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Privat- und Prozessrecht
> Fund: Wer eine verlorene Sache findet, kann unter bestimmten Umständen Eigentümer der Fundsache werden (§§ 965 ff. BGB):
Verloren ist eine Sache, wenn sie dem bisherigen Besitzer so aus seinem Besitzbereich gekommen ist, dass dieser nicht weiß, wo sich der Gegenstand befindet. Finder ist, wer eine verlorene Sache entdeckt und an sich bringt. Er muss dem Eigentümer unverzüglich von dem Fund Anzeige machen (§ 965 Abs. 1 BGB). Kennt er den Eigentümer nicht und ist die gefundene Sache mehr als zehn Euro wert, so muss er den Fund bei der zuständigen Behörde unverzüglich anzeigen (§ 965 Abs. 2 BGB). Er muss auch die Sache vorläufig verwahren und für ihre Erhaltung sorgen (z. B. einen gefundenen Hund füttern, § 966 BGB).
Nach Ablauf von sechs Monaten erwirbt der Finder das Eigentum, wenn der Eigentümer nicht ermittelt wird (§ 973 BGB). Wird der Eigentümer ermittelt, so hat der Finder Anspruch auf Finderlohn (vgl. § 971 BGB). Er beträgt vom Wert der gefundenen Sache bis 500 Euro 5 %, von dem Mehrwert 3 %.
Wert des gefundenen Rings 1.200,– €: Der Finderlohn beträgt 46,– € (vom Wertanteil bis 500,– €: 5 % = 25,– €, von weiteren 700,– €: 3 % = 21,– €; insgesamt also 46,– €).
> Ersitzung: Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre lang ununterbrochen besessen hat und sich (gutgläubig) für den Eigentümer gehalten hat, wird nach Ablauf dieser Zeit Eigentümer (§§ 937 ff. BGB).
Erbe des verstorbenen Buchentleihers, argloser Käufer einer gestohlenen Sache.
> Erbgang: Mit dem Tod einer Person geht deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über (§ 1922 BGB). Er wird damit auch Eigentümer aller dem Erblasser zum Todeszeitpunkt gehörenden Gegenstände. Jeder Mensch kann durch Testament oder Erbvertrag selbst bestimmen, wer sein Erbe werden soll (gewillkürte Erbfolge). Er kann eine letztwillige Verfügung treffen.
Hat er dies versäumt, so regelt das Gesetz die Nachlassverteilung nach Gesichtspunkten, wie sie allgemeiner Anschauung entsprechen (gesetzliche Erbfolge): Erben sind dann der überlebende Ehegatte des Verstorbenen (§§ 1931 ff. BGB) und die Verwandten (§§ 1924 ff. BGB). Fehlen Verwandte oder ein Ehegatte, erbt der Fiskus des Bundeslandes, dem der Verstorbene angehört hat (§ 1936 BGB).
3.2.6 Dingliche Rechte
Vom Vollrecht Eigentum können als „Abspaltungen“ des Eigentums die sog. beschränkten dinglichen Rechte in Form der Nutzungsrechte (Nießbrauch, §§ 1030 ff. BGB; Grunddienstbarkeit, §§ 1O18 ff. BGB; beschränkte persönliche Dienstbarkeit, §§ 1090 ff. BGB; Erbbaurecht, §§ 1 ff. ErbbauRG), der Verwertungsrechte (Pfandrecht, §§ 1204 ff. BGB; Grundpfandrecht Hypothek, §§ 1113 ff. BGB; Grundschuld, §§ 1191 ff. BGB; Rentenschuld, §§ 1199 ff. BGB) und der Erwerbsrechte (Vorkaufsrecht §§ 1094 ff. BGB; Vormerkung, §§ 883 ff. BGB) angesehen werden, vgl. Einzelheiten unter 15.4..
3.2.7 Sonstige subjektive Rechte
Neben den relativen Forderungen und den absoluten Rechten gibt es noch sonstige subjektivie Rechte, etwa in Form von Gestaltungsrechten („Kündigungsrecht“ bei Miete gem. §§ 568 ff. BGB), Anfechtungsrechten (z. B. nach Irrtum § 119 ff. BGB), Rücktrittsrechten (z. B. bei Leistungsstörungen gem. § 323 BGB) oder Leistungsverweigerungsrechten (z. B. „Einrede der Verjährung“ gem. § 214 BGB; bei „faktischer Unmöglichkeit“ § 275 Abs. 2 BGB).
Wiederholungsfragen zum 3. Kapitel
1. Was sind Sachen im Sinne des Gesetzes?
2. Wie werden nach dem Gesetz Sachen eingeteilt?
3. Worin liegt der Grund für die unterschiedliche rechtliche Behandlung von beweglichen Sachen und Grundstücken?
4. Wie nennt man die Teile einer zusammengesetzten Sache?
5. Was ist wesentlicher Bestandteil einer beweglichen Sache, eines Grundstücks, eines Gebäudes?
6. Welches ist die rechtliche Besonderheit von wesentlichen Bestandteilen gegenüber einfachen Bestandteilen?
7. Weshalb sind (auch auswechselbare) Fenster wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes?
8. Was sind Scheinbestandteile eines Grundstücks?
9. Wie sind die Eigentumsverhältnisse an einer für die Bauzeit aufgestellten, auf festem Fundament errichteten Bauhütte?
10. Welche Regelung gilt für Einbauten, die ein Mieter vorgenommen hat?
11. Was ist Zubehör einer Sache, und welche rechtliche Bedeutung hat der Zubehörbegriff?
12. Wie werden Tiere im bürgerlichen Recht behandelt?
13. Welche Rechtsfolgen erwachsen aus einem schuldrechtlichen Vertrag?
14. Worauf ist ein „Anspruch“ gerichtet?
15. Wodurch erlischt eine Forderung?
16. Wie kann eine Forderung auf eine andere Person als Gläubiger übertragen werden?
17. Was ist die Folge, wenn ein Schuldner in Unkenntnis der Abtretung noch an den bisherigen Gläubiger leistet?
18. Ist gutgläubiger Erwerb einer Forderung möglich?
19. Kann die Abtretung durch Vereinbarung ausgeschlossen werden?
20. Welches sind die hauptsächlichen Anlässe für Forderungsabtretungen?
21. Kann auch die Person des Schuldners durch eine andere ersetzt werden?
22. Was bedeutet der Begriff „Erfüllungsübernahme“?
23. In welchen Fällen ordnet das Gesetz eine Vertragsübernahme an?
24. Was ist der Unterschied zwischen relativen und absoluten Rechten?
25. Gegen wen richten sich absolute Rechte?
26. Welches ist das umfassende Herrschaftsrecht an einer Sache?
27. Was bedeutet „Sozialgebundenheit“ des Eigentums?
28. Was kann Gegenstand des Eigentumsrechts sein?
29. Was bedeutet „Miteigentum nach Bruchteilen“, was „Gesamthandseigentum“?
30. Welche Rechte bestehen zum Schutz des Eigentums?
31. Welche einzelnen rechtlichen Vorgänge finden bei einem Kaufvertrag und seiner Abwicklung statt?
32. Was versteht man unter dem Trennungsgrundsatz?
33. Wie wird Eigentum an beweglichen Sachen rechtsgeschäftlich übertragen?
34. Wie vollzieht sich die Eigentumsübertragung, wenn der Veräußerer weiterhin die verkaufte Sache in seinem Besitz behalten soll?
35. Welche Teilakte erfordert die Grundstücksübereignung?
36. Was bedeutet „Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten“?
37. Was bedeutet „guter Glaube“ beim Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten?
38. In welchen Fällen ist gutgläubiger Eigentumserwerb an abhandengekommenen Sachen möglich?
39. Auf welche Weise kann sonst Eigentum erworben werden?
40. Welche Arten von dinglichen Rechten kennen Sie?
41. Was sind sonstige subjektive Rechte?
(siehe auch „Privat- und Prozessrecht – Übungsaufgaben mit Lösungen“, Fälle 13 bis 22)
4.Teilnahme am Rechtsverkehr durch Willenserklärung und Vertrag
4.1 Der Vertrag als Transaktionsgrundlage
In unserer Zeit ist jedermann darauf angewiesen, Waren und Dienste anderer in Anspruch zu nehmen: Niemand kann alle Güter für seinen Lebensbedarf selbst herstellen. Der gewerbliche Unternehmer braucht Maschinen, Rohstoffe, Arbeitskräfte, die ihm bei der Produktion helfen, für Steuerangelegenheiten den Steuerberater, bei Konflikten gelegentlich den Rechtsanwalt. Alle diese Dienste und Leistungen werden durch entsprechende Gegenleistungen „erkauft“, meist durch Zahlung der vereinbarten Vergütung in Geld. Dieser Leistungsaustausch wird nach den Regeln des Rechts auf Grundlage eines Vertrags durchgeführt.
Wie gesehen, vollziehen sich Vertragsabschluss und Vertragsabwicklung in mehreren Stufen: Durch den schuldrechtlichen Vertrag (Kaufvertrag, Mietvertrag, Werkvertrag) verpflichten sich die Vertragspartner lediglich gegenseitig, die versprochenen Leistungen zu erbringen; jeder wird zum Schuldner des anderen hinsichtlich der vertraglich übernommenen Leistung. Die Erfüllung des schuldrechtlichen Vertrages besteht dann darin, dass die versprochenen Leistungen auch tatsächlich erbracht werden.
Der Käufer einer Ware will Besitz und Eigentum an der gekauften Sache bekommen. Dies geschieht nach der Bestimmung des § 929 BGB: Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum an der Sache übergehen soll.
Der Verkäufer verlangt Bezahlung. Er will gleichfalls Besitz und Eigentum an einem Geldbetrag in Höhe des vereinbarten Kaufpreises erhalten. Auch das vollzieht sich nach der Regel des § 929 BGB: Geldübergabe und Einigung, dass das Geld jetzt dem Verkäufer gehört.
In diesem Kapitel wird das Zustandekommen des schuldrechtlichen Vertrages behandelt.
4.2 Die rechtsgeschäftliche Willenserklärung
4.2.1 Willenserklärungen als einseitige und zweiseitige Rechtsgeschäfte
Willenserklärung ist die auf eine Rechtsfolge gerichtete Willensäußerung einer Person.
Es gibt Willenserklärungen, die – etwa aufgrund eines Gestaltungsrechts – für sich allein schon eine rechtliche Wirkung auslösen. Insoweit spricht man von einseitigen Rechtsgeschäften.
Die (einseitige) Kündigungserklärung beendet das Arbeitsverhältnis (§ 620 Abs. 2 BGB), das Mietverhältnis (§ 542 Abs. 1 BGB) oder das Zeitungsabonnement. Die Anfechtungserklärung bewirkt die Vernichtung eines anfechtbaren Rechtsgeschäfts (§ 142 BGB). Die Rücktrittserklärung veranlasst die Rückabwicklung eines zuvor geschlossenen Vertrags (§ 346 BGB).
Meist sind es jedoch zwei sich entsprechende Willenserklärungen, die erst zusammenwirkend eine Rechtsfolge auslösen, sie bilden einen Vertrag (Vertragsantrag und Vertragsannahme – zweiseitiges Rechtsgeschäft).
Einseitiges Rechtsgeschäft Zweiseitiges Rechtsgeschäft WE wirkt alleine WE wirkt nur zusammen mit anderer WE z. B. Kündigung, Rücktritt z. B. Vertragsangebot und VertragsannahmeDie Willenserklärung selbst setzt sich aus zwei Teilen zusammen: dem Willen und der Erklärung.
4.2.2 Der Wille
Der Wille muss drei Erfordernisse erfüllen, um Teil einer wirksamen Willenserklärung sein zu können: Der Handelnde muss einen Geschäftswillen sowie einen Handlungswillen haben, der von einem Erklärungsbewusstsein getragen ist:
> Geschäftswille: Zur Willenserklärung ist ein bestimmtes rechtliches Wollen erforderlich, das ergibt sich schon aus obiger Definition. Ein Wille, der sich auf ein rein tatsächliches Vorhaben bezieht, ist rechtlich ohne Bedeutung.
Wenn Herr A am Silvesterabend den Willen hat, im neuen Jahr nicht mehr zu rauchen, so ist dieses Wollen rechtlich (und leider meist auch tatsächlich) ohne Bedeutung.
Ist eine andere als die beabsichtigte Rechtsfolge erklärt (z. B. infolge Irrtums), so kann die Willenserklärung angefochten werden.
> Handlungswille: Aber auch dort, wo der Handlung eine rechtserhebliche Erklärung beigemessen werden kann, muss die Handlung vom Willen des Handelnden getragen sein, damit eine Willenserklärung vorliegt („Handlungswille“). Unbewusste Handlungen, die rein äußerlich als Willenserklärung angesehen werden könnten, sind keine Willenserklärung.
Beispiele für fehlenden Handlungswillen sind Reflexbewegungen, Aussagen unter Hypnose.
> Erklärungsbewusstsein: Neben dem Handlungswillen muss schließlich auch noch ein Erklärungsbewusstsein vorliegen: Der Handelnde muss das Bewusstsein haben, gerade etwas Rechtserhebliches zu erklären.
Herr B sitzt bei einer Versteigerung, bei der nach den üblichen Gepflogenheiten das Erheben einer Hand ein Gebot bedeutet. Plötzlich reißt er während der Versteigerung den Arm nach oben, um auf diese Weise von ferne einen in den Saal eintretenden Bekannten zu begrüßen. Er kann – trotz Handlungswillens – nicht an dieses (scheinbare) Gebot gebunden werden, weil ihm diesbezüglich der Rechtsbindungswille, also der Wille, etwas rechtlich Bedeutsames erklären zu wollen, gefehlt hat. Er wollte nur einem Bekannten winken.
Aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Empfänger wird in diesen Fällen fehlenden Erklärungsbewusstseins zwar eine Willenserklärung angenommen, die nicht gewollte Erklärung kann jedoch angefochten werden.
Ein rechtlich erheblicher Wille liegt dagegen vor, wenn Herr C seinen Gebrauchtwagen dem Kollegen D für 20.000,– € verkaufen will, ihm also ein Kaufangebot macht.
4.2.3 Die Erklärung
Der Wille muss erkennbar geäußert werden. Das Wollen alleine genügt nicht, wenn es nicht für andere wahrnehmbar gemacht wird. Allerdings genügt als Erklärung oftmals auch ein schlüssiges Verhalten, wenn seine Bedeutung nach den Umständen klar zu verstehen ist.
Einsteigen in die Straßenbahn bedeutet Annahme des Angebots der Straßenbahngesellschaft auf Abschluss eines Beförderungsvertrags; entsprechende Bedeutung hat das Einfahren in ein Parkhaus.
4.2.4 Übereinstimmung von Wille und Erklärung
Der Wille und der Inhalt der abgegebenen Erklärung müssen übereinstimmen, damit eine vollwirksame Willenserklärung vorliegt.
Eine Divergenz liegt vor allem in den Fällen des Irrtums (z. B. Inhaltsirrtum oder Erklärungsirrtum) vor (vgl. Einzelheiten 6.7.2).
Wenn Schreiner A dem Besteller B die Anfertigung des gewünschten Einbauschrankes für 1.800,– € anbieten will, im Angebotsschreiben infolge eines Tippfehlers aber 1.500,– € genannt sind, ohne dass A dies beim Unterschreiben des Angebots bemerkt hat, dann stimmen Wille und Erklärung nicht überein.
A kann seine dem B gegenüber abgegebene Erklärung wegen Irrtums anfechten (§ 119 BGB) und damit rückwirkend wieder beseitigen.
Allerdings wird er, wenn B ihn an seinem (erklärten) Angebot über 1.500,– € festhalten will, seinen Irrtum (das Abweichen zwischen Wille und Erklärung) beweisen müssen (z. B. Sekretärin als Zeugin, die bekunden kann, aus Versehen die ihr vom Chef übergebene Notiz falsch abgeschrieben zu haben).
Unterlässt A eine Anfechtung, so bleibt der Vertrag mit dem erklärten Preis von 1.500,– € bestehen.
Außer im Falle des Irrtums können Wille und Erklärung noch in weiteren Fällen auseinanderfallen, etwa beim geheimen Vorbehalt (§ 116 BGB), beim Scheingeschäft (§ 117 BGB) oder bei der Scherzerklärung (§ 118 BGB) (Einzelheiten vgl. 6.3):
4.2.5 Wirksamwerden der Willenserklärung
Bei der Frage, wann Willenserklärungen wirksam werden, ist zwischen empfangsbedürftigen und nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen zu unterscheiden:
4.2.5.1 Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung
Eine Willenserklärung, die nicht an eine bestimmte Person zu richten ist (nicht empfangsbedürftige Willenserklärung), wird sofort mit der Äußerung wirksam.
Testament: Erklärung des letzten Willens in einem Testament wird nach Unterschriftsleistung wirksam (§ 2247 BGB). Stirbt ein Mensch sogleich, nachdem er sein Testament niedergeschrieben hat, ohne dass es jemand vorher zur Kenntnis genommen hat, so ist das Testament gültig. Der letzte Wille muss keiner anderen Person gegenüber erklärt werden.
Auslobung: Öffentliches Versprechen einer Belohnung für die Vornahme einer bestimmten Handlung (Wiederbringen des entflogenen Kanarienvogels) ist wirksam mit öffentlicher Bekanntmachung (§§ 657 ff. BGB – nicht zu verwechseln mit „Entlobung“, also Aufhebung eines Verlöbnisses, § 1298 BGB).
4.2.5.2 Empfangsbedürftige Willenserklärung
Meist sind jedoch die Willenserklärungen ihrem Inhalt nach für eine andere Person bestimmt und dieser gegenüber abzugeben (empfangsbedürftige Willenserklärung). In diesem Fall wird die Willenserklärung erst wirksam, wenn sie dem Empfänger zugeht (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Der Begriff des Zugangs und damit die Umstände des Wirksamwerdens einer Willenserklärung sind im Gesetz nicht näher bestimmt. Deshalb war es weithin Aufgabe der Gerichte, in vielen Einzelentscheidungen Grundsätze über das Zugehen einer Willenserklärung herauszuarbeiten. Danach gilt Folgendes:
Die einem Anwesenden gegenüber abgegebene nicht verkörperte, also mündliche, telefonische oder konkludente Erklärung, geht sogleich zu, wenn sie vom Empfänger wahrgenommen worden ist und der Erklärende davon ausgehen durfte, der Empfänger habe sie richtig und vollständig verstanden.
Die an einen Abwesenden – meist schriftlich – gerichtete Erklärung ist zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.
Unter „Machtbereich“ (Zugriffsbereich) sind Wohnung, Geschäftsräume, auch der Haus- oder Geschäftsbriefkasten zu verstehen, ebenso das auf Empfang gestellte Faxgerät oder das E-Mail-Postfach. Dazu zählt auch die Übergabe an einen „Empfangsvertreter“ (z. B. Rechtsanwalt) oder an einen „Empfangsboten“, etwa an den Ehegatten, einen erwachsenen Hausangehörigen, einen kaufmännischen Büroangestellten oder den Pförtner.
Was den Zeitpunkt des Zugangs angeht, der etwa bei einer innerhalb einer bestimmten Frist zu erklärenden Kündigung, einer fristgebundenen Rücktrittserklärung oder für die Annahme eines befristeten Angebots exakt zu bestimmen ist, ist maßgebend, wann unter gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist: Übliche Zeit der Leerung des Briefkastens, des Leerens eines Postfaches, des Ausdrucks einer Faxnachricht, des Abhörens des Anrufbeantworters und bei Empfangsboten der Zeitpunkt, zu dem die Weitergabe des Dokuments an den Adressaten zu erwarten war. Bei Übermittlung einer Willenserklärung an den Adressaten selbst oder einen Empfangsvertreter ist hingegen von sofortigem Zugang auszugehen.
Nachdem Post auch noch am Nachmittag zugestellt wird, gehen auch im Privatverkehr bis 18.00 Uhr eingeworfene Erklärungen noch am selben Tag zu. Im geschäftlichen Verkehr ist für das Zugehen von Postsendungen oder Faxmitteilungen auf die übliche Geschäftszeit abzustellen. E-Mails und SMS mit rechtsgeschäftlichen Erklärungen gehen zu, wenn sie im Postfach des Empfängers abrufbar gespeichert sind, nicht jedoch, wenn dies zur „Unzeit“ geschieht. Davon muss bei Eingang am Abend oder in der Nacht jedoch ausgegangen werden.
Wird spät am Abend noch eine Kündigung in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen, so ist das Zugehen dieser Erklärung erst für den nächsten Morgen anzunehmen. Die am Abend abgesandte und aufgezeichnete Fax-Bestellung geht dem angeschriebenen Versandhaus erst am nächsten Vormittag zu.
Ein besonderes Problem kann entstehen bei der häufig praktizierten Versendung wichtiger Erklärungen durch Einschreibebrief. Er geht erst zu, wenn er dem Empfänger tatsächlich ausgehändigt wird. Wenn der Briefträger den Empfänger beim ersten Zustellgang nicht antrifft und deshalb den Einschreibebrief nicht übergeben kann, so kann die darin enthaltene Erklärung auch noch nicht zugehen. Holt der Empfänger aufgrund einer Benachrichtigung den Brief am nächsten Tag beim Postamt ab, dann geht er jetzt zu. Die Frist kann inzwischen versäumt sein.
Ein sicherer Weg, der den Zugang gewährleistet und auch in einer amtlichen Urkunde dokumentiert wird, ist die amtliche Zustellung durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers. Gemäß § 132 Abs. 1 BGB steht diese Möglichkeit jedermann offen.
Weitere Einzelfälle zur Frage des Zugehens:
> Nachsendungsantrag: Ist vom Adressaten der Erklärung ein Nachsendungsantrag gestellt, so erfolgt das Zugehen mit der Aushändigung der Sendung am Aufenthaltsort.
> Abwesenheit: Ortsabwesenheit des Empfängers wegen Urlaubs, Krankheit, Haft steht einem Zugehen mit Einwurf in den Hausbriefkasten nicht entgegen.
> Zugangsvereitelung: Bei böswilliger Zugangsvereitelung ist nach Treu und Glauben ein Zugehen zu dem Zeitpunkt zu unterstellen, zu dem Kenntnisnahme hätte erfolgen können (Abstellen des Faxgeräts, wenn Erklärung per Fax vereinbart war).
> Unbegründete Annahmeverweigerung: Sie verhindert nicht das Zugehen; anders, wenn wegen fehlerhafter Anschrift oder unzureichender Frankierung (Strafporto) die Entgegennahme zu Recht abgelehnt wird.
4.2.6 Widerruf einer Willenserklärung
Trotz Zugang wird eine Willenserklärung nicht wirksam, wenn dem Empfänger vorher oder gleichzeitig ein Widerruf der Willenserklärung zugeht (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dieser „Widerruf“ ist jedoch nicht zu verwechseln mit dem 14-tägigen Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen (vgl. § 355 BGB).
A sendet aus Verärgerung seinem Chef ein Kündigungsschreiben. Gleich danach reut es ihn. Wenn es ihm gelingt, dem Chef einen Kündigungswiderruf so zuzuleiten, dass dieser noch vor oder spätestens gleichzeitig mit dem Kündigungsschreiben dem Chef zugeht (etwa durch Eilbrief oder persönliche Übergabe des Widerrufsschreibens, Achtung Schriftformzwang gem. § 623 BGB, daher keine E-Mail), dann ist die Kündigung unwirksam.