutscher Seite 62.000 Mann. Das entspricht einer verheerenden Todesquote von gut 2.000 Mann pro Tag. Dass die Rote Armee im Jahresverlauf durchschnittlich fünf- bis sechsfach höhere Verluste als die Wehrmacht hinnehmen muss, macht das Ausbluten der Wehrmacht-Verbände nicht erträglicher, zumal der Gegner laufend Ersatz nachschiebt. Zwar mögen die Verpflegungsstärken (Gesamtkopfzahl) der einzelnen Ostdivisionen auf den ersten Blick noch eine relative Stärke ausdrücken. Aber die Wahrheit ist komplizierter. Die eigentliche Kampftruppe (Infanterie, Panzergrenadiere, Sturmpioniere), quantitativ erfasst in der sogenannten Gefechts- oder Grabenstärke, erleidet überproportional hohe Verluste. Mit anderen Worten: Das Rückgrat des deutschen Heeres ist angeknackst. Als Hitler auf die besonders hohen Verluste unter dem Offiziersersatz hingewiesen wird, soll er allerdings nur ungerührt entgegnet haben:
„Aber dafür sind die jungen Leute doch da!“89
BArch, 101I-461-0213-34
Ein „Tiger“ wird aufmunitioniert. Im Sommer 1942 kommt der neue deutsche Wunderpanzer erstmals zum Einsatz. Hitler bestimmt dafür das völlig ungeeignete Sumpf- und Waldgelände südöstlich von Leningrad. Entsprechend dürftig fällt die Front-Premiere aus.
BArch, Bild 183-B28557
An der Nord- und Mittelfront herrscht 1942 Stellungskrieg. Ohne Spaten läuft hier nichts. Jeder Landser weiß: Tief eingraben spart viel Blut.
BArch, 183-B28046
Major Werner Mummert, Kommandeur der Aufklärungsabteilung 256, erhielt am 17. August 1942 für die Einsätze in der Sommerschlacht um Rschew das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.
BArch, Bild 183-P0402-011
Generaloberst Schukow (M.) leitete im Sommer 1942 die Großoffensive der Roten Armee im Raum Rchew. Der Angriff scheiterte unter horrenden Verlusten.
BArch, Bild 183-B28556
Kurze Kampfpause nach einem Gegenangriff im Raum Orel. Alltag auf einem Nebenkriegsschauplatz, während im Süden die große deutsche Sommeroffensive rollt.
IV. „Fall Blau“
28.06.1942-25.07.1942
„Weiter, nur weiter, so denken wir, der verdammte Krieg soll möglichst rasch beendet werden […] Unsere Stimmung ist selten so gut wie bei diesem Vormarsch.“
Der Soldat Hans Heinz Rehfeldt90, Angehöriger der motorisierten Infanteriedivision Großdeutschland, über die vorherrschende Gemütslage der Landser am 22. Juli 1942.
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„Vor Stalin muss man unbedingten Respekt haben. Er ist in seiner Art schon ein genialer Kerl!“91
Der Führer Adolf Hitler, ebenfalls am 22. Juli, über seinen Kontrahenten im Kreml. „Wenn Churchill ein Schakal sei, so sei Stalin ein Tiger.“92 Und der sowjetische Diktator scheint nicht minder fasziniert von Hitler zu sein. Stalin lässt sich jedenfalls über alle Einzelheiten aus dem Leben seines Gegenspielers vortragen.
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„Da mit Verminung zu rechnen ist, ist für Bereitstellung von Minensuchgerät 42 (Juden oder gefangene Bandenangehörige mit Eggen und Walzen) in ausreichender Zahl zu sorgen.“93
Ein Wehrmachtbefehl, der von der völligen Verrohung der Kriegführung im Osten zeugt. Dazu gibt es ein erschütterndes Fotodokument, das eine russische Zivilistin beim Durchwaten einer Flussfurt zeigt. Auf der Rückseite der Bildserie „Vom Donez zum Don“ hat ein deutscher Soldat zynisch vermerkt: „Die Minenprobe“.
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