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Maria Stuart / Мария Стюарт
Burleigh (schnell).
Nein!Nein, Ritter Paulet! Das war nicht zu wagen.Zu groß ist ihre Macht auf die GemüterUnd ihrer Tränen weibliche Gewalt.Ihr Schreiber Kurl, ständ’ er ihr gegenüber,Käm’ es dazu, das Wort nun auszusprechen,An dem ihr Leben hängt – er würde zaghaftZurückziehn, sein Geständnis widerrufen —Paulet.
So werden Englands Feinde alle WeltErfüllen mit gehässigen Gerüchten,Und des Prozesses festliches Gepräng’Wird als ein kühner Frevel nur erscheinen.Burleigh.
Dies ist der Kummer unsrer Königin —Daß diese Stifterin des Unheils dochGestorben wäre, ehe sie den FußAuf Englands Boden setzte!Paulet.
Dazu sag ich Amen.Burleigh.
Daß Krankheit sie im Kerker aufgerieben!Paulet.
Viel Unglück hätt’ es diesem Land erspart.Burleigh.
Doch, hätt’ auch gleich ein Zufall der NaturSie hingerafft – wir hießen doch die Mörder.Paulet.
Wohl wahr. Man kann den Menschen nicht verwehren,Zu denken, was sie wollen.Burleigh.
Zu beweisen wär’sDoch nicht und würde weniger Geräusch erregen —Paulet.
Mag es Geräusch erregen! Nicht der laute,Nur der gerechte Tadel kann verletzen.Burleigh.
Oh! auch die heilige GerechtigkeitEntflieht dem Tadel nicht. Die Meinung hält esMit dem Unglücklichen, es wird der NeidStets den obsiegend Glücklichen verfolgen.Das Richterschwert, womit der Mann sich ziert,Verhaßt ist’s in der Frauen Hand. Die WeltGlaubt nicht an die Gerechtigkeit des Weibes,Sobald ein Weib das Opfer wird. Umsonst,Daß wir, die Richter, nach Gewissen sprachen!Sie hat der Gnade königliches Recht.Sie muß es brauchen; unerträglich ist’s,Wenn sie den strengen Lauf läßt dem Gesetze!Paulet.
Und also —Burleigh (rasch einfallend).
Also soll sie leben? Nein!Sie darf nicht leben! Nimmermehr! Dies, ebenDies ist’s, was unsre Königin beängstigt —Warum der Schlaf ihr Lager flieht – Ich leseIn ihren Augen ihrer Seele Kampf;Ihr Mund wagt ihre Wünsche nicht zu sprechen,Doch vielbedeutend fragt ihr stummer Blick:Ist unter allen meinen Diener keiner,Der die verhaßte Wahl mir spart, in ew’ger FurchtAuf meinem Thron zu zittern, oder grausamDie Königin, die eigne BlutsverwandteDem Beil zu unterwerfen?Paulet.
Das ist nun die Notwendigkeit, steht nicht zu ändern.Burleigh.
Wohl stünd’s zu ändern, meint die Königin,Wenn sie nur aufmerksamre Diener hätte.Paulet.
Aufmerksamre?Burleigh.
Die einen stummen AuftragZu deuten wissen.Paulet.
Einen stummen Auftrag!Burleigh.
Die, wenn man ihnen eine gift’ge SchlangeZu hüten gab, den anvertrauten FeindNicht wie ein heilig teures Kleinod hüten.Paulet (bedeutungsvoll).
Ein hohes Kleinod ist der gute Name,Der unbescholtne Ruf der Königin,Den kann man nicht zu wohl bewachen, Sir!Burleigh.
Als man die Lady von dem ShrewsburyWegnahm und Ritter Paulets Hut vertraute,Da war die Meinung —Paulet.
Ich will hoffen, Sir,Die Meinung war, daß man den schwersten AuftragDen reinsten Händen übergeben wollte.Bei Gott! Ich hätte dieses SchergenamtNicht übernommen, dächt’ ich nicht, daß esDen besten Mann in England forderte.Laßt mich nicht denken, daß ich’s etwas andermAls meinem reinen Rufe schuldig bin.Burleigh.
Man breitet aus, sie schwinde, läßt sie kränkerUnd kränker werden, endlich still verscheiden,So stirbt sie in der Menschen Angedenken —Und Euer Ruf bleibt rein.Paulet.
Nicht mein Gewissen.Burleigh.
Wenn Ihr die eigne Hand nicht leihen wollt,So werdet Ihr der fremden doch nicht wehren —Paulet (unterbricht ihn).
Kein Mörder soll sich ihrer Schwelle nahn,Solang die Götter meines Dachs sie schützen.Ihr Leben ist mir heilig, heil’ger nichtIst mir das Haupt der Königin von England.Ihr seid die Richter! Richtet! Brecht den Stab!Und wenn es Zeit ist, laßt den ZimmererMit Axt und Säge kommen, das GerüstAufschlagen – für den Sheriff und den HenkerSoll meines Schlosses Pforte offen sein.Jetzt ist sie zur Bewahrung mit vertraut,Und seid gewiß, ich werde sie bewahren,Daß sie nichts böses tun soll, noch erfahren!(Gehen ab).
Zweiter Aufzug
Der Palast zu Westminster.
Erster Auftritt
Der Graf von Kent und Sir William Davison begegnen einander.
Davison.
Seid Ihr’s, Mylord von Kent? Schon vom TurnierplatzZurück, und ist die Festlichkeit zu Ende?Kent.
Wie? Wohntet Ihr dem Ritterspiel nicht bei?Davison.
Mich hielt mein Amt.Kent.
Ihr habt das schönste SchauspielVerloren, Sir, das der Geschmack ersonnenUnd edler Anstand ausgeführt – denn wißt!Es wurde vorgestellt die keusche FestungDer Schönheit, wie sie vom VerlangenBerennt wird – Der Lord Marschall, Oberrichter,Der Seneschall nebst zehen andern RitternDer Königin verteidigten die Festung,Und Frankreichs Kavaliere griffen an.Voraus erschien ein Herold, der das SchloßAufforderte in einem Madrigale,Und von dem Wall antwortete der Kanzler.Drauf spielte das Geschütz, und Blumensträuße,Wohlriechend köstliche Essenzen wurdenAus niedlichen Feldstücken abgefeuert.Umsonst! die Stürme wurden abgeschlagen,Und das Verlangen mußte sich zurückziehn.Davison.
Ein Zeichen böser Vorbedeutung, Graf,Für die französische Brautwerbung.Kent.
Nun, nun, das war ein Scherz – Im Ernste, denk ich,Wird sich die Festung endlich doch ergeben.Davison.
Glaubt Ihr? Ich glaub es nimmermehr.Kent.
Die schwierigsten Artikel sind bereitsBerichtigt und von Frankreich zugestanden.Monsieur begnügt sich, in verschlossenerKapelle seinen Gottesdienst zu haltenUnd öffentlich die ReichsreligionZu ehren und zu schützen – Hättet Ihr den JubelDes Volks gesehn, als diese Zeitung sich verbreitet!Denn dieses war des Landes ew’ge Furcht,Sie möchte sterben ohne LeibeserbenUnd England wieder Papstes Fesseln tragen,Wenn ihr die Stuart auf dem Throne folgte.Davison.
Der Furcht kann es entledigt sein – Sie gehtIns Brautgemach, die Stuart geht zum Tode.Kent.
Die Königin kommt!Zweiter Auftritt
Die Vorigen. Elisabeth, von Leicester geführt. Graf Aubespine, Bellievre, Graf Shrewsbury, Lord Burleigh mit noch andern französischen und englischen Herren treten auf.
Elisabeth (zu Aubespine).
Graf! Ich beklage diese edeln Herrn,Die ihr galanter Eifer über MeerHiehergeführt, daß sie die HerrlichkeitDes Hofs von Saint Germain bei mir vermissen.Ich kann so prächt’ge Götterfeste nichtErfinden als die königliche MutterVon Frankreich – ein gesittet fröhlich Volk,Das sich, sooft ich öffentlich mich zeige,Mit Segnungen um meine Sänfte drängt,Dies ist das Schauspiel, das ich fremden AugenMit ein’gem Stolze zeigen kann. Der GlanzDer Edelfräulein, die im SchönheitsgartenDer Katharina blühn, verbärge nurMich selber und mein schimmerlos Verdienst.Aubespine.
Nur eine Dame zeigt WestminsterhofDem überraschten Fremden – aber alles,Was an dem reizenden Geschlecht entzückt,Stellt sich versammelt dar in dieser einen.Bellievre.
Erhabne Majestät von Engelland,Vergönne, daß wir unsern Urlaub nehmenUnd Monsieur, unsern königlichen Herrn,Mit der ersehnten Freudenpost beglücken.Ihn hat des Herzens heiße UngeduldNicht in Paris gelassen, er erwartetZu Amiens die Boten seines Glücks,Und bis nach Calais reichen seine Posten,Das Jawort, das dein königlicher MundAussprechen wird, mit FlügelschnelligkeitZu seinem trunknen Ohre hinzutragen.Elisabeth.
Graf Bellievre, dringt nicht weiter in mich.Nicht Zeit ist’s jetzt, ich wiederhol es Euch,Die freud’ge Hochzeitfackel anzuzünden.Schwarz hängt der Himmel über diesem Land,Und besser ziemte mir der TrauerflorAls das Gepränge bräutlicher Gewänder.Denn nahe droht ein jammervoller SchlagMein Herz zu treffen und mein eignes Haus.Bellievre.
Nur dein Versprechen gib uns, Königin,In frohern Tagen folge die Erfüllung.Elisabeth.
Die Könige sind nur Sklaven ihres Standes,Dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen.Mein Wunsch war’s immer, unvermählt zu sterben,Und meinen Ruhm hätt’ ich darein gesetzt,Daß man dereinst auf meinem Grabstein läse:«Hier ruht die jungfräuliche Königin.«Doch meine Untertanen wollen’s nicht,Sie denken jetzt schon fleißig an die Zeit,Wo ich dahin sein werde – Nicht genug,Daß jetzt der Segen dieses Land beglückt,Auch ihrem künft’gen Wohl soll ich mich opfern,Auch meine jungfräuliche Freiheit soll ich,Mein höchstes Gut, hingeben für mein Volk,Und der Gebieter wird mir aufgedrungen.Es zeigt mir dadurch an, daß ich ihm nurEin Weib bin, und ich meinte doch, regiertZu haben wie ein Mann und wie ein König.Wohl weiß ich, daß man Gott nicht dient, wenn manDie Ordnung der Natur verläßt, und LobVerdienen sie, die vor mir hier gewaltet,Daß sie die Klöster aufgetan und tausendSchlachtopfer einer falschverstandnen AndachtDen Pflichten der Natur zurückgegeben.Doch eine Königin, die ihre TageNicht ungenützt in müßiger BeschauungVerbringt, die unverdrossen, unermüdetDie schwerste aller Pflichten übt, die sollteVon dem Naturzweck ausgenommen sein,Der eine Hälfte des Geschlechts der MenschenDer andern unterwürfig macht —Aubespine.
Jedwede Tugend, Königin, hast duAuf deinem Thron verherrlicht, nichts ist übrig,Als dem Geschlechte, dessen Ruhm du bist,Auch noch in seinen eigensten VerdienstenAls Muster vorzuleuchten. Freilich lebtKein Mann auf Erden, der es würdig ist,Daß du die Freiheit ihm zum Opfer brächtest.Doch wenn Geburt, wenn Hoheit, HeldentugendUnd Männerschönheit einen SterblichenDer Ehre würdig machen, so —Elisabeth.
Kein Zweifel,Herr Abgesandter, daß ein EhebündnisMit einem königlichen Sohne FrankreichsMich ehrt! Ja, ich gesteh es unverhohlen,Wenn es sein muß – wenn ich’s nicht ändern kann,Dem Dringen meines Volkes nachzugeben —Und es wird stärker sein als ich, befürcht ich —So kenn ich in Europa keinen Fürsten,Dem ich mein höchstes Kleinod, meine Freiheit,Mit minderm Widerwillen opfern würde.Laßt dies Geständnis Euch Genüge tun.Bellievre.
Es ist die schönste Hoffnung, doch es istNur eine Hoffnung, und mein Herr wünscht mehr —Elisabeth.
Was wünscht er?(Sie zieht einen Ring vom Finger und betrachtet ihn nachdenkend.)
Hat die Königin doch nichtsVoraus vor dem gemeinen Bürgerweibe!Das gleiche Zeichen weist auf gleiche Pflicht,Auf gleiche Dienstbarkeit – Der Ring macht Ehen,Und Ringe sind’s die eine Kette machen.– Bringt Seiner Hoheit dies Geschenk. Es istNoch keine Kette, bindet mich nicht,Doch kann ein Reif draus werden, der mich bindet.Bellievre (kniet nieder, den Ring empfangend).
In seinem Namen, große Königin,Empfang ich kniend dies Geschenk und drückeDen Kuß der Huldigung auf meiner Fürstin Hand!Elisabeth (zum Grafen Leicester, den sie während der letzten Rede unverwandt betrachtet hat).
Erlaubt, Mylord!(Sie nimmt ihm das blaue Band ab und hängt es dem Bellievre um.)
Bekleidet seine HoheitMit diesem Schmuck, wie ich Euch hier damitBekleide und in meines Ordens Pflichten nehme.Honny soit qui mal y pense! – Es schwindeDer Argwohn zwischen beiden Nationen,Und ein vertraulich Band umschlinge fortanDie Kronen Frankreich und Britannien!Aubespine.
Erhabne Königin, dies ist ein TagDer Freude! Möcht’ er’s allen sein, und möchteKein Leidender auf dieser Insel trauern!Die Gnade glänzt auf deinem Angesicht,Oh! daß ein Schimmer ihres heitern LichtsAuf ein unglücksvolle Fürstin fiele,Die Frankreich und Britannien gleich naheAngeht —Elisabeth.
Nicht weiter, Graf! Vermengen wirNicht zwei ganz unvereinbare Geschäfte.Wenn Frankreich ernstlich meinen Bund verlangt,Muß es auch meine Sorgen mit mir teilenUnd meiner Feinde Freund nicht sein —Aubespine.
UnwürdigIn deinen eignen Augen würd’es handeln,Wenn es die Unglückselige, die Glaubens —Verwandte und die Witwe seines KönigsIn diesem Bund vergäße – Schon die Ehre,Die Menschlichkeit verlangt —Elisabeth.
In diesem SinnWeiß ich sein Fürwort nach Gebühr zu schätzen.Frankreich erfüllt die Freundespflicht; mir wirdVerstattet sein, als Königin zu handeln.(Sie neigt sich gegen die französischen Herren, welche sich mit den übrigen Lords ehrfurchtsvoll entfernen.)
Dritter Auftritt
Elisabeth. Leicester. Burleigh. Talbot.
(Die Königin setzt sich.)
Burleigh.
Ruhmvolle Königin! Du krönest heutDie heißen Wünsche deines Volks. Nun erstErfreun wir uns der segenvollen Tage,Die du uns schenkst, da wir nicht zitternd mehrIn ein stürmevolle Zukunft schauen.Nur eine Sorge kümmert noch dies Land,Ein Opfer ist’s, das alle Stimmen fordern.Gewähr auch dieses, und der heut’ge TagHat Englands Wohl auf immerdar gegründet.Elisabeth.
Was wünscht mein Volk noch? Sprecht, Mylord.Burleigh.
Es fordertDas Haupt der Stuart – Wenn du deinem VolkDer Freiheit köstliches Geschenk, das teuerErworbne Licht der Wahrheit willst versichern,So muß sie nicht mehr sein – Wenn wir nicht ewigFür dein kostbares Leben zittern sollen,So muß die Feindin untergehen! – Du weißt es,Nicht alle deine Briten denken gleich,Noch viele heimliche Verehrer zähltDer röm’sche Götzendienst auf dieser Insel.Die alle nähren feindliche Gedanken,Nach dieser Stuart steht ihr Herz, sie sindIm Bunde mit den lothtringischen Brüdern,Den unversöhnten Feinden deines Namens.Die ist von dieser wütenden ParteiDer grimmige Vertilgungskrieg geschworen,Den man mit falschen Höllenwaffen führt.Zu Reims, dem Bischofssitz des Kardinals,Dort ist das Rüsthaus, wo sie Blitze schmieden,Dort wird der Königsmord gelehrt – Vor dortGeschäftig senden sie nach deiner InselDie Missionen aus, entschloßne Schwärmer,In allerlei Gewand vermummt – Von dortIst schon der dritte Mörder ausgegangen,Und unerschöpflich, ewig neu erzeugenVerborgne Feinde sich aus diesem Schlunde.– Und in dem Schloß zu Fotheringhay sitztDie Ate dieses ew’gen Kriegs, die mitDer Liebesfackel dieses Reich entzündet.Für sie, die schmeichelnd jedem Hoffnung gibt,Weiht sich die Jugend dem gewissen Tod —Sie zu befreien, ist die Losung; sieAuf deinen Thron zu setzen, ist der Zweck.Denn dies Geschlecht der Lothringer erkenntDein heilig Recht nicht an, du heißest ihnenNur eine Räuberin desThrons, gekröntVom Glück! Sie waren’s, die die TörichteVerführt, sich Englands Königin zu schreiben.Kein Friede ist mit ihr und ihrem Stamm!Du mußt den Streich erleiden oder führen.Ihr Leben ist dein Tod! Ihr Tod dein Leben!Elisabeth.
Mylord! Ein traurig Amt verwaltet Ihr.Ich kenne Eures Eifers reinen Trieb,Weiß, daß gediegne Weisheit aus Euch redet;Doch diese Weisheit, welche Blut befiehlt,Ich hasse sie in meiner tiefsten Seele.Sinnt einen mildern Rat aus – Edler LordVon Shrewsbury! Sagt Ihr uns Eure Meinung.Talbot.
Du gabst dem Eifer ein gebührend Lob,Der Burleighs treue Brust beseelt – Auch mir,Strömt es mir gleich nicht so beredt vom Munde,Schlägt in der Brust kein minder treues Herz.Mögst du noch lange leben, Königin,Die Freude deines Volks zu sein, das GlückDes Friedens diesem Reiche zu verlängern.So schöne Tage hat dies Eiland nieGesehn, seit eigne Fürsten es regieren.Mög’ es sein Glück mit seinem Ruhme nichtErkaufen! Möge Talbots Auge wenigstensGeschlossen sein, wenn dies geschieht!Elisabeth.
Verhüte Gott, daß wir den Ruhm befleckten!Talbot.
Nun dann, so wirst du auf ein ander Mittel sinnen,Dies Reich zu retten – denn die HinrichtungDer Stuart ist ein ungerechtes Mittel.Du kannst das Urteil über die nicht sprechen,Die dir nicht untertänig ist.Elisabeth.
So irrtMein Staatsrat und mein Parlament, im IrrtumSind alle Richterhöfe dieses Landes,Die mir dies Recht einstimmig zuerkannt —Talbot.
Nicht Stimmenmehrheit ist des Rechtes Probe,England ist nicht die Welt, dein ParlamentNicht der Verein der menschlichen Geschlechter.Dies heut’ge England ist das künft’ge nicht,Wie’s das vergangne nicht mehr ist – Wie sichDie Neigung anders wendet, also steigtUnd fällt des Urteils wandelbare Woge.Sag nicht, du müssest der NotwendigkeitGehorchen und dem Dringen deines Volks.Sobald du willst, in jedem AugenblickKannst du erproben, daß dein Wille frei ist.Versuch’s! Erkläre, daß du Blut verabscheust,Der Schwester Leben willst gerettet sehn,Zeig denen, die dir anders raten wollen,Die Wahrheit deines königlichen Zorns —Schnell wirst du die Notwendigkeit verschwindenUnd Recht in Unrecht sich verwandeln sehn.Du selbst mußt richten, du allein. Du kannst dichAuf dieses unstet schwanke Rohr nicht lehnen.Der eignen Milde folge du getrost.Nicht Strenge legte Gott ins weiche HerzDes Weibes – Und die Stifter dieses Reichs,Die auch dem Weib die Herrscherzügel gaben,Sie zeigten an, daß Strenge nicht die TugendDer Könige soll sein in diesem Lande.Elisabeth.
Ein warmer Anwalt ist Graf ShrewsburyFür meine Feindin und des Reichs. Ich zieheDie Räte vor, die meine Wohlfahrt lieben.Talbot.
Man gönnt ihr keinen Anwalt, niemand wagt’s,Zu ihrem Vorteil sprechend, deinem ZornSich bloßzustellen – So vergönne mir,Dem alten Manne, den am GrabesrandKein irdisch Hoffen mehr verführen kann,Daß ich die Aufgegebene beschütze.Man soll nicht sagen, daß in deinem StaatsratDie Leidenschaft, die Selbstsucht eine StimmeGehabt, nur die Barmherzigkeit geschwiegen.Verbündet hat sich alles wider sie,Du selber hast ihr Antlitz nie gesehn,Nichts spricht in deinem Herzen für die Fremde.– Nicht ihrer Schuld red ich das Wort. Man sagt,Sie habe den Gemahl ermorden lassen;Wahr ist’s, daß sie den Mörder ehlichte.Ein schweres Verbrechen! – Aber es geschahIn einer finster unglücksvollen Zeit,Im Angstgedränge bürgerlichen Kriegs,Wo sie, die Schwache, sich umrungen sahVon heftigdringenden Vasallen, sichDem Mutvollstärksten in die Arme warf —Wer weiß, durch welcher Künste Macht besiegt?Denn ein gebrechlich Wesen ist das Weib.Elisabeth.
Das Weib ist nicht schwach. Es gibt starke SeelenIn dem Geschlecht – Ich will in meinem BeiseinNichts von der Schwäche des Geschlechtes hören.Talbot.
Dir war das Unglück eine strenge Schule.Nicht seine Freudenseite kehrte dirDas Leben zu. Du sahest keinen ThronVon ferne, nur das Grab zu deinen Füßen.Zu Woodstock war’s und in des Towers Nacht,Wo dich der gnäd’ge Vater dieses LandesZur ersten Pflicht durch Trübsal auferzog.Dort suchte dich der Schmeichler nicht. Früh lernte,Vom eiteln Weltgeräusche nicht zerstreut,Dein Geist sich sammeln, denkend in sich gehnUnd diesen Lebens wahre Güter schätzen.– Die Arme rettete kein Gott. Ein zartes KindWard sich verpflanzt nach Frankreich, an den HofDes Leichtsinns, der gedankenlosen Freude.Dort in der Feste ew’ger TrunkenheitVernahm sie nie der Wahrheit ernste Stimme.Geblendet ward sie von der Laster GlanzUnd fortgeführt vom Strome des Verderbens.Ihr ward der Schönheit eitles Gut zuteil,Sie überstrahlte blühen alle Weiber,Und durch Gestalt nicht minder als Geburt —Elisabeth.
Kommt zu Euch selbst, Mylord von Shrewsbury!Denkt, daß wir hier im ernsten Rate sitzen.Das müssen Reize sondergleichen sein,Die einen Greis in solches Feuer setzen.– Mylord von Leicester! Ihr allein schweigt still?Was ihn beredt macht, bindet’s Euch die Zunge?Leicester.
Ich schweige für Erstaunen, Königin,Daß man dein Ohr mit Schrecknissen erfüllt,Daß diese Märchen, die in Londons GassenDen gläub’gen Pöbel ängstigen, bis heraufIn deines Staatsrats heitre Mitte steigenUnd weise Männer ernst beschäftigen.Verwunderung ergreift mich, ich gesteh’s,Daß diese länderlose KöniginVon Schottland, die den eignen kleinen ThronNicht zu behaupten wußte, ihrer eignenVasallen Spott, der Auswurf ihres Landes,Dein Schrecken wird auf einmal im Gefängnis!– Was, beim Allmächt’gen! machte sie dir furchtbar?Daß sie dies Reich in Anspruch nimmt? daß dichDie Guisen nicht als Königin erkennen?Kann dieser Guisen Wiederspruch das RechtEntkräften, das Geburt dir gab, der SchlußDer Parlamente dir bestätigte?Ist sie durch Heinrichs letzten Willen nichtStillschweigend abgewiesen, und wird England,So glücklich im Genuß des neuen Lichts,Sich der Papistin in die Arme werfen?Von dir, der angebeteten Monarchin,Zu Darnleys Mörderin hinüberlaufen?Was wollen diese ungestümen Menschen,Die dich noch lebend mit der Erbin quälen,Dich nicht geschwind genug vermählen können,Um Staat und Kirche von Gefahr zu retten?Stehst du nicht blühend da in Jugendkraft,Welkt jene nicht mit jedem Tag zum Grabe?Bei Gott! Du wirst, ich hoff’s, noch viele JahreAuf ihrem Grabe wandeln, ohne daßDu selber sie hinabzustürzen brauchtest —Burleigh.
Lord Leicester hat nicht immer so geurteilt.Leicester.
Wahr ist’s, ich habe selber meine StimmeZu ihrem Tod gegeben im Gericht.– Im Staatsrat sprech ich anders. Hier ist nichtDie Rede von dem Recht, nur von dem Vorteil.Ist’s jetzt die Zeit, von ihr Gefahr zu fürchten,Da Frankreich sie verläßt, ihr einz’ger Schutz,Da du den Königssohn mit deiner HandBeglücken willst, die Hoffnung eines neuenRegentenstammes diesem Lande blüht?Wozu sie also töten? Sie ist tot!Verachtung ist der wahre Tod. Verhüte,Daß nicht das Mitleid sie ins Leben rufe!Drum ist mein Rat: Man lasse die Sentenz,Die ihr das Haupt abspricht, in voller KraftBestehn! Sie lebe – aber unterm BeileDes Henkers lebe sie, und schnell, wie sichEin Arm für sie bewaffnet, fall’ es nieder.Elisabeth (steht auf).
Mylords, ich hab nun eure MeinungenGehört und sag euch Dank für euren Eifer.Mit Gottes Beistand, der die KönigeErleuchtet, will ich eure Gründe prüfenUnd wählen, was das Bessere mir dünkt.Vierter Auftritt
Die Vorigen. Ritter Paulet mit Mortimern.
Elisabeth.
Da kommt Amias Paulet. Edler Sir,Was bringt Ihr uns?Paulet.
Glorwürd’ge Majestät!Mein Neffe, der ohnlängst von weiten ReisenZurückgekehrt, wirft sich zu deinen FüßenUnd leistet dir sein jugendlich Gelübde.Empfange du es gnadenvoll und laßIhn wachsen in der Sonne deiner Gunst.Mortimer (läßt sich auf ein Knie nieder).
Lang lebe meine königliche Frau,Und Glück und Ruhm bekröne ihre Stirne!Elisabeth.
Steht auf. Seid mir willkommen, Sir, in England.Ihr habt den großen Weg gemacht, habt FrankreichBereist und Rom und Euch zu Reims verweilt.Sagt mir denn an, was spinnen unsre Feinde?Mortimer.
Ein Gott verwirre sie und wende rückwärtsAuf ihrer eignen Schützen Brust die Pfeile,Die gegen meine Königin gesandt sind.Elisabeth.
Saht Ihr den Morgan und den ränkespinnendenBischof von Roße?Mortimer.
Alle schottischeVerbannte lernt’ ich kennen, die zu ReimsAschläge schmieden gegen diese Insel.In Ihr Vertrauen stahl ich mich, ob ichEtwa von ihren Ränken was entdeckte.Paulet.
Geheime Briefe hat man ihm vertraut,In Ziffern, für die Königin von Schottland,Die er mit treuer Hand uns überliefert.Elisabeth.
Sagt, was sind ihre neuesten Entwürfe?Mortimer.
Es traf sie alle wie ein Donnerstreich,Daß Frankreich sie verläßt, den festen BundMit England schließt; jetzt richten sie die HoffnungAuf Spanien.Elisabeth.