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Von Bagdad nach Stambul
Von Bagdad nach Stambul

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Von Bagdad nach Stambul

Язык: Немецкий
Год издания: 2016
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Er warf einen zweifelhaften Blick auf den Khan, welcher mit dem sichtlichen Bestreben, von uns nicht gehört zu werden, zu seinen Leuten redete. Ich setzte mich zu Mohammed Emin, welcher auf diese Gelegenheit gewartet zu haben schien, denn er fragte mich sofort:

»Emir, wie lange bleiben wir bei diesen Bejat?«

»So lange es dir beliebt.«

»Ist es dir recht, so trennen wir uns morgen von ihnen.«

»Warum?«

»Ein Mann, der die Wahrheit verschweigt, ist kein guter Freund.«

»Hältst du den Khan für einen Lügner?«

»Nein; aber ich halte ihn für einen Mann, der nicht alles sagt, was er denkt.«

»Er hat dich erkannt.«

»Ich weiß es; ich habe es an seinen Augen gesehen.«

»Nicht bloß dich, sondern auch Amad el Ghandur.«

»Das ist leicht zu denken, da mein Sohn die Züge seines Vaters trägt.«

»Macht dir dies vielleicht Sorgen?«

»Nein. Wir sind Gäste der Bejat geworden, und sie werden uns nicht verraten. Aber warum haben sie diesen Bebbeh gefangen genommen?«

»Damit er unsere Anwesenheit nicht verraten kann.«

»Warum soll sie nicht verraten werden, Emir? Was haben zweihundert bewaffnete und gut berittene Reiter zu fürchten, wenn sie keinen Troß bei sich haben, weder Weib noch Kind, weder Kranke noch Greise, weder Zelte noch Herden? In welcher Gegend befinden wir uns, Effendi?«

»Wir sind inmitten des Gebietes der Bebbeh.«

»Und er wollte zu den Dschiaf? Ich habe wohl bemerkt, daß wir immer gegen Mittag ritten. Warum teilt er heute die Leute in zwei Lager? Emir, dieser Heider Mirlam hat zwei Zungen, obgleich er es ehrlich mit uns meint. Wenn wir uns morgen von ihm trennen wollen, welchen Weg schlagen wir dann ein?«

»Wir haben die Berge des Zagros zu unserer Linken. Die Distriktshauptstadt Banna liegt ganz in unserer Nähe, wie ich vermute. Geht man an ihr vorüber, so kommt man nach Amehdabad, Bija, Surene und Bayendereh. Hinter Amehdabad öffnet sich ein Paß, welcher durch einsame Schluchten und Täler nach Kizzelzieh führt. Dort hat man die Hügel von Girzeh und Sersir zur Rechten, ebenso die kahlen Berge von Kurri-Kazhaf; man gelangt an die beiden Wasserläufe Bistan und Karadscholan, welche sich mit dem Kizzelzieh vereinigen und in den Kiuprisee fallen. Haben wir diesen erreicht, so sind wir geborgen. Dieser Weg ist freilich beschwerlich.«

»Woher weißt du dies?«

»Ich habe in Bagdad mit einem Bulbassi-Kurden gesprochen, welcher mir diese Gegend so gut beschrieb, daß ich mir eine kleine Karte anfertigen konnte. Ich glaubte nicht, sie brauchen zu können, habe sie aber doch hier in mein Tagebuch gezeichnet.«

»Und du meinst, daß es gut sei, diesen Weg einzuschlagen?«

»Ich habe mir auch andere Orte, Berge und Flüsse aufgezeichnet, halte diesen Weg aber für den besten. Wir könnten entweder nach Sulimania oder über Mik und Doweiza nach Sinna reiten, wissen aber nicht, welche Aufnahme wir dort finden.«

»So bleibt es dabei: – wir trennen uns morgen von den Bejat und ziehen über die Berge nach dem See von Kiupri. Wird dich deine Karte nicht täuschen?«

»Nein, wenn mich der Bulbassi nicht getäuscht hat.«

»So laß uns ruhen und schlafen! Die Bejat mögen tun, was ihnen beliebt.«

Wir tränkten unsere Pferde am Bache und sorgten für das notwendige Futter. Dann legten sich die Andern gleich zur Ruhe, während ich den Khan aufsuchte.

»Heider Mirlam, wo sind die andern Bejat?«

»In der Nähe. Warum fragest du?«

»Bei ihnen ist der gefangene Bebbeh, den ich sehen möchte.«

»Warum willst du ihn sehen?«

»Es ist meine Pflicht, weil er mein Gefangener ist.«

»Er ist nicht dein, sondern mein Gefangener; denn du hast ihn mir übergeben.«

»Darüber wollen wir uns nicht streiten; aber ich möchte doch nachsehen, wie er sich befindet.«

»Er befindet sich gut. Wenn Heider Mirlam dies sagt, so ist es wahr. Sorge dich nicht um ihn, Herr, sondern setze dich zu mir, und laß uns eine Pfeife Tabak rauchen!«

Ich folgte seinem Worte, um ihn nicht zu erzürnen, verließ ihn aber sehr bald wieder, um mich niederzulegen. Warum sollte ich den Bebbeh nicht sehen? Schlecht behandelt wurde er nicht; dafür bürgte mir das Wort des Khan. Dieser aber wurde jedenfalls von einem Grunde geleitet, den mein mangelhafter Scharfsinn nicht zu entdecken vermochte. Ich beschloß, morgen in aller Frühe den Bebbeh auf meine eigene Gefahr hin freizulassen und dann mich von den Bejat zu trennen. So schlief ich ein.

Wenn man vom Morgengrauen bis zum späten Abend auf dem Pferde hängt, so wird man selbst als Gewohnheitsreiter müde. Das war auch bei mir der Fall. Ich schlief gut und fest, und ich wäre sicher vor dem Morgen nicht aufgewacht, wenn nicht das Murren meines Hundes mich geweckt hätte. Als ich die Augen aufschlug, war es sehr dunkel; dennoch erkannte ich einen Mann, welcher aufrecht in meiner Nähe stand.

Ich griff zum Messer.

»Wer bist du?«

Bei dieser Frage erwachten auch die Gefährten und nahmen die Waffen zur Hand.

»Kennst du mich nicht, Herr?« erklang die Antwort. »Ich bin einer der Bejat.«

»Was willst du?«

»Herr, hilf uns! Der Bebbeh ist entflohen!«

Ich sprang sofort auf und die Andern mit.

»Der Bebbeh? Wann?«

»Ich weiß es nicht. Wir haben geschlafen.«

»Ah! Hundertsechzig Mann haben ihn bewacht, und er ist entflohen?«

»Sie sind ja nicht da!«

»Diese Hundertundsechzig sind fort?«

»Sie kommen wieder, Herr.«

»Wohin sind sie?«

»Ich weiß es nicht.«

»Wo ist der Khan?«

»Auch mit fort.«

Da faßte ich den Mann bei der Brust.

»Mensch, habt ihr vielleicht eine Schurkerei gegen uns vor? Das sollte euch schlecht bekommen!«

»Laß mich, Herr! Wie können wir dir Schlimmes tun! Du bist ja unser Gast!«

»Halef, untersuche, wie viele Bejat sich noch hier befinden!«

Es war so dunkel, daß man den Platz nicht zu überblicken vermochte. Der kleine Hadschi erhob sich, um meinen Befehl auszuführen.

»Es sind noch vier hier,« erklärte sogleich der Bejat, »und einer steht draußen am Eingang, um ihn zu bewachen. Drüben aber im andern Lager waren wir unser zehn, um den Gefangenen zu bewachen.«

»Wie ist er euch entkommen? Zu Fuße?«

»Nein. Er hat sein Pferd mitgenommen, nebst einigen Waffen von uns.«

»Das ist ein Beweis, daß ihr sehr kluge und aufmerksame Wächter seid. Aber warum kommt ihr da zu mir?«

»Herr, fange ihn wieder!«

Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Eine naivere Zumutung konnte mir ja gar nicht gestellt werden. Ich ließ diese Aufforderung ganz unbeachtet und erkundigte mich nur weiter:

»Ihr wißt also nicht, wo der Khan mit den Andern ist?«

»Wir wissen es wirklich nicht.«

»Aber er muß doch einen Grund haben, fortzugehen!«

»Den hat er.«

»Welcher ist es?«

»Herr, wir sollen ihn dir nicht sagen.«

»Gut. Wir wollen einmal sehen, wer jetzt zu befehlen hat, der Khan oder ich – — —«

Halef unterbrach mich, indem er meldete, daß wirklich nur noch vier Bejat zu bemerken seien.

»Sie stehen dort in der Ecke und hören uns zu, Sihdi!« sagte er.

»Laß sie stehen! Aber sag, sind deine Pistolen geladen, Hadschi Halef Omar?«

»Hast du sie jemals ungeladen gesehen, Sihdi?«

»Nimm sie heraus, und wenn dieser Mann die Frage, welche ich ihm jetzt zum letzten Male vorlegen werde, nicht beantwortet, so jagst du ihm eine Kugel durch den Kopf. Verstanden?«

»Habe keine Sorge, Sihdi; er soll zwei Kugeln erhalten anstatt einer!«

Er nahm die Waffen aus dem Gürtel und ließ die vier Hähne spielen. Ich fragte den Bejat abermals:

»Weshalb hat sich der Khan entfernt?«

Die Antwort ließ nicht einen Augenblick auf sich warten.

»Um die Bebbeh zu überfallen.«

»Die Bebbeh? So hat er mich also belogen! Er sagte, daß er die Dschiaf besuchen wolle.«

»Herr, Khan Heider Mirlam sagt nie eine Lüge! Er will wirklich zu den Dschiaf, wenn ihm der Ueberfall gelungen ist.«

Jetzt fiel mir ein, daß er mich gefragt hatte, ob ich mit den Bebbeh Freund oder Feind sei. Er hatte mir seinen Schutz angedeihen lassen und mir doch auch meine Unbefangenheit bewahren wollen.

»Lebt ihr mit den Bebbeh in Unfrieden?« fragte ich weiter.

»Sie mit uns, Herr. Wir werden ihnen dafür heute ihre Herden, ihre Teppiche und Waffen wegnehmen. Hundertundfünfzig Männer werden diese Beute heimschaffen, und fünfzig werden mit dem Khan zu den Dschiaf gehen.«

»Wenn die Bebbeh es erlauben,« fügte ich hinzu.

Trotz der Dunkelheit bemerkte ich, daß er den Kopf stolz emporwarf.

»Diese? Die Bebbeh sind Feiglinge! Hast du nicht gesehen, daß dieser Mann heute vor uns geflohen ist?«

»Einer vor zweihundert!«

»Und du allein hast ihn gefangen!«

»Bah! Ich fange unter Umständen ebenso gut zehn Bejat. Zum Beispiele: Du und diese vier, die Wache draußen und die neun drüben im andern Lager, ihr seid jetzt meine Gefangenen. Halef, bewache den Ausgang. Wer diesen Platz ohne meine Erlaubnis betreten oder verlassen will, den erschießest du!«

Der wackere Hadschi verschwand sofort nach dem Ausgange hin; der Bejat sagte ängstlich:

»Herr, du scherzest!«

»Ich scherze nicht. Der Khan hat mir das Wichtigste verschwiegen, und auch du hast nur darum gesprochen, weil ich dich gezwungen habe. Darum sollt ihr mir dafür bürgen, daß ich hier sicher bin. Kommt herbei, ihr Viere!«

Sie folgten meinem Befehle.

»Legt eure Waffen hier zu meinen Füßen nieder!« – Und als sie zögerten, fügte ich hinzu: »Ihr habt von uns gehört! Meint ihr es ehrlich mit uns, so geschieht euch nichts und ihr erhaltet eure Waffen wieder; weigert ihr euch aber, mir zu gehorchen, so kann euch kein Dschinni und Scheïtan helfen!«

Jetzt taten sie, was ich von ihnen verlangt hatte. Ich übergab die Gewehre den Gefährten und instruierte Mohammed Emin, wie er sich nun weiter zu verhalten habe. Dann verließ ich den Platz, um dem Laufe des Baches in das Freie hinaus zu folgen.

Draußen fand ich zwischen Steinen die Wache, welche mich gleich erkannte.

»Wer hat dich hergestellt?« fragte ich.

»Der Khan.«

»Wozu?«

»Damit er, wenn er kommt, gleich weiß, daß alles in Ordnung ist.«

»Sehr gut! Gehe einmal hinein, und sage meinen Gefährten, daß ich gleich wieder kommen werde.«

»Ich darf diese Stelle nicht verlassen.«

»Der Khan weiß nichts davon.«

»Er wird es erfahren.«

»Das ist möglich; aber ich werde ihm sagen, daß ich es dir befohlen habe.«

Jetzt ging der Mann. Ich wußte, daß er von Mohammed zurückbehalten und entwaffnet werden würde. Nun hatte ich mich zwar nicht erkundigt, wo das zweite Lager sei; aber ich hatte am Abend in der Nähe des unserigen Stimmen vernommen und glaubte daher, die Stelle leicht finden zu können. So geschah es auch; ich hörte ein Pferd stampfen, und als ich dem Laute nachging, fand ich die neun am Boden sitzenden Bejat, die mich in der Dunkelheit für ihren Kameraden hielten, denn der eine rief:

»Was sagte er?«

»Wer?«

»Der fremde Emir!«

»Hier steht er selbst,« antwortete ich.

Jetzt erkannten sie mich und standen auf.

»Oh, Emir, hilf uns!« bat der eine. »Der Bebbeh ist uns entflohen, und wenn der Khan zurückkehrt, so wird es uns sehr schlimm ergehen.«

»Wie ist er entkommen? Hattet ihr ihn denn nicht gebunden?«

»Er war gebunden, aber er muß seine Bande nach und nach gelockert haben, und als wir schliefen, hat er sein Pferd nebst unsern Gewehren genommen und ist entwischt.«

»Nehmt eure Pferde, und folgt mir!«

Sie gehorchten sofort, und ich führte sie nach unserm Lagerplatz. Als wir denselben erreichten, hatte der Haddedihn indes ein kleines Feuer angebrannt, um die Umgebung zu erleuchten. Die Wache saß bereits waffenlos bei den andern Bejat. Die neun Männer, welche ich jetzt brachte, waren von dem ihnen widerfahrenen Unfalle so niedergeschmettert, daß sie mir ohne Widerrede ihre Messer und Lanzen übergaben. Ich erklärte den fünfzehn Männern, daß sie nur dann von uns etwas zu fürchten hätten, wenn es ihrem Khan einfallen sollte, einen Verrat an uns zu begehen; den entflohenen Bebbeh aber könne ich ihnen unmöglich wieder bringen.

Master Lindsay hatte sich während meiner Abwesenheit, so gut es bei seinem Mangel an Sprachkenntnis möglich war, von Halef das ihm noch Unverständliche erklären lassen. Jetzt trat er zu mir.

»Sir, was tun wir mit den Kerls?«

»Das soll sich erst finden, wenn der Khan zurückkehrt.«

»Wenn sie aber ausreißen?«

»Das gelingt ihnen nicht. Wir überwachen sie ja, und übrigens werde ich unsern Hadschi Halef Omar an den Ausgang stellen.«

»Dorthin?« – Er deutete nach dem Gange, der in das Freie führte. Als ich nickte, fügte er bei: »Ist nicht genug! – Gibt noch einen zweiten Ausgang. Da hinten! Yes!«

Ich sah nach der Richtung, welche mir seine Hand andeutete, und gewahrte beim Scheine der Flamme ein hohes Felsenstück, vor welchem ein Busch stand.

»Ihr scherzt, Sir!« sagte ich. »Wer kann über diesen Stein kommen! Er ist wenigstens fünf Meter hoch.«

Er lachte mit dem ganzen Gesichte, so daß sein Mund das berühmte Trapezoid bildete, innerhalb dessen Linien die großen gelben Zähne sichtbar wurden.

»Hm! Seid ein gescheiter Kerl, Master! Aber David Lindsay ist doch noch klüger. Well!«

»Erklärt Euch, Sir!«

»Geht einmal hin, und seht Euch den Stein und den Busch an!«

»Also wirklich? Aber hingehen kann ich nicht, denn ich würde die Bejat auf diesen Ausgang aufmerksam machen, wenn er wirklich vorhanden ist.«

»Er ist da, wirklich da, Master! Yes!«

»Inwiefern?«

»Das ist nicht ein Stein, sondern es sind zwei Steine, und zwischen der schmalen Lücke steht der Busch. Verstanden?«

»Ah, das kann für uns von großem Vorteile sein. Wissen die Bejat etwas davon?«

»Glaube nicht; denn als ich dort war, haben sie nicht auf mich geachtet.«

»Ist die Lücke sehr schmal?«

»Man kann mit einem Pferde hindurch.«

»Und wie ist das Terrain dann hinter ihr?«

»Weiß nicht. Konnte es nicht sehen.«

Das war so wichtig, daß ich es gleich untersuchen mußte. Ich machte die Gefährten auf mein Vorhaben aufmerksam und verließ den Lagerplatz. Draußen umging ich das Felsengewirr und fand wegen der Dunkelheit nur mit vieler Mühe endlich den Ort, wo der Busch zwischen den beiden Felsen stand. Die Oeffnung, welche er maskierte, war etwas über zwei Meter breit. Hinter ihr gab es zwar auch noch eine Menge bunt durcheinander geworfenen Gesteins, aber es war wenigstens beim Lichte des Tages nicht schwer, ein Pferd hindurch zu lenken.

Da ich nicht wußte, was uns begegnen konnte, so zog ich mein Messer, trat an den Busch heran und machte so tiefe Einschnitte in einige der Stämmchen, daß sie nach außen fallen mußten, falls man mit dem Pferde darüber hinwegstrich. Natürlich geschah dies so vorsichtig, daß die dahinter lagernden Bejat nichts davon merkten. Dann kehrte ich zu dem Lagerplatz zurück und stellte Halef am Eingange desselben auf. Er erhielt die Weisung, uns jede Annäherung sofort zu melden.

»Was hast du gefunden, Effendi?« fragte Mohammed Emin.

»Einen prachtvollen Ausweg für den Fall, daß wir uns ohne »Sallam« entfernen müßten.«

»Durch den Busch hinaus?«

»Ja. Ich habe ihn durchschnitten. Sobald ein Reiter hindurchbricht, wird der Strauch umgerissen und die Folgenden haben dann freie Bahn.«

»Gibt es dann noch Gestein?«

»Ja, große Steinbrocken mit Dorn und Pflanzenwerk dazwischen; aber wenn es hell ist, kommt man recht gut hindurch.«

»Meinst du denn, daß wir diesen Weg gebrauchen werden?«

»Ich weiß es nicht, aber ich ahne es. Lache nicht über mich, Mohammed Emin; aber bereits seit meiner Kindheit habe ich ein gewisses Ahnungsvermögen besessen, welches mich oft auf noch entfernte Dinge aufmerksam machte.«

»Ich glaube dir. Allah ist groß!«

»Freudige Dinge ahne ich nie vorher. Aber zuweilen erfaßt mich eine Unruhe, eine Angst, als hätte ich etwas Böses begangen, dessen Folgen ich nun fürchten müsse. Dann ist sicher und regelmäßig etwas geschehen, was mir Schaden bringt. Und wenn ich später die Zeit vergleiche, so stimmt es ganz genau: die Gefahr hat in demselben Augenblick begonnen, an welchem mich die Angst überfiel.«

»So wollen wir auf die Warnung achten, welche dir Allah sendet.«

Meine Besorgnis äußerte ihre Wirkung auch auf die Gefährten. Das Gespräch stockte, und wir lagen wortlos beieinander, bis der Tag anbrach. Kaum aber war es möglich, den Blick in die Ferne zu richten, so kam Halef hereingeeilt und meldete, daß er viele Reiter gesehen habe. Ihre genaue Zahl hatte er nicht unterscheiden können.

Ich trat zum Pferde, nahm das Fernrohr aus der Satteltasche und folgte Halef. Man erkannte mit dem bloßen Auge draußen auf der Ebene eine Menge dunkler Gestalten; durch das Rohr konnte ich sie deutlicher unterscheiden.

»Sihdi, wer ist es?« fragte Halef.

»Die Bejat sind es.«

»Aber ihrer sind nicht so viele!«

»Sie kehren mit dem Raube zurück. Sie führen die Herden der Bebbeh bei sich. Wie es scheint, reitet der Khan mit einer Schar schnell voran. Er wird also eher da sein, als die Andern.«

»Was tun wir?«

»Hm! Warte! Ich werde dir Nachricht geben.«

Ich kehrte zu den Gefährten zurück und unterrichtete sie von dem, was ich gesehen hatte. Sie waren gleich mir überzeugt, wir hätten von dem Khan nichts zu befürchten. Wir konnten ihm keinen andern Vorwurf machen, als daß er uns von seinem Vorhaben keine Mitteilung gemacht hatte. Wäre dies geschehen, so hätten wir uns ihm nicht angeschlossen; denn es lag ja sicher eine Gefahr für uns darin, in der Gesellschaft eines Herdenräubers gesehen zu werden. Wir kamen überein, ihn zwar vorsichtig, aber doch höflich zu empfangen.

Nun kehrte ich, vollständig bewaffnet, zu Halef zurück.

Der Khan kam mit seinem Trupp im Galopp herbei, und ehe fünf Minuten vergangen waren, hielt er sein Pferd vor mir an.

»Sallam, Emir!« grüßte er. »Du hast dich wohl gewundert, mich nicht bei euch zu sehen, als du erwachtest. Aber ich hatte ein dringliches Geschäft zu besorgen. Es ist gelungen. Blicke hinter dich!«

Ich sah nur ihm ins Gesicht.

»Du hast gestohlen, Khan Heider Mirlam!«

»Gestohlen?« fragte er mit ganz erstaunter Miene. »Wer seinen Feinden nimmt, was er ihnen nehmen kann, ist der ein Dieb?«

»Die Christen sagen: ja, er ist ein Dieb, und du weißt, daß ich ein Christ bin. Warum aber hast du gegen uns geschwiegen?«

»Weil wir dann Feinde geworden wären. Du hättest uns verlassen?«

»Allerdings.«

»Und die Bebbeh gewarnt?«

»Ich hätte sie nicht aufgesucht, und ich wußte ja auch nicht, welches Lager oder welchen Ort du überfallen wolltest. Aber wäre mir ein Bebbeh begegnet, so hätte ich ihn von der Gefahr benachrichtigt, die ihm drohte.«

»Siehest du, Emir, daß ich recht habe! Ich konnte nur zweierlei tun: – entweder mußte ich dir mein Vorhaben verschweigen, oder ich mußte dich gefangen nehmen und mit Gewalt bei mir behalten, bis alles vorüber war. Da ich dein Freund war, so habe ich das erstere getan.«

»Ich aber bin in der Nacht in das Lager zu den zehn Männern gegangen, die du dort zurückgelassen hattest,« lautete meine ruhige Antwort.

»Was wolltest du bei ihnen?« fragte der Khan.

»Sie gefangen nehmen.«

»Allah! Warum?«

»Weil ich erfuhr, daß du uns verlassen hattest. Ich wußte nicht, was mir geschehen könnte; darum nahm ich alle da gebliebenen Bejat gefangen, um sie als Bürgschaft meiner Sicherheit zu gebrauchen.«

»Herr, du bist ein sehr vorsichtiger Mann; aber du konntest mir trauen. Was hast du mit dem Bebbeh getan?«

»Nichts. Ich bekam ihn gar nicht zu sehen, denn er war entflohen.«

Der Khan entfärbte sich und rief:

»Derigh![15] Das ist ja ganz unmöglich! Das kann mir alles verderben. Laß mich hinein zu diesen Hunden, welche sicher geschlafen haben, als sie wachen sollten!«

Jetzt erst sprang er vom Pferde, ließ es stehen und stürmte zwischen den Felsen hindurch dem Lagerplatze zu. Wir folgten ihm beide, Halef und ich. Zwischen dem Khane und seinen Leuten gab es nun eine Szene, die kaum zu beschreiben ist. Er tobte wie ein angeschossener Eber, teilte Fußtritte und Faustschläge aus und war nicht eher zu beruhigen, als bis er seine Kräfte erschöpft hatte. Ich hätte diesem Manne eine solche Wut gar nicht zugetraut.

»Laß deinen Zorn schwinden, Khan,« bat ich schließlich. »Du hättest diesen Mann doch frei lassen müssen.«

»Ich hätte es getan,« zürnte er; »aber heut noch nicht, denn mein Plan soll nicht verraten werden.«

»Welches ist dein Plan?«

»Wir haben alles mitgenommen, was wir bei den Bebbeh gefunden haben. Jetzt nun wird das Gute von dem Schlechten getrennt. Alles Wertvolle schicke ich auf weiten, aber sicheren Umwegen zu den Unserigen; alles Schlechte aber nehmen wir Andern, die wir zu den Dschiaf gehen, mit uns. Unterwegs lassen wir es stellenweise zurück. Auf diese Art lenken wir die Verfolgung auf uns; die Bebbeh glauben, sie seien von einer Abteilung der Dschiaf überfallen worden, und meine Leute kommen mit der Beute sicher zu den Lagerplätzen und Dörfern der Bejat.«

»Dieser Plan ist gut ausgedacht.«

»Aber nun wohl ohne Erfolg. Der gefangene Bebbeh gehörte zu der Abteilung, die wir überfallen haben; er wußte, daß wir Bejat sind, und wird alles verraten. Er hat sicher geahnt, was wir beabsichtigten. Er hat ein sehr gutes Pferd. Wie nun, wenn er, noch während wir mit dem Ueberfalle beschäftigt waren, die Schnelligkeit seines Tieres benutzt hat, um die befreundeten Lager in der Nähe in Alarm zu bringen?«

»Das wäre schlimm für euch und auch für uns, denn er hat uns bei euch gesehen,« antwortete ich.

»Er kennt auch unsern Lagerplatz, und es steht zu erwarten, daß der Eingang zu diesen Felsen den Bebbeh bekannt ist.«

Kaum hatte er das letzte Wort gesprochen, so erscholl vom Eingang her ein lauter Ruf:

»Allah ‚l Allah! Da sind sie! Nehmt sie lebendig gefangen!«

Wir drehten uns um und erkannten den entflohenen Bebbeh, welcher mit funkelnden Augen auf mich zusprang; hinter ihm quoll ein zahlreiches Gefolge durch die Enge auf den Platz, und zugleich erhob sich ein fürchterliches Geheul, mit zahlreichen Flintenschüssen untermischt. Wir hatten den Vorgang außerhalb des Lagers gar nicht beachtet und sogar vergessen, den Eingang bewachen zu lassen.

Ich hatte übrigens nicht die mindeste Zeit zum Nachdenken, denn der Bebbeh, in welchem ich jetzt einen Khan oder Scheik vermutete, kam auf mich zu. Er trug weder Lanze noch Büchse bei sich, ganz so wie seine Gefährten; aber in seiner Hand funkelte der gewundene afghanische Dolch.

Ich empfing den kühnen Gegner mit freien Händen, ohne nach einer Waffe zu greifen. Mit der Linken umfaßte ich mit raschem Griff seine Rechte, welche den Dolch hielt, und meine Rechte legte ich ihm um den Hals.

»Stirb, Räuber!« rief er, unter einem gewaltigen Ruck, seine bewaffnete Faust freizumachen.

»Du irrst,« antwortete ich. »Ich bin kein Bejat; ich wußte nicht, daß ihr überfallen werden solltet!«

»Du bist ein Dieb, ein Hund! Du hast mich gefangen genommen; jetzt aber sollst du mein Gefangener werden. Ich bin Scheik Gasahl Gaboya, dem noch keiner entgangen ist!«

Wie ein Blitz zuckte mir die Erinnerung durch das Hirn, daß ich diesen Namen schon als denjenigen eines der tapfersten Kurden gehört hatte. Da galt es kein Bedenken mehr.

»So nimm du mich gefangen, wenn du kannst!« antwortete ich.

Bei diesen Worten ließ ich beide Hände von ihm ab und trat zurück. Er mochte dies als eine Schwäche von mir erkennen, stieß einen triumphierenden Schrei aus und erhob den Arm hoch zum Stoße. Das wollte ich haben: ich rannte ihm meine Faust mit solcher Gewalt in die entblößte Achselhöhle, daß seine Füße augenblicklich den Halt verloren. Sein Körper beschrieb einen weiten Bogen und stürzte sechs Schritte von mir entfernt zu Boden, und ehe er sich wieder aufraffen konnte, schlug ich ihm die geballte Faust auf die Schläfe, so daß er liegen blieb.

»Auf die Pferde, und mir nach!« rief ich.

Ein Blick zeigte mir die ganze Szene. Es waren ungefähr zwanzig Bebbeh eingedrungen. Die Bejat standen mit ihnen im Kampfe. Master Lindsay hatte zwei gegen sich und entledigte sich soeben des einen mit einem Schlage seines Büchsenkolbens; die beiden Haddedihn hatten sich nebeneinander an den Felsen gelehnt und ließen keinen an sich kommen, und der kleine Halef kniete auf einem niedergeworfenen Feinde, dessen Kopf er mit dem Kolben seiner Pistole bearbeitete.

»Sihdi, nicht fliehen! Wir werden mit ihnen fertig!« beantwortete der mutige Hadschi meinen Ruf.

»Draußen sind mehrere; die Bejat sind überfallen. Vorwärts! Schnell!«

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