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Von Bagdad nach Stambul
Von Bagdad nach Stambul

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Von Bagdad nach Stambul

Язык: Немецкий
Год издания: 2016
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»Was sind sie denn?«

»Wir sind drei Araber und zwei Christen.«

Er blickte mich groß an.

»Christen! Was ist das?«

»Das werde ich dir später erklären, denn wir werden diese Nacht bei dir bleiben.«

Jetzt erschrak er noch viel mehr als vorher.

»Herr, tut dies nicht!«

»Warum nicht?«

»Es wohnen böse Geister im Gebirge!«

»Das ist uns lieb, denn wir wollen gerne einmal Geister sehen.«

»Es regnet auch zuweilen!«

»Das Wasser wird dir gar nichts schaden.«

»Dabei donnert es manchmal!«

»Das gehört dazu.«

»Es sind Bären hier.«

»Wir essen gerne den Schinken derselben.«

»Es kommen oft Räuber in die Berge!«

»Die schießen wir tot.«

Endlich, als er bemerkte, daß keine Ausrede verfing, kam er mit der Wahrheit zum Vorschein; er sagte in bittendem Tone:

»Herr, ich fürchte mich vor euch!«

»Das hast du nicht nötig. Wir sind keine Räuber und Mörder. Wir wollen hier an deinem Hause schlafen und werden morgen weiter ziehen. Dafür, daß du es erlaubst, sollst du einen silbernen Piaster erhalten.«

»Einen silbernen? Einen ganzen?« fragte er erstaunt.

»Ja, oder auch zwei, wenn du freundlich bist.«

»Herr, ich bin sehr freundlich!«

Bei dieser Versicherung lachte alles an dem Kerl: die Augen, der Mund, den ich erst jetzt bemerkte, die Nase und die Hände, welche ganz vergnügt zusammenklappten. Es war wirklich außerordentlich, was dieser edle Bannahkurde für einen Bartwuchs besaß. Ich hatte so etwas fast noch gar nicht gesehen. Er hätte getrost mit der Pastrana reisen können. Seine Freude schien auch seinen Hund anzustecken, denn dieser zog den Schwanz behutsam hervor und versuchte ein verschämtes Wedeln, wobei er mit der Pfote spielend nach meinem Dojan langte, der ihn aber so wenig zu bemerken schien, wie der Großmogul einen Kaminkehrerjungen.

»Bist du in den Bergen gut bekannt?« setzte ich meine Erkundigung fort.

»Ja, überall!«

»Kennst du den Berozieh-Fluß?«

»Ja, er ist die Grenze.«

»Wie weit läufst du bis zu ihm?«

»Einen halben Tag.«

»Kennst du Banna?«

»Ich bin des Jahres zweimal dort.«

Er kannte auch Amehdabad und Bayendereh.

»Aber wo Bistan liegt, das weißt du nicht?« hob ich wieder an.

»Ich weiß es sehr genau, denn mein Bruder ist dort.«

»Mußt du alle Tage arbeiten?«

»Ich arbeite, wie es mir gefällt!« antwortete er stolz.

»So kannst du nach Belieben von hier weg?«

»Herr, ich weiß nicht, warum du so fragst!«

Dieser Pfahlbautenmann war vorsichtig; das gefiel mir von ihm.

»Ich will dir sagen, warum ich frage,« antwortete ich ihm. »Wir sind hier fremd und kennen die Wege durch die Berge nicht; darum brauchen wir einen ehrlichen Mann, der uns führt. Wir geben ihm dafür alle Tage zwei Piaster.«

»O Herr, ist dies wahr? Ich bekomme alle Jahre zehn Piaster und Mehl und Salz. Soll ich euch führen?«

»Wir wollen dich heute erst kennen lernen. Wenn wir mit dir zufrieden sind, so wirst du dir mehr Geld verdienen, als du sonst in einem Jahre hast.«

»Rufe diese Männer herbei! Ich will ihnen Mehl geben und Salz und einen Topf zum Backen; auch Wild habe ich, soviel ihr wollt, und Gras sollen eure Pferde haben, soviel sie fressen können. Da oben ist eine Quelle, und euer Lager werde ich so weich machen, wie den Diwan einer Sultana Valide!«

Dieser brave Allo war auf einmal ganz und gar umgewandelt – »und das hat mit seinem Klingen nur der Piaster getan!«

Ich winkte die Gefährten herbei, welche durch unsere lange Unterredung hart auf die Probe gestellt worden waren. Sie beeilten sich darum und waren über den Anblick des Köhlers nicht weniger erstaunt, als ich vorher. Besonders der Engländer schien vor Verwunderung sprachlos; doch auch der Bannah bewunderte die Nase Master Lindsays mit einer Miene, die an Wahrheit des Ausdruckes nichts zu wünschen übrig ließ. Endlich kam dem Englishman die Sprache wieder:

»Pfui Teufel!« rief er. »Wer ist das? Ein Gorilla?«

»Nein, sondern ein Kurde vom Stamme der Bannah.«

»O weh! Wasch dich!« brüllte er den armen Kerl an; da aber dieser sein Englisch nicht verstand, so blieb es mit der Kohle einstweilen noch beim alten. Mittlerweile waren die Pferde angepflockt und die Decken auf dem Moose ausgebreitet. Wir setzten uns nieder, und ich gab Mohammed die nötige Auskunft über den Köhler, der unser Führer sein wolle. Wir beschlossen, ihn scharf zu beobachten.

Dieser schleppte jetzt aus der Hütte einen Sack groben Mehles und brachte dann ein Tongefäß voll Salz. Hierauf folgte ein Topf, der Jahre hindurch mysteriösen Zwecken gedient zu haben schien. Sodann öffnete er eine kleine Grube hinter dem Hause. Sie war mit Steinen ausgekleidet und enthielt seinen Fleischvorrat, der in zwei Hasen und einem bereits »angespeisten« Rehe bestand. Nun konnten wir wählen. Wir entschieden uns für das Reh. Es wurde an dem Wasser gehörig ab- und ausgespült; dann machten wir ein Feuer nebst Bratspießvorrichtung, und während Halef die Pferde tränkte und der Kurde mit seinem langen Messer Futter für sie schnitt, gab ich mich der so viel Aufmerksamkeit erheischenden, aber auch lohnenden Beschäftigung des Bratspießdrehens hin.

»Schmutziger Kerl!« brummte der Engländer; »aber auch fleißig. Schade!«

»Warum schade?«

»Miserabler Topf! Yes! Wäre so schön gewesen, wenn Topf reinlicher wäre. Könnte so schön darin braten!«

»Aber was denn, zum Kuckuck?«

»Pudding.«

»Pudding? Ah! Wie kommt Ihr auf einmal auf Pudding, Sir?«

»Hm! Bin ich nicht Englishman?«

»Allerdings. Aber sagt mir doch um aller Welt willen, was für einen Pudding Ihr hier backen wolltet?«

»Irgend einen. Yes!«

»Ich kenne über zwanzig Puddingarten, aber keine einzige, die wir hier bereiten könnten.«

»Ah! Oh! Warum?«

»Weil alles fehlt.«

»Alles? O, no! Haben Reh, Mehl, Salz – alles!«

»Reh, Mehl, Salz – alles! Schön, Sir, ich werde mir dieses köstliche Rezept merken! Was man sonst zum Fleischpudding zu brauchen pflegt: Speck, Eier, Zwiebel, Pfeffer, Zitrone, Petersilie, Senf-Sauce, verdirbt nur das Gericht.«

»So ist es! Well!«

Er erhielt statt seines Pudding ein tüchtiges Stück Rehkeule, von dem er auch nichts übrig ließ. Als ich den Braten zu zerlegen begann, stand der Kurde an der Ecke seines Häuschens und leckte sehnsüchtig den Ruß von seinen Fingern.

»Komm her, Allo, und iß mit!« lud ich ihn ein.

Im Nu hatte ich ihn an meiner Seite, und ich sah es ihm an, daß wir von diesem Augenblick an dicke Freunde seien.

»Was kostet dein Reh?« fragte ich ihn.

»Herr, ich schenke es euch. Ich fange mir ein anderes.«

»Ich werde es dir dennoch bezahlen. Hier nimm!«

Ich langte in das verborgene Fach meines Gürtels und holte zwei Piaster hervor, die ich ihm gab.

»O, Herr, deine Seele ist voller Barmherzigkeit! Willst du nicht auch die Hasen braten?«

»Wir nehmen sie morgen mit.«

In der Nähe des Häuschens lag ein großer Haufen Laub. Dieses schleppte der Kurde nun herbei, um uns ein fünffaches Lager zu bereiten. Mit Hilfe unserer Decken brachte er es wirklich ganz prachtvoll zustande, so daß wir uns am andern Morgen gestanden, lange nicht so gut geschlafen zu haben.

Vor dem Aufbruche aß ein jeder von uns ein Stück von dem übrig gebliebenen Rehbraten.

»Habt es bezahlt, Master,« sagte Lindsay; »werde es Euch wiedergeben.«

»Kleinigkeit!«

»Wird dieser Gorilla uns führen, und wieviel erhält er?«

»Zwei Piaster pro Tag.«

»Werd ich ihm geben. Verstanden?«

»Gut, Sir!«

Da auch die Haddedihn einverstanden waren, den Kurden als Führer mitzunehmen, so nahm ich diesen ins Examen.

»Hast du einmal vom Kiupri-See gehört?«

»Ich war dort.«

»Wie weit ist es bis dorthin?«

»Wollt ihr viele Dörfer sehen oder wenige?«

»Wir wollen wenig Menschen treffen.«

»So werdet ihr sechs Tage brauchen.«

»Welches ist der Weg?«

»Man geht von hier bis an den Berozieh und am Wasser empor bis nach Amehdabad; dann geht ein Paß nach rechts ab, welcher nach Kizzelzieh führt, und dort sieht man das Wasser, welches in den Kiupri-See läuft.«

Das war zu meiner Verwunderung und Genugtuung ganz genau derselbe Weg, den ich vorgezeichnet hatte. Der Bulbassi-Kurde, der mir diese Gegenden beschrieben hatte, war also doch ein guter Berichterstatter gewesen.

»Willst du uns führen?« fragte ich neuerdings.

»Herr, ich kann euch führen, bis man nach Bagdad zu die Ebene erreicht!« antwortete er.

»Wie hast du diese Pfade kennen gelernt?«

»Ich habe die Händler geführt, die beladen in die Berge kommen und dann leer wieder gehen. Damals war ich noch nicht Kümürdar.«

Dieser Mann war trotz seines Schmutzes eine wahre Perle für uns. Er schien ein wenig beschränkt zu sein, aber ein ehrliches, anhängliches Gemüt zu haben. Darum beeilte ich mich, ihn zu dingen.

»Du sollst uns bis zur Ebene führen und alle Tage deine zwei Piaster erhalten. Wenn du uns treu dienst, so darfst du dir auch ein Pferd kaufen, das wir dir dann schenken. Bist du zufrieden?«

Ein Pferd! Das war ein unendlicher Reichtum für ihn. Er ergriff meine Hand und drückte sie mit großer Inbrunst an die Stelle seines Bartes, unter der man aus anatomischen Gründen seinen Mund vermuten mußte.

»O Herr! Deine Freundlichkeit ist größer als diese Berge! Darf ich auch meinen Hund mitnehmen, und werdet ihr ihm Futter geben?«

»Ja. Wir können Wild genug für ihn schießen.«

»Ich danke dir; ich habe keine Flinte und muß das Wild in der Schlinge fangen. Wann wirst du mir das Pferd kaufen?«

»So bald als möglich.«

Er hatte Salz, und ich trug ihm auf, einen Vorrat davon mitzunehmen.

Welch ein kostbarer Artikel das Salz ist, lernt man erst dann erkennen, wenn man es monatelang entbehren muß. Die meisten Beduinen und auch viele Kurden sind nicht an seinen Genuß gewöhnt.

Allo war schnell mit seinen Vorbereitungen zu Ende. Er versteckte sein Mehl und Salz in das erwähnte Loch, ergriff sein Messer nebst dem fürchterlichen Spieß und tat seinen Hund an die Leine, die er sich um die Hüften schlang. Eine Kopfbedeckung gab es bei ihm nicht.

Wir begannen diesen Tagmarsch mit erneutem Vertrauen auf unser gutes Glück. Unser Führer leitete uns scharf nach Süd, bis wir am Mittag den Berozieh erreichten. Hier machten wir Rast und badeten in den Wellen des Flusses. Glücklicherweise ließ Allo sich von mir bereden, ein Gleiches zu tun. Er gebrauchte den reichlich vorhandenen Sand als Seife und verließ als ein anderer Mensch die wohltätigen Wellen.

Wir schlugen jetzt eine östliche Richtung ein, mußten aber manche Umwege machen, da am Flusse viele Ansiedlungen und Nomadenlager waren, die wir zu umgehen für notwendig hielten. Am Abend übernachteten wir am Ufer eines Baches, der rechts vom Gebirge herab dem Berozieh entgegeneilte.

Wir hatten am nächsten Morgen kaum eine Stunde zurückgelegt, als der Kurde stehen blieb und mich an mein Versprechen erinnerte, ihm ein Pferd zu kaufen. In der Nähe habe er einen Bekannten, dessen Pferd feil sei.

»Wohnt er in einem großen Dorfe?« fragte ich.

»Es sind nur vier Häuser da.«

Das war mir lieb, denn ich wollte so viel wie möglich alles Aufsehen vermeiden und ich konnte den Kurden doch auch nicht allein fortlassen, da ich mich noch nicht überzeugt hatte, ob er verschwiegen sei.

»Wie alt ist das Pferd?«

»Es ist noch jung, fünfzehn Jahre.«

»Schön. Wir werden miteinander gehen, um es zu besehen, während die anderen auf uns warten. Suche einen Ort, wo sie unentdeckt bleiben können!«

Nach einer Viertelstunde sahen wir unten am Wasser einige Häuser liegen.

»Das ist es,« sagte Allo. »Warte hier, ich werde deine Freunde verstecken.«

Er führte sie weiter, kehrte aber schon nach einigen Minuten zurück.

»Wo sind sie?«

»In einem Dickicht, wohin niemand kommt.«

»Du wirst den Leuten da unten nicht sagen, wer ich bin, auch nicht, wohin wir gehen, und daß vier auf uns warten!«

»Herr, ich sage kein Wort. Du bist so gut mit mir, und ich liebe dich. Habe keine Sorge!«

Ich ritt die nicht sehr steile Anhöhe hinab und befand mich bald vor einem Haus, unter dessen vorspringendem Dache verschiedene Pack- und Reitsättel hingen. Hinter dem Hause war eine Art Corral, in dem einige Pferde herumsprangen. Ein alter, hagerer Kurde trat uns entgegen.

»Allo, du?« fragte er erstaunt. »Der Prophet segne dein Kommen und alle deine Wege!« Und leise setzte er hinzu: »Wer ist dieser große Herr?«

Der Gefragte war so politisch, laut zu antworten:

»Dieser Herr ist ein Effendi aus Kerkuk, der nach Kelekowa will, um dort mit dem Pascha von Sinna zusammenzutreffen. Da ich die Wege kenne, so soll ich ihn führen. Hast du das Pferd noch, das dir übrig ist?«

»Ja,« antwortete der Mann, dessen Blick voll Bewunderung an meinem Pferde hing. »Es befindet sich hinter dem Hause. Komm!«

Ich wollte die beiden nicht allein lassen und stieg daher schleunigst ab, um ihnen zu folgen, nachdem ich mein Pferd angehängt hatte.

Das betreffende Tier gehörte nicht zu den schlechtesten; ich hielt es nicht für so alt, wie mir Allo angegeben hatte, und da Pferde da waren, die mir weniger wert zu sein schienen, so wunderte ich mich, daß grad dieses dem Besitzer feil sei.

»Was soll es kosten?« erkundigte ich mich.

»Zweihundert Piaster,« lautete die Antwort.

»Führe es vor!«

Er zog es aus der Umzäunung, ließ es gehen, traben und auch galoppieren und machte dadurch meinen Verdacht rege; denn es war wirklich mehr wert als den geforderten Preis.

»Lege den Packsattel an und eine Last darauf!«

Es geschah, und das Tier folgte gehorsam jedem Fingerzeig.

»Hat dieses Tier einen Fehler?«

»Keinen einzigen, Chodih!« beteuerte er.

»Es hat einen, und es ist besser, wenn du ihn mir sagst. Das Pferd ist für deinen Freund Allo, den du nicht betrügen wirst.«

»Ich betrüge ihn nicht.«

»Nun wohl, so will ich versuchen, den Fehler zu entdecken. Nimm das Gepäck herab und leg einen Reitsattel auf!«

»Warum, Herr?«

Diese Frage verriet mir, daß ich auf der richtigen Fährte sei.

»Weil ich es so haben will!« antwortete ich kurz.

Er gehorchte, und dann hieß ich ihn aufsteigen.

»Herr, ich kann nicht,« entschuldigte er sich.

»Warum nicht?«

»Ich habe das Gewitter[19] im Beine. Ich kann nicht reiten.«

»So werde ich es selbst tun!«

Ich sah es ihm an, daß ich der Entdeckung jetzt nahe sei. Das Pferd ließ mich herantreten, doch sobald ich den Fuß erhob, um in den Bügelschuh zu treten, wich es zur Seite. Es wollte mir nicht gelingen, in den Sattel zu kommen, bis ich es hart an die Mauer des Gebäudes stellte. Jetzt saß ich auf, sofort aber ging es hinten in die Höhe, daß es sich fast nach vorn überschlug; dann stieg es vorn empor, beinahe mehr als kerzengerade; es bockte zur Seite und machte so gewaltige Luftsprünge, daß ich die erste Gelegenheit ergriff, mich aus dem Sattel zu werfen. Ich tat dies mit Vorbedacht so, daß ich zur Erde fiel und es den Anschein hatte, als ob ich abgeworfen worden sei.

»Mann, dieses Pferd ist keinen Para, viel weniger zweihundert Piaster wert! Kein Mensch kann es reiten. Es ist verdorben worden.«

»Herr, es ist gut. Vielleicht will es nur dich nicht dulden.«

»Ich kenne das! Es hat lange Zeit unter einem schlechten Sattel und unter einem noch schlimmeren Reiter gelitten; das merkt sich so ein Tier. Wer soll es nun besteigen? Es ist höchstens noch als Packpferd zu verwenden.«

»Brauchst du kein Packpferd, Herr?«

»Nein. Jetzt nicht, sondern erst später.«

»So kaufe es, denn du wirst nicht gleich ein Pferd finden, wenn du es brauchst.«

»Soll ich mich mit einem Tiere schleppen, das mir jetzt zur Last ist?«

»Du sollst es um hundertfünfzig Piaster haben!«

»Ich gebe dir hundert, und keinen Para mehr.«

»Herr, du scherzest!«

»Behalte es! Ich finde in Banna ein anderes. Komm, Allo!«

Ich bestieg meinen Rappen, und der Köhler folgte mir mit betrübter Miene. Wir hatten aber kaum fünfzig Schritte zurückgelegt, so hörten wir rufen:

»Gib hundertdreißig, Herr!«

Ich antwortete nicht.

»Hundertzwanzig!«

Ich ritt weiter, ohne mich umzublicken.

»Komm zurück, Herr; du sollst es für hundert haben!«

Jetzt blieb ich halten und fragte, ob er auch einen Reitsattel und eine Decke zu verkaufen habe. Als er bejahte, kehrte ich zurück und kaufte einen ganz passablen Sattel nebst Decke für vierzig Piaster. Und was das Vorteilhafteste war: der Händler nahm den Preis ganz willig in altem Beschlik[20] an, der sich nach und nach in meiner Tasche angesammelt hatte. Ich legte, nachdem ich bezahlt hatte, dem Pferd den Sattel und das Zaumzeug an und nahm dann von dem Kurden Abschied.

»Lebe wohl! Du wolltest deinen Freund betrügen, aber du wirst gleich sehen, daß er das Pferd für den dritten Teil seines Wertes hat.«

Der Mann antwortete mir nur mit einem schlauen, überlegenen Lächeln. Auch Allo verabschiedete sich von ihm und wollte dann sein Pferd besteigen. Sein behaartes Gesicht, oder vielmehr nur die Teile desselben, die man sehen konnte, erglänzte vor Freude und Entzücken darüber, daß er nun hoch zu Roß in die Welt hineinreiten konnte. Aber der Kurde ergriff ihn beim Arme.

»Um des Propheten willen, steige nicht auf! Das Pferd wird dich abwerfen, und du brichst den Hals.«

»Dieser Mann hat recht,« stimmte ich bei. »Steig du jetzt auf mein Pferd. Es wird dich sicher tragen, und ich will mich hier auf dieses setzen, um ihm zu zeigen, daß es zu gehorchen hat.«

Allo kletterte wirklich mit größtem Vergnügen auf den Rücken meines Hengstes, welcher sich dieses ehrenrührige Attentat ganz ruhig gefallen ließ, weil er mich in der Nähe wußte. Ich aber drängte den Klepper an die Mauer und kam glücklich in den Sattel. Wieder stieg er empor; ich ließ ihm einige Augenblicke lang den Willen, dann aber nahm ich ihn kurz und faßte ihn zwischen die Schenkel. Er wollte steigen – es ging nicht mehr; er brachte es bloß zu einem krampfhaften Spielen der Hufe, und endlich ging ihm der Atem aus, der Schweiß stand ihm auf allen Poren, und von seinem Maul tropfte der Schaum in großen Flocken – er stand, trotzdem ich ihm die Schenkel wieder nahm.

»Er ist bezwungen, Mann,« lachte ich vergnügt. »Paß auf, wie er sich reiten läßt, und versuche nicht wieder, einen Freund zu übervorteilen! Allah sei mit dir!«

Ich ritt voran, und mein Rih folgte mit edler Bescheidenheit dem Klepper.

»Chodih,« fragte der Köhler, »nun ist wohl dieser Schwarze mein?«

Hm! Auch eine Frage!

»Nein,« antwortete ich.

»Warum nicht?«

»Dieser Schwarze würde dich abwerfen, sobald ich nicht mehr in seiner Nähe bin. Du sollst ihn nur heute reiten, denn morgen wird dieses Pferd hier gehorsam geworden sein.«

»Und wird es mir auch dann gehören, wenn ich von euch scheide?«

»Ja, wenn wir nämlich mit dir zufrieden sind.«

»O ich werde alles tun, was du von mir forderst!«

Wir gelangten an das Dickicht, wo sich die Gefährten verborgen hielten. Sie schlossen sich uns wieder an und zeigten sich sehr zufrieden über den guten Handel, den ich gemacht hatte. Nur Halef war ungehalten.

»Sihdi,« sagte er, »das wird dir Allah nie vergeben, daß du deinen Rih eine solche Kröte tragen lässest. Er mag sich auf mein Pferd setzen, während ich den Rappen nehme.«

»Laß ihn, Halef! Es würde ihn beleidigen.«

»Maschallah, wie kann ein Kurde beleidigt werden, der Kohlen brennt und den Schmutz mit Fingern ißt!«

Es blieb trotzdem bei meiner Anordnung.

Am Nachmittag gelangten wir in die Höhe von Banna und nach einem scharfen Ritte öffnete sich vor uns der Paß, der nach Süden führt. Wir hatten unsere Pferde auf den unwegsamen Höhen sehr in Anspruch nehmen müssen; darum wollten wir ihnen heute eher Ruhe gönnen und zogen uns seitwärts des Passes in ein kleines, aber tiefes Tälchen zurück, dessen Seiten sehr dicht mit Zwergeichen bewachsen waren. Wir hatten Wild genug geschossen, um nicht hungern zu müssen, und losten nach dem Mahle um die Reihenfolge der Nachtwache. Hier in der Nähe des Passes hielten wir die Vorsicht ganz besonders für notwendig, denn die Kunde von dem Herdenraube war ganz sicher bereits bis Banna gedrungen, und es ließ sich vermuten, daß dabei die Rede auch von uns gewesen sei.

Die Nacht verging ohne die geringste Störung, und mit dem Grauen des Tages ritten wir bereits in den Mund des Passes ein. Wir hatten diese Zeit gewählt, um völlig unbeachtet zu sein.

Der Weg führte über nackte Höhen und kahle Steinflächen, durch dunkle Schluchten und melancholische Täler, in denen kaum ein Wässerlein zu finden war. Man sah und fühlte hier so recht deutlich, daß man sich auf einem Boden befand, den vielleicht noch kein Europäer betreten hatte.

Es war nahe am Mittag, als wir ein Quertal zu durchschneiden hatten. Gerade als wir bei der gegenüberliegenden Ecke anlangten, blieb Dojan stehen und sah mich bittend an. Ich kannte seine Manieren; er hatte etwas Verdächtiges bemerkt und wollte nun die Erlaubnis haben, mich verlassen zu dürfen. Ich ließ halten und sah mich um, fand aber nicht die geringste Spur eines lebenden Wesens.

»Jürü[21], Dojan!« sagte ich, und sofort sprang der Hund in das Gebüsch hinein. Einige Augenblicke später hörten wir einen Schrei, und dann erscholl jener kurze Laut, welcher mir sagte, daß Dojan einen Menschen unter sich liegen habe.

»Halef, komm!«

Wir sprangen von den Pferden, warfen den Andern die Zügel zu und folgten dem Hunde. Wahrhaftig, neben einem stacheligen, heckenrosenartigen Busche lag ein Mann, und der Hund stand über ihm und hatte seine Zähne an dessen Gurgel.

»Dojan, geri!«

Der Hund ließ ab, und der Mann erhob sich.

»Was tust du hier?«

Er blickte mich an, als ob er sich die Antwort erst überlegen wolle, gab sie aber nicht, sondern tat einen plötzlichen Seitensprung und verschwand.

Auf meinen Wink setzte der Hund dem Fremden nach. Keine Minute später hörten wir wieder den Angstschrei des Mannes und den bezeichnenden Laut des Hundes. Neben der Stelle, wo der Mann gelegen hatte, hing seine Flinte an einem abgebrochenen Zweige. Ich winkte Halef, sie zu nehmen, und dann drangen wir weiter vor. Wir fanden Mensch und Hund genau wieder in der vorherigen Lage. Der erstere wagte gar nicht, sich zu rühren und von dem Messer Gebrauch zu machen, welches er im Gürtel hatte.

»Ich werde dir noch einmal erlauben, dich zu erheben, aber ich sage dir: wenn du abermals zu entfliehen suchst, so wird der Hund dich zerreißen,« warnte ich ihn.

Dann rief ich Dojan abermals zurück. Der Fremde stand auf und blieb in demütiger Haltung vor mir stehen.

»Wer bist du?«

»Ich bin ein Bewohner von Soota,« antwortete er.

»Ein Bebbeh?«

»Nein, Herr. Wir sind Feinde der Bebbeh, denn ich bin ein Dschiaf.«

»Woher kommst du?«

»Aus Achmed Kulwan.«

»Das ist weit. Was hast du dort getan?«

»Ich sorge für die Herden des dortigen Kiaja.«

»Wohin willst du?«

»Nach Soota zu meinen Freunden. Die Dschiaf feiern ein großes Fest, welches wir mitmachen wollen.«

Das stimmte.

»Haben die Dschiaf auch Gäste bei diesem Feste?«

»Ich habe gehört,« antwortete er, »daß Khan Heider Mirlam mit seinen Bejat kommen will.«

Auch das stimmte. Dieser Mann schien kein Lügner zu sein.

»Warum versteckst du dich vor uns?«

»Herr, muß ein einzelner Mann sich nicht verstecken, wenn er sechs Reiter kommen sieht? Er weiß hier in den Bergen doch niemals, ob es Freunde oder Feinde sind.«

»Aber warum versuchtest du, mir zu entfliehen?«

»Weil ich dachte, du seist ein Feind, denn du hetztest deinen Hund auf mich.«

»Bist du wirklich ganz allein hier?«

»Ganz allein; das kannst du mir beim Barte des Propheten glauben!«

»Ich will es dir glauben. Gehe voran!«

Wir kehrten mit ihm zu den Gefährten zurück, wo er seine Aussage wiederholen mußte. Sie stimmten mit mir darin überein, daß der Mann ungefährlich sei. Er erhielt seine Flinte wieder und durfte gehen. Nachdem er sich bedankt und den Segen Allahs auf unsere Häupter herabgewünscht hatte, setzten wir den unterbrochenen Ritt weiter fort.

Ich hatte bemerkt, daß Allo den Fremden recht nachdenklich betrachtet hatte; auch jetzt saß er sinnend auf dem Rappen, und eben wollte ich ihn nach dem Gegenstande seines Grübelns fragen, als er, wie sich endlich besinnend, aufblickte und schnell an meine Seite kam.

»Chodih, dieser Mann hat euch belogen! Ich kannte ihn, aber ich wußte nicht mehr, wer er war. Jetzt nun habe ich mich besonnen. Er ist kein Dschiaf, sondern ein Bebbeh. Er muß ein Bruder oder Verwandter des Scheik Gasahl Gaboya sein. Ich habe sie beide in Nweizgieh gesehen.«

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