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Maria Stuart / Мария Стюарт

Фридрих Шиллер
Мария Стюарт
Сборник
Friedrich Schiller
Maria Stuart
* * *© ООО «Издательство АСТ», 2024
* * *
Maria Stuart
Trauerspiel in fünf Aufzügen
Elisabeth,
Königin von England
Maria Stuart,
Königin von Schottland, Gefangne in England
Robert Dudley,
Graf von Leicester
Georg Talbot,
Graf von Shrewsbury
Wilhelm Cecil,
Baron von Burleigh, Großschatzmeister
Graf von Kent
Wilhelm Davison,
Staatssekretär
Amias Paulet,
Ritter, Hüter der Maria
Mortimer,
sein Neffe
Graf Aubespine,
französischer Gesandter
Graf Bellievre,
außerordentlicher Botschafter von Frankreich
Okelly,
Mortimers Freund
Drugeon Drury,
zweiter Hüter der Maria
Melvil,
ihr Haushofmeister
Burgoyn,
ihr Arzt
Hanna Kennedy,
ihre Amme
Margareta Kurl,
ihre Kammerfrau
Sheriff
der Grafschaft
Offizier der Leibwache
Französische und englische Herren
Trabanten
Hofdiener
der Königin von England
Diener und Dienerinnen
der Königin von Schottland
Erster Aufzug
Im Schloß zu Fotheringhay. – Ein Zimmer.
Erster Auftritt
Hanna Kennedy, Amme der Königin von Schottland, in heftigem Streit mit Paulet, der im Begriff ist, einen Schrank zu öffnen. Drugeon Drury, sein Gehilfe, mit Brecheisen.
Kennedy.
Was macht Ihr, Sir? Welch neue Dreistigkeit!Zurück von diesem Schrank!Paulet.
Wo kam der Schmuck her?Vom obern Stock ward er herabgeworfen,Der Gärtner hat bestochen werden sollenMit diesem Schmuck – Fluch über Weiberlist!Trotz meiner Aufsicht, meinem scharfen SuchenNoch Kostbarkeiten, noch geheime Schätze!(Sich über den Schrank machend.)
Wo das gesteckt hat, liegt noch mehr!Kennedy.
Zurück, Verwegener!Hier liegen die Geheimnisse der Lady.Paulet.
Die eben such ich.(Schriften hervorziehend.)
Kennedy.
UnbedeutendePapiere, bloße Übungen der Feder,Des Kerkers traur’ge Weile zu verkürzen.Paulet.
In müß’ger Weile schafft der böse Geist.Kennedy.
Es sind französische Schriften.Paulet.
Desto schlimmer!Die Sprache redet Englands Feind.Kennedy.
KonzepteVon Briefen an die Königin von England.Paulet.
Die überlief’r ich – Sieh! Was schimmert hier?(Er hat einen geheimen Ressort geöffnet und zieht aus einem verborgenen Fach Geschmeide hervor.)
Ein königliches Stirnband, reich an Steinen,Durchzogen mit den Lilien von Frankreich!(Er gibt es seinem Begleiter.)
Verwahrt’s, Drury. Legt’s zu dem übrigen!(Drury geht ab.)
Kennedy.
O schimpfliche Gewalt, die wir erleiden!Paulet.
Solang sie noch besitzt, kann sie noch schaden,Denn alles wird Gewehr in ihrer Hand.Kennedy.
Seid gütig, Sir. Nehmt nicht den letzten SchmuckAus unserem Leben weg! Die jammervolleErfreut der Anblick alter Herrlichkeit,Denn alles andere habt Ihr uns entrissen.Paulet.
Es liegt in guter Hand. GewissenhaftWird es zu seiner Zeit zurückgegeben!Kennedy.
Wer sieht es diesen kahlen Wänden an,Daß eine Königin hier wohnt? Wo istDie Himmeldecke über ihrem Sitz?Muß sie den zärtlich weichgewöhnten FußNicht auf gemeinen rauhen Boden setzen?Mit groben Zinn – die schlechtste EdelfrauWürd’ es verschmähn – bedient man ihre Tafel.Paulet.
So speiste sie zu Sterlyn ihren Gatten,Da sie aus Gold mit ihrem Buhlen trank.Kennedy.
Sogar des Spiegels kleine Notdurft mangelt.Paulet.
Solang sie noch ihr eitles Bild beschaut,Hört sie nicht auf, zu hoffen und zu wagen.Kennedy.
An Büchern fehlt’s, den Geist zu unterhaltenPaulet.
Die Bibel ließ man ihr, das Herz zu bessern.Kennedy.
Selbst ihre Laute ward ihr weggenommen.Paulet.
Weil sie verbuhlte Lieder drauf gespielt.Kennedy.
Ist das ein Schicksal für die Weicherzogne,Die in der Wiege Königin schon war,Am üpp’gen Hof der MediceerinIn jeder Freuden Fülle aufgewachsen!Es sei genug, daß man die Macht ihr nahm,Muß man die armen Flitter ihr mißgönnen?In großes Unglück lehrt ein edles HerzSich endlich finden, aber wehe tut’s,Des Lebens kleine Zierden zu entbehren.Paulet.
Sie wenden nur das Herz dem Eiteln zu,Das in sich gehen und bereuen soll.Ein üppig lastervolles Leben büßt sichin Mangel und Erniedrigung allein.Kennedy.
Wenn ihre zarte Jugend sich verging,Mag sie’s mit Gott abtun und ihrem Herzen —In England ist kein Richter über sie.Paulet.
Sie wird gerichtet, wo sie frevelte.Kennedy.
Zum Freveln fesseln sie zu enge Banden.Paulet.
Doch wußte sie aus diesen engen BandenDen Arm zu recken in die Welt, die FackelDes Bürgerkrieges in das Reich zu schleudernUnd gegen unsere Königin, die GottErhalte, Meuchelrotten zu bewaffnen.Erregte sie aus diesen Mauern nichtDen Bösewicht Parry und den BabingtonZu der verfluchten Tat des Königsmords?Hielt dieses Eisengitter sie zurück,Das edle Herz des Norfolk zu umstricken?Für sie geopfert fiel das beste HauptAuf dieser Insel unterm Henkerbeil —Und schreckte dieses jammervolle BeispielDie Rasenden zurück, die sich wetteiferndUm ihrentwillen in den Abgrund stürzen?Die Blutgerüste füllen sich für sieMit immer neuen Todesopfern an,Und das wird nimmer enden, bis sie selbst,Die Schuldigste, darauf geopfert ist.– O Fluch dem Tag, da dieses Landes KüsteGastfreundlich diese Helena empfing.Kennedy.
Gastfreundlich hätte England sie empfangen?Die Unglückselige, die seit dem Tag,Da sie den Fuß gesetzt in dieses Land,Als eine Hilfeflehende, VertriebneBei der Verwandten Schutz zu suchen kam,Sich wider Völkerrecht und KönigswürdeGefangen sieht, in enger KerkerhaftDer Jugend schöne Jahre muß vertrauern —Die jetzt, nachdem sie alles hat erfahren,Was das Gefängnis Bittres hat, gemeinenVerbrechern gleich, vor des Gerichtes SchrankenGefordert wird und schimpflich angeklagtAuf Leib und Leben – eine Königin!Paulet.
Sie kam ins Land als eine Mörderin,Verjagt von ihrem Volk, des Throns entsetzt,Den sie mit schwerer Greueltat geschändet.Verschworen kam sie gegen Englands Glück,Der spanischen Maria blut’ge ZeitenZurückzubringen, Engelland katholischZu machen, an den Franzmann zu verraten.Warum verschmähte sie’s, den EdinburgerVertrag zu unterschreiben, ihren AnspruchAn England aufzugeben und den WegAus diesem Kerker schnell sich aufzutunMit einem Federstrich? Sie wollte lieberGefangen bleiben, sich mißhandelt sehen,Als dieses Titels leerem Prunk entsagen.Weswegen tat sie das? Weil sie den RänkenVertraut, den bösen Künsten der Verschwörung,Und unheilspinnend diese ganze InselAus ihrem Kerker zu erobern hofft.Kennedy.
Ihr spottet, Sir – Zur Härte fügt Ihr nochden bittern Hohn! Sie hegte solche Träume,Die hier lebendig eingemauert lebt,Zu der kein Schall des Trostes, keine StimmeDer Freundschaft aus der lieben Heimat dringt,Die längst kein Menschenangesicht mehr schauteAls ihrer Kerkermeister finstre Stirn,Die erst seit kurzem einen neuen WächterErhielt in eurem rauhen Anverwandten,Von neuen Stäben sich umgittert sieht —Paulet.
Kein Eisengitter schützt vor ihrer List.Weiß ich, ob diese Stäbe nicht durchfeilt,Nicht dieses Zimmers Boden, diese Wände,Von außen fest, nicht hohl von innen sindUnd den Verrat einlassen, wenn ich schlafe?Fluchvolles Amt, das mir geworden ist,Die unheilbrütend Listige zu hüten.Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich geheNachts um, wie ein gequälter Geist, erprobeDes Schlosses Riegel und der Wächter Treu’Und sehe zitternd jeden Morgen kommen,Der meine Furcht wahr machen kann. Doch wohl mir!Wohl! Es ist Hoffnung, daß es bald nun endet.Denn lieber möcht’ ich der Verdammten ScharWachstehend an der Höllenpforte hüten,Als diese ränkevolle Königin.Kennedy.
Da kommt sie selbst!Paulet.
Den Christus in der Hand,Die Hoffart und die Weltlust in dem Herzen.Zweiter Auftritt
Maria im Schleier, ein Kruzifix in der Hand. Die Vorigen.
Kennedy(ihr entgegeneilend).
O Königin! Man tritt uns ganz mit Füßen,Der Tyrannei, der Härte wird kein ZielUnd jeder neue Tag häuft neue LeidenUnd Schmach auf dein gekröntes Haupt.Maria.
Faß dich!Sag an, was neu geschehen ist?Kennedy.
Sieh her!Dein Pult ist aufgebrochen, deine Schriften,Dein einz’ger Schatz, den wir mit Müh gerettet,Der letzte Rest von deinem BrautgeschmeideAus Frankreich ist in seiner Hand. Du hast nunNichts königliches mehr, bist ganz beraubt.Maria.
Beruhige dich, Hanna. Diese Flitter machenDie Königin nicht aus. Man kann uns niedrigBehandeln, nicht erniedrigen. Ich habeIn England mich an viel gewöhnen lernen,Ich kann auch das verschmerzen. Sir, Ihr habt euchGewaltsam zugeeignet, was ich euchNoch heut zu übergeben willens war.Bei diesen Schriften findet sich ein Brief,Bestimmt für meine königliche SchwesterVon England – Gebt mir Euer Wort, daß IhrIhn redlich an sie selbst wollt übergebenUnd nicht in Burleighs ungetreue Hand.Paulet.
Ich werde mich bedenken, was zu tun ist.Maria.
Ihr sollt den Inhalt wissen, Sir. Ich bitteIn diesem Brief um eine große Gunst —Um eine Unterredung mit ihr selbst,Die ich mit Augen nie gesehen – Man hat michVor ein Gericht von Männern vorgefordert,Die ich als meinesgleichen nicht erkennen,Zu denen ich kein Herz mir fassen kann.Elisabeth ist meines Stammes, meinesGeschlechts und Ranges – Ihr allein, der Schwester,Der Königin, der Frau kann ich mich öffnen.Paulet.
Sehr oft, Mylady, habt Ihr Euer SchicksalUnd Eure Ehre Männern anvertraut,Die Eurer Achtung minder würdig waren.Maria.
Ich bitte noch um eine zweite Gunst,Unmenschlichkeit allein kann mir sie weigern.Schon lange Zeit entbehr ich im GefängnisDer Kirche Trost, der Sakramente Wohltat.Und die mir Kron’ und Freiheit hat geraubt,Die meinem Leben selber droht, wird mirDie Himmelstüre nicht verschließen wollen.Paulet.
Auf Euren Wunsch wird der Dechant des Orts —Maria(unterbricht ihn lebhaft).
Ich will nichts vom Dechanten. Einen PriesterVon meiner eigenen Kirche fordre ich.– Auch Schreiber und Notarien verlang ich,Um meinen letzten Willen aufzusetzen.Der Gram, das lange Kerkerelend nagtAn meinem Leben. Meine Tage sindGezählt, befürcht ich, und ich achte michGleich einer Sterbenden.Paulet.
Das tut Ihr wohl,Das sind Betrachtungen, die Euch geziemen.Maria.
Und weiß ich, ob nicht eine schnelle HandDes Kummers langsames Geschäft beschleunigt?Ich will mein Testament aufsetzen, willVerfügung treffen über das, was mein ist.Paulet.
Die Freiheit habt Ihr. Englands KöniginWill sich mit Eurem Raube nicht bereichern.Maria.
Man hat von meinen treuen Kammerfrauen,Von meinen Dienern mich getrennt – Wo sind sie?Was ist ihr Schicksal? Ihrer Dienste kann ichEntraten, doch beruhigt will ich sein,Daß die Getreun nicht leiden und entbehren.Paulet.
Für Eure Diener ist gesorgt.(Er will gehen.)
Maria.
Ihr geht, Sir? Ihr verlaßt mich abermals,Und ohne mein geängstigt fürchtend HerzDer Qual der Ungewißheit zu entladen.Ich bin, dank Eurer Späher Wachsamkeit,Von aller Welt geschieden, keine KundeGelangt zu mir durch diese Kerkermauern,Mein Schicksal liegt in meiner Feinde Hand.Ein peinlich langer Monat ist vorüber,Seitdem die vierzig KommissarienIn diesem Schloß mich überfallen, SchrankenErrichtet, schnell, mit unanständiger Eile,Mich unbereitet, ohne Anwalts Hilfe,Vor ein noch nie erhört Gericht gestellt,Auf schlaugefaßte schwere KlagepunkteMich, die Betäubte, Überraschte, flugsAus dem Gedächtnis Rede stehen lassen —Wie Geister kamen sie und schwanden wieder.Seit diesem Tage schweigt mir jeder Mund,Ich such umsonst in Eurem Blick zu lesen,Ob meine Unschuld, meiner Freunde Eifer,Ob meiner Feinde böser Rat gesiegt.Brecht endlich Euer Schweigen – laßt mich wissen,Was ich zu fürchten, was zu hoffen habe.Paulet (nach einer Pause).
Schließt Eure Rechnung mit dem Himmel ab.Maria.
Ich hoffe auf seine Gnade, Sir – und hoffeAuf strenges Recht von meinen ird’schen Richtern.Paulet.
Recht soll Euch werden. Zweifelt nicht daran.Maria.
Ist mein Prozeß entschieden, Sir?Paulet.
Ich weiß nicht.Maria.
Bin ich verurteilt?Paulet.
Ich weiß nichts, Mylady.Maria.
Man liebt hier rasch zu Werk zu gehen. Soll michDer Mörder überfallen, wie die Richter?Paulet.
Denkt immerhin, es sei so, und er wird EuchIn beßrer Fassung dann, als diese, finden.Maria.
Nichts soll mich in Erstaunen setzen, Sir,Was ein Gerichtshof in Westminsterhall,Den Burleighs Haß und Hattons Eifer lenkt,Zu urteln sich erdreiste – Weiß ich doch,Was Englands Königin wagen darf zu tun.Paulet.
Englands Beherrscher brauchen nichts zu scheuenAls ihr Gewissen und ihr Parlament.Was die Gerechtigkeit gesprochen, furchtlos,Vor aller Welt wird es die Macht vollziehn.Dritter Auftritt
Die Vorigen. Mortimer, Paulets Neffe, tritt herein und, ohne der Königin einige Aufmerksamkeit zu bezeugen, zu Paulet.
Mortimer.
Man sucht Euch, Oheim.(Er entfernt sich auf ebendie Weise. Die Königin bemerkt es mit Unwillen und wendet sich zu Paulet, der ihm folgen will.)
Maria.
Sir, noch eine Bitte.Wenn Ihr mir was zu sagen habt – von EuchErtrag ich viel, ich ehre Euer Alter.Den Übermut den Jünglings trag ich nicht,Spart mir den Anblick seiner rohen Sitten.Paulet.
Was ihn Euch widrig macht, macht mir ihn wert.Wohl ist es keiner von den weichen Toren,Die eine falsche Weiberträne schmelzt —Er ist gereist, kommt aus Paris und ReimsUnd bringt sein treu altenglisch Herz zurück:Lady, an dem ist Eure Kunst verloren!(Geht ab.)
Vierter Auftritt
Maria. Kennedy.
Kennedy.
Darf Euch der Rohe das ins Antlitz sagen!Oh, es ist hart!Maria (in Nachdenken verloren).
Wie haben in den Tagen unsers GlanzesDem Schmeichler ein zu willig Ohr geliehn;Gerecht ist’s, gute Kennedy, daß wirDes Vorwurfs ernste Stimme nun vernehmen.Kennedy.
Wie? so gebeugt, so mutlos, teure Lady?Wart Ihr doch sonst so froh, Ihr pflegtet mich zu trösten,Und eher mußt’ ich Euren FlattersinnAls Eure Schwermut schelten.Maria.
Ich erkenn ihn.Es ist der blut’ge Schatten König Darnleys,Der zürnend aus dem Gruftgewölbe steigt,Und er wird nimmer Friede mit mir machen,Bis meines Unglücks Maß erfüllet ist.Kennedy.
Was für Gedanken —Maria.
Du vergissest, Hanna —Ich aber habe ein getreu Gedächtnis —Der Jahrestag dieser unglückseligen TatIst heute abermals zurückgekehrt,Er ist’s, den ich mit Buß’ und Fasten feire.Kennedy.
Schickt endlich diesen bösen Geist zur Ruh’.Ihr habt die Tat mit jahrelanger Reu’,Mit schweren Leidensproben abgebüßt.Die Kirche, die den Löseschlüssel hatFür jede Schuld, der Himmel hat vergeben.Maria.
Frischblutend steigt die längst vergebne SchuldAus ihrem leichtbedeckten Grab empor!Des Gatten racheforderndes GespenstSchickt keines Messedieners Glocke, keinHochwürdiges in Priesters Hand zur Gruft.Kennedy.
Nicht Ihr habt ihn gemordet! Andre taten’s!Maria.
Ich wußte drum. Ich ließ die Tat geschehnUnd lockt’ ihn schmeicheln in das Todesnetz.Kennedy.
Die Jugend mildert Eure Schuld. Ihr wartSo zarten Alters noch.Maria.
So zart – und ludDie schwere Schuld auf mein so junges Leben.Kennedy.
Ihr wart durch blutige BeleidigungGereizt und durch des Mannes Übermut,Den Eure Liebe aus der Dunkelheit,Wie eine Götterhand, hervorgezogen,Den Ihr durch Euer Brautgemach zum ThroneGeführt, mit Eurer blühenden PersonBeglückt und Eurer angestammten Krone.Konnt’ er vergessen, daß sein prangend LosDer Liebe großmutsvolle Schöpfung war?Und doch vergaß er’s, der Unwürdige!Beleidigte mit niedrigem Verdacht,Mit rohen Sitten Eure Zärtlichkeit,Und widerwärtig wurd’ er Euren Augen.Der Zauber schwand, der Euren Blick getäuscht,Ihr floht erzürnt des Schändlichen UmarmungUnd gabt ihn der Verachtung preis – Und er —Versucht’ er’s, Eure Gunst zurückzurufen?Bat er um Gnade? Warf er sich bereuendZu Euren Füßen, Besserung versprechend?Trotz bot Euch der Abscheuliche – Der EuerGeschöpf war, Euren König wollt’ er spielen,Vor Euren Augen ließ er Euch den Liebling,Den schönen Sänger Rizzio, durchbohren —Ihr rächtet blutig nur die blut’ge Tat.Maria.
Und blutig wird sie auch an mir sich rächen,Du sprichst mein Urteil aus, da du mich tröstest.Kennedy.
Da Ihr die Tat geschehn ließt, wart Ihr nichtIhr selbst, gehörtet Euch nicht selbst. ErgriffenHatt’ Euch der Wahnsinn blinder Liebesglut,Euch unterjocht dem furchtbaren Verführer,Dem unglücksel’gen Bothwell – Über EuchMit übermüt’gem Männerwillen herrschteDer Schreckliche, der Euch durch Zaubertränke,Durch Höllenkünste das Gemüt verwirrend,Erhitzte —Maria.
Seine Künste waren keine andreAls seine Männerkraft und meine Schwachheit.Kennedy.
Nein, sag ich. Alle Geister der VerdammnisMußt’ er zu Hilfe rufen, der dies BandUm Eure hellen Sinne wob. Ihr hattetKein Ohr mehr für der Freundin Warnungsstimme,Kein Aug’ für das, was wohlanständig war.Verlassen hatte Euch die zarte ScheuDer Menschen; Eure Wangen, sonst der SitzSchamhaft errötender Bescheidenheit,Sie glühten nur vom Feuer des Verlangens.Ihr warft den Schleier des GeheimnissesVon Euch; des Mannes keckes Laster hatteAuch Eure Blödigkeit besiegt, Ihr stelltetMit dreister Stirne Eure Schmach zur Schau.Ihr ließt das königliche Schwert von SchottlandDurch ihn, den Mörder, dem des Volkes FlücheNachschallten, durch die Gassen EdinburgsVor Euch hertragen im Triumph, umringtetMit Waffen Euer Parlament, und hier,Im eignen Tempel der Gerechtigkeit,Zwangt Ihr mit frechem Possenspiel die Richter,Den Schuldigen des Mordes loszusprechen —Ihr gingt noch weiter – Gott!Maria.
Vollende nur!Und reicht’ ihm meine Hand vor dem Altare!Kennedy.
O laßt ein ewig Schweigen diese TatBedecken! Sie ist schauderhaft, empörend,Ist einer ganz Verlornen wert – Doch Ihr seid keineVerlorne – ich kenn Euch ja, ich bin’s,Die Eure Kindheit auferzogen. WeichIst Euer Herz gebildet, offen ist’sDer Scham – der Leichtsinn nur ist Euer Laster.Ich wiederhol es, es gibt böse Geister,Die in des Menschen unverwahrter BrustSich augenblicklich ihren Wohnplatz nehmen,Die schnell in uns das Schreckliche begehnUnd, zu der Höll’ entfliehend, das EntsetztenIn dem befleckten Busen hinterlassen.Seit dieser Tat, die Euer Leben schwärzt,Habt Ihr nichts Lasterhaftes mehr begangen,Ich bin ein Zeuge Eurer Besserung.Drum fasset Mut! Macht Friede mit Euch selbst!Was Ihr auch zu bereuen habt, in EnglandSeid Ihr nicht schuldig, nicht Elisabeth,Nicht Englands Parlament ist Euer Richter.Macht ist’s, die Euch hier unterdrückt; vor diesenAnmaßlichen Gerichtshof dürft Ihr EuchHinstellen mit dem ganzen Mut der Unschuld.Maria.
Wer kommt?(Mortimer zeigt sich an der Türe.)
Kennedy.
Es ist der Neffe. Geht hinein.Fünfter Auftritt
Die Vorigen. Mortimer scheu hereintretend.
Mortimer (zur Amme).
Entfernt Euch, haltet Wache vor der Tür,Ich habe mit der Königin zu reden.Maria (mit Ansehn).
Hanna, du bleibst.Mortimer.
Habt keine Furcht, Mylady.Lernt mich kennen.(Er überreicht ihr eine Karte.)
Maria (sieht sie an und fährt bestürzt zurück).
Ha! Was ist das?Mortimer (zur Amme).
Geht, Dame Kennedy.Sorgt, daß mein Oheim uns nicht überfalle!Maria (zur Amme, welche zaudert und die Königin fragend ansieht).
Geh! Geh! Tu, was er sagt.(Die Amme entfernt sich mit Zeichen der Verwunderung.)
Sechster Auftritt
Mortimer. Maria.
Maria.
Von meinem Oheim,Dem Kardinal von Lothringen, aus Frankreich!(Liest.) »Traut dem Sir Mortimer, der Euch dies bringt,Denn keinen treuern Freund habt Ihr in England.«(Mortimer mit Erstaunen ansehend.)
Ist’s möglich? Ist’s kein Blendwerk, das mich täuscht?So nahe find ich einen Freund und wähnte michVerlassen schon von aller Welt – find ihnIn Euch, dem Neffen meines Kerkermeisters,In dem ich meinen schlimmsten Feind —Mortimer (sich ihr zu Füßen werfend).
VerzeihungFür diese verhaßte Larve, Königin,Die mir zu tragen Kampf genug gekostet,Doch der ich’s danke, daß ich mich Euch nahen,Euch Hilfe und Errettung bringen kann.Maria.
Steht auf – Ihr überrascht mich, Sir – Ich kannSo schnell nicht aus der Tiefe meines ElendsZur Hoffnung übergehen – Redet, Sir —Macht mir dies Glück begreiflich, daß ich’s glaube.Mortimer (steht auf).
Die Zeit verrinnt. Bald wird mein Oheim hier sei,Und ein verhaßter Mensch begleitet ihn.Eh’ Euch ihr Schreckensauftrag überrascht,Hört an, wie Euch der Himmel Rettung schickt.Maria.
Er schickt sie durch ein Wunder seiner Allmacht!Mortimer.
Erlaubt, daß ich von mir beginne.Maria.
Redet, Sir!Mortimer.
Ich zählte zwanzig Jahre, Königin,In strengen Pflichten war ich aufgewachsen,In finsterm Haß den Papsttums aufgesäugt,Als mich die unbezwingliche BegierdeHinaustrieb auf das feste Land. Ich ließDer Puritaner dumpfe Predigtstuben,Die Heimat hinter mir, in schnellem LaufDurchzog ich Frankreich, das geprieseneItalien mit heißem Wunsche suchend.Es war die Zeit des großen Kirchenfests,Von Pilgerscharen wimmelten die Wege,Bekränzt war jedes Gottesbild, es war,Als ob die Menschheit auf der Wandrung wäre,Wallfahren nach dem Himmelreich – Mich selbstErgriff der Strom der glaubenvollen MengeUnd riß mich in das Weichbild Roms —Wie ward mir, Königin!Als mir der Säulen Pracht und SiegesbogenEntgegenstieg, des Kolosseums HerrlichkeitDen Staunenden umfing, ein hoher BildnergeistIn seine heitre Wunderwelt mich schloß!Ich hatte nie der Künste Macht gefühlt:Es haßt die Kirche, die mich auferzog,Der Sinne Reiz, kein Abbild duldet sie,Allein das körperlose Wort verehrend.Wie wurde mir, als ich ins Innre nunDer Kirchen trat und die Musik der HimmelHerunterstieg und der Gestalten FülleVerschwenderisch aus Wand und Decke quoll,Das Herrlichste und Höchste, gegenwärtig,Vor den entzückten Sinnen sich bewegte,Als ich sie selbst nun sah, die Göttlichen,Den Gruß des Engelsm, die Geburt des Herrn,Die Heil’ge Mutter, die herabgestiegneDreifaltigkeit, die leuchtende Verklärung —Als ich den Papst drauf sah in seiner PrachtDas Hochamt halten und die Völker segnen.O, was ist Goldes, was Juwelen Schein,Womit der Erde Könige sich schmücken!Nur er ist mit dem Göttlichen umgeben.Ein wahrhaft Reich der Himmel ist sein Haus,Denn nicht von dieser Welt sind diese Formen.Maria.