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Alte Chinesische Weisheiten in Xi Jinpings Reden II
den Weisen gesellen noch sich von den Gemeinen fernhalten kann. In diesem
Zusammenhang sagt Kongzi: „Ich sorge mich nicht darum, dass die Menschen
mich nicht kennen, sondern darum, dass ich unfähig bin.“
Im konfuzianischen Bildungsideal gelten „Selbstkritik und Selbstprüfen“ als
wichtige Mittel zum Ziel. Das bedeutet, dass man hohe Anforderungen an sich
selbst stellt und sich kritisch betrachtet: „Der Edle stellt Anforderungen an sich,
der Gemeine stellt Anforderungen an die Menschen.“ Der Edle „klagt weder
übers Schicksal noch beschuldigt (er) seine Mitmenschen“ und sorgt sich nicht
darum, dass die Menschen ihn nicht kennen. Man muss bewusst Selbstkritik üben,
um seine eigenen Mängel oder Fehler erstens zu entdecken und zweitens zu
beseitigen.
30. Ein Mensch ohne Vertrauenswürdigkeit: Ich weiß nicht, ob er etwas
erreichen kann.
In: Aufbau der China-Pakistan-Schicksalsgemeinschaft und Erschließung von neuen Wegen
zur Win-Win-Kooperation – Rede im pakistanischen Parlament. Siehe auch in anderen
Reden.
Interpretation:
Viele Internetnutzer Chinas bezeichnen Pakistan gerne als „Batie“ ( 巴 铁):
„Ba“ steht für Pakistan, und „Tie“, also „Eisen“ steht symbolisch für eine enge
und solide Beziehung. Die freundschaftliche Beziehung zwischen China und
Pakistan auf der Basis des gegenseitigen Vertrauens, welche die beiden Länder auf
Gedeih und Verderb zusammenhält, gilt als vorbildhaft für zwischenstaatliche
Beziehungen. 2015 stattete Xi Jinpings Pakistan einen Staatsbesuch ab. Während
des Besuchs hielt er am 21. April im pakistanischen Parlament eine 35-minütige
Rede, die mehr als 50 Male Beifall erntete. Als Xi Jinping von der Freundschaft
zwischen China und Pakistan sprach, spendete das Publikum besonders lang
anhaltenden Beifall.
Die Grundprinzipien und Wertanschauungen im zwischenmenschlichen Umgang
gelten ebenfalls für die Gestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen. Dazu
zählen die Mindestanforderungen wie Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und
gegenseitiges Vertrauen. In China sind zwei überlieferte Geschichten dafür
bekannt: In der einen Geschichte geht es um Zha Dao (查道, 955-1018), der Geld
für die aufgegessenen Datteln eines Obstgartens hinterließ, obwohl niemand ihn
gesehen hatte und der Besitzer ebenfalls nichts davon erfuhr. In der anderen
Geschichte handelt es sich um Fan Shi (范式, ?-?) , einen Beamten der Östlichen
Han-Dynastie, der trotz der weiten Entfernung von über tausend Kilometern
termingerecht seinen Schulfreund besuchte, dem er mehrere Jahre zuvor
versprochen hatte, zu Besuch zu kommen.
Aber in der Realität gibt es immer Menschen, die diesen Mindestanforderungen
nicht gerecht werden. Sie können Versuchungen nicht standhalten und ignorieren
bewusst oder unbewusst Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und andere
moralische Tugenden. Wenn die Vertrauensbasis nicht mehr existiert, wird man
die Folgen noch am eigenen Leib zu spüren bekommen. Zusammenfassend lässt
sich sagen: Ein Mensch ohne Vertraunswürdigkeit kann nichts erreichen, ein Volk
ohne Vertrauenswürdigkeit kann sich nicht behaupten und ein Land ohne
Vertrauenswürdigkeit kann nicht zu Ansehen kommen.
Quelle:
Der Meister sprach: „Ein Mensch ohne Vertrauenswürdigkeit: Ich weiß nicht, ob
er etwas erreichen kann. Ein großer Wagen ohne Pflock, ein kleiner Wagen ohne
Dübel, wie können sie denn vorankommen?“
In: Lunyu, Gespräche, Buch II.
Kommentar:
Im obigen Zitat brachte Kongzi seine Meinung zur Vertrauenswürdigkeit sehr
deutlich zum Ausdruck: Wer sein Wort nicht hält, kann sich in der Gesellschaft
nicht behaupten. Kurzum: Ehrlichkeit ist wichtig für das Menschsein.
In Lunyu, Gespräche (论语) kommt der zentrale Begriff „Xin“ (信), der sowohl auf
Vertrauen und Glaube als auch auf Vertrauenswürdigkeit hinweist, sehr häufig
vor. Die folgende Geschichte verdeutlicht, dass Kongzi „Xin“ Vorrang einräumte:
Einmal wendete sich Zigong (子贡, 520 v. Chr.-446 v. Chr.) mit der Frage nach
Staatskunst an seinen Lehrer Kongzi. Drei Sachen, und zwar „genügende
Lebensmittel, genügende Truppen und das Vertrauen des Volks“ seien ihm
wichtig, so Kongzi. Zigong fragte weiter: „Welche von den drei Sachen könnte
man am ehesten aufgeben, wenn man unbedingt auf etwas verzichten
muss?“ „Die Truppen“, so Kongzi. „Welche von den beiden Sachen könnte man
eher verzichten, wenn man unbedingt auf etwas verzichten muss?“ „Die
Lebensmittel. Ohne Vertrauen des Volks kann das Land gar nicht bestehen.“
Auf der Basis von Kongzis Gedankengut haben die nachkommenden
konfuzianischen Gelehrten den Begriff „Xin“ weiterentwickelt. „Xin“ wurde mit
der Eigenschaft „Wahrhaftigkeit“, also „Cheng“(诚) in Zusammenhang gebracht,
woraus sich der Begriff für „Ehrlichkeit“ (诚信) ableitete. „Wahr zu sein, ist der
himmlische Weg; nach Wahrheit zu streben, ist der menschliche Weg“, so Mengzi.
Zur Auslegung dieser zwei Begriffe meinte Xu Shen (许慎, 58-147), ein Gelehrter
der Östlichen Han-Dynastie in seinem Werk Shuowen jiezi, Zeichenlexikon der
chinesischen Schrift ( 说 文 解 字 ): „Cheng bedeutet Xin und Xin bedeutet
Cheng.“ Die Austauschbarkeit dieser zwei Begriffe zeigt, dass ein
„vertrauenswürdiger“ Mensch auch ein „ehrlicher, glaubwürdiger Mensch“ ist.
31. Der Sittliche ist nie allein; er findet sicher Nachbarschaft.
In: Rede auf der Tagung zum chinesischen-japanischen freundschaftlichen Austausch. Siehe
auch in anderen Reden.
Interpretation:
Aus dem oben zitierten Spruch ist Kongzis Überzeugung von der Notwendigkeit
der inneren Persönlichkeitsbildung ersichtlich. Für ihn kann ein sittlicher Mensch
mit einem tadelfreien Ruf in der Gesellschaft viel bewirken. Heute sieht Xi Jinping
in Chinas hervorragender traditioneller Kultur, die reich an philosophischen
Ideen, humanistischen Gedanken, Sitten- und Morallehren ist, aufschlussreiche
Inspirationen für den sittlichen Aufbau.
Die Funktionäre aller Ebenen haben die Aufgaben, ihr Selbstbild zu pflegen, sich
Ansehen und Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Zur Verwirklichung dieser Ziele
liegt die Förderung der Sittlichkeitsbildung und Vorbildrolle im Mittelpunkt.
„Wer kraft der Sittlichkeit regiert, gleicht dem Nordstern. Der weilt an seinem
Ort und alle Sterne umkreisen ihn“, so Kongzi. Kongzis ideales Weltbild, „dass
sich die ganze Welt zur Sittlichkeit kehrt“, kann verwirklicht werden, indem
politische Aktivisten Moralregeln befolgen und Wert auf die
Persönlichkeitsbildung legen. Mit Sittlichkeit können sie das Vertrauen der
Bevölkerung gewinnen und mit Gerechtigkeit können sie das Mitgefühl der
Bevölkerung erwecken.
„Der Sittliche ist nie allein, denn Gleich und Gleich gesellt sich gern. Darum
findet der Sittliche immer Menschen gleicher Art, die mit ihm mitgehen“, so heißt
es in Zhu Xis Werk Lunyu jizhu, Gesammelte Kommentare zu Lunyu. Wenn die
Funktionäre mit aller Macht dem Gemeinwohl dienen, lässt sich die unsichtbare
Mauer zwischen ihnen und der Bevölkerung durchbrechen. Folglich ist das Volk
bereit, die Regierung zu unterstützen und bei dem großen Werk mitzuwirken. Auf
dieser Grundlage lässt sich eine gute Regierungsführung verwirklichen. Zhang
Juzheng (张居正, 1525-1582), Politiker und Reformer der Ming- Dynastie, hat zu
seiner Zeit auch die Bedeutung der Sittlichkeitsbildung erkannt: „Wenn unser
Herr ein Sittlicher ist, werden alle Menschen ein Herz und eine Seele sein. Selbst
die anderen Völker möchten sich uns gerne anschließen, und dann ist die Welt
vereingt wie eine Familie.“
Quelle:
Der Meister sprach: „Der Sittliche ist nie allein; er findet sicher Nachbarschaft.“
In: Lunyu, Gespräche. Buch IV.
Kommentar:
Ein Sittlicher fühlt sich nie einsam, da Gleichgesinnte seine Nähe suchen und sich
ihm anschließen wollen, so Kongzi. Darüber kommentierte Zhu Xi (朱熹) in
seinem Werk Lunyu jizhu, Gesammelte Kommentare zu Lunyu (论语集注): „Die
Nachbarschaft gleicht einer Familie. Der Sittliche ist nie allein, denn Gleich und Gleich gesellt sich gern. Darum findet der Sittliche immer Menschen gleicher Art,
die mit ihm mitgehen, als ob er eine gute Nachbarschaft hielte.“
„Sittlichkeit“ ist ein zentraler Begriff in Kongzis Gedankengut. An einer anderen
Stelle plädierte er dafür, „kraft der Sittlichkeit zu leiten“ (道之以德) und „kraft
der Sittlichkeit zu regieren“ (为政以德). Seiner Meinung nach muss ein Sittlicher
nicht viel tun, trotzdem kann er durch sein sittliches Verhalten viele Menschen
gewinnen, die sich von ihm angezogen fühlen. Für Freundschaft gilt es, dass man
sich mit Menschen von Charakter befreundet, die nach denselben Zielen streben.
Insofern ist es nachvollziehbar, dass in Kongzis Augen Menschen mit
unterschiedlichen Idealen und Wertanschauungen nicht zusammenarbeiten
könnten. In Zhouyi, Buch der Wandlungen (周易) kann man u.a. lesen: „Die Ideen
kommen nach ihrer Art zusammen. Die Dinge trennen sich nach ihrer
Klasse.“ Oder: „Was im Ton übereinstimmt, schwingt miteinander. Was
wahlverwandt ist im innersten Wesen, das sucht einander.“ Daraus ist zu erlesen,
dass man immer Gleichgesinnte sucht. In Dadai liji, Buch der Riten vom älteren Dai
(大戴礼记) findet sich eine ähnliche Formulierung: „Ein Edler, der ehrlich ist,
bekräftigt die Verhaltenslehre; ein Edler, der gütig ist, findet Nachbarschaft.“
32. Ein Gebildeter kann nicht sein ohne Weitherzigkeit und Willenskraft,
denn die Aufgabe ist schwer und der Weg ist weit.
In: Glückwunschschreiben an das 12. Nationale Komitee des Allchinesischen Jugendverbands
und an die 26. Nationale Tagung der Allchinesischen Studentenvereinigung. Siehe auch in
anderen Texten.
Interpretation:
Blickt man auf die Geschichte zurück, kann man feststellen, dass alle aufrichtigen
und edelmütigen Menschen ein starkes Verantwortungsbewusstsein haben. Mit
diesem Lebenswandel scheuen sie sich vor keiner schwierigen Aufgabe und vor
keinem weiten Weg. Heute wird von der jungen Generation, die als Rückgrat des
Landes und Hoffnung der Nation gilt, erwartet, sich das
Verantwortungsbewusstsein anzueignen und zu überlegen, wie sie ihre
persönliche Karriereplanung mit der nationalen Entwicklung in Verbindung
setzen und einen Beitrag zur besseren Zukunft des Staates leisten können.
In diesem Glückwunschbrief an das Nationale Komitee des Allchinesischen
Jugendverbands stellte Xi Jinping Forderungen an die heutigen jungen Menschen,
fleißig zu studieren, ihr Wissen zu bereichern und mit dem Gelernten dem Land
zu dienen. Er machte sie darauf aufmerksam, dass der Weg zur Traumerfüllung
dornig und mühselig ist. Darum sollte man sich in erster Linie erhabene, klare
Ziele setzen und dann bewusst die Verantwortung der Zeit übernehmen.
Mit dem Verantwortungsbewusstsein wird der Grundstein für die Verwirklichung
des Traums gelegt und mit Bemühungen wird die Arbeit von Erfolg gekrönt. Es
wird von den jungen Menschen verlangt, sich bewusst den historischen Aufgaben
zu stellen und selbstsicher in die Zukunft zu schauen. Neben dem
Verantwortungsbewusstsein und der Zukunftsvision wird auch von den jungen
Menschen erwartet, gewissenhaft, tüchtig und angestrengt zu arbeiten. Die jungen
Menschen, die in den praxisbezogenen Einsätzen heranreifen und sich gut
bewähren, werden dann Chinas Hauptstütze und gehen Chinas Zukunft
zuversichtlich entgegen.
Quelle:
Zengzi sprach: „Ein Gebildeter kann nicht sein ohne Weitherzigkeit und
Willenskraft, denn die Aufgabe ist schwer und der Weg ist weit. Er stellt sich der
Aufgabe der Sittlichkeit: Ist sie nicht schwer? Erst im Tode findet er seine Ruhe:
Ist das denn nicht weit?“
In: Lunyu, Gespräche. Buch VIII.
Kommentar:
Zeng Shen (曾参, 505 v. Chr.-435 v. Chr.), ein Schüler von Kongzi, war bekannt
als Zengzi (曾子). Aufgrund seiner Beiträge zur konfuzianischen Lehre erhielt er
nachträglich den Ehrentitel „Zongsheng“ (宗圣) verliehen, was so viel bedeutet
wie „wahrer Meister“. Seiner Meinung nach soll ein gebildeter Mann großmütig
und willensstark sein, da ihm große Verantwortung aufgebürdet wird, die von ihm lebenslangen, unermüdlichen Einsatz verlangt. Wie Zhu Xi (朱熹) im Buch Sishu
jizhu, Gesammelte Kommentare zu den vier Büchern (四书集注) kommentierte: „Ohne
Weitherzigkeit ist die Aufgabe nicht zu bewältigen; ohne Willenskraft ist das weite
Ziel nicht zu erreichen.“
Für Kongzi ist Sittlichkeit das allerhöchste Ziel. Zengzi bekräftigte diese Aussage,
indem sie das Ziel als lebenslange Aufgabe bezeichnete. Er erläuterte, dass man
sich dem Ziel widmen soll, solange man lebt. Das Ziel gilt als erreicht, wenn man
die ewige Ruhe findet.
Kongzi und Mengzi ließen sich das Wohlergehen des Volkes sehr angelegen sein
und betrachteten die Verbreitung der konfuzianischen Sittenlehre als ihre
Lebensaufgabe. Um die Sittenlehre zu vermitteln, konnte Kongzi „im Arbeitseifer
sogar das Essen vergessen, in der Freude alle Trauer vergessen und nicht ahnen,
dass das Alter herankommt.“ Für Mengzi sollte der Gebildete „im Misserfolg die
Gerechtigkeit nicht verlieren und im Erfolg nicht von seinem Weg
weichen.“ Oder: „Wenn das Dao auf Erden herrscht, so steht es dem Mann zur
Verfügung. Wenn das Dao auf Erden abhandenkommt, so opfert der Mann sein
Leben dafür.“
33. Für den Edlen gilt das Rechte als Grundsatz.
In: Gemeinsame Gestaltung der Zukunft der chinesisch-koreanischen Zusammenarbeit und
gemeinsame Beitragsleistung zur Wiederbelebung Asiens – Rede an der Seoul National
University. Siehe auch in anderen Reden.
Interpretation:
Die pflichtbewusste Entscheidung für das Rechte anstelle des Gewinns ist ein
essenzieller Bestandteil der traditionellen chinesischen Philosophie. Diese
Lebensphilosophie gilt nicht nur für die Regelung zwischenstaatlicher
Beziehungen, sondern ist eine allgemeine Lebensregel für die einzelnen
Individuen. Erwägt man die Gewichtigkeit der beiden, so hat das Rechte in der
chinesischen Philosophie einen höheren Stellenwert.
Mit diesem altchinesischen Spruch wies Xi Jinping in seiner Rede darauf hin, dass
die richtige Auffassung von Gerechtigkeit und Gewinn sowohl für das
persönliche Dasein als auch für die internationalen Beziehungen von großer
Bedeutung ist. Früher schämte man sich, von Gewinnen und Vorteilen zu
sprechen, aber in der Marktwirtschaft hat jeder das Recht, nach Profit zu streben.
Wenn die führenden Funktionäre, die die öffentliche Macht in der Hand haben,
angesichts persönlicher Vorteile das Rechte vergessen und Gewinn als einzigen
Maßstab betrachten, werden sie in ihrer Habgier das Gemeinwohl mit Füßen
treten und möglicherweise die untere Grenze überschreiten. Angesichts der Fülle
von Konsumgütern soll man sich als führender Funktionär die richtige
Auffassung von Gerechtigkeit und Gewinn aneignen, um zu vermeiden, nur
Gewinn im Auge zu haben und die Arbeit gewinnorientiert zu gestalten. Mit
Gewissen, Tugenden und Selbstdisziplin kann man die Gewinnsucht bekämpfen.
Und es gehört sich auch, durch Pflichterfüllung das Gemeinwohl zu fördern, die
Gier durch die rechte Norm in die richtige Bahn zu lenken und sittliches
Verhalten zu vervollkommnen.
Quelle:
Der Meister sprach: „Für den Edlen gilt das Rechte als Grundsatz. Er ist beim
Handeln sittenstreng, in den Äußerungen bescheiden und in der Ausführung treu.
Was für ein Edler ist das ja!“
In: Lunyu, Gespräche, Buch XV.
Kommentar:
Aus dem obigen Zitat geht hervor, dass das „Rechte“ (义) für einen Edlen viel
bedeutet. Der Edle legt viel Wert auf das Rechte und praktiziert es bewusst im
realen Leben. In Zhongyong, Maß und Mitte (中庸) wird der Begriff „Yi“ (义) wie
folgt erklärt: „Das Rechte ist etwas, was geeignet und passend ist.“ Das bedeutet,
dass man als soziales Wesen seine Pflicht zu erfüllen hat. In Shuowen jiezi,
Zeichenlexikon der chinesischen Schriftzeichen (说文解字) steht: Das alte chinesische
Schriftzeichen Yi (義) setzt sich aus dem oberen Zeichen für „Schaf“ und unteren
Zeichen für „ich“ zusammen. In dieser Zusammensetzung sah der Gelehrte Duan Yucai (段玉裁, 1735-1815) eine Analogie zum „Guten“ und zum „Schönen“, da
der Mensch „ich“ bereitwillig etwas Gutes opfert. Das zeigt, dass das
„Rechte“ eigentlich ein wichtiges Kriterium für das „Gute“ und „Schöne“ ist.
In Lunyu, Gespräche (论语) finden sich noch mehrere Aussagen über das „Rechte“,
das als Handlungsmaxime für edle Menschen gilt. Beispielsweise ist im 4. Buch
zu lesen: „Der Edle ist bewandert im Rechten. Der Gemeine ist bewandert im
Gewinn.“ Oder: „Der Edle hat für nichts auf der Welt eine unbedingte
Voreingenommenheit oder eine unbedingte Abneigung. Er misst alles am
Rechten.“ Im 17. Buch steht: „Der Edle setzt das Rechte obenan.“ Das gibt zu
erkennen, dass das „Rechte“ eine unerlässliche Norm für den Edlen ist.
34. Menschen kennen bedeutet vor allem, das Herz zu kennen.
In: Die alte Freundschaft pflegen und ein neues Kapitel der Zusammenarbeit aufschlagen –
Rede im brasilianischen Parlament. Siehe auch in anderen Reden.
Interpretation:
Beim menschlichen Umgang kommt es darauf an, das Gegenüber mit seinem
Herzensanliegen zu verstehen. Dieser Grundsatz gilt ebenfalls für die Gestaltung
zwischenstaatlicher Beziehungen. Aus dieser Überzeugung zitierte Xi Jinping im
brasilianischen Parlament diesen altchinesischen Spruch.
Für manche Politiker sind zwischen den einzelnen Staaten nur
Zweckgemeinschaften möglich. Die berühmte Formel „Es gibt keine ewigen
Freunde, keine ewigen Feinde, nur Interessen“ ist ein Paradebeispiel dafür. China,
vom Leitgedanken des gegenseitigen Nutzens und kooperativen Gewinnens
ausgehend, plädiert aber für eine ausgeglichene Interessenverteilung und setzt
sich für den Aufbau der Schicksalsgemeinschaft der Menschheit ein.
Eine anhaltende Freundschaft setzt voraus, dass man einander richtig versteht
und vorbehaltlos anvertrauen kann. Wer aus reinem Nutzen Freundschaft
schließt, entfernt sich, wenn der Nutzen ausgeschöpft ist. Wer zugunsten des
Einflusses Freundschaft schließt, bricht den Kontakt ab, wenn der Einfluss
verloren geht. Nur wer ein Herz für seine Freunde hat, kann die freundschaftliche
Beziehung lange aufrechterhalten. Wenn man aus reinem Nutzen oder wegen des
Einflusses Freunde macht, denkt man nur daran, was für Vorteile man dabei
bekommen kann, was schließlich zum gegenseitigen Misstrauen führt. Wenn man
von ganzem Herzen seine Freunde behandelt, gewinnt man Vertrauen und Nähe,
was der Freundschaft Rückhalt verleiht.
Quelle:
Oh, mein lieber Freund! Menschen kennen bedeutet vor allem, das Herz
voneinander zu kennen. Da ich den letzten Brief in Eile geschrieben habe, konnte
ich meine Erlebnisse nicht weitläufig schildern und schreibe dir nun wieder einige
Worte.
In: Li Ling da Su Wu shu, Li Lings Antwortschreiben an Su Wu.
Kommentar:
Li Ling (李陵, 134 v. Chr.-74 v. Chr.), Enkelsohn des „fliegenden Generals“ Li
Guang (李广, ?-119 v. Chr.), führte im Jahr 99 v. Chr. 5.000 Schützen ins
Landesinnere von Xiongnu. Nach erbitterten Kämpfen gegen mehr als 80.000
Feinde gingen seinen Truppen die Nahrungsmittel aus, und Li Ling sah sich
gezwungen, sich zu ergeben. Später zirkulierten Gerüchte, dass Li Ling für
Xiongnu Truppen trainierte. Folglich fielen seine Eltern, seine Frau und Kinder,
die in der Han-Dynastie zurückgeblieben waren, diesen Gerüchten zum Opfer.
Im Jahr 81 v. Chr. kehrte der ruhmreiche Diplomat Su Wu (苏武, 140 v. Chr.-60
v. Chr.) zurück, der 19 Jahre in Xiongnu festgehalten wurde. Nachdem er sich in
Han eingerichtet hatte, schrieb er an Li Ling und riet ihm, in sein Heimatland zurückzukehren. Daraufhin griff Li Ling zur Feder und verfasste ein
Antwortschreiben an Su Wu. Das Zitat entstammt diesem Brief.
Im Brief versuchte Li Ling sich zu rechtfertigen: „Es ist eine Sünde, dass ich nicht
in den Tod gehe. Glauben Sie denn, dass ich am Leben hängen möchte und den
Tod fürchte? Gibt es denn Menschen, die es für vorteilhaft halten, dem Herrn
und den Eltern den Rücken zu kehren sowie Frau und Kinder im Stich zu lassen?
Ich bin noch am Leben, weil ich noch etwas vorhabe.“ In der Hoffnung, dass Su
Wu ihm viel Verständnis entgegenbringen konnte, rief er aus: „Menschen kennen
bedeutet vor allem, das Herz voneinander zu kennen.“ Xi Jinping hat den Satz
leicht variiert: „Menschen kennen bedeutet vor allem, das Herz zu kennen.“
Laut Aufzeichnungen in Hanshu, Buch von Han (汉书) wurde Li Ling nach seiner
Kapitulation des Vaterlandsverrats bezichtigt. Sima Qian (司马迁, 145 v. Chr. – ?)
war aber anderer Meinung: „Li Ling diente seinen Eltern mit großer Pietät und
war ehrlich gegenüber seinen Soldaten. Er stellte sich oft den dringenden
Aufgaben des Landes, ohne Rücksicht auf sich zu nehmen. Seine gewöhnlichen
Umgangsformen zeugen davon, dass er ein großer Mann ist. […] Er wählte nicht
den Freitod, weil er sich zur rechten Zeit beim Hof revanchieren wollte.“ Der
Kaisier wollte ihm jedoch nicht glauben und verhängte über ihn eine schwere,
körperliche Strafe.
35. Schau, die Abendsonne ruht über den Wipfeln, / ihre Röte färbt den
Himmel doch wunderschön.
In: Rede bei der Besprechung mit Vertretern der ausgezeichneten Behörden und Angestellten
für die Arbeit der pensionierten Funktionäre. Siehe auch in anderen Reden.