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Maria Stuart / Мария Стюарт
Maria Stuart / Мария Стюарт

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Maria Stuart / Мария Стюарт

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So schreibt mir Walsingham.

Mortimer.

Auch eine Bulle, die Papst Sixtus jüngstvom Vatikane gegen dich geschleudert,Kam eben an zu Reims, als ich’s verließ,Das nächste Schiff bringt sie nach dieser Insel.

Leicester.

Vor solchen Waffen zittert England nicht mehr.

Burleigh.

Sie werden furchtbar in des Schwärmers Hand.

Elisabeth (Mortimer forschend ansehend).

Man gab Euch Schuld, daß Ihr zu Reims die SchulenBesucht und Euren Glauben abgeschworen?

Mortimer.

Die Miene gab ich mir, ich leugn’ es nicht,So weit ging die Begierde, dir zu dienen!

Elisabeth (zu Paulet, der ihr Papiere überreicht).

Was zieht Ihr da hervor?

Paulet.

Es ist ein Schreiben,Das dir die Königin von Schottland sendet.

Burleigh (hastig darnach greifend).

Gebt mir den Brief.

Paulet (gibt das Papier der Königin).

Verzeiht, Lord Großschatzmeister!In meiner Königin selbsteigne HandBefahl sie mir den Brief zu übergeben.Sie sagt mir stets, ich sei ihr Feind. Ich binNur ihres Lasters Feind; was sich verträgtMit meiner Pflicht, mag ich gern erweisen.

(Die Königin hat den Brief genommen. Während sie ihn liest, sprechen Mortimer und Leicester einige Worte heimlich miteinander.)


Burleigh (zu Paulet).

Was kann der Brief enthalten? Eitle Klagen,Mit denen man das mitleidsvolle HerzDer Königin verschonen soll.

Paulet.

Was erEnthält, hat sie mir nicht verhehlt. Sie bittetUm die Vergünstigung, das AngesichtDer Königin zu sehen.

Burleigh (schnell).

Nimmermehr!

Talbot.

Warum nicht? Sie erfleht nichts Ungerechtes.

Burleigh.

Die Gunst des königlichen AngesichtsHat sie verwirkt, die Mordanstifterin,Die nach dem Blut der Königin gedürstet.Wer’s treu mit seiner Fürstin meint, der kannDen falsch verräterischen Rat nicht geben.

Talbot.

Wenn die Monarchin sie beglücken will,Wollt Ihr der Gnade sanfte Regung hindern?

Burleigh.

Sie ist verurteilt! Unterm Beile liegtIhr Haupt. Unwürdig ist’s der Majestät,Das Haupt zu sehen, das dem Tod geweiht ist.Das Urteil kann nicht mehr vollzogen werden,Wenn sich die Königin ihr genahet hat,Denn Gnade bringt die königliche Nähe —

Elisabeth (nachdem sie den Brief gelesen, ihre Tränen trocknend).

Was ist der Mensch! Was ist das Glück der Erde!Wie weit ist diese Königin gebracht,Die mit so stolzen Hoffnungen begann,Die auf den ältsten Thron der ChristenheitBerufen worden, die in ihrem SinnDrei Kronen schon aufs Haupt zu setzen meinte!Welch andre Sprache führt sie jetzt als damals,Da sie das Wappen Englands angenommenUnd von den Schmeichlern ihres Hofs sich KöniginDer zwei britann’schen Inseln nennen ließ!– Verzeiht, Mylords, es schneidet mir ins Herz,Wehmut ergreift mich, und die Seele blutet,Daß Irdisches nicht fester steht, das SchicksalDer Menschheit, das entsetzliche, so naheAn meinem eignen Haupt vorüberzieht.

Talbot.

O Königin! Dein Herz hat Gott gerührt,Gehorche dieser himmlischen Bewegung!Schwer büßte sie fürwahr die schwere Schuld,Und Zeit ist’s, daß die harte Prüfung ende!Reich ihr die Hand, der Tiefgefallenen;Wie eines Engels Lichterscheinung steigeIn ihres Kerkers Gräbernacht hinab —

Burleigh.

Sei standhaft, große Königin. Laßt nichtEin lobenswürdig menschliches GefühlDich irreführen. Raube dir nicht selbstDie Freiheit, das Notwendige zu tun.Du kannst sie nicht begnadigen, nicht retten,So lade nicht auf dich verhaßten Tadel,Daß du mit grausam höhnendem TriumpAm Anblick deines Opfers dich geweidet.

Leicester.

Laßt uns in unsern Schranken bleiben, Lords.Die Königin ist weise, sie bedarfNicht unsers Rats, das Würdigste zu wählen.Die Unterredung beider KöniginnenHat nichts gemein mit des Gerichtes Gang.Englands Gesetz, nicht der Monarchin WilleVerurteilt die Maria. Würdig ist’sDer großen Seele der Elisabeth,Daß sie des Herzens schönem Triebe folge,Wenn das Gesetz den strengen Lauf behält.

Elisabeth.

Geht, meine Lords. Wir werden Mittel finden,Was Gnade fordert, was NotwendigkeitUns auferlegt, geziemend zu vereinen.Jetzt – tretet ab!

(Die Lords gehen. An der Türe ruft sie den Mortimer zurück.)

Sir Mortimer! Ein Wort!

Fünfter Auftritt

Elisabeth. Mortimer.


Elisabeth (nachdem sie ihn einige Augenblicke forschend mit den Augen gemessen).

Ihr zeigtet einen kecken Mut und seltneBeherrschung Eurer selbst für Eure Jahre.Wer schon so früh der Täuschung schwere KunstAusübte, der ist mündig vor der Zeit,Und er verkürzt sich seine Prüfungsjahre.– Auf eine große Bahn ruft Euch das Schicksal,Ich prophezei es Euch, und mein OrakelKann ich, zu Eurem Glücke! selbst vollziehn.

Mortimer.

Erhabene Gebieterin, was ichVermag und bin, ist deinem Dienst gewidmet.

Elisabeth.

Ihr habt die Feinde Englands kennen lernen.Ihr Haß ist unversöhnlich gegen mich,Und unerschöpflich ihre Blutentwürfe.Bis diesen Tag zwar schützte mich die Allmacht,Doch ewig wankt die Kron’ auf meinem Haupt,Solang sie lebt, die ihrem SchwärmereiferDen Vorwand leiht und ihre Hoffnung nährt.

Mortimer.

Sie lebt nicht mehr, sobald du es gebietest.

Elisabeth.

Ach, Sir! Ich glaubte mich am Ziele schonZu sehn und bin nicht weiter als am Anfang.Ich wollte die Gesetze handeln lassen,Die eigne Hand vom Blute rein behalten.Das Urteil ist gesprochen. Was gewinn ich?Es muß vollzogen werden, Mortimer!Und ich muß die Vollziehung anbefehlen.Mich immer trifft der Haß der Tat. Ich mußSie eingestehn und kann den Schein nicht retten.Das ist das Schlimmste!

Mortimer.

Was bekümmert dichDer böse Schein bei der gerechten Sache?

Elisabeth.

Ihr kennt die Welt nicht, Ritter. Was man scheint,Hat jedermann zum Richter; was man ist, hat keinen.Von meinem Rechte überzeug ich niemand,So muß ich Sorge tragen, daß mein AnteilAn ihrem Tod in ew’gem Zweifel bleibe.Bei solchen Taten doppelter GestaltGibt’s keinen Schutz als in der Dunkelheit.Der schlimmste Schritt ist, den man eingesteht,Was man nicht aufgibt, hat man nie verloren.

Mortimer (ausforschend).

Dann wäre wohl das beste —

Elisabeth (schnell).

Freilich wär’sDas Beste – O mein guter Engel sprichtAus Euch. Fahrt fort, vollendet, werter Sir!Euch ist es ernst, Ihr dringet auf den Grund,Seid ein ganz andrer Mann als Euer Oheim —

Mortimer (betroffen).

Entdecktest du dem Ritter deinen Wunsch?

Elisabeth.

Mich reuet, daß ich’s tat.

Mortimer.

EntschuldigeDen alten Mann. Die Jahre machen ihnBedenklich. Solche Wagestücke fordernDen kecken Mut der Jugend —

Elisabeth (schnell).

Darf ich Euch —

Mortimer.

Die Hand will ich dir leihen, rette duDen Namen, wie du kannst —

Elisabeth.

Ja, Sir! Wenn IhrMich eines Morgens mit der Botschaft wecktet:Maria Stuart, deine blut’ge Feindin,Ist heute nacht verschieden!

Mortimer.

Zähl auf mich.

Elisabeth.

Wann wird mein Haupt sich ruhig schlafen legen?

Mortimer.

Der nächste Neumond ende deine Furcht.

Elisabeth.

Gehabt Euch wohl, Sir! Laßt es Euch nicht leid tun,Daß meine Dankbarkeit den Flor der NachtEntlehnen muß – Das Schweigen ist der GottDer Glücklichen – die engsten Bande sind’s,Die zärtesten, die das Geheimnis stiftet!

(Sie geht ab.)

Sechster Auftritt

Mortimer (allein).

Geh, falsche, gleisnerische Königin!Wie du die Welt, so täusch ich dich. Recht ist’s,Dich zu verraten, eine gute Tat!Seh ich aus wie ein Mörder? Lases duRuchlose Fertigkeit auf meiner Stirn?Trau nur auf meinen Arm und halte deinenZurück, gib dir den frommen HeuchelscheinDer Gnade vor der Welt, indessen duGeheim auf meine Mörderhilfe hoffst —So werden wir zur Rettung Frist gewinnen!Erhöhen willst du mich – zeigst mir von ferneBedeutend einen kostbarn Preis – Und wärstDu selbst der Preis und deine Frauengunst!Wer bist du, Ärmste, und was kannst du gebe?Mich locket nicht des eiteln Ruhmes Geiz!Bei ihr nur ists den Lebens Reiz —Um sie, in ew’gem Freudenchore, schwebenDer Anmut Götter und der Jugendlust,Das Glück der Himmel ist an ihrer Brust —Du hast nur tote Güter zu vergeben!Das eine Höchste, was das Leben schmückt,Wenn sich ein Herz, entzückend und entzückt,Dem Herzen schenkt in süßem Selbstvergessen,Die Frauenkrone hast du nie besessen,Nie hast du lieben einen Mann beglückt!– Ich muß den Lord erwarten, ihren BriefIhm übergeben. Ein verhaßter Auftrag!Ich habe zu dem Höflinge kein Herz —Ich selber kann sie retten, ich allein,Gefahr und Ruhm und auch der Preis sei mein!

(Indem er gehen will, begegnet ihm Paulet.)

Siebenter Auftritt

Mortimer. Paulet.

Paulet.

Was sagte dir die Königin?

Mortimer.

Nichts, Sir.Nichts – von Bedeutung.

Paulet (fixiert ihn mit ernstem Blick).

Höre, Mortimer!Es ist ein schlüpfrig glatter Grund, auf denDu dich begeben. Lockend ist die GunstDer Könige, nach Ehre geizt die Jugend.– Laß dich den Ehrgeiz nicht verführen!

Mortimer.

Wart Ihr’s nicht selbst, der an den Hof mich brachte?

Paulet.

Ich wünschte, daß ich’s nicht getan. Am HofeWard unsers Hauses Ehre nicht gesammelt.Steh fest, mein Neffe. Kaufe nicht zu teuer!Verletze dein Gewissen nicht!

Mortimer.

Was fällt Euch ein? Was für Besorgnisse!

Paulet.

Wie groß dich auch die Königin zu machenVerspricht – Trau ihrer Schmeichelrede nicht.Verleugnen wird sie dich, wenn du gehorcht,Und, ihren eignen Namen reinzuwaschen,Die Bluttat rächen, die sie selbst befahl.

Mortimer.

Die Bluttat, sagt Ihr —

Paulet.

Weg mit der Verstellung!Ich weiß, was dir die Königin angesonnen,Sie hofft, daß deine ruhmbegier’ge JugendWillfähr’ger sein wird als mein starres Alter.Hast du ihr zugesagt? Hast du?

Mortimer.

Mein Oheim!

Paulet.

Wenn du’s getan hast, so verfluch ich dich,Und dich verwerfe —

Leicester (kommt).

Werter Sir, erlaubtEin Wort mit Eurem Neffen. Die MonarchinIst gnadenvoll gesinnt für ihn, sie will,Daß man ihm die Person der Lady StuartUneingeschränkt vertraue – Sie verläßt sichAuf seine Redlichkeit —

Paulet.

Verläßt sich – Gut!

Leicester.

Was sagt Ihr, Sir?

Paulet.

Die Königin verläßt sichAuf ihn, und ich, Mylord, verlasse michAuf mich und meine beiden offnen Augen.

(Er geht ab.)

Achter Auftritt

Leicester. Mortimer.


Leicester (verwundert).

Was wandelte den Ritter an?

Mortimer.

Ich weiß es nicht – Das unerwarteteVertrauen, das die Königin mir schenkt —

Leicester (ihn forschend ansehend).

Verdient Ihr, Ritter, daß man Euch vertraut?

Mortimer (ebenso).

Die Frage tu ich Euch, Mylord von Leicester.

Leicester.

Ihr hattet mir was in geheim zu sagen.

Mortimer.

Versichert mich erst, daß ich’s wagen darf.

Leicester.

Wer gibt mir die Versicherung für Euch?– Laßt Euch mein Mißtraun nicht beleidigen!Ich seh Euch zweierlei Gesichter zeigenAn diesem Hofe – Eins darunter istNotwendig falsch, doch welches ist das wahre?

Mortimer.

Es geht mir ebenso mit Euch, Graf Leicester.

Leicester.

Wer soll nun des Vertrauens Anfang machen?

Mortimer.

Wer das Geringere zu wagen hat.

Leicester.

Nun! Der seid Ihr!

Mortimer.

Ihr seid es! Euer Zeugnis,Des vielbedeutenden, gewalt’gen Lords,Kann mich zu Boden schlagen; meins vermagNichts gegen Euren Rang und Eure Gunst.

Leicester.

Ihr irrt Euch, Sir! In allem andern bin ichHier mächtig, nur in diesem zarten Punkt,Den ich jetzt Eurer Treu’ preisgeben soll,Bin ich der schwächste Mann an diesem Hof,Und ein verächtlich Zeugnis kann mich stürzen.

Mortimer.

Wenn sich der allvermögende Lord LeicesterSo tief zu mir herunterläßt, ein solchBekenntnis mir zu tun, so darf ich wohlEin wenig höher denken von mir selbstUnd ihm in Großmut ein Exempel geben.

Leicester.

Geht mir voran im Zutraun, ich will folgen.

Mortimer (den Brief schnell hervorziehend).

Dies sendet Euch die Königin von Schottland.

Leicester (schrickt zusammen und greift hastig darnach).

Sprecht leise, Sir – Was seh ich! Ach! Es istIhr Bild!

(Küßt es und betrachtet es mit stummem Entzücken.)


Mortimer (der ihn während des Lesens scharf beobachtet).

Mylord, nun glaub ich Euch.

Leicester (nachdem er den Brief schnell durchlaufen).

Sir Mortimer! Ihr wißt des Briefes Inhalt?

Mortimer.

Nichts weiß ich.

Leicester.

Nun! Sie hat Euch ohne ZweifelVertraut —

Mortimer.

Sie hat mir nichts vertraut. Ihr würdetDies Rätsel mir erklären, sagte sie.Ein Rätsel ist es mir, daß Graf von Leicester,Der Günstling der Elisabeth, MariensErklärter Feind und ihrer Richter einer,Der Mann sein soll, von dem die KöniginIn ihrem Unglück Rettung hofft – Und dennochMuß dem so sein, denn Eure Augen sprechenZu deutlich aus, was Ihr für sie empfindet.

Leicester.

Entdeckt mir selbst erst, wie es kommt, daß IhrDen feur’gen Anteil nehmt an ihrem Schicksal,Und was Euch ihr Vertraun erwarb.

Mortimer.

Mylord,Das kann ich Euch mit wenigem erklären.Ich habe meinen Glauben abgeschworenZu Rom und steh im Bündnis mit den Guisen.Ein Brief des Erzbischofs zu Reims hat michBeglaubigt bei der Königin von Schottland.

Leicester.

Ich weiß von Eurer Glaubensänderung,Sie ist’s, die mein Vertrauen zu Euch weckte.Gebt mir die Hand. Verzeiht mir meinen Zweifel.Ich kann der Vorsicht nicht zu viel gebrauchen,Denn Walsingham und Burleigh hassen mich,Ich weiß, daß sie mir lauernd Netze stellen.Ihr konntet ihr Geschöpf und Werkzeug sein,Mich in das Garn zu ziehn —

Mortimer.

Wie kleine SchritteGeht ein so großer Lord an diesem Hof!Graf, ich beklag Euch!

Leicester.

Freudig werf ich michAn die vertraute Freundesbrust, wo ichDes langen Zwangs mich endlich kann entladen.Ihr seid verwunder, Sir, daß ich so schnellDas Herz geändert gegen die Maria.Zwar in der Tat haßt’ ich sie nie – der ZwangDer Zeiten machte mich zu ihrem Gegner.Sie war mir zugedacht seit langen Jahren,Ihr wißt’s, eh’ sie die Hand dem Darnley gab,Als noch der Glanz der Hoheit sie umlachte.Kalt stieß ich damals dieses Glück von mir;Jetzt im Gefängnis, an des Todes PfortenSuch ich sie auf, und mit Gefahr des Lebens.

Mortimer.

Das heißt großmütig handeln!

Leicester.

– Die GestaltDer Dinge, Sir, hat sich indes verändert.Mein Ehrgeiz war es, der mich gegen JugendUnd Schönheit fühllos machte. Damals hielt ichMariens Hand für mich zu klein, ich hoffteAuf den Besitz der Königin von England.

Mortimer.

Es ist bekannt, daß sie Euch allen MännernVorzog —

Leicester.

So schien es, edler Sir – und nun, nach zehnVerlornen Jahren unverdroßnen Werbens,Verhaßten Zwangs – O Sir, mein Herz geht auf!Ich muß des langen Unmuts mich entladen —Man preist mich glücklich – wüßte man, was esFür Ketten sind, um die man mich beneidet —Nachdem ich zehen bittre Jahre langDem Götzen ihrer Eitelkeit geopfert,Mich jedem Wechsel ihrer SultanslaunenMit Sklavendemut unterwarf, das SpielzeugDes kleinen grillenhaften Eigensinns,Geliebkost jetzt von ihrer ZärtlichkeitUnd jetzt mit sprödem Stolz zurückgestoßen,Von ihrer Gunst und Strenge gleich gepeinigt,Wie ein Gefangener vom ArgusblickDer Eifersucht gehütet, ins VerhörGenommen wie ein Knabe, wie ein DienerGescholten – o die Sprache hat kein WortFür diese Hölle —

Mortimer.

Ich beklag Euch, Graf.

Leicester.

Täuscht mich am Ziel der Preis! Ein andrer kommt,Die Frucht des teuren Werbens mir zu rauben.An einen jungen blühenden GemahlVerlier ich meine lang beseßnen Rechte,Heruntersteigen soll ich von der Bühne,Wo ich so lange als der Erste glänzte.Nicht ihre Hand allein, auch ihre GunstDroht mir der neue Ankömmling zu rauben.Sie ist ein Weib, und er ist liebenswert.

Mortimer.

Er ist Kathrinens Sohn. In guter SchuleHat er des Schmeichelns Künste ausgelernt.

Leicester.

So stürzen meine Hoffnungen – ich sucheIn diesem Schiffbruch meines Glücks ein BrettZu fassen – und mein Auge wendet sichDer ersten schönen Hoffnung wieder zu.Mariens Bild, in ihrer Reize Glanz,Stand neu vor mir, Schönheit und Jugend tratenIn ihre vollen Rechte wieder ein,Nicht kalter Ehrgeiz mehr – das Herz verglich,Und ich empfand, welch Kleinod ich verloren.Mit Schrecken seh ich sie in tiefes ElendHerabgestürzt, gestürzt durch mein Verschulden.Da wird in mir die Hoffnung wach, ob ichSie jetzt noch retten könnte und besitzen.Durch eine treue Hand gelingt es mir,Ihr mein verändert Herz zu offenbaren,Und dieser Brief, den Ihr mir überbracht,Versichert mir, daß sie verzeiht, sich mirZum Preise schenken will, wenn ich sie rette.

Mortimer.

Ihr tatet aber nichts zu ihrer Rettung!Ihr ließt geschehn, daß sie verurteilt wurde,Gabt Eure Stimme selbst zu ihrem Tod!Ein Wunder muß geschehn – Der Wahrheit LichtMuß mich, den Neffen ihres Hüters, rühren,Im Vatikan zu Rom muß ihr der HimmelDen unverhofften Retter zubereiten,Sonst fand sie nicht einmal den Weg zu Euch!

Leicester.

Ach, Sir, es hat mir Qualen g’nug gekostet!Um selbe Zeit ward sie von Talbots Schloß’Nach Fotheringhay weggeführt, der strengenGewahrsam Eures Oheims anvertraut.Gehemmt ward jeder Weg zu ihr, ich mußteFortfahren vor der Welt, sie zu verfolgen.Doch denket nicht, daß ich sie leidend hätteZum Tode gehen lassen! Nein, ich hoffeUnd hoffe noch, das Äußerste zu hindern,Bis sich ein Mittel zeigt, sie zu befrein.

Mortimer.

Das ist gefunden – Leicester, Euer edlesVertraun verdient Erwiderung. Ich will sieBefreien, darum bin ich hier, die AnstaltIst schon getroffen, Euer mächt’ger BeistandVersichert uns den glücklichen Erfolg.

Leicester.

Was sagt Ihr? Ihr erschreckt mich. Wie? Ihr wolltet —

Mortimer.

Gewaltsam auftun will ich ihren Kerker,Ich hab Gefährten, alles ist bereit —

Leicester.

Ihr habt Mitwisser und Vertraute! Weh mir!In welches Wagnis reißt Ihr mich hinein!Und diese Wissen auch um mein Geheimnis?

Mortimer.

Sorgt nicht. Der Plan ward ohne Euch entworfen,Ohn’ Euch wär’ er vollstreckt, bestünde sieNicht drauf, Euch ihre Rettung zu verdanken.

Leicester.

So könnt Ihr mich für ganz gewiss versichern,Daß in dem Bund mein Name nicht genannt ist?

Mortimer.

Verlaßt Euch drauf! Wie? So bedenklich, Graf,Bei einer Botschaft, die Euch Hilfe bringt!Ihr wollt die Stuart retten und besitzen,Ihr findet Freunde, plötzlich, unerwartet,Vom Himmel fallen Euch die nächsten Mittel —Doch zeigt Ihr mehr Verlegenheit als Freude?

Leicester.

Es ist nichts mit Gewalt. Das WagestückIst zu gefährlich.

Mortimer.

Auch das Säumen ist’s!

Leicester.

Ich sag Euch, Ritter, es ist nicht zu wagen.

Mortimer (bitter).

Nein, nicht für Euch, der sie besitzen will!Wir wollen sie bloß retten und sind nicht sobedenklich —

Leicester.

Junger Mann, Ihr seid zu raschIn so gefährlich dornenvoller Sache.

Mortimer.

Ihr – sehr bedacht in solchem Fall der Ehre.

Leicester.

Ich seh die Netze, die uns rings umgeben.

Mortimer.

Ich fühle Mut, sie alle zu durchreißen.

Leicester.

Tollkühnheit, Raserei ist dieser Mut.

Mortimer.

Nicht Tapferkeit ist diese Klugheit, Lord.

Leicester.

Euch lüstet’s wohl, wie Babington zu enden?

Mortimer.

Euch nicht, des Norfolks Großmut nachzuahmen.

Leicester.

Norfolk hat seine Braut nicht heimgeführt.

Mortimer.

Er hat bewiesen, daß er’s würdig war.

Leicester.

Wenn wir verderben, reißen wie sie nach.

Mortimer.

Wenn wir uns schonen, wird sie nicht gerettet.

Leicester.

Ihr überlegt nicht, hört nicht, werdet allesMit heftig blindem Ungstüm zerstören,Was auf so guten Weg geleitet war.

Mortimer.

Wohl auf den guten Weg, den Ihr gebahnt?Was habt Ihr denn getan, um sie zu retten?– Und wie? Wenn ich nun Bub g’nug gewesen,Sie zu ermorden, wie die KöniginMir anbefahl, wie sie zu dieser StundeVor mir erwartet – Nennt mir doch die Anstalt,Die Ihr gemacht, ihr Leben zu erhalten.

Leicester (erstaunt).

Gab Euch die Königin diesen Blutbefehl?

Mortimer.

Sie irrte sich in mir, wie sich MariaIn Euch.

Leicester.

Und Ihr habt zugesagt? Habt Ihr?

Mortimer.

Damit sie andre Hände nicht erkaufe,Bot ich die meinen an.

Leicester.

Ihr tatet wohl.Dies kann uns Raum verschaffen. Sie verläßt sichAuf Euren blut’gen Dienst, das TodesurteilBleibt unvollstreckt, und wir gewinnen Zeit —

Mortimer (ungeduldig).

Nein, wir verlieren Zeit!

Leicester.

Sie zählt auf Euch,So minder wird sie Anstand nehmen, sichDen Schein der Gnade vor der Welt zu geben.Vielleicht, daß ich durch List sie überrede,Das Angesicht der Gegnerin zu sehn,Und dieser Schritt muß ihr die Hände binden.Burleigh hat Recht. Das Urteil kann nicht mehrVollzogen werden, wenn sie sie gesehn.– Ja, ich versuch es, alles biet ich auf —

Mortimer.

Und was erreicht Ihr dadurch? Wenn sie sichIn mir getäuscht sieht, wenn Maria fortfährt,Zu leben – Ist nicht alles wie zuvor?Frei wird sie niemals! Auch das Mildeste,Was kommen kann, ist ewiges Gefängnis.Mit einer kühnen Tat müßt Ihr doch enden,Warum wollt Ihr nicht gleich damit beginnen?In Euren Händen ist die Macht, Ihr bringtEin Heer zusammen, wenn Ihr nur den AdelAuf Euren vielen Schlössern waffnen wollt!Maria hat noch viel verborgne Freunde;Der Howard und der Percy edle Häuser,Ob ihre Häupter gleich gestürzt, sind nochAn Helden reich, sie harren nur darauf,Daß ein gewalt’ger Lord das Beispiel gebe!Weg mit Verstelllung! Handelt öffentlich!Verteidigt als ein Ritter die Geliebte,Kämpft einen edeln Kampf um sie. Ihr seidHerr der Person der Königin von England,Sobald Ihr wollt. Lockt sie auf Eure Schlösser,Sie ist Euch oft dahin gefolgt. Dort zeigt ihrDen Mann! Sprecht als Gebieter! Haltet sieVerwahrt, bis die Stuart freigegeben!

Leicester.

Ich staune, ich entsetze mich – WohinReißt Euch der Schwindel? – Kennt Ihr diesen Boden?Wißt Ihr, wie’s steht an diesem Hof, wie engDies Frauenreich die Geister hat gebunden?Sucht nach dem Heldengeist, der ehemals wohlIn diesem Land sich regte – UnterworfenIst alles, unterm Schlüssel eines Weibes,Und jedes Mutes Federn abgespannt.Folgt meiner Leitung. Wagt nichts unbedachtsam.– Ich höre kommen, geht.Я

Mortimer.

Maria hofft!Kehr ich mit leerem Trost zu ihr zurück?

Leicester.

Bringt ihr die Schwüre meiner ew’gen Liebe!

Mortimer.

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