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Privat- und Prozessrecht
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4.3 Vertragsabschluss durch übereinstimmende Willenserklärungen

4.3.1 Der Vertragsabschluss

Ein Vertrag kommt durch gegenseitig abgegebene, inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen zustande: Vertragsantrag und Vertragsannahme.

V äußert gegenüber K, dass er ihm seine Uhr für 100,– € verkaufen wolle. K erwidert, er wolle die Uhr zu dem genannten Preis erwerben.


Damit ist der Vertrag geschlossen: Jeder kann vom anderen die Erfüllung der jeweils versprochenen Leistung verlangen.

Der Verkäufer schuldet Eigentumsverschaffung an der Uhr, § 433 Abs. 1 BGB.

Der Käufer schuldet Eigentumsverschaffung an dem Geld, Zahlung des Kaufpreises, § 433 Abs. 2 BGB.

4.3.2 Der Vertragsantrag

4.3.2.1 Begriff

Vertragsantrag oder Vertragsangebot nennt man die Willenserklärung, durch die einem anderen die Schließung eines Vertrags angetragen wird (§ 145 BGB). Der Antrag kann vom Verkäufer oder vom Käufer ausgehen: Die zuerst geäußerte Erklärung ist der Antrag, mit der nachfolgenden Zustimmungserklärung wird der Antrag angenommen.

Ein Vertragsantrag liegt nur vor, wenn er inhaltlich so bestimmt ist, dass er durch bloße Einverständniserklärung des Empfängers (z. B. durch Kopfnicken) angenommen werden kann.


Wenn A dem B lediglich erklärt, er wolle seinen Pkw verkaufen, ohne einen Preis zu nennen, so liegt darin kein Vertragsantrag. Die daraufhin geäußerte Zustimmung des B zum Kauf führt noch nicht zu einer vertraglichen Bindung der einen oder anderen Seite, weil eine Einigung über den Kaufgegenstand und dessen Preis erzielt werden muss.

4.3.2.2 Vertragsantrag und bloße Werbemaßnahme

Vom echten Vertragsantrag, dessen Annahme den Vertrag zustandebringt, sind solche „Angebote“ zu unterscheiden, die lediglich einen allgemein angesprochenen Personenkreis veranlassen sollen, mit dem Unternehmen in geschäftlichen Kontakt zu treten.

Dazu gehören Werbemaßnahmen wie Schaufensterauslagen, Kaufhausprospekte, Warensortimente von Onlineshops, Zeitungsanzeigen oder Speisekarten in Gaststätten. In all diesen Fällen handelt es sich schon deshalb nicht um rechtsgeschäftliche Vertragsanträge, weil sich der Anbietende doch jeweils noch vorbehalten will, mit wem er konkret in vertragliche Bindung treten will.

Wenn der ungepflegte mittellose S im Luxushotel Graf Zeppelin Platz nimmt und unter Bezugnahme auf die dort ausgelegte Speisekarte ein Menü bestellen will, so kann durch dessen Zustimmung mit der Speisenfolge in der Karte für den Hotelier noch keine vertragliche Bindung entstehen. Nicht das Auslegen der Speisekarte, sondern vielmehr die Bestellung des S ist das Angebot, das vom Hotelier selbstverständlich noch abgelehnt werden kann.

Dem Möbelhändler, der in seinem Verkaufsprospekt den Kauf von diversen Möbeln auf Raten anbietet, muss es noch möglich sein, das Geschäft mit einem total verschuldeten und wegen Betrugs vorbestraften Kaufinteressenten abzulehnen.

Deshalb sind die genannten Maßnahmen lediglich unverbindliche Werbeinstrumente, durch die der Geschäftsmann allgemein in Aussicht stellt, die angebotenen Waren zu den dort genannten Preisen verkaufen zu wollen. Sie stellen lediglich eine „Einladung“ an interessierte Kunden dar, „ihrerseits ein Angebot“ zu den bekannt gegebenen Konditionen zu machen (sog. invitatio ad offerendum = Einladung zum Geschäftsabschluss).

Dies gilt auch für die Preisschilder an den zum Verkauf aufgestellten Waren.


Im Kaufhaus hängen auf der Stange zehn gleiche Anzüge, die alle mit 400,– € ausgezeichnet sind. Der findige Kunde K entdeckt jedoch ein Exemplar, dessen Preisschild den Betrag von 200,– € ausweist. Er nimmt diesen Anzug zur Kasse, um den angegebenen Betrag zu bezahlen. Dort wird ihm von der aufmerksamen Kassiererin bedeutet, der Anzug koste wie alle anderen auch 400,– €. K ist demgegenüber der Ansicht, er habe das Angebot des Kaufhauses mit 200,– € angenommen und könne deshalb den Anzug zu diesem Preis beanspruchen. Zu Recht?

Ein Vertrag über 200,– € ist nicht zustande gekommen: K macht nämlich an der Kasse seinerseits erst dem Kaufhausinhaber ein Vertragsangebot, den Anzug für 200,– € kaufen zu wollen. Die Kassiererin „nimmt an“ zu 400,– €. Also fehlt es für einen Vertragsabschluss an den übereinstimmenden Willenserklärungen (vgl. dazu § 150 Abs. 2 BGB).

Selbstverständlich ist es dem Kaufhausinhaber nicht verwehrt, dem Kunden gleichwohl den Anzug für 200,– € zu überlassen, etwa um diesen, wenn er die wirkliche Rechtslage nicht einsehen mag, von negativen Äußerungen oder üblen Beschimpfungen abzuhalten.

Allerdings darf ein Geschäftsmann nicht systematisch dazu übergehen, durch extrem günstige Anpreisungen, zu denen er gar nicht stehen will, Kunden ins Geschäft zu locken. Ein solches Verhalten wäre ein Wettbewerbsverstoß, der nach den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb unterbunden werden könnte (vgl. §§ 5, 16 UWG).

Ein echtes „Angebot an jedermann“ liegt in der Aufstellung und Inbetriebnahme eines Verkaufsautomaten.

4.3.2.3 Gebundenheit an den Antrag

Vor der bindenden Wirkung eines abgeschlossenen Vertrages steht zunächst einmal die Gebundenheit des Antragenden an seinen Antrag (§ 145 BGB). Grundsätzlich muss der Anbietende dem Empfänger seines Vertragsantrages Gelegenheit geben, auf das Vertragsangebot positiv oder negativ zu reagieren. So lange kann er seinen Antrag nicht ohne Weiteres annullieren, auch wenn er ihn inzwischen bereut.

Bei der Bindung an einen dem Empfänger wirksam zugegangenen Antrag sind verschiedene Fallgestaltungen zu unterscheiden:

Kein Fall der „Bindung an ein Angebot“ ist der Fall des vorherigen oder gleichzeitigen Zugangs eines Widerrufs, weil in diesem Fall das Angebot erst gar nicht wirksam wird (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB).

> Ausschluss der Gebundenheit: Eine Bindung an den zugegangenen Antrag besteht überhaupt nicht, wenn der Antragende die Gebundenheit ausgeschlossen hat (§ 145 a. E. BGB). Dies kann durch den Angebots-Zusatz „freibleibend“ oder „unverbindlich“ geschehen. Die daraufhin erfolgende „Annahme“ ist dann eigentlich erst das Angebot, auf das der „freibleibend Anbietende“ seinerseits immer noch frei entscheiden kann, ob es durch seine Annahme zum Vertragsabschluss kommen soll.

> Bindung nur während Annahmefrist: Hat der Antragende für die Annahme eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen. Nach dem Ablauf der Frist ist die Annahme verspätet, der Antragende ist an sein Angebot nicht mehr gebunden (§ 148 BGB). Das Angebot ist erloschen (§ 146 BGB).

Im Übrigen ist zu unterscheiden, ob der Antrag an einen anwesenden Empfänger oder an einen abwesenden Empfänger gerichtet wird.

> Anwesender Antragsempfänger: Beim Angebot an einen Anwesenden – dazu zählt auch der Gesprächspartner am Telefon – muss der Antragsempfänger sogleich entscheiden, ob er annehmen will oder nicht. Nimmt er den Antrag nicht sofort an, so ist der Antrag erloschen (§ 146 BGB). Der Antragende ist dann nicht mehr an sein Angebot gebunden (§ 147 Abs. 1 BGB).

> Abwesender Antragsempfänger: Beim Angebot an einen Abwesenden ist der Antragende an seinen Antrag bis zu dem Zeitpunkt gebunden, zu dem er unter gewöhnlichen Umständen mit dem Eingang der Antwort rechnen darf (§ 147 Abs. 2 BGB). Um diesen Zeitpunkt zu errechnen, müssen die Zeit von der Absendung bis zum gewöhnlichen Eintreffen des Angebotsschreibens beim Empfänger (Dauer der Übermittlung), eine angemessene Überlegungsfrist sowie die übliche Zeitdauer bis zum Eintreffen der Antwort beim Antragenden (Dauer der Rückübermittlung) kalkuliert werden. Nach diesem Zeitpunkt erlischt das Angebot wieder (§ 146 BGB).

Wie lange demnach die Gebundenheit im Einzelfall dauert, kann nicht abstrakt nach Tagen angegeben werden, sondern hängt von den jeweiligen Umständen ab (Laufzeit der Post oder des sonst gewählten Übermittlungswegs, z. B. E-Mail, Gewichtigkeit des infrage stehenden Geschäftsvorganges).


4.3.2.4 Kosten eines Vertragsangebots

Nicht selten entstehen dem Anbietenden für die Ausarbeitung eines Angebots erhebliche Aufwendungen.

Gehalt des mit der Angebotserstellung betrauten Mitarbeiters, Kosten vorbereitender Erhebungen oder Gutachten.

Der Anbieter wird diesen Aufwand in der Regel in seinem Preis entsprechend berücksichtigen, sodass er, wenn der Vertrag zustande kommt, für seine vorgelegten Kosten einen Ausgleich erhält. Kommt es jedoch nicht zur Annahme des Angebots und somit nicht zum Vertrag, so kann der Anbieter für die Angebotsausarbeitung keine Entschädigung verlangen, es sei denn, er hat vor Ausarbeitung des Angebots mit dem anderen Teil eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, dass ihm der Aufwand für das Angebot in jedem Falle zu ersetzen sei (ausdrückliche vertragliche Vereinbarung über eine Entschädigung für die Angebotserstellung).

Solche kostenaufwendigen Angebote kommen besonders bei Ausschreibungen für größere Bauvorhaben und bei der Ermittlung der Reparaturkosten für Verkehrsunfallschäden vor. Manche Kfz-Werkstätten gehen deshalb dazu über, die Kostenermittlung für die Instandsetzung von Unfallschäden nur gegen Bezahlung eines angemessenen Betrages durchzuführen, der dann im Falle der Erteilung des Reparaturauftrages als Anzahlung auf die Endrechnung angerechnet wird.

4.3.3 Die Vertragsannahme

4.3.3.1 Die Annahmeerklärung

Mit dem rechtzeitigen Zugehen der Annahmeerklärung beim Antragenden kommt der Vertrag zustande. Er kann danach nicht mehr einseitig aufgelöst werden. Die Annahme braucht jedoch nicht immer ausdrücklich erklärt zu werden. Sie kann auch stillschweigend (konkludent) erfolgen.

Mit dem Einfahren in einen bewachten Parkplatz wird das Angebot, gegen Entgelt dort zu parken, konkludent angenommen.

A bestellt bei der Buchhandlung B per Brief ein Buch. Mit der formlosen Zusendung des Buches ist der Vertrag konkludent geschlossen.

Enthält eine Handwerkerrechnung den Vermerk „Zahlung innerhalb 14 Tagen mit 3 % Skonto“, so liegt darin das – den ursprünglichen Vertrag abändernde – Vertragsangebot, dass der Handwerker bei fristgemäßer Zahlung auf den entsprechenden Teil seiner Forderung verzichten wolle. Durch Zahlung des ermäßigten Betrages innerhalb der Frist nimmt der Kunde das Angebot stillschweigend an. Zahlt er nicht, so erlischt mit Ablauf der Frist das Angebot, sich mit geringerer Zahlung begnügen zu wollen (vgl. § 148 BGB).

Der unzufriedene Kunde K schreibt an den Handwerker: „Ihre Rechnung über 500,– € ist überhöht. Wegen der schon mitgeteilten Mängel besteht Ihre Forderung nur in Höhe von 250,– €. Über diesen Betrag lege ich einen Scheck zu treuen Händen bei. Ich betrachte damit die Angelegenheit als erledigt.“ Wenn der Handwerker daraufhin den Scheck widerspruchslos einlöst, hat er das Vertragsangebot des Kunden über die Bereinigung der Streitsache (durch Vergleich, vgl. § 779 BGB) konkludent angenommen. Er kann dann den Restbetrag nicht mehr verlangen. Etwas anderes gilt natürlich, wenn der Kunde mit entsprechender Anmerkung eine unvollständige „Schlusszahlung“ auf das Konto des Handwerkers überweist und dieser das Geld auf seinem Konto einfach nur belässt. In diesem Fall fehlt es an einer Annahmeerklärung durch den Handwerker.

4.3.3.2 Ablehnung des Vertragsangebots

Wird ein Antrag ausdrücklich oder stillschweigend abgelehnt, so ist er damit erloschen (§ 146 BGB). Dies ist auch der Fall, wenn der Antragsempfänger überhaupt nicht reagiert.

Wird ein Antrag verspätet angenommen, also zu einer Zeit, da er schon erloschen war, so gilt diese verspätete Annahme jedoch als ein neuer Antrag, den jetzt der zuerst Anbietende seinerseits wieder annehmen oder ablehnen kann (§ 150 Abs. 1 BGB).

Die „Annahme“ unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung des Antrags, verbunden mit einem neuen Antrag (§ 150 Abs. 2 BGB). Das ist der Fall, wenn im Verlauf von Verhandlungen die Gegenseite auf einen zuerst genannten Betrag mit abweichenden Preisvorstellungen reagiert.

Die gleiche Rechtslage ist auch gegeben, wenn der Unternehmer auf eine einfache Bestellung eines Kunden, die nur den Gegenstand und den Preis nennt, mit einer Auftragsbestätigung „zustimmend“ antwortet, darin aber zusätzlich auf seine ausführlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nimmt: Mit der Auftragsbestätigung wird die einfache Bestellung abgelehnt und ein neues Angebot mit dem Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterbreitet. Denn Vertragsantrag (Ware, Preis) und „Annahme“ (Ware, Preis, AGB) weichen ja voneinander ab. Der Kunde hat dann wieder freie Hand, ob er das Gegenangebot annehmen will oder nicht. Nimmt der Kunde nach Kenntnis der ihm zugesandten Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Lieferung allerdings ohne Widerspruch entgegen, so hat er damit stillschweigend das neue Angebot angenommen (vgl. § 151 BGB), und der Vertrag ist mit dem Inhalt der Auftragsbestätigung zustande gekommen.


4.3.3.3 Auseinanderfallen von Antrag und Annahme (Dissens)

Solange beim Aushandeln der Vertragsbedingungen die gegenseitigen Erklärungen erkennbar noch nicht übereinstimmen, fehlt es an einem Vertragsabschluss (sogenannter offener Dissens, § 154 BGB).

V bietet K einen Gebrauchtwagen BMW 3er, tiefer gelegt mit Heckspoiler zum Kauf für 15.000,– € an. K ist einverstanden, weil ihm das Auto gefällt, allerdings ist er nur zur Zahlung von 10.000,– € bereit. V und K haben sich offensichtlich über den Preis nicht geeinigt. Es liegt ein Dissens vor. Ein Vertrag ist nicht geschlossen.

Aber auch wenn die Erklärungen unbemerkt auseinandergehen, obwohl die Verhandelnden glauben, sich einig geworden zu sein, fehlt es an einem Vertragsabschluss (versteckter Dissens, § 155 BGB).

A bietet dem B Ware zum Preis von 100 Kronen an. B nimmt das Angebot zu 100 Kronen an. Jedoch: A meint dänische Kronen, B denkt an schwedische Kronen. Ergebnis: Ein Vertrag ist nicht zustande gekommen.

4.3.3.4 Schweigen auf einen Vertragsantrag und kaufmännisches Bestätigungsschreiben

Schweigen auf ein Angebot zum Vertragsabschluss bedeutet regelmäßig nicht die Annahme des Antrages, da Schweigen keine Willenserklärung ist.

Wer unverlangt Ware (z. B. ein Buch) zugesandt erhält mit der Aufforderung, sie bei Nichtgefallen zurückzusenden, kann das darin liegende Vertragsangebot durch Zahlung annehmen. Wenn der Empfänger jedoch überhaupt nichts unternimmt, kann von ihm die Zahlung des Kaufpreises nicht verlangt werden, denn durch sein Schweigen ist der Vertragsantrag nicht angenommen worden, ein Kaufvertrag ist nicht zustande gekommen.

Ein Verbraucher muss die ihm zugesandte Ware nicht einmal an den Unternehmer zurückgeben, selbst wenn dieser sie abholen will, weil nach § 241a Abs. 1 BGB durch Zusendung von nicht bestellter Ware ein Anspruch nicht begründet wird, weshalb auch kein Herausgabeanspruch des Unternehmers gegen den Empfänger der Ware besteht. Dies darf zum Nachteil des Verbrauchers auch nicht durch anderslautende Ankündigungen umgangen werden, § 241a Abs. 3 BGB.


Etwas anderes gilt hinsichtlich des Schweigens, wenn einem Kaufmann, dessen Gewerbebetrieb die Geschäftsbesorgung für andere mit sich bringt, ein Angebot von jemandem zugeht, mit dem er bereits in Geschäftsverbindung steht. Hier besteht die Notwendigkeit, auf ein sich im Rahmen der bisherigen Geschäftsverbindung haltendes Angebot ablehnend zu reagieren, wenn die Durchführung des angetragenen Geschäfts nicht gewünscht wird (§ 362 Abs. 1 HGB). Schweigen gilt in diesem Sonderfall sogar als Annahme des Antrags.

Kunde Reich telefoniert mit seinem Kundenberater Kränklich bei seiner Hausbank und möchte ihn anweisen, sofort 100 VW-Aktien auf seine Rechnung – unter Belastung seines Börsenkontos bei der Bank – zu kaufen. Leider erreicht er nur den Anrufbeantworter des Bankmitarbeiters, auf dem er seine Order hinterlässt. Reagiert Kränklich hierauf nicht unverzüglich, wird das Schweigen der Bank als Annahme des Geschäftsbesorgungsantrags angesehen, §§ 362 Abs. 1 Satz 1 HGB, 675 BGB. Versäumt die Bank nun den Kauf der Aktien zum niedrigen Kurs, macht sie sich u. U. gegenüber Reich schadensersatzpflichtig, wenn der Aktienkurs in der Folge rapide angestiegen ist.

Besonderheiten gelten auch für Vertragsschlüsse im kaufmännischen Rechtsverkehr, die nachträglich durch einen der Vertragspartner in einem sog. „kaufmännischen Bestätigungsschreiben“ fixiert werden: Stehen auf beiden Seiten eines Rechtsgeschäfts Kaufleute im Sinne der §§ 1 ff. HGB oder wenigstens Personen, die in entsprechendem Umfang am Wirtschaftsleben „wie Kaufleute“ teilnehmen, bestätigt einer von ihnen den vorangegangenen (mündlichen) Vertragsschluss schriftlich und übermittelt er dieses Bestätigungsschreiben dem anderen unverzüglich, so gilt der Vertrag als mit dem im Bestätigungsschreiben niedergelegten Inhalt als zustande gekommen, wenn der Empfänger des Bestätigungsschreibens dem fixierten Inhalt nicht unverzüglich widerspricht. Sein Schweigen gilt auch hier als Einverständnis mit den fixierten Inhalten.

Diese Fiktion gilt nur dann nicht, wenn ein vorheriger Vertragsschluss überhaupt nicht stattgefunden hat oder wenn der Inhalt des Bestätigungsschreibens vom wahren Vertragsinhalt in einzelnen Punkten so wesentlich abweicht, dass der Absender insoweit redlicherweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte. Dann bleibt es bei dem mündlich Vereinbarten, dessen Inhalt allerdings – mangels schriftlicher Fixierung – regelmäßig nur schwer zu beweisen ist.

4.4 Rechtsfolgen des Vertrags

Durch den Vertragsschluss entstehen die von den Vertragsparteien durch ihre Willenserklärungen übernommenen Verpflichtungen. Beim Vertragspartner führt dies zu einem Anspruch (das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, § 194 Abs. 1 BGB).

Je nachdem, welcher Vertrag geschlossen wurde, bedeutet das: Der Verkäufer muss liefern (§ 433 Abs. 1 BGB), der Käufer bezahlen (§ 433 Abs. 2 BGB); der Unternehmer muss das versprochene Werk herstellen (§ 631 Abs. 1 1. HS BGB), der Besteller die Vergütung entrichten (§ 631 Abs. 1 2. HS BGB); der Vermieter muss die Mietsache zum Gebrauch überlassen (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB), der Mieter die Miete bezahlen (§ 535 Abs. 2 BGB).

Diese Vertragspflichten sind bindend (lat.: „pacta sunt servanda“). Jeder Vertragspartner kann seinen Anspruch notfalls auch im Wege der Klage durchsetzen.

Die wirksam entstandenen Vertragswirkungen können grundsätzlich nur in beiderseitigem Einverständnis, etwa durch einen Aufhebungsvertrag, wieder beseitigt werden. Eine einseitige Lösung aus dem Vertragsverhältnis ist nur unter besonderen Umständen möglich:


> Vertragliches Rücktrittsrecht für einen oder beide Vertragspartner (§ 346 BGB).

> Gesetzliches Rücktrittsrecht in den Fällen des Ausbleibens der fälligen Leistung des Schuldners (Verspätung), des Vorliegens eines Mangels nach angemessener Fristsetzung, bei Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag infolge Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter oder Interessen des Vertragspartners oder bei Unmöglichkeit der Leistung (§§ 323, 324, 326 Abs. 5 BGB).

> Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen wie dem Mietvertrag, dem Darlehensvertrag, dem Arbeitsvertrag oder dem Werkvertrag (§§ 573 ff., 489 f., 620 Abs.2, 621 ff., 648 BGB).

> Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen, also bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, Fernabsatz- und Verbraucherdarlehensverträgen (§§ 310 Abs. 3, 312b, 312c, 491 BGB) aufgrund besonderer Schutzbestimmungen (§§ 312g, 495 BGB) zugunsten eines Verbrauchers (§ 13 BGB) gegenüber einem Unternehmer (§ 14 BGB), das sogar das Zustandekommen des abgeschlossenen Vertrages rückwirkend verhindert (§ 355 BGB).

Achtung! Vom Vertragsschluss ist die Vertragserfüllung strikt zu trennen. Nicht selten fallen aber bei den Geschäften des täglichen Lebens Vertragsabschluss (Verpflichtungsgeschäft) und Vertragsabwicklung (Erfüllungsgeschäft/ Verfügungsgeschäft) scheinbar in einem Vorgang zusammen.

Der Passant legt am Kiosk ein 2-€-Stück auf den Tisch und nimmt mit Zustimmung des Händlers eine der dort aufgestapelten Zeitungen weg. Der Zeitungshändler legt das Geld in seine Kasse: Bereitstellen der Zeitung und Ablegen des Geldes bedeuten Verkaufsantrag und Vertragsannahme (Vertragsschluss, §§ 433, 145 BGB). Durch das einverständliche Wegnehmen von Zeitung und 2-€-Stück wird der Vertrag gleich auch erfüllt (Übereignung durch Einigung und Übergabe – § 929 BGB).

4.5 Absprachen ohne Rechtsbindung

Nicht jede Willensübereinstimmung oder Absprache führt jedoch zu einer vertraglichen Verpflichtung. Es gibt auch Vereinbarungen, die ohne Rechtsbindungswillen getroffen werden, und damit keine Willenserklärungen sind. Sie sind weder erzwingbar, noch haben sie im Falle der Nichteinhaltung Folgen.

4.5.1 Gefälligkeitsverhältnisse

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