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Hannibals Elefantenmädchen Buch Eins
»Jetzt«, sagte ich, »werde ich dir eine Melone zu essen geben und ich verspreche, dass ich nicht wieder rennend und brüllend komme, wenn du nicht wegen jeder kleinen Sache wütend wirst.«
Ich hob eine große gelbe Melone neben dem Heuhaufen auf und streckte sie ihm hin. Er kringelte seinen Rüssel ein und öffnete seinen Mund. Ich schob sie hinein und lachte, als er sie zermalmte. Er senkte seinen Kopf für mich und ich betätschelte die Seite seines Gesichts.
»Guter Junge.«
»Ich werde sie umbringen!«
Als ich die Reibeisenstimme hinter mir hörte, drehte ich mich um und wich gegen Obolus’ Bein zurück.
Der Mann krabbelte auf seine Füße.
»Nein«, sagte ein anderer Mann, der den ersten Mann mit einer Hand auf seinem Arm zurückhielt. »Siehst du, wie sie ihn beruhigt hat?« Er war ein großer Mann, breite Schultern und muskulös, aber seine Augen waren tief und gedankenvoll. Er schaute mit einem netten Gesichtsausdruck auf mich. »Du bist diejenige, die Obolus aus dem Fluss gezogen hat, oder?«
Ich nickte.
»Das dachte ich mir.« Er nahm den anderen Mann am Arm. »Ukaron, du weißt, dass diese armen Tiere auf Dinge reagieren, von denen wir nicht wissen können. Du hast gesehen, wie er ihre Kommandos befolgt hat, als ob sie ihr ganzes Leben lang gemeinsam geübt haben. Ich habe das nur einmal zuvor gesehen, als sie diesen Jungen von Indienhergebracht haben, derjenige, der von einem römischen Speer in Messina gefällt wurde. Wie war sein Name?«
»Ponichard.« Ukaron staubte sich ab. »Was ist schon dabei?«
Ich starrte Ukaron an. Die Haut seines Gesichts war zu eng, zog seine Lippen in einem ständigen spöttischen Lächeln zurück, und seine Wangenknochen und sein Kinn stießen beinahe durch die Oberfläche. Seine Augen waren schlaff und feucht wie bei einem kranken Mann, aber vielleicht war das, weil Obolus ihn beinahe umgebracht hatte.
»Es war das Gleiche, Ukaron«, sagte der andere Mann. »Dieser Junge, Ponichard, als er zum ersten Mal den Elefanten Xetos traf. Du erinnerst dich daran, welch ein übel gesinntes Tier er sein konnte. Vom ersten Moment an, als Ponichard seine Hände auf ihn legte, stand Xetos jedoch zu Diensten des Jungen, so sehr, dass wir das Biest einschläfern mussten, als der Junge im Kampf starb. Und jetzt hat Obolus ein starkes Band mit diesem Kind geformt und sie mit ihm. Ich wage es nicht zu versuchen zu erklären, welchen Zweck die Götter für solche Dinge haben, genauso wie ich ihre unendliche Weisheit nicht hinterfrage. Ich schlage vor, dass du mit dieser Beziehung zwischen Biest und Kind nicht herumpfuschst.«
»Du liegst ziemlich falsch, Kandaulo.« Ukaron behielt seine Augen auf mir, während er mit dem Mann sprach. »Sie ist ein Dämonenkind. Sie versuchte diese Tiere in Panik zu versetzen, so dass sie das Lager zerstören. Wenn irgendwelche Götter involviert sind, sind es die Götter der Unterwelt.« Er wischte mit einem haarigen Unterarm über seinen Mund, schnappte seinen Schlagstock von dem Mann neben ihm und stürmte davon.
»Jetzt geh, Mädchen«, sagte Kandaulo. »Und wenn du dich das nächste Mal entlang der Elefanten Straße traust, schlage ich vor, dass du es leise tust.«
»Ja, Kandaulo. Das werde ich.« Ich tätschelte das Ende des Rüssels, der auf meiner Schulter zu ruhen kam. Die graue Haut des Elefanten schien rau und kalt mit all den Falten, aber sie fühlte sich weich an, und er hatte eine behutsame Berührung. »Auf Wiedersehen, mein großer Freund. Schlaf gut heute Nacht.«
Obolus griff nach mehr Heu und ich schnappte eine Handvoll für ihn, aber dann erinnerte ich mich.
»O nein«, flüsterte ich. »Yzebels Weinkrug!«
Ich ließ das Heu fallen und rannte die Elefanten Straße wieder hoch.
Kapitel Vier
Alles, was ich fand, war ein großer, schlammiger Weinfleck auf dem Pfad. Ich fiel auf meine Knie und stieß meine Finger in den purpurfarbenen und braunen Schlamm, wollte nicht glauben, was meine Augen mir sagten. Aber es war wahr: Yzebels kostbarer Rosinenwein war weg. Ich war gescheitert.
Sie hatte mir vertraut den Wein im Austausch für Brot zum Bäcker zu bringen, aber ich hatte nicht einmal den halben Weg geschafft. Der Anblick vom lebendigen Obolus hatte mein Verantwortungsgefühl komplett durcheinandergebracht und meine eigenen Gefühle hatten mein Verlangen etwas Gutes für Yzebel zu tun überschattet. Um alles noch schlimmer zu machen, war der Krug verschwunden. Jemand hat ihn genommen und nur einen Fußabdruck mit Sandalen im Schlamm hinterlassen. Wie könnte ich ihn jemals ersetzen?
Mein Herz sank und ich begann zu weinen. Yzebel würde mir niemals wieder vertrauen.
»Hast du etwas verloren?«, kam eine vertraute Stimme von hinter mir.
Ich schaute in die weichen braunen Augen des jungen Mannes vom Fluss. Derjenige, dessen Umhang ich trug – Tendao.
»Yzebels Wein.« Ich wischte mit meinen schlammigen Fingern über meine Wange. »Er ist weg.«
Er streckte seine Hand aus, um mir hochzuhelfen, und der Schlamm schien ihm nichts auszumachen. »Hättest du den Wein eigentlich für Brotlaibe zu Bostar bringen sollen?«
Ich nickte.
»Weißt du, warum Yzebel Brot wollte?«
Wir gingen die Elefanten Straße hoch in Richtung der Gabelung im Pfad.
»Für die Soldaten, wenn sie heute Abend an ihre Tische kommen.«
»Ja, sie mag es Brot für sie zur Abendessenszeit zu haben.«
»Ich habe sie im Stich gelassen, Tendao. Und jetzt muss ich zu ihr gehen und sagen, welch schreckliche Sache ich getan habe.«
»Ja, du musst es ihr erzählen«, sagte er. »Aber bevor du das tust, lass uns am Zelt von Lotaz anhalten.«
Ich hatte von dieser Lotaz nicht gehört, aber ich hatte es nicht eilig mit leeren Händen zu Yzebel zurückzukehren und mein Scheitern zuzugeben.
Ich versuchte dem Bild von Yzebels ernstem Gesicht zu entfliehen, indem ich an andere Dinge dachte. Die Erde der Elefanten Straße fühlte sich weich und warm unter meinen nackten Füßen an. Ich dachte an die hunderte von Elefanten und Menschen, die über viele Jahreszeiten darüber trampelten, die Erde in einen feinen Puder gearbeitet haben. Eichen und Kiefern säumten den Pfad, boten Schatten für die Tiere. Lange Schatten bedeckten jetzt viel des breiten Wegs.
Oben auf dem Hügel gingen wir nach rechts, den Weg, den ich früher hätte gehen sollen. Nach einer Weile trafen wir auf ein Zelt, das aus feinem, dünnem Material gemacht war. Die roten, gelben und blauen Farben des gestreiften Stoffs glommen in der Dämmerung. Schatten flackerten von der Lampe, die im Inneren brannte. Ein ausgefranstes Vordach stand davor, unterstützt von zwei Metallspeeren, die in die Erde getrieben waren. Ein schwarzer Mann saß mit überkreuzten Beinen unter dem Vordach.
»Geh zu diesem Sklaven.«
Tendao hielt mich etwas entfernt davon an, sagte mir dann, was ich zu dem Mann sagen sollte. Ich wiederholte die Anweisungen ihm gegenüber, stellte sicher, dass ich verstand.
»Aber er sieht so gemein aus, Tendao. Wirst du mit mir gehen?«
»Nein. Du musst das allein machen.«
Der Sklave beobachtete mich aufmerksam, während ich auf ihn zutrottete, schleppten sich meine Füße über die Erde, waren widerwillig mich dorthin zu bringen, wo ich nicht hingehen wollte.
Zehn Schritte entfernt hielt ich an und sagte: »Lotaz.«
Er antwortete nicht; starrte mich nur an, bis ich meine Augen auf den Boden senkte. Schließlich sprach er.
»Das ist das Zelt von Lotaz. Welches Geschäft hast du hier?«
»Es geht mir um Tendaos Geschäft.«
Der Sklave sprang auf seine Füße und eilte hinein. Einen Moment später kam eine dünne Frau heraus. Sie war von einem Paar Öllampen, die von den Speerstützen schwangen, von beiden Seiten erleuchtet. Lotaz war schön in einer seidenen Robe in Blassblau und einem Paar passender Schläppchen. Ein breiter scharlachroter Gürtel aus gewobenen Kordeln umschnallte ihre schmale Taille und eine feine goldene Kette hielt die Scheide eines mit Juwelen besetzten Dolchs. Die kleine Waffe schwang bei jeder Bewegung über ihre Schenkel. Ihre Lippen waren rot angemalt und ihre Wangen im Rosa einer Rosenknospe gefärbt, was einen weichen Kontrast zu ihrem cremefarbenen Teint bildete. Eine silberne und goldene Kette verlief genau passend über ihre Kehle.
Der Sklave kam und stellte sich hinter sie, seine Arme dabei über seiner bloßen Brust verschränkt. Er ragte wie ein riesiger, dunkler Schatten auf, stellte einen scharfen Kontrast zur weißen Haut der Frau dar,
»Was weißt du von Tendao?«, fragte sie mich.
»Ich soll dir sagen, dass er tun wird, wie du verlangt hast.«
Sie blickte an mir vorbei, suchte den dunklen Pfad in beide Richtungen ab. Ich schaute auch in diese Richtung, aber Tendao war nicht zu sehen.
»Warum hat er dich geschickt?«
Ich schüttelte meinen Kopf, wusste nicht, wie ich antworten sollte.
»Wann wird die Aufgabe vollendet sein?« Lotaz’ Stimme klang scharf und fordernd.
»Morgen, vor Sonnenuntergang«, antwortete ich mit den Worten, die Tendao mich zu sagen angewiesen hatte.
Sie schien widerwillig mit mir in dieser Transaktion umzugehen. Noch verstand ich, warum ich im Auftrag von Tendao zu Lotaz gekommen war.
Nach einem Moment sagte sie: »Sehr wohl. Warte hier.«
Lotaz ging ins Innere und kehrte bald zurück. In einer Hand trug sie einen Weinkrug, der demjenigen beinahe identisch war, den ich verloren hatte. Ihre andere Hand blieb geschlossen, die Finger fest verkrampft. Viele verzierte Armketten klimperten an ihrem Handgelenk, als sie eine Bewegung machte den Weinkrug herüberzureichen. Aber dann hielt sie an.
»Warum kommst du in so schmutzigem Zustand zu mir?«
Ich schaute auf meine ausgestreckten Hände; sie waren mit getrocknetem Schlamm verkrustet. Als ich versuchte sie abzuwischen, verschwand der Sklave hinter dem Zelt und kam mit einer tönernen Schale mit Wasser zurück, stellte sie dann zu meinen Füßen. Ich kniete mich hin, um mich zu waschen, mein Gesicht brannte vor Erniedrigung. Ich wusch mich schnell, stand auf und wischte meine Hände an meinem Umhang ab.
Der Sklave schenkte mir ein rasches Lächeln und zwinkerte, als er zwischen mich und die Frau trat. Er hob die Schale auf und bewegte sich wieder an seinen Platz. Ich wusste nicht, ob er Mitleid mit mir hatte oder nur versuchte mit einem Mitsklaven freundlich zu sein. Lotaz ließ mich mich allerdings wie eine Sklavin fühlen.
Sie reichte mir den Krug und ich nahm ihn in meine Arme – ich würde diesen nicht fallen lassen.
»Dieser Wein ist die Bezahlung für die Arbeit, die Tendao für mich tun wird«, sagte Lotaz. »Ich werde ihm nicht mehr als das bezahlen.«
Sie streckte ihre andere Hand aus und öffnete langsam ihre Finger. Zwei perfekt zusammenpassende Perlen, groß und sehr schön, ruhten in der Handfläche der Frau. Alles, was ich tun konnte, war auf den schimmernden Glanz der kostbaren Kleinode zu starren, die im gelben Licht der Lampen leuchteten
»Nimm sie«, kommandierte Lotaz. »Und stell sicher, dass die Perlen unverzüglich zu Tendao gehen. Sie werden benutzt werden, um die Arbeit zu machen. Verstehst du mich?«
Ich nickte, verlagerte den Wein, um meine rechte Hand zu befreien, so dass ich die Perlen von Lotaz schnappen konnte. Ich stand still, starrte zu der Frau hoch, wusste nicht, was ich als nächstes tun sollte.
»Geh weiter!«, sagte sie mit einem Winken ihrer Hand, scheuchte mich wie eine lästige Mücke weg.
Ich eilte den dunklen Pfad in die Richtung entlang, die Tendao mir gesagt hatte, in die ich gehen sollte. Gerade bevor ich die Ecke erreichte, blickte ich zurück, um zu sehen, dass Lotaz und der Sklave mich beobachteten. Ich verspürte große Erleichterung, als ich hinter einem Zaun aus Pflöcken vorbeiging, wo Tendao wartete.
»Ich sehe, dass du den Rosinenwein hast.«
»Ja.«
Ich streckte meine andere Hand mit den zwei Perlen aus. Er nahm sie und ich legte meine beiden Hände unter den Krug. Er inspizierte die Perlen, ließ sie dann in einen Lederbeutel fallen, der an seinen Gürtel gebunden war.
»Jetzt«, sagte er, zog die Kordeln fest zu, »lass uns Bostar den Bäcker besuchen gehen und diesen Wein für etwas Brot tauschen.«
Das war eine Überraschung. Der Wein war eine Bezahlung an Tendao für irgendeinen Dienst, den er für Lotaz auszuführen hatte, aber er schien willens mich diesen anstatt der Flasche, die ich verloren hatte,benutzen zu lassen. Warum würde er das tun? Und welche Pflicht musste er für Lotaz ausführen? Ich beschloss ihn zu bitten das zu erklären, aber er sprach, bevor ich die Gelegenheit hatte meine Worte in eine anständige Frage zu formen.
»Dein ernsthaftes Verhalten erinnert mich an jemanden.«
»Wen?«
»Hast du von Liada gehört, dem Geist vom Felsen von Byrsa gehört?«
»Nein, ich weiß nur von Prinzessin Elissa«, sagte ich.
»Nun ja, diese Geschichte hat auch viel mit Prinzessin Elissa zu tun. Moloch, der Gott der Unterwelt, kerkerte Liada innerhalb des Felsens von Byrsa ein«, sagte er.
»Warum?«
»Das war ihre Bestrafung dafür sich mit einem kleinen Ochsenkalb anzufreunden, den die Priester ausgewählt hatten, um ihn Moloch zu opfern.«
»O nein. Warum würde jemand einen Kleinen opfern?«
»Ein junges Leben ist wertvoller als ein altes. Das Sklavenmädchen Liada mochte die Vorstellung auch nicht. Während dem dunkelsten Teil der Nacht, die dem Tag der Zeremonie vorausging, schlüpfte sie hinab zum Pferch des Ochsen, entfernte seine Fesseln und führte die kleine Kreatur, zusammen mit seiner Mutter, weit weg, um sie zu befreien.
»Als Moloch von dieser verräterischen Handlung erfuhr, befahl er den Priestern das Mädchen an den Felsen von Byrsa zu ketten, wo er ihren Geist in den Stein zwang und ihn dort einkerkerte. Er ließ die Priester dann Liadas geistlosen Körper auf seinem Altar opfern, zusammen mit neun anderen Kindern. Diese brutale Gabe verkündete jedem seine Warnung, der sich in die Affären der Priester einmischen würde.
»Als unsere Elissa von Liadas schrecklichem Martyrium erfuhr, ging sie zum Felsen von Byrsa und hörte den Geist des Felsen nach Hilfe rufen. Während sie der Geschichte von Liadas ewiger Bestrafung zuhörte, legte Prinzessin Elissa ihre Hände auf den Felsen. Dann, indem sie nichts weiter als ein Gebet an die Muttergöttin Tanit und die Macht ihres eigenen starken Willens benutzte, spaltete sie den Stein entzwei und befreite Liadas Geist.«
Tendao blieb für eine Weile still und ich dachte, dass er seine Stelle in der Geschichte verloren hatte.
»Was ist dann aus dem Geist des Mädchens geworden«, fragte ich, »nachdem Prinzessin Elissa sie befreite?«
Tendao schaute auf mich herunter, ließ dann seinen Blick auf den dunklen Pfad vor uns zurückkehren. »Während all dieser vielen Zeitalter, seit Liadas Freiheit, ist ihr Geist auf der ganzen Welt herumgewandert, suchte nach einem Mädchen, das sie aufnimmt.«
Ich schaute zu Tendao hoch, dachte, dass er diese Geschichte nur für meinen Nutzen erfunden hatte.
Er schenkte mir ein Lächeln. »Es ist eine der vielen Legenden unserer Prinzessin und ich bin ziemlich sicher, dass es wahr ist.«
»Aber wie wird Liada jemanden finden, die sie aufnimmt?«
»Sie hat auf ein Mädchen gewartet, die sich mit einem armen Biest angefreundet hat, versklavt wie sie selbst.«
Während ich weiterging, den Boden beobachtete und über die versklavte Liada nachdachte, wurde ich mir vage bewusst, dass Tendao zurückfiel.
»Du meinst wie Obolus?«, fragte ich.
»Was sagst du da, Kind?«, kam eine dröhnende Stimme von dem Weg vor mir.
Ich schaute auf und fand mich auf einen sehr großen Mann zulaufend vor. Er trug eine lange Schürze und sein lächelndes Gesicht war mit Weizenmehl gepudert. Von der Erscheinung des Mannes und dem wundervollen Geruch von frischem Brot wusste ich, dass er der Bäcker sein musste. Drei Öllampen, die über den Arbeitstischenhingen, brachen die Dunkelheit des frühen Abends.
Meine Reise zu Bostars Zelt hatte viel länger gebraucht als der Flug eines Pfeils, aber schließlich, dank Tendao, war ich mit einem Krug mit Wein angekommen, um für Yzebel Brot zu tauschen.
»Wir kommen von deiner guten Freundin Yzebel«, sagte ich. »Sie wünscht, dass wir diesen Krug Rosinenwein gegen sechs Laibe deines frischesten Brots tauschen.«
»Wir?«, sagte Bostar und legte seine Fäuste auf seine Hüften, versuchte sehr fest, dass sein vergnügtes Gesicht einen strengen Ausdruck annahm. »Trägst du einen Frosch in den Falten deines Umhangs oder gibt es unsichtbare Helfer, die an deinen Fersen heften?«
Ich schaute zurück und fand vor, dass Tendao einmal mehr von mir davongeschlüpft war.
»Er hat mir gerade gesagt –«, begann ich, aber hörte auf.
Ich erkannte, dass mein Freund Tendao ein sehr schüchterner Mann sein musste, der große Schwierigkeiten damit hatte mit Menschen umzugehen. Aus irgendeinem Grund machte mich das glücklich, denn es schien, dass er wollte, dass ich für ihn sprach, wenn er es selbst nicht tun konnte.
Ich schaute zum Bäcker und sah, dass er seine ernste Miene nicht lange beibehalten konnte. Seine Haut hatte die Farbe von Sand unter Wasser und seine dunklen Augen leuchteten vor unterdrückter Gutmütigkeit. Ich mochte ihn bereits.
»Woher weißt du von meinem froschähnlichen Freund, der mit mir reist und so schüchtern ist, dass er nur mit einem Auge herausspähen wird, um zu sehen, was ich vorhabe?«
Der Mann brach in Gelächter aus und klatschte mich so fest auf die Schulter, dass ich beinahe meinen kostbaren Krug fallenließ.
»Wenn du mir das nicht abnimmst«, sagte ich und hielt ihm den Wein hin, »werde ich sicherlich bei dem Versuch sterben ihn zu beschützen.«
Bostar gluckste und nahm den Krug. »Ich sehe, dass du in sehr jungem Alter die kühne Verantwortung lernst dich um die Kostbarkeiten einer anderen Person zu kümmern.«
»O ja. Ich lerne.«
Bostar brachte den Wein in sein Zelt. Als er zurückkehrte, waren seine Arme mit einigen runden, flachen Brotlaiben beladen.
»Das sind die Letzten der heutigen Arbeit. Ich habe sie gerade kurz vor Sonnenuntergang fertig gebacken und zurückgehalten, da ich wusste, dass deine Yzebel sie heute Abend für ihre Tische brauchen würde.« Er legte die großen Laibe auf einen rauen Stoff, der auf der Werkbank ausgelegt war. »Hier sind sechs Laibe plus einer extra.« Er nahm die Ecken des Stoffs auf und band sie obenauf. »Du kannst ihr sagen, dass das zusätzliche dafür ist, dass du mir am Ende eines langen Tages einen guten Lacher geschenkt hast. Und stell sicher, dass du morgen mein Tuch zurückbringst.«
»Ich danke dir, Bostar.« Ich nahm das schwere Bündel, um es über meine Schulter zu schwingen. »Möchtest du, dass ich dir vom Fluss ein Fröschlein mitbringe, wenn ich morgen zurückkomme? Du kannst ihn in deiner Schürze tragen und wirst niemals einsam sein.«
Nach einem Moment lächelte der riesige Mann, zeigte weiße, gleichmäßige Zähne unter seinem ordentlich gestutzten Schnurrbart. »Nein, mein Kind. Ich bin den Göttern dankbar, dass du diesen sauertöpfischen Jabnet ersetzt hast. Du und Fröschlein kommt jeden Tag zu meinem Zelt und ich soll niemals die Narren bedauern, die ich ertragen muss.«
Es wäre so leicht eine Weile zu bleiben und ein wenig mehr mit dem Bäcker zu sprechen, denn ich fand Trost in seiner Gegenwart.
»Das ist besser«, sagte Bostar. »Ich wusste, dass du lächeln könntest.«
Ja, ich fühlte mich viel besser, aber ich musste Yzebel noch immer gegenübertreten und erklären, was dem ersten Weinkrug zugestoßen war.
»Ich muss gehen und Yzebel etwas erzählen. Auf Wiedersehen, Bostar.«
Ich hörte, wie er sich hinter mir verabschiedete, während ich mit dem Bündel Brot davoneilte.
Kapitel Fünf
Auf meinem Weg zurück zu Yzebels Tischen hielt ich nach Tendao Ausschau, aber sah ihn nirgendwo entlang der Pfade.
Ich kam zu Lotaz’ Zelt. Es war im Inneren erleuchtet und ich konnte ihre Silhouette durchdie Flamme ihrer Lampe flattern sehen – ein unscharfer Schatten gegen den Stoff. Jemand war bei ihr. Der dunkle Schatten eines großen Mannes, steif in der Haltung, stand sehr nahe bei ihr. Sein Schatten flatterte ebenfalls hin und her, als ob er unsicher war, ob er ihr näherkommen oder vor ihr zurückweichen sollte. Er trug einen merkwürdigen Hut, vorne hoch und hintennieder.
Ich ging entlang der gegenüberliegenden Seite des Pfads weiter, blieb weit weg vom Zelt. Ich konnte die Augen von Lotaz’ Sklave auf mir spüren. Er musste irgendwo in der Dunkelheit außerhalb des Zelts versteckt sein und beobachten.
An der Gabelung im Weg hielt ich inne, um die Elefanten Straße hinunter zu blicken. Eine leichte Brise sammelte die gefallenen Blätter ein und wisperte sie entlang des Pfads. Ich hörte nur ein gedämpftes Rumpeln von ein paar der Tiere – ein deutlicher Kontrast zu früher am Tag, als ich die ganze Herde in einen Aufruhr versetzt hatte. Ein paar hängende Lampen schwangen an Ästen und manche der Tiere mampften das Letzte ihres Heus, aber die meisten von ihnen ließen sich nieder, um zu schlafen, oder dösten auf ihren Füßen. Ein einzelner Wasserjunge arbeitete noch an seiner Aufgabe.
Als ich die Elefanten Straße verließ, fragte ich mich, wie Obolus schlief. Würde er sich hinknien, sein beträchtliches Gewicht auf seinen Knien ruhen lassen, oder würde er sich auf seine Seite drehen? Sicherlich würden seine Rippen unter seiner beträchtlichen Masse brechen. Möglicherweise schlief er in einer stehenden Haltung, aber dann könnte er bei Nacht vielleicht umkippen. Ich beschloss eines Nachts dorthin zu gehen, um zu sehen, wie er ruhte.
Bald kam ich an den Ort, wo das Sklavenmädchen früher daran gearbeitet hatte Garn zu spinnen, aber ich sah sie nicht. Das Zelt war im Innerendunkel.
Der Lärm von Yzebels Tischen erreichte mich, bevor ich die letzte Kurve auf dem Pfad umrundete. Ich schätzte, es mussten die Soldaten sein, die scherzten und lachten, während sie ihr Abendbrot aßen. Ich erschauderte beim Gedanken daran, dass sie sich wieder lustig über mich machten. Aber sogar noch mehr graute es mir vor dem Ausdruck auf Yzebels Gesicht, wenn ich ihr meinen Unfall mit dem Wein gestand.
Einer der Soldaten verkündete meine Ankunft, bevor ich die Gelegenheit hatte mit Yzebel zu sprechen. Er wandte mir sein haariges Gesicht zu, als ich am ersten Tisch vorbeiging.
»Gib mir etwas von dem Brot, Mädchen!«, brüllte er. »Wie erwartest du von mir, diesen Eintopf ohne Brot zu essen?«
Yzebel drehte sich beim Geräusch der Stimme des Soldaten und verkippte beinahe eine Schüssel heißesContu Luca auf den Schoß des Mannes. Ihr Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Überraschung und Verärgerung, während sie mich anstarrte, aber er verwandelte sich bald in Erleichterung. Sie schaute dann mit einem wütenden Ich-habe-es-dir-gesagt-Blickzu ihrem Sohn Jabnet. Er stand am ersten Tisch, goss Wein in eine Trinkschale, die ihm von einem der Soldaten hingestreckt wurde.
Ich beobachtete Jabnet, wie er mich anstarrte, seine Augen groß und sein Mund offen.
»Zur Hölle mit dir, Junge!«, schrie der Mann mit der Trinkschale, als der purpurfarbene Wein sich über den Rand ergoss und seinen Arm herunterlief. »Geh weg, bevor ich dich niederschlage.«
Ich legte mein Bündel am Ende des Tischs ab und begann den Knoten aufzumachen. Einer der Männer schnappte sich ein Laib aus dem Tuch, bevor ich es gelöst hatte. Er riss einen Brocken vom Laib und reichte ihn einem anderen Mann weiter. Der Soldat, der gegenüber von ihm saß, nahm ebenfalls einen Laib und warf ihn zum nächsten Tisch. Er schnappte sich dann einen weiteren und warf ihn in die wartenden Hände eines Mannes am vierten Tisch.
Bald verblieb nur noch ein Laib. Der Mann griff danach, aber ich riss ihn weg. Dieser eine gehörte mir und ich hatte nicht die Absicht ihn ohne Kampf aufzugeben. Der Mann funkelte mich an und ich dachte, dass er mich schlagen würde, aber einer seiner Kameraden warf einen Brocken Brot nach ihm. Er prallte von seiner Nase ab und fiel in seine Schüssel. Er schnappte das Brot, schenkte mir ein Grinsen mit Zahnlücke und machte sich an seinen Eintopf.