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Privat- und Prozessrecht
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Die Voraussetzungen der Abtretung sind die folgenden:

> Vertrag: Um eine Forderung abzutreten, bedarf es eines „Vertrages“ zwischen dem alten Gläubigers und dem neuen Gläubiger. Dabei ist jedoch nicht der schuldrechtliche Verpflichtungsvertrag gemeint, in dem sich der Zedent dem Zessionar gegenüber zur Abtretung verpflichtet, sondern die – aus zwei Willenserklärungen bestehende – Einigung zwischen beiden, mit der die Abtretung vollzogen wird.

Der Schuldner muss bei der Abtretung nicht mitwirken und nicht einmal davon in Kenntnis gesetzt werden (sog. „stille Zession“). Er wird jedoch geschützt, wenn er in Unkenntnis der Abtretung noch an den bisherigen Gläubiger leistet (§ 407 BGB) oder wenn er eine ihm gegenüber dem bisherigen Gläubiger bestehende Aufrechnungsmöglichkeit wahrnimmt (§ 406 BGB): Der neue Gläubiger muss das gegen sich gelten lassen. Andererseits darf er sich auf eine ihm mitgeteilte Abtretungsanzeige verlassen, wenn er an den ihm benannten neuen Gläubiger bezahlt, selbst wenn die Abtretung nicht wirksam gewesen oder rückgängig gemacht worden wäre (§ 409 Abs. 1 BGB).

> Forderungsbestand: Die Forderung muss bestehen, d. h. tatsächlich existent sein. Denn ein gutgläubiger Erwerb an einer nicht bestehenden Forderung, wie das bei der Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen durch einen Nichtberechtigten möglich ist (§ 932 BGB, vgl. Einzelheiten unter 3.2.5.3), ist hier ausgeschlossen, weil ja sonst absolut unbeteiligte Personen beliebig mit nicht bestehenden Ansprüchen belastet werden könnten. War die abgetretene Forderung nur „erfunden“ oder bereits erloschen, geht die Abtretung ins Leere.

> Bestimmtheit: Weiteres Erfordernis ist die Bestimmtheit der Forderung. Allerdings kann auch schon eine erst in Zukunft entstehende Forderung abgetreten werden, wenn sie für den Zeitpunkt der beabsichtigten Übertragung hinsichtlich der Person des Schuldners, ihres Inhalts und ihrer Höhe bestimmbar ist.

> Kein Abtretungsverbot: Nicht abgetreten werden kann eine Forderung, wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist (sog. Abtretungsverbot, § 399 BGB). Soweit Forderungen von Gläubigern nicht gepfändet werden dürfen (z. B. Unterhaltsforderungen), können sie auch nicht abgetreten werden (§ 400 BGB).

Arbeitgeber vereinbaren häufig in Arbeitsverträgen ein Abtretungsverbot hinsichtlich der Lohnforderungen ihrer Arbeitnehmer, damit sie nicht mit einer Unzahl ständig wechselnder Gläubiger ihrer Arbeitnehmer konfrontiert werden, die die pfändungsfreien Anteile des Arbeitseinkommens für sich beanspruchen.

Unter Kaufleuten ist ein Abtretungsausschluss unwirksam (§ 354a Abs. 1 Satz 1 HGB), weil sonst die im Geschäftsleben übliche Finanzierungsmöglichkeit durch Factoring ausgeschlossen wäre (vgl. 11.6).

Praktische Bedeutung hat die Abtretung vornehmlich in folgenden Fällen:

> Sicherungsabtretung: Abtretung zur Absicherung eines vom Gläubiger aufgenommenen Kredits (vgl. „Globalzession“, vgl. 11.8.3.5).

> Inkassozession: Abtretung zum Zwecke der Einziehung der Forderung durch einen Dritten (Inkassounternehmen) im eigenen Namen für den „eigentlichen Gläubiger“.

> Forderungskauf: Abtretung im Rahmen eines Factoringgeschäfts (vgl. 11.6).

> Verlängerter Eigentumsvorbehalt: Abtretung im Rahmen der „Vorausabtretungsklausel“ (vgl. 10.2.2.5).

3.2.1.3 Schuldübernahme

Während es sich bei der Forderungsabtretung um einen Gläubigerwechsel handelt, findet bei der Schuldübernahme ein Schuldnerwechsel statt: Eine bestehende Schuld kann auch von einer anderen Person als dem bisherigen Schuldner übernommen werden. Man unterscheidet zwei Varianten: die befreiende Schuldübernahme und die kumulative Schuldübernahme, den sog. Schuldbeitritt. Daneben gibt es noch die Vertragsübernahme.


Die befreiende Schuldübernahme kann einerseits geschehen durch Vertrag zwischen dem Gläubiger und dem Übernehmer der Schuld (§ 414 BGB). Andererseits ist aber auch eine Schuldübernahme durch Vertrag zwischen dem Schuldner und dem Übernehmer (§ 415 BGB) möglich. In diesem Fall hängt allerdings die Wirksamkeit des Geschäfts von der Genehmigung durch den Gläubiger ab. Denn dieser muss sich selbstverständlich nicht einen – möglicherweise zahlungsunfähigen – beliebigen anderen Schuldner aufdrängen lassen. Wird die Genehmigung vom Gläubiger nicht erteilt, so spricht man von „Erfüllungsübernahme“. Das bedeutet: Der Übernehmer ist im Verhältnis zum eigentlichen Schuldner zur Begleichung der Schuld verpflichtet. Dieser wird aber gegenüber dem Gläubiger nicht frei von der Schuld, solange sie noch offen ist.

Ein Schuldbeitritt (sog. kumulative Schuldübernahme) ist gegeben, wenn auf der Schuldnerseite eine weitere Person zusätzlich hinzutritt, ohne dass der bisherige Schuldner entlassen wird.

Der Gaststättenpächter kann nach sechs Monaten die Pacht nicht mehr aufbringen, drei Monatspachtforderungen sind bereits offen. Er präsentiert dem Verpächter einen Nachfolger, der das Lokal übernimmt. Der neue Pächter tritt der bestehenden Schuld aus offenen Pachtforderungen bei. Der bisherige Gaststättenpächter haftet aber auch weiterhin für die drei offenen Pachtforderungen.

Während Gegenstand einer Forderungsabtretung wie einer Schuldübernahme immer nur eine einzelne Forderung ist, sieht das Gesetz in einigen wenigen Fällen vor, dass alle Rechte und Pflichten aus einem Vertragsverhältnis auf eine andere Person übergehen (Vertragsübernahme):

> „Kauf bricht nicht Miete“: Wird vermieteter Wohnraum (z. B. eine vermietete Eigentumswohnung) vom bisherigen Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber kraft Gesetzes in das Mietverhältnis ein (§ 566 BGB).

> Betriebsübergang: Geht ein Unternehmen oder ein Teil eines Unternehmens durch Vertrag auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser aufgrund gesetzlicher Anordnung in die bestehenden Arbeitsverhältnisse ein (§ 613a BGB).

3.2.2 Absolute Rechte

Absolute Rechte sind in ihrem Wesen von relativen (Forderungs-)Rechten grundsätzlich verschieden: Während sich ein Forderungsrecht nur gegen die Person des Schuldners richtet, müssen absolute Rechte nicht nur von einer bestimmten Person, sondern von jedermann respektiert werden.

Der Eigentümer kann unberechtigte Einwirkungen dritter Personen auf seine Sachen abwehren (vgl. § 903 BGB). Der Schriftsteller hat das ausschließliche Recht an seinem literarischen Werk (Urheberrecht), der Erfinder an seinem Patent (Patentrecht). Jeder Mensch hat ein „allgemeines Persönlichkeitsrecht“.

Käufer K entdeckt beim Antiquitätenhändler A eine alte Standuhr. Er schließt mit A einen Kaufvertrag ab. Die Uhr soll ihm in den nächsten Tagen zugeführt werden. Vorher kommt aber noch der Kunstsammler S in das Geschäft des A. Er ist erpicht auf die noch dort stehende Uhr. A verkauft sie ihm nochmals zu einem wesentlich höheren Preis, und S nimmt die Uhr gleich mit. Der enttäuschte K hat gegen den ungetreuen A lediglich einen Lieferanspruch (→ ein relatives Recht). Von ihm kann er wegen verschuldeter Unmöglichkeit Schadensersatz verlangen (§§ 275 Abs. 1, 280, 283 BGB). An die begehrte Uhr kommt er aber nicht mehr heran. An ihr hat nämlich S durch die Übereignung ein absolutes Recht (→ das Eigentum) erworben, das gegen jedermann, also auch gegen K, wirkt (vgl. § 903 BGB).

3.2.3 Besitz an Sachen

Ein absolut wirkendes Herrschaftsrecht an Sachen ist der Besitz. Er bedeutet die tatsächliche Herrschaft über eine Sache (§ 854 BGB). Unmittelbaren Besitz haben der Mieter einer Sache, der Unternehmer während der Dauer der Reparatur und sogar der Dieb, wenn er die gestohlene Sache an sich genommen hat.

Davon ist der mittelbare Besitz zu unterscheiden: Besitzt jemand eine Sache aufgrund eines Mietvertrages als Mieter, so „vermittelt“ er dem Vermieter den mittelbaren Besitz: Der Mieter ist unmittelbarer Besitzer, der Vermieter ist mittelbarer Besitzer, und der Mietvertrag stellt das Besitzmittlungsverhältnis dar. Gleiches gilt für Pächter, Verwahrer, Entleiher, Pfandgläubiger, Nießbraucher oder ähnliche Berechtigte (§ 868 BGB).

Bei der Sicherungsübereignung von Maschinen durch einen Kreditnehmer an eine Bank spielt dieser mittelbare Besitz eine Rolle: Die nach § 929 BGB eigentlich erforderliche Besitzübergabe der Maschinen an die Bank kann vermieden werden, wenn der Kreditnehmer die nun der Bank als Sicherheit für die Kreditrückzahlung zu übereignenden Maschinen durch einen Mietvertrag „zurückmietet“. Bei Vereinbarung eines solchen „Besitzmittlungsverhältnisses“ können die Maschinen beim Kreditnehmer als Mieter belassen werden (§ 930 BGB).

3.2.4 Das Eigentum

3.2.4.1 Begriff des Eigentums

Eigentum ist das umfassende Vollrecht an einer Sache. Es kann an beweglichen oder an unbeweglichen Sachen (Immobilien) bestehen. Privateigentum ist in der Bundesrepublik Deutschland als ein grundsätzlich unbeschränktes, individuelles Herrschaftsrecht anerkannt: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet (Artikel 14 Abs. 1 GG).

Der Eigentümer einer Sache kann mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen (§ 903 BGB). Der Eigentümer kann also seine Sachen nach seinem Willen gebrauchen und verbrauchen, bearbeiten, umgestalten, Nutzungen daraus ziehen, sie veräußern oder zerstören.

Diese Ausgestaltung und Garantie des Privateigentums hat nicht zu allen Zeiten und in allen Staaten gegolten. In frühgeschichtlicher Zeit (Zeit der Sippenverbände) gab es kein Einzeleigentum der Sippenmitglieder. Solches entstand erst nach und nach, zuerst an persönlichen Dingen wie Schmuck, Waffen und sehr spät erst an Grund und Boden.

Eigentum gibt es nur an Sachen (§ 90 BGB).

Es ist deshalb falsch, vom „Eigentümer eines Unternehmens“ zu reden, denn ein Gewerbebetrieb als Gesamtheit ist keine Sache. Auch gibt es kein Eigentum an einem Sparkonto. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine Forderung gegen die Bank. Der Kontoinhaber ist als Forderungsinhaber ein Gläubiger der Bank.

Schließlich gibt es auch kein Eigentum an einem Patent. Der Erfinder, für den das Patent eingetragen ist, ist Rechtsinhaber oder Berechtigter.

Jedoch ist auch in unserer Zeit das Eigentumsrecht nicht als schrankenlose Machtbefugnis zu verstehen, vielmehr besteht eine sogenannte Sozialbindung des Privateigentums:Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ (Art. 14 Abs. 2 GG).

So hat selbstverständlich der Eigentümer für den sicheren Zustand seiner Sachen zu sorgen, damit andere dadurch nicht Schaden erleiden (vgl. § 836 BGB für den „Grundstücksbesitzer“). Am deutlichsten zeigt sich die soziale Bindung des Eigentums im Wohnungsmietrecht bei den dort stark eingeschränkten Kündigungsmöglichkeiten (vgl. §§ 573 ff. BGB). Weitere Einschränkungen ergeben sich unter den Gesichtspunkten des Nachbarrechts (z. B. §§ 906 ff. BGB), des öffentlichen Baurechts (Erfordernis einer Baugenehmigung), des Landwirtschaftsrechts (Veräußerungsbeschränkungen bei landwirtschaftlichen Grundstücken) sowie des Natur- und Denkmalschutzes. Wenn es das Wohl der Allgemeinheit erfordert, kann sogar eine Enteignung des Privateigentums erfolgen (z. B. für Zwecke des öffentlichen Straßenbaus). Aus der Sozialbindung des Eigentums wird auch die Corporate Social Responsibility (CSR) von Unternehmen abgeleitet.

3.2.4.2 Alleineigentum und Miteigentum

Gehört eine Sache einer Person alleine, so spricht man von Alleineigentum. Dies ist der rechtlich unproblematischste Fall. Eine Sache kann aber auch mehreren Personen miteinander gehören. Dann liegt Miteigentum vor. Man unterscheidet das Miteigentum nach Bruchteilen (§§ 1008 ff. BGB) vom Gesamthandseigentum (vgl. § 719 BGB).


> Bruchteilseigentum: Personen, die miteinander ein Grundstück erwerben, sind zu entsprechenden Teilen Miteigentümer und werden als solche mit ihren Anteilen im Grundbuch eingetragen. Sie sind dann Bruchteilseigentümer am Grund und Boden und an allen damit fest verbundenen Teilen (z. B. an den Mauern, Fenstern, Türen – § 1008 BGB). Jedem gehört ein ideeller „Bruchteil“ an der gemeinsamen Immobilie.

Eheleute Gerda und Frieder Gründler, Miteigentümer je zur Hälfte am Grundstück Seehalde 17/2, Friedrichshafen.

Miteigentum kann aber auch an beweglichen Sachen bestehen.

Gemeinsame Anschaffung eines Fernsehapparats durch die vier Mitglieder einer Wohngemeinschaft zu je ein Viertel; Ankauf eines Gemäldes durch neun Kunstfreunde zu je ein Neuntel.

Das Verhältnis der Miteigentümer untereinander richtet sich nach den Vorschriften über die Gemeinschaft (§§ 741 ff. BGB): Jeder Miteigentümer ist nach Absprache mit den anderen zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes berechtigt (§ 743 Abs. 2 BGB), er muss aber auch die Kosten der Erhaltung, Verwaltung und Nutzung anteilig tragen (§ 748 BGB).

Die Miteigentumsanteile können von den jeweiligen Berechtigten veräußert (§ 747 BGB) oder vererbt werden; jeder kann auch die Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft verlangen (§ 749 BGB). Dies geschieht dann, soweit möglich, durch Verteilung in Natur oder durch Verkauf und Verteilung des Erlöses (§§ 752, 753 BGB). Bei Grundstücken kommt es zur Zwangsversteigerung. Vorrang hat in jedem Fall die einvernehmliche Regelung unter den Beteiligten, insbesondere etwa die Übernahme der ganzen Sache durch einen Miteigentümer und Auszahlung der anderen.

> Gesamthandseigentum: An Sachen, die einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), einer OHG oder KG (§§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB), den Ehegatten bei vereinbarter Gütergemeinschaft (§ 1415 ff. BGB) oder einer Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB) gehören, besteht zwingend Gesamthandseigentum (vgl. §§ 719, 1419, 2032 BGB). Hier ist die Eigentumsberechtigung an der Sache nicht in Bruchteile aufgeteilt, vielmehr gehört die Sache jedem der Berechtigten ganz, aber eben nur mit allen anderen zusammen. Im Falle einer Verfügung über die Sache müssen deshalb alle („zur gesamten Hand“) mitwirken (vgl. Einzelheiten in 12.3.2).

Im Nachlass, der jetzt der Erbengemeinschaft aus Sohn Max und Tochter Marie zusteht, befindet sich ein Klavier. Weder Max noch Marie haben daran einen Anteil von je einer Hälfte, sondern beiden gehört das Instrument jeweils ganz, allerdings nur mit dem anderen zusammen. Max kann daher „seine Hälfte“ am Klavier auch nicht verkaufen, weil es diese gar nicht gibt. Beide müssen das Klavier gemeinsam verkaufen wollen und dann auch verkaufen.

3.2.4.3 Schutz des Eigentums

Wer Angriffe gegen sein Eigentum erfährt, kann sich wehren. Dabei sind zwei Arten von Beeinträchtigungen zu unterscheiden: Das Eigentum wird dem Eigentümer gegen seinen Willen entzogen, oder die Ausübung der Eigentümerbefugnisse wird rechtswidrig gestört.


> Entzug des Eigentums: Wird dem Eigentümer die Sache weggenommen oder vorenthalten, so hat er gegen den Besitzer, der kein Besitzrecht hat, einen Herausgabeanspruch (§§ 985 ff. BGB), den er notfalls auch klageweise geltend machen kann.

Diese Herausgabeklage kann der Eigentümer erheben, wenn er im „Warenlager“ eines Einbrechers seinen gestohlenen Schmuck wiederentdeckt oder wenn ein Fremder beim Verlassen der Gaststätte den Mantel verwechselt.

Die Herausgabe kann vom Besitzer nur verweigert werden, wenn der Besitzer ein Besitzrecht hat (§ 986 BGB). Dieses kann sich aus einem entsprechenden Vertragsverhältnis mit dem Eigentümer ergeben.

Der Eigentümer einer vermieteten Wohnung fordert den Mieter auf, die Mietwohnung sofort zu verlassen und an ihn herauszugeben, weil er plötzlichen Eigenbedarf habe. Dem Herausgabeanspruch kann der Mieter sein Besitzrecht aus dem Mietvertrag entgegenhalten. Solange der Mietvertrag nicht wirksam gekündigt ist, bleibt er auch zum Besitz berechtigt.

> Störung des Eigentums: Die Abwehrklage steht dem Eigentümer zu, wenn sein Eigentum rechtswidrig gestört oder sonst beeinträchtigt wird.

Fremde campieren unbefugt auf einem Grundstück; einem randalierenden Kunden wird das Betreten der Geschäftsräume verboten; der Nachbar lagert ohne Berechtigung Baumaterial auf einem angrenzenden Grundstück.

In diesen Fällen hat der Eigentümer wiederum zwei Abwehransprüche: Er kann zunächst Beseitigung einer andauernden Störung verlangen. Ist zu befürchten, dass eine erneute Beeinträchtigung des Eigentums in der Zukunft droht („sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen“), so kann er für den Wiederholungsfall auf Unterlassung klagen (§ 1004 Abs. 1 BGB).

Ein Unterlassungsanspruch steht auch dem Eigentümer eines Hausgrundstücks oder einer Wohnung zu, wenn seine räumlich-gegenständliche Sphäre durch den unerwünschten Einwurf von Werbematerial in den Briefkasten beeinträchtigt wird und er sich durch einen entsprechenden Aufkleber („Bitte keine Werbung!“) ausdrücklich dagegen wehrt (vgl. § 7 Abs. 1 UWG). Unerlaubter Einwurf von Werbematerial sowie unerbetene Telefonanrufe zu Werbe- oder Marktforschungszwecken stellen im Übrigen auch einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Menschen dar (siehe 14.3.1.2).

3.2.4.4 Nachbarrecht

Besondere Eigentumsstörungen entstehen häufig im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn, wo Grundstückseigentum mehrerer Personen aufeinandertrifft. Das Nachbarrecht hat deshalb im BGB besondere Berücksichtigung erfahren:


> Immissionen wie die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Geräuschen, Rauch, Ruß, Wärme, Erschütterungen müssen nur in gewissen Grenzen geduldet werden (§ 906 BGB).

> Gefahrdrohende Anlagen wie z. B. Teiche, Bienenkörbe, Taubenschlag auf dem Nachbargrundstück können untersagt werden (§ 907 BGB).

> Drohender Gebäudeeinsturz und die damit verbundene Gefahr der Beschädigung des Nachbargrundstücks müssen nicht hingenommen werden. Der Nachbar hat einen Anspruch auf Vornahme der gebotenen Vorkehrungen zur Gefahrenabwehr (§ 908 BGB).

> Grundstücksvertiefungen wie z. B. Abgraben eines Hanggrundstücks zu Bauzwecken, das beim darüber liegenden Grundstück zu Rutschungen führen kann, die dem Nachbargrundstück die Stütze nehmen, sind verboten, wenn nicht für eine anderweitige Befestigung des Nachbargrundstücks gesorgt ist (§ 909 BGB).

> Überhang durch herüberragende Zweige oder herüberwachsende Wurzeln darf abgeschnitten und behalten werden. Bei Zweigen muss zuvor eine dem Nachbarn gesetzte Frist erfolglos abgelaufen sein (§ 910 BGB).

> Überfall in Form von auf das Nachbargrundstück hinübergefallenen Früchten gehört dem Nachbarn, auf dessen Grundstück sie gefallen sind (§ 911 BGB).

> Überbau eines Bauteils über die Grenze hinüber, z. B. Hauswand steht wegen Messfehlers 20 cm jenseits der Grenze, muss – gegen Bezahlung einer Rente – vom Nachbarn geduldet werden, sofern der Überbauer nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat und der Nachbar dem Überbau nicht sofort widersprochen hat (§§ 912, 913 BGB).

Außerhalb des BGB finden sich in den Nachbarrechtsgesetzen der Länder noch weitere Bestimmungen, etwa über die zulässige Höhe von Grenzeinrichtungen und den Abstand von Bepflanzungen (vgl. BW NRG).

3.2.5 Der Eigentumserwerb

Eigentum wird meist durch Rechtsgeschäft (Übereignung) erworben. Dabei sind sachenrechtliche Grundsätze zu beachten. Es gibt jedoch auch Eigentumserwerb, der aufgrund gesetzlicher Anordnung erfolgt (gesetzlicher Eigentumserwerb).


3.2.5.1 Sachenrechtliche Grundsätze

Für die Begründung und Übertragung von dinglichen Rechten gelten im Sachenrecht besondere Grundsätze: der Trennungsgrundsatz und das Abstraktionsprinzip, der Bestimmtheitsgrundsatz und der Typenzwang.

Trennungsgrundsatz, Abstraktionsprinzip > Schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft und sachenrechtliches Verfügungsgeschäft faktisch wie rechtlich voneinander getrennt. Spezialitätsgrundsatz > Sachenrechte (Eigentum, Besitz, Pfandrecht u. a.) können sich immer nur auf eine konkret bestimmte Sache beziehen. Typenzwang > Rechsinstitute des Sachenrechts sind abschließend, es können keine anderen „erfunden“ werden.

> Trennungsgrundsatz und Abstraktionsprinzip: Bei Verfügungen über ein absolutes dingliches Recht sind das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (z. B. der zur Übereignung verpflichtende Kaufvertrag – § 433 BGB) und das dingliche Verfügungsgeschäft (Vorgang der Eigentumsübertragung – § 929 BGB) rechtlich voneinander getrennt.

Diese auf den ersten Blick nicht ganz leicht verständliche Trennung des Kaufvertrages, der zunächst lediglich beiderseitige Ansprüche begründet, vom Erfüllungsgeschäft, das dann erst zum Eigentumserwerb an der Kaufsache und am Geld führt, wie auch die Trennung zwischen Warenübereignung und Geldübereignung im Kauf nennt man Trennungsgrundsatz. Die Trennung ist auch dort noch zu erkennen, wo scheinbar alle Rechtshandlungen zusammenfallen, wie etwa beim wortlosen Erwerb einer Zeitschrift am Kiosk durch Ablegen des Geldes und Wegnahme des Zeitschriftenexemplars. Auch hier kann der Kaufvorgang in die genannten acht Einzelbestandteile aufgegliedert werden.

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