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Maria Stuart / Мария Стюарт
Mortimer.
Auch ich war’s, Königin! und mein GefängnisSprang auf, und frei auf einmal fühlte sichDer Geist,den Lebens schönen Tag begrüßend.Haß schwur ich nun dem engen dumpfen Buch,Mit frischem Kranz die Schläfe mir zu schmücken,Mich fröhlich an die Fröhlichen zu schließen.Viel edle Schotten drängten sich an mich,Und der Franzosen muntre Landsmannschaften.Sie brachten mich zu Eurem edeln Oheim,Dem Kardinal von Guise – Welch ein Mann!Wie sicher, klar und männlich groß! – Wie ganzGeboren, um die Geister zu regieren!Das Muster eines königlichen Priesters,Ein Fürst der Kirche, wie ich keinen sah!Maria.
Ihr habt sein teures Angesicht gesehn,Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes,Der meiner zarten Jugend Führer war.O redet mir von ihm. Denkt er noch mein?Liebt ihn das Glück, blüht ihm das Leben noch,Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche?Mortimer.
Der Treffliche ließ selber sich herab,Die hohen Glaubenslehren mir zu deutenUnd meines Herzen Zweifel zu zerstreun.Er zeigt mir, daß grübelnde VernunftDen Menschen ewig in der Irre leitet,Daß seine Augne sehen müssen, wasDas Herz soll glauben, daß ein sichtbar HauptDer Kirche not tut, daß der Geist der WahrheitGeruht hat auf den Sitzungen der Väter.Die Wahnbegriffe meiner kind’schen Seele,Wie schwanden sie vor seinem siegendenVerstand und vor der Suada seines Mundes!Ich kehrte in derKirche Schoß zurück,Schwur meinen Irrtum ab in seine Hände.Maria.
So seid Ihr einer jener Tausende,Die er mit seiner Rede Himmelskraft,Wie der erhabne Prediger des Berges,Ergriffen und zum ew’gen Heil geführt!Mortimer.
Als ihn des Amtes Pflichten bald daraufNach Frankreich riefen, sandt’ er mich nach Reims,Wo die Gesellschaft Jesu, fromm geschäftig,Für Englands Kirche Priester auferzieht.Den edeln Schotten Morgan fand ich hier,Auch Euren treuen Leßley, den gelehrtenBischof von Roße, die auf Frankreichs BodenFreudlose Tage der Verbannung leben —Eng schloß ich mich an diese WürdigenUnd stärkte mich im Glauben – Eines Tages,Als ich mich umsah in des Bischofs Wohnung,Fiel mir ein weiblich Bildnis in die AugenVon rührend wundersamem Reiz; gewaltigErgriff es mich in meiner tiefsten Seele,Und, des Gefühls nicht mächtig, stand ich da.Da sagte mir der Bischof: Wohl mit RechtMögt Ihr gerührt bei diesem Bilde weilen.Die schönste aller Frauen, welche leben,Ist auch die jammernswürdigste von allen,Um unsers Glaubens willen duldet sie,Und Euer Vaterland ist’s, wo sie leidet.Maria.
Der Redliche! Nein, ich verlor nicht alles,Da solcher Freund im Unglück mir geblieben.Mortimer.
Drauf fing er an, mit herzerschütternderBeredsamkeit mir Euer MärtyrtumUnd Eurer Feinde Blutgier abzuschildern.Auch Euern Stammbaum wies er mir, er zeigtMir Eure Abkunft von dem hohen HauseDer Tudor, überzeugt mich, daß EuchAllein gebührt, in England zu herrschen,Nicht dieser Afterkönigin, gezeugtIn ehebrecherischem Bett, die HeinrichIhr Vater, selbst verwarf als Bastardtochter.Nicht seinem einz’gen Zeugnis wollt’ ich traun,Ich holte Rat bei allen Rechtsgelehrten,Viel alte Wappenbücher schlug ich nach,Und alle Kundige, die ich befragte,Bestätigten mir Eures Anspruchs Kraft.Ich weiß nunmehr, daß Euer gutes RechtAn England Euer ganzes Unrecht ist,Daß Euch dies Reich als Eigentum gehört,Worin Ihr schuldlos als Gefangne schmachtet.Maria.
O dieses unglücksvolle Recht! Es istDie einz’ge Quelle aller meiner Leiden.Mortimer.
Um diese Zeit kam mir die Kunde zu,Daß Ihr aus Talbots Schloß hinweggeführtUnd meinem Oheim übergeben worden —Des Himmels wundervolle RettungshandGlaubt’ ich in dieser Fügung zu erkennen,Ein lauter Ruf des Schicksals war sie mir,Das meinen Arm gewählt, Euch zu befreien.Die Freunde stimmen freudig bei, es gibtDer Kardinal mir seinen Rat und SegenUnd lehrt mich der Verstellung schwere Kunst.Schnell ward der Plan entworfen, und ich treteDen Rückweg an ins Vaterland, wo ich,Ihr wißt’s, vor zehen Tagen bin gelandet.(Er hält inne.)
Ich sah Euch, Königin – Euch selbst!Nicht Euer Bild! – O welchen Schatz bewahrtDies Schloß! Kein Kerker! Eine Götterhalle,Glanzvoller als der königliche HofVon England – O des Glücklichen, dem esVergönnt ist, eine Luft mit Euch zu atmen!Wohl hat sie recht, die Euch so tief verbirgt!Aufstehen würde Englands ganze Jugend,Kein Schwert in seiner Scheide müßig bleibenUnd die Empörung mit gigantischem HauptDurch diese Friedensinsel schreiten, säheDer Brite seine Königin!Maria.
Wohl ihr,Säh jeder Brite sie mit Euren Augen!Mortimer.
Wär’ er, wie ich, ein Zeuge Eurer Leiden,Der Sanftmut Zeuge und der edlen Fassung,Womit Ihr das Unwürdige erduldet.Denn geht Ihr nicht aus allen LeidensprobenAls eine Königin hervor? Raubt EuchDes Kerkers Schmach von Eurem Schöheitsglanze?Euch mangelt alles, was das Leben schmückt,Und doch umfließt Euch ewig Licht und Leben.Nie setz ich meinen Fuß auf diese Schwelle,Daß nicht mein Herz zerrissen wird von Qualen,Nicht von der Lust entzückt, Euch anzuschauen! —Doch furchtbar naht sich die Entscheidung, wachsendMit jeder Stunde dringet die Gefahr,Ich darf nicht länger säumen – Euch nicht längerDas Schreckliche verbergen —Maria.
Ist mein UrteilGefällt? Entdeckt mir’s frei. Ich kann es hören.Mortimer.
Es ist gefällt. Die zweiundvierzig Richter habenIhr Schuldig ausgesprochen über Euch. Das HausDer Lords und der Gemeinen, die Stadt LondonBestehen heftig dringend aud des UrteilsVollstreckung; nur die Königin säumt nocht– Aus arger List, daß man sie nötige,Nicht aus Gefühl der Menschlichkeit und Schonung.Maria (mit Fassung).
Sir Mortimer, Ihr überrascht mich nicht,Erschreckt mich nicht. Auf solche Botschaft war ichSchon längst gefaßt. Ich kenne meine Richter.Nach den Mißhandlungen, die ich erlitten,Begreif ich wohl, daß man die Freiheit mirNicht schenken kann – Ich weiß, wo man hinauswill.In ew’gem Kerker will man mich bewahrenUnd meine Rache, meinen RechtsanspruchMit mir verscharren in Gefängnisnacht.Mortimer.
Nein, Königin – o nein! nein! Dabei steht manNicht still. Die Tyrannei begnügt sich nicht,Ihr Werk nur halb zu tun. Solang Ihr lebt,Lebt auch die Furcht der Könign von England.Euch kann kein Kerker tief genug begraben,Nur Euer Tod versichert ihren Thron.Maria.
Sie könnt’ es wagen, mein gekröntes HauptSchmachvoll auf einen Henkerblock zu legen?Mortimer.
Sie wird es wagen. Zweifelt nicht daran.Maria.
Sie könnt so die eigne MajestätUnd aller Könige im Staube wälzen?Und fürchtet sie die Rache Frankreichs nicht?Mortimer.
Sie schließt mit Frankreich einen ew’gen Frieden,Dem Duc von Anjou schenkt sie Thron und Hand.Maria.
Wird sich der König Spaniens nicht waffnen?Mortimer.
Nicht eine Welt in Waffen fürchtet sie,Solang sie Frieden hat mit ihrem Volke.Maria.
Den Briten wollte sie dies Schauspiel geben?Mortimer.
Dies Land, Mylady, hat in letzten ZeitenDer königlichen Frauen mehr vom ThronHerab aufs Blutgerüste steigen sehn.Die eigne Mutter der ElisabethGing diesen Weg, und Katharina Howard,Auch Lady Gray war ein gekröntes Haupt.Maria (nach einer Pause).
Nein, Mortimer! Euch blendet eitle Furcht.Es ist die Sorge Eures treuen Herzens,Die Euch vergebne Schrecknisse erschafft.Nicht das Schafott ist’s, das ich fürchte, Sir.Es gibt noch andre Mittel, stillere,Wodurch sich die Beherrscherin von EnglandVor meinem Anspruch Ruhe schaffen kann.Eh’ sich ein Henker für mich findet, wirdNoch eher sich ein Mörder dingen lassen.– Das ist’s, wovor ich zittre, Sir! und nieSetz ich des Bechers Rand an meine Lippen,Daß nicht ein Schauder mich ergreift, er könnteKredenzt sein von der Liebe meiner Schwester.Mortimer.
Nicht offenbarm, noch heimlich soll’s dem MordGelingen, Euer Leben anzutasten.Seid ohne Furcht! Bereitet ist schon alles,Zwölf edle Jünglinge des Landes sindIn meinem Bündnis, haben heute frühDas Sakrament darauf empfangen, EuchMit starkem Arm aus diesem Schloß zu führen.Graf Aubespine, der Abgesandte Frankreichs,Weiß um den Bund, er bietet selbst die Hände,Und sein Palast ist’s, wo wir uns versammeln.Maria.
Ihr macht mich zittern, Sir – doch nicht für Freude.Mir fliegt ein böses Ahnen durch das Herz.Was unternehmt Ihr? Wißt ihr’s? Schrecken euchNicht Babingtons, nicht Tichburns blut’ge Häupter,Auf Londons Brücke warnend aufgesteckt,Nicht das Verderben der Unzähligen,Die ihren Tod in gleichem Wagstück fandenUnd meine Ketten schwerer nur gemacht?Unglücklicher, verführter Jüngling – flieht!Flieht, wenn’s noch Zeit ist – wenn der Späher BurleighNicht jetzt schon Kundschaft hat von euch, nicht schonIn eure Mitte den Verräter mischte.Flieht aus dem Reiche schnell! Marien StuartHat noch kein Glücklicher beschützt.Mortimer.
Mich schreckenNicht Babingtons, nicht Tichburns blut’ge Häupter,Auf Londons Brücke warnend aufgesteckt,Nicht das Verderben der unzähl’gen andern,Die ihren Tod in gleichem Wagstück fanden;Sie fanden auch darin den ew’gen Ruhm,Und Glück schon ist’s, für Eure Rettung sterben.Maria.
Umsonst! Mich rettet nicht Gewalt, nicht List.Der Feind ist wachsam, und die Macht ist sein.Nicht Paulet nur und seiner Wächter Schar,Ganz England hütet meines Kerkers Tore.Der freie Wille der Elisabeth alleinKann sie mir auftun.Mortimer.
O das hoffet nie!Maria.
Ein einz’ger Mann lebt, der sie öffnen kann.Mortimer.
O nennt mir diesen Mann —Maria.
Graf Leicester.Mortimer (tritt erstaunt zurück).
Leicester!Graf Leicester! – Euer blutigster Verfolger,Der Günstling der Elisabeth – von diesem —Maria.
Bin ich zu retten, ist’s allein durch ihn.– Geht zu ihm. Öffnet Euch ihm frei,Und zur Gewähr, daß ich’s bin, die Euch sendet,Bringt ihm dies Schreiben. Es enthält mein Bildnis.(Sie zieht ein Papier aus dem Busen, Mortimer tritt zurück und zögert es anzunehmen.)
Nehmt hin. Ich trag es lange schon bei mir,Weil Eures Oheims strenge WachsamkeitMir jeden Weg zu ihm gehemmt – Euch sandteMein guter Engel —Mortimer.
Königin – dies Rätsel —Erklärt es mir —Maria.
Graf Leicester wird’s Euch lösen.Vertraut ihm, er wird Euch vertraun – Wer kommt?Kennedy (eilfertig eintretend).
Sir Paulet naht mit einem Herrn vom Hofe.Mortimer.
Es ist Lord Burleigh. Faßt Euch, Königin!Hört es mit Gleichmut an, was er Euch bringt.(Er entfernt sich durch eine Seitentür, Kennedy folgt ihm.)
Siebenter Auftritt
Maria, Lord Burleigh, Großschatzmeister von England, und Ritter Paulet.
Paulet.
Ihr wünschtet heut Gewißheit Eures Schicksals,Gewißheit bringt Euch Seine HerrlichkeitMylord von Burleigh. Tragt sei mit Ergebung.Maria.
Mit Würde, hoff ich, die der Unschuld ziemt.Burleigh.
Ich komme als Gesandter des Gerichts.Maria.
Lord Burleigh leiht dienstfertig dem Gerichte,Dem er den Geist geliehn, nun auch den Mund.Paulet.
Ihr sprecht, als wüßtet Ihr bereits das Urteil.Maria.
Da es Lord Burleigh bringt, so weiß ich es.– Zur Sache, Sir.Burleigh.
Ihr habt Euch dem GerichtDer Zweiundvierzig unterworfen, Lady —Maria.
Verzeiht, Mylord, daß ich Euch gleich zu AnfangIns Wort muß fallen – Unterworfen hätt’ ich michDem Richterspruch der Zweiundvierzig, sagt Ihr?Ich habe keineswegs mich unterworfen.Nie konnt’ ich das – ich konnte meinem Rang,Der Würde meines Volkes und meines SohnesUnd aller Fürsten nicht so viel vergeben.Verordnet ist im englischen Gesetz,Daß jeder Angeklagte durch GeschworneVon seinesgleichen soll gerichtet werden.Wer in der Committee ist meinesgleichen?Nur Könige sind meine Peers.Burleigh.
Ihr hörtetDie Klageartikel an, ließt Euch darüberVernehmen vor Gerichte —Maria.
Ja, ich habe michDurch Hattons arge List verleiten lassen,Bloß meiner Ehre wegen und im GlaubenAn meiner Gründe siegende Gewalt,Ein Ohr zu leihen jenen KlagepunktenUnd ihren Ungrung darzutun – Das tat ichAus Achtung für die würdigen PersonenDer Lords, nicht für ihr Amt, das ich verwerfe.Burleigh.
Ob Ihr sie anerkennt, ob nicht, Mylady,Das ist nur eine leere Förmlichkeit,Die des Gerichtes Lauf nicht hemmen kann.Ihr atmet Englands Luft, genießt den Schutz,Die Wohltat des Gesetzesm, und so seid IhrAuch seiner Herrschaft untertan!Maria.
Ich atmeDie Luft in einem englischen Gefängnis.Heißt das in England leben, der GesetzeWohltat genießen? Kenn ich sie doch kaum.Nie hab ich eingewilligt, sie zu halten.Ich bin nicht dieses Reiches Bürgerin,Bin eine freie Königin des Audlands.Burleigh.
Und denkt Ihr, daß der königliche NameZum Freibrief dienen könne, blut’ge ZwietrachtIn fremdem Lande straflos auszusäen?Wie stünd’ es um die Sicherheit der Staaten,Wenn das gerechte Schwert der Themis nichtDie schuld’ge Stirn des königlichen GastesErreichen könnte wie des Bettlers Haupt?Maria.
Ich will mich nicht der Rechenschaft entziehen,Die Richter sind es nur, die ich verwerfe.Burleigh.
Die Richter! Wie, Mylady? Sind es etwaVom Pöbel aufgegriffene Verworfne,Schamlose Zungendrescher, denen RechtUnd Wahrheit feil ist, die sich zum OrganDer Unterdrückung willig dingen lassen?Sind’s nicht die ersten Männer dieses Landes,Selbständig g’nug, um wahrhaft sein zu dürfen,Um über Fürstenfurcht und niedrigeBestechung weit erhaben sich zu sehn?Sind’s nicht die selben, die ein edles VolkFrei und gerecht regieren, deren NamenMan nur zu nennen braucht, um jeden Zweifel,Um jeden Argwohn schleunig stumm zu machen?An ihrer Spitze steht der Völkerhirte,Der fromme Primas von Canterbury,Der weise Talbot, der des Siegels wahret,Und Howard, der des Reiches Flotten führt.Sagt! Konnte die Berherrscherin von EnglandMehr tun, als aus der ganzen MonarchieDie edelsten auslesen und zu RichternIn diesem königlichen Streit bestellen?Und wär’s zu denken, daß ParteienhaßDen einzelnen bestäche – Können vierzigErlesne Männer sich in einem SprucheDer Leidenschaft vereinigen?Maria (nach einigem Stillschweigen).
Ich höre staunend die Gewalt des Mundes,Der mir von je so unheilbringend war —Wie werd ich mich, ein ungelehrtes Weib,Mit so kunstfert’gem Redner messen können! —Wohl! wären diese Lords, wie Ihr sie schildert,Verstummen müßt’ ich, hoffnugngslos verlorenWär’ meine Sache, sprächen sie micht schuldig.Doch diese Namen, die Ihr preisend nennt,Die mich durch ihr Gewicht zermalmen sollen,Mylord, ganz andere Rollen seh ich sieIn den Geschichten dieses Landes spielen.Ich sehen diesen hohen Adel Englands,Des Reiches majestätischen Senat,Gleich Sklaven des Serails den SultanslaunenHeinrichs den Achten, meines Großohms schmeicheln —Ich sehe dieses edle Oberhaus,Gleich feil mit den erkäuflichen Gemeinen,Gesetze prägen und verrufen, EhenAuflösen, binden, wie der MächtigeGebietet, Englands Fürstentöchter heuteEnterben, mit dem Bastardnamen schändenUnd morgen sie zu Königinnen krönen.Ich sehe diese würd’gen Peers mit schnellVertauschter Überzeugung unter vierRegierungen den Glauben viermal ändern —Burleigh.
Ihr nennt Euch fremd in Englands Reichsgesetzen,In Englands Unglück seid Ihr sehr bewandert.Maria.
Und das sind meine Richter! – Lord Schatzmeister!Ich will gerecht sein gegen Euch! – Seid Ihr’sAuch gegen mich – Man sagt, Ihr meint es gutMit diesem Staat, mit Eurer Königin,Seid unbestechlich, wachsam, unermüdet —Ich will es glauben. Nicht der eigne NutzenRegiert Euch, Euch regiert allein der VorteilDes Souveräns, des Landes. EbendarumMißtraut Euch, edler Lord, daß nicht der NutzenDes Staats Euch als Gerechtigkeit erscheine.Nicht zweifl’ ich dran, es sitzen neben EuchNoch edle Männer unter meinen Richtern.Doch sie sind Protestanten, EifererFür Englands Wohl und sprechen über mich,Die Königin von Schottland, die Papistin!Es kann der Brite gegen den Schotten nichtGerecht sein, ist ein uralt Wort – Drum istHerkömmlich seit der Väter grauen Zeit,Daß vor Gericht kein Brite gegen den Schotten,Kein Schotte gegen jenen zeugen darf.Die Not gab diesen seltsame Gesetz;Ein tiefer Sinn wohnt in den alten Bräuchen,Man muß sie ehren, Mylord – die NaturWarf diese beiden feur’gen VölkerschaftenAuf dieses Brett im Ozean, ungleichVerteilte sie’s und hieß sie darum kämpfen.Der Tweede schmales Bette trennt alleinDie heft’gen Geister, oft vermischte sichDas Blut der Kämpfenden in ihren Wellen.Die Hand am Schwerte, schauen sie sich drohendVon beiden Ufern an, sei tausend Jahren.Kein Feind bedränget Engelland, dem nichtDer Schotte sich zum Helfer zugesellte;Kein Bürgerkrieg entzündet Schottlands Städte,Zu dem der Brite nicht den Zunder trug.Und nicht erlöschen wird der Haß, bis endlichEin Zepter waltet durch die ganze Insel.Burleigh.
Und eine Stuart sollte dieses GlückDem Reich gewähren?Maria.
Warum soll ich’s leugnen?Ja, ich gesteh’s, daß ich die Hoffnung nährte,Zwei edle Nationen unterm SchattenDes Ölbaums frei und fröhlich zu vereinen.Nicht ihres Völkerhasses Opfer glaubt’ ichZu werden; ihre lange Eifersucht,Der alten Zwietracht unglücksel’ge GlutHofft’ ich auf ew’ge Tage zu erstickenUnd, wie mein Ahnherr Richmond die zwei RosenZusammenband nach blut’gem Streit, die KronenSchottland und England friedlich zu vermählen.Burleigh.
Auf schlimmem Weg verfolgtet Ihr dies Ziel,Da Ihr das Reich entzünden, durch die FlammenDes Bürgerkriegs zum Throne steigen wolltet.Maria.
Das wollt’ ich nicht – beim großen Gott des Himmels!Wann hätt’ ich das gewollt? Wo sind die Proben?Burleigh.
Nicht Streitens wegen kam ich her. Die SacheIst keinem Wortgefecht mehr unterworfen.Es ist erkannt durch vierzig Stimmen gegen zwei,Daß Ihr die Akte vom vergangnen Jahr:«Wenn sich Tumult im Königreich erhübeIm Namen und zum Nutzen irgendeinerPerson, die Rechte vorgibt an die Krone,Daß man gerichtlich gegen sie verfahre,Bis in den Tod die schuldige verfolge«—Und da bewiesen ist —Maria.
Mylord von Burleigh!Ich zweifle nicht, daß ein Gesetz, ausdrücklichAuf mich gemacht, verfaßt, mich zu verderben,Sich gegen mich wird brauchen lassen – WeheDem armen Opfer, wenn derselbe Mund,Der das Gesetz gab, auch das Urteil spricht!Könnt Ihr es leugnen, Lord, daß jene AkteZu meinem Untergang ersonnen ist?Burleigh.
Zu Eurer Warnung sollte sie gereichen,Zum Fallstrick habt Ihr selber sie gemacht.Den Abgrund saht Ihr, der vor Euch sich auftat,Und treu gewarnet stürztet Ihr hinein.Ihr wart mit Babington, dem Hochverräter,Und seinen Mordgesellen einverstanden,Ihr hattet Wissenschaft von allem, lenktetAus Eurem Kerker planvoll die Verschwörung.Maria.
Wann hätt’ ich das getan? Man zeige mirDie Dokumente auf.Burleigh.
Die hat man EuchSchon neulich vor Gerichte vorgewiesen.Maria.
Die Kopien, von fremder Hand geschrieben!Man bringe die Beweise mir herbei,Daß ich sie selbst diktiert, daß ich sie soDiktiert, geradeso, wie man gelesen.Burleigh.
Daß es dieselben sind, die er empfangen,Hat Babington vor seinem Tod bekannt.Maria.
Und warum stellte man ihn mir nicht lebendVor Augen? Warum eilte man so sehr,Ihn aus der Welt zu fördern, eh’ man ihnMir, Stirne gegen Stirne, vorgeführt?Burleigh.
Auch Eure Schreiber, Kurl und Nau, erhärtenMit einem Eid, daß es die Briefe seien,Die sei aus Eurem Munde niederschrieben.Maria.
Und auf das Zeugnis meiner HausbedientenVerdammt man mich? Auf Treu und Glauben derer,Die mich verraten, ihre Königin,Die in demselben Augenblick die Treu’Mir brachen, da sie gegen mich gezeugt?Burleigh.
Ihr selbst erklärtet sonst den Schotten KurlFür einen Mann von Tugend und Gewissen.Maria.
So kannt’ ich ihn – doch eines Mannes TugendErprobt allein die Stunde der Gefahr.Die Folter konnt’ ihn ängstigen, daß erAussagte und gestand, was er nicht wußte!Durch falsches Zeugnis glaubt’ er sich zu rettenUnd mir, der Königin, nicht viel zu schaden.Burleigh.
Mit einem freien Eid hat er’s beschworen.Maria.
Vor meinem Angesichte nicht! – Wie, Sir?Das sind zwei Zeugen, die noch beide leben!Man stelle sie mir gegenüber, lasse sieIhr Zeugnis mir ins Antlitz wiederholen!Warum mir eine Gunst, ein Recht verweigern,Das man dem Mörder nicht versagt? Ich weißAus Talbots Munde, meines vor’gen Hüters,Daß unter dieser nämlichen RegierungEin Reichsschluß durchgegangen, der befiehlt,Den Kläger dem Beklagten vorzustellen.Wie? Oder hab ich falsch gehört? – Sir Paulet!Ich hab Euch stets als Biedermann erfunden,Beweist es jetzo. Gib’s kein solch Gesetz in England?Paulet.
So ist’s, Mylady. Das ist bei uns Rechtens.Was wahr ist, muß ich sagen.Maria.
Nun, Mylord!Wenn man mich denn so streng nach englischem RechtBehandelt, wo dies Recht mich unterdrückt,Warum dasselbe Landesrecht umgehen,Wenn es mir Wohltat werden kann? – Antwortet!Warum ward Babington mir nicht vor AugenGestellt, wie das Gesetz es befiehlt? WarumNicht meine Schreiber, die noch beide leben?Burleigh.
Ereifert Euch nicht, Lady. Euer EinverständnisMit Babington ist’s nicht allein —Maria.
Es ist’sAllein, was mich dem Schwerte des GesetzesBloßstellt, wovon ich mich zu rein’gen habe.Mylord! Bleibt bei der Sache. Beugt nicht aus.Burleigh.
Es ist bewiesen, daß Ihr mit Mendoza,Dem spanischen Botschafter, unterhandelt —Maria (lebhaft).
Bleibt bei der Sache, Lord!Burleigh.
Daß Ihr AnschlägeGeschmiedet, die Religion des LandesZu stürzen, alle Könige EuropensZum Krieg mit England aufgeregt —Maria.
Und wenn ich’sGetan? Ich hab es nicht getan – JedochGesetzt, ich tat’s! – Mylord, man hält mich hierGefangen wider alle Völkerrechte.Nicht mit dem Schwerte kam ich in dies Land,Ich kam herein als eine Bittende,Das heil’ge Gastrecht fordernd, in den ArmDer blutsverwandten Königin mich werfend —Und so ergriff mich die Gewalt, bereiteteMir Ketten, wo ich Schutz gehofft – Sagt an!Ist mein Gewissen gegen diesen StaatGebunden? Hab ich Pflichten gegen England?Ein heilig Zwangsrecht üb ich aus, da ichAus diesen Banden strebe, Macht mit MachtAbwende, alle Staaten dieses WeltteilsZu meinem Schutze aufrühre und bewege.Was irgend nur in einem guten KriegRecht ist und ritterlich, das darf ich üben.Den Mord allein, die heimlich blut’ge Tat,Verbietet mir mein Stolz und mein Gewissen,Mord würde mich beflecken und entehren.Entehren sag ich – keineswegs michVerdammen, einem Rechtsspruch unterwerfen.Denn nicht vom Rechte, von Gewalt alleinIst zwischen mir und Engelland die Rede.Burleigh (bedeutend).
Nicht auf der Stärke schrecklich Recht beruft Euch,Mylady! Es ist der Gefangenen nicht günstig.Maria.
Ich bin die Schwache, sie die Mächt’ge – Wohl!Sie brauche die Gewalt, sie töte mich,Sie bringe ihrer Sicherheit das Opfer.Doch sie gestehe dann, daß sie die MachtAllein, nicht die Gerechtigkeit geübt.Nicht vom Gesetze borge sie das Schwert,Sich der verhaßten Feindin zu entladen,Und kleide nicht in heiliges GewandDer rohen Stärke blutiges Erkühnen.Solch Gaukelspiel betrüge nicht die Welt!Ermorden lassen kann sie mich, nicht richten!Sie geb’ es auf, mit des Verbrechens FrüchtenDen heil’gen Schein der Tugend zu vereinen,Und was sie ist, das wage sie zu scheinen!(Sie geht ab.)
Achter Auftritt
Burleigh. Paulet.
Burleigh.
Sie trotzt uns – wird uns trotzen, Ritter Paulet,Bis an die Stufen des Schafotts – Dies stolze HerzIst nicht zu brechen – Überraschte sieDer Urtelspruch? Saht Ihr sie eine TräneVergießen? Ihre Farbe nur verändern?Nicht unser Mitleid ruft’ sie an. Wohl kennt sieDen Zweifelmut der Königin von England,Und unsre Furcht ist’s, was sie mutig macht.Paulet.