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Von Bagdad nach Stambul
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Von Bagdad nach Stambul

Язык: Немецкий
Год издания: 2016
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»Emir, wir waren ihre Gefangenen; wir müssen uns rächen!«

»Auch ich war Gefangener, öfters als ihr; aber ich habe mich nicht gerächt. Der Raïs von Schohrd, Nedschir-Bey, nahm mich gefangen. Ich befreite mich selbst und verzieh ihm; dann wurde er mein Freund. War das nicht besser, als wenn ich eine Blutschuld zwischen uns gelegt hätte?«

»Emir, du bist ein Christ, und die Christen sind entweder Verräter oder Weiber!«

»Mohammed Emin, sage dies noch einmal, so geht dein Weg von dieser Minute an nach rechts und der meinige nach links. Ich habe nie deinen Glauben geschmäht; warum tust du es mit dem meinen? Hast du jemals mich oder diesen David Lindsay-Bey als einen Verräter oder ein Weib gesehen? Ich könnte jetzt recht gut den Islam beleidigen; ich könnte sagen: die Moslemin sind undankbar, denn was ein Christ für sie tut, das vergessen sie. Aber ich sage es nicht, denn ich weiß, wenn einer sich einmal von seinem Fleische hinreißen läßt, so gibt es doch viele, die sich beherrschen können!«

Da sprang er auf und streckte mir beide Hände entgegen.

»Emir, verzeihe mir! Mein Bart ist weiß und der deinige noch dunkel, aber obgleich dein Herz jung und warm ist, so hat doch dein Verstand die Reife des Alters. Wir geben dir diesen Mann. Tue mit ihm nach deinem Wohlgefallen!«

»Mohammed, ich danke dir! Ist auch dein Sohn einverstanden?«

»Ich bin es, Effendi,« antwortete Amad el Ghandur.

Nun wandte ich mich erfreut zu dem Gefangenen:

»Du hast uns einmal Lügen gesagt. Willst du mir versprechen, heute mit mir die Wahrheit zu reden?«

»Ich verspreche es!«

»Wenn ich dir jetzt deine Fesseln nehme und du mir versprichst, dennoch nicht zu entfliehen, würdest du dein Wort halten?«

»Herr, ich verspreche es!«

»Nun wohl; diese vier Moslemim haben dir deine Freiheit wieder gegeben. Heute bleibst du noch bei uns, und morgen kannst du gehen, wohin es dir beliebt.«

Ich band seine Hände und Füße los.

»Herr,« sagte er, »ich soll dich nicht belügen, und nun sagst du selbst mir die Unwahrheit.«

»Inwiefern?«

»Du sagst, diese Männer hätten mir die Freiheit gegeben, und das ist nicht wahr. Nur du allein hast sie mir gegeben. Sie wollten mich erst erschießen; dann wollten sie mich peitschen und mir den Schmuck des Gläubigen nehmen; du aber hast dich meiner erbarmt. Ich habe jedes Wort verstanden, denn ich spreche das Arabische ebenso gut wie das Kurdische. Und nun weiß ich auch aus deinen Worten, daß ihr den Bejat nicht geholfen habt, sondern Freunde der Bebbeh gewesen seid. Emir, du bist ein Christ; ich habe die Christen gehaßt: heute lerne ich sie besser kennen. Willst du mein Freund und Bruder sein?«

»Ich will!«

»Willst du mir vertrauen und hier bleiben, obgleich morgen eure Verfolger hier eintreffen werden?«

»Ich vertraue dir!«

»Reiche mir deine Hand!«

»Hier ist sie! Aber werden auch meine Gefährten sicher sein?«

»Ein jeder, der zu dir gehört. Du hast kein Lösegeld von mir gefordert; du hast mir erst das Leben und dann die Ehre gerettet; dir und den Deinen soll niemand ein Haar krümmen!«

So waren wir denn auf einmal aller Sorgen ledig! Ich hatte keine Ahnung gehabt, daß dieser Mann auch Arabisch verstand; doch war ich ganz glücklich, diesem Umstande einen solchen Sieg zu verdanken. Zur Feier desselben holte ich den letzten Rest von Tabak hervor, den meine Satteltasche barg; es war nicht viel, aber der duftende Rauch bewirkte dennoch eine Stimmung, welche ganz anders war als die, mit der wir unsere »Jury« begonnen hatten.

Mit frohem Mute legten wir uns schlafen und hatten dabei sogar die Kühnheit, keine Wachen auszustellen.

Des andern Morgens sah die Sache etwas weniger romantisch aus als gestern Abend bei der poetischen Beleuchtung des flackernden Lagerfeuers; aber ich beschloß dennoch, dem Bebbeh ein offenes Vertrauen zu zeigen.

»Du bist nun frei,« sagte ich zu ihm. »Dort steht dein Pferd, und deine Waffen wirst du auf dem Rückwege finden.«

»Die Meinigen werden sie finden; ich bleibe hier,« antwortete er.

»Wenn sie nun nicht kommen?«

»Sie kommen!« antwortete er in sehr bestimmtem Tone, »und ich werde dafür sorgen, daß sie nicht vorüber reiten.«

Wir hatten nämlich die Nacht in einem kleinen Seitentale zugebracht, welches eine solche Krümmung besaß und dessen Eingang so schmal war, daß wir selbst am Tage vom Haupttale aus nicht bemerkt werden konnten. Der Bebbeh schritt diesem Ausgange zu und nahm hier eine solche Stellung, daß er weit nach rückwärts blicken konnte. Wir anderen warteten mit Neugierde der Dinge, die da kommen sollten.

»Und wenn er uns abermals betrügt?« fragte Mohammed.

»Ich vertraue ihm. Er wußte ja, daß er seine Freiheit wiederbekommen solle, und brauchte mir also gar nicht zu gestehen, daß er jedes Wort unserer Unterredung verstanden habe. Ich glaube sicher, daß er es redlich meint.«

»Aber wenn er uns doch hintergeht, Emir, so schwöre ich bei Allah, daß er der erste ist, den meine Kugel trifft!«

»Dann verdient er es nicht anders.«

Auch David Lindsay schien nicht mit sich einig zu sein.

»Master, dort sitzt er am Eingange,« sagte er; »und wenn er uns abermals belügen wird, so befinden wir uns in dem schauderhaftesten Loche, das es nur geben kann. Nehmt es nicht übel, wenn ich nach meinen Waffen und nach meinem neuen Pferde sehe!«

Ich hatte allerdings eine außerordentliche Verantwortlichkeit auf mich geladen, und ich gestehe gern, daß mir selbst dabei nicht ganz wohl zu Mute war; doch sollte zum Glück die Entscheidung nicht lange auf sich warten lassen.

Wir bemerkten, daß der Bebbeh sich erhob und, das Auge mit der Hand beschattend, aufmerksam in die Ferne blickte; dann suchte er sein Pferd auf, um dasselbe schleunigst zu besteigen.

»Wohin?« fragte ich.

»Den Bebbeh entgegen,« antwortete er; »sie kommen. Erlaube, daß ich sie vorbereite, Herr!«

»Tue es!«

Er ritt ab. Mohammed Emin aber meinte:

»Emir, wirst du nicht einen Fehler begangen haben?«

»Ich hoffe, daß mein Verhalten das richtige ist. Wir haben Frieden geschlossen, und wenn ich ihm Mißtrauen zeigte, so wäre dies grad das rechte Mittel, ihn wieder zu unserem Feinde zu machen.«

»Aber er war in unserer Hand und sollte uns als Geisel dienen!«

»Er wird auf alle Fälle wiederkehren. Unsere Pferde stehen so, daß wir mit einem Sprunge im Sattel sein können. Haltet die Waffen bereit, aber so, daß es nicht auffällig ist.«

»Was soll das nützen, Emir? Es werden ihrer viele sein, und du willst ja, daß wir nur auf die Pferde und nicht auf die Reiter schießen.«

»Mohammed Emin, ich sage dir: Wenn dieser Bebbeh einen Verrat beabsichtigt, so können wir uns durch den Tod der Pferde nicht retten, und ich bin der erste, welcher sein Gewehr auf die Reiter richtet. Bleibt ihr ruhig sitzen; ich aber werde mich an dem Eingang postieren. Ihr könnt euch dann nach dem richten, was ich tue.«

Ich schritt mit meinem Pferde der Enge zu, durch welche man in das Tal gelangte, stieg dann auf und nahm den Stutzen zur Hand. Mich nur wenig vorbeugend, konnte ich das Blachfeld übersehen und erblickte in nicht gar zu bedeutender Entfernung einen dichten Reitertrupp, der still hielt, um auf die Rede eines einzigen zu hören. Dieser war der Bruder des Scheik. Nach einer Weile lösten sich zwei Reiter von dem Trupp ab und ritten auf das Tal zu, während die andern auf der Stelle, die sie inne hatten, halten blieben. Ich erkannte Scheik Gasahl Gaboya mit seinem Bruder und wußte nun, daß wir nichts mehr zu fürchten hatten.

Als er herangekommen war und mich erblickte, parierte er sein Pferd. Der Ausdruck seines sonnverbrannten Angesichts war noch immer kein freundlicher, und seine Stimme klang fast drohend, als er fragte:

»Was willst du hier?«

»Dich empfangen,« antwortete ich kurz.

»Aber dein Empfang ist nicht sehr höflich, Fremder!«

»Verlangst du von einem Emir aus dem Abendlande etwa, dich freundlicher zu behandeln, als du ihm entgegenkommst?«

»Mann, du bist sehr stolz! Warum sitzest du zu Pferde?«

»Weil auch du beritten bist.«

»Komm mit zu deinen Gefährten! Dieser Mann, der der Sohn meines Vaters ist, wünscht, daß ich sehe, ob wir euch verzeihen können.«

»So komm; denn auch meine Männer wollen sich beraten, ob ihr bestraft oder begnadigt werden sollt!«

Das war ihm denn doch zu viel.

»Mensch,« rief er mir zu, »bedenke, wer ihr seid, und wer wir sind!«

»Ich bedenke es,« antwortete ich ruhig.

»Ihr seid nur sechs Männer!«

Ich nickte lächelnd.

»Und wir sind ein ganzes Heer!«

Ich nickte noch einmal.

»So gehorche, und laß uns ein!«

Ich nickte zum dritten Male und drängte mein Pferd zur Seite, so daß der Scheik und sein Bruder den schmalen Eingang passieren konnten. Jetzt hatten wir gewonnen; denn wenn der Scheik gegen den Willen seines Bruders die Feindseligkeit fortsetzen wollte, so war er gänzlich in unsere Hand gegeben.

Beide ritten auf die Gruppe meiner Gefährten zu, stiegen ab und setzten sich nieder. Ich tat dasselbe.

»Ist‘s freundlich oder feindlich, Master?« fragte mich Lindsay.

»Weiß noch nicht. Wollt Ihr etwas dabei tun?«

»Versteht sich! Yes!«

»Nach einer Minute erhebt Ihr Euch mit der gleichgültigsten Miene —«

»Well! Fürchterlich gleichgültig!«

»Ihr geht zum Eingange, um Wache zu halten —«

»Watchman? Sehr schön! Prächtig!«

»Wenn Ihr seht, daß die Bebbeh da draußen sich in Bewegung setzen, um hierher zu kommen, so ruft Ihr —«

»Yes! Werde sehr laut schreien!«

»Und wenn einer von diesen beiden hinaus will, ohne daß ich es ihm erlaubt habe, so schießt Ihr ihn nieder.«

»Well! Werde meinen alten shoot-stick mitnehmen. All right! Bin David Lindsay! Mache keinen Spaß! Yes!«

Die beiden Bebbeh hatten diese Unterhaltung natürlich auch gehört.

»Warum redet Ihr in einer fremden Sprache?« fragte mißtrauisch der Scheik.

»Weil dieser tapfere Emir aus dem Abendlande nur die Sprache seines Volkes redet,« antwortete ich, indem ich auf Lindsay deutete.

»Tapfer? Meinst du wirklich, daß einer von euch tapfer sei?« Und mit einer sehr geringschätzenden Handbewegung fügte er hinzu: »Ihr seid vor uns geflohen!«

»Du redest die Wahrheit, o Scheik,« erwiderte ich lachend. »Wir sind euch zweimal entkommen, weil wir kühner und tapferer sind, als ihr. Kein Bebbeh ist imstande, es mit einem Abendländer aufzunehmen.«

»Mann, willst du mich beleidigen?«

»Gasahl Gaboya, laß deine Seele ruhig bleiben, damit du dein Auge klar erhältst! Du kommst zu uns, um über den Frieden zu verhandeln. Willst du ihn wirklich haben, so bitte ich dich, höflicher als bisher zu sein. Wir sind nur wenige Männer und du selbst sagst, daß ihr ein ganzes Heer seid; aber dieses Heer hat nicht vermocht, uns festzuhalten. Ist dies eine Schande oder eine Ehre für uns? Nicht aus Feigheit vermieden wir den Kampf mit euch, sondern weil wir euer Leben schonen wollten.«

»Fremdling, du redest irre!« fiel er ein.

»Meinest du? Ich habe einen Mann von euch vor mir auf meinem Pferde gehabt; dein Bruder hier ist unser Gefangener gewesen, und als wir mitten in eurem Lager waren, um unsere beiden Gefährten zu befreien, da war sogar auch dein eigenes Leben in unsere Hand gegeben. Wir haben euch geschont und wollen euch jetzt noch schonen; aber wir verlangen nun auch, daß du klug genug sein sollst, die Lage zu erkennen, in der du dich befindest.«

»Ich erkenne sie. Es ist die Lage des Siegers. Ich erwarte, daß ihr mich um Verzeihung bittet und alles herausgebt, was ihr uns gestohlen habt!«

»Scheik, du irrst, denn du befindest dich in der Lage des Besiegten. Nicht wir sind es, sondern du selbst bist es, der um Verzeihung zu bitten hat, und ich erwarte, daß du es augenblicklich tust!«

Der Bebbeh starrte mich vor Erstaunen wortlos an; dann aber brach er in ein lautes Gelächter aus.

»Fremdling, hältst du die Bebbeh für Hunde und mich, ihren Scheik, für den Bastard einer Hündin? Ich habe den Bitten dieses meines Bruders nachgegeben und bin zu euch gekommen, um die Größe eurer Schuld mit den Augen der Gnade zu untersuchen. Eure Strafe sollte milde sein. Da ihr jedoch nicht erkennen wollt, was zu eurem Heile dient, so mag der Ruf der Feindschaft zwischen uns weiter klingen, und ihr sollt erkennen, daß es nur meines Befehles bedarf, um euch zu zermalmen.«

»Gib diesen Befehl, Scheik Gasahl Gaboya!« antwortete ich kalt.

Da aber nahm sein Bruder zum ersten Male das Wort:

»Dieser Fremdling aus dem Abendland ist mein Freund; er hat mich von der Schande und von dem Tode errettet; ich habe ihm mein Wort gegeben, daß Frieden sein soll zwischen uns und ihm, und ich werde mein Wort halten!«

»Halte es, wenn du es ohne mich vermagst!« antwortete der Scheik.

»Ein Bebbeh bricht niemals sein Versprechen. Ich werde an der Seite meines Beschützers bleiben, solange er sich in Gefahr befindet, und ich will doch sehen, ob die Krieger unseres Stammes es wagen, Männer anzugreifen, die sich unter meinen Schutz begeben haben.«

»Dein Schutz ist nicht der Schutz des Stammes. Deine Torheit wird dein Unglück sein, denn du wirst mit diesen Leuten fallen.«

Der Scheik erhob sich und trat zu seinem Pferde.

»Ist dies dein Beschluß?« fragte der Bruder.

»Ja. Bleibst du hier, so kann ich nichts weiter für dich tun, als daß ich den Befehl gebe, nicht auf dich zu schießen.«

»Dieser Befehl wird nutzlos sein. Ich werde jeden töten, der meinen Freund bedroht, selbst wenn du es wärest, und dann wird man auch mich nicht schonen.«

»Tue was du willst! Allah hat zugegeben, daß du den Verstand verlierst; er mag seine Hand über dich halten, wenn ich dich nicht mehr zu schützen vermag. Ich gehe!«

Während sein Bruder bei uns sitzen blieb, stieg er zu Pferde, um das Tal zu verlassen. Da aber erhob Lindsay seine Büchse und hielt die Mündung auf die Brust des Scheik gerichtet.

»Stop, old boy – halt, alter Junge!« gebot er. »Steige ab, sonst schieße ich dich ein wenig tot! Well!«

Der Scheik wandte den Kopf zu mir zurück und fragte:

»Was will dieser Mann?«

»Dich erschießen,« antwortete ich sehr ruhig, »weil ich dir noch nicht erlaubt habe, diesen Ort zu verlassen.«

Er sah aus meiner kalten, unbeweglichen Miene, daß es mir ernst war; er sah auch, daß der Engländer den Finger bereits am Drücker hatte – er drehte sein Pferd wieder zurück und rief zornig:

»Fremdling, du bist ein Schurke!«

»Scheik, sage dieses Wort noch einmal, so gebe ich unserem Wächter ein Zeichen, und du bist eine Leiche!«

»Aber dein Verhalten ist Verrat! Ich kam als der Abgesandte meines Stammes und habe freie Rückkehr zu fordern!«

»Du bist nicht der Abgesandte, sondern der Anführer deines Stammes; das Recht der Unterhändler gilt nicht für dich.«

»Weißt du, was das Recht der Völker ist?«

»Ich weiß es, aber dir ist es nicht bekannt. Du hast vielleicht einmal davon sprechen hören, aber dein Geist ist nicht reif genug gewesen, es zu verstehen. Das Recht, von dem du redest, befiehlt Ehrlichkeit im Kampfe; es befiehlt, den Feind zu benachrichtigen, daß man ihn anzugreifen beabsichtigt. Hast du dies getan? Nein. Du bist über uns hergefallen wie ein Räuber, wie ein Geier, der die Taube zerreißt. Nun willst du dich wundern, daß du als Räuber behandelt wirst. Du bist zu uns gekommen, weil du uns für Memmen hältst, die sich vor deiner Begleitung fürchten; du sollst jedoch das Gegenteil erfahren. Du wirst diesen Ort nur dann verlassen, wenn es mir gefällig ist. Willst du den Ausgang erzwingen, so kostet es dich das Leben. Steige also ab, und setze dich wieder zu uns. Aber vergiß nicht, daß ich Höflichkeit von dir erwarte, und daß dein Tod ganz unvermeidlich ist, wenn deine Bebbeh es wagen sollten, uns hier anzugreifen!«

Er folgte zögernd meinem Befehle, konnte es aber nicht unterlassen, drohend zu bemerken:

»Meine Leute würden mich furchtbar rächen!«

»Wir fürchten ihre Rache nicht, das hast du bereits gesehen und wirst es auch noch weiter erfahren! Nun aber laß uns mit Besonnenheit reden über die Angelegenheit, welche dich zu uns geführt hat. Sprich, Scheik Gasahl Gaboya; aber vermeide jede Beleidigung!«

»Ihr seid unsere Feinde, denn ihr habt euch den Bejat angeschlossen, um uns zu berauben – — —«

»Das ist ein Irrtum. Die Bejat trafen uns während eines Nachtlagers, und ihr Scheik Heider Mirlam lud uns ein, seine Gäste zu sein. Er sagte uns, daß er zu einem Feste der Dschiaf wolle, und wir glaubten es. Hätten wir gewußt, daß es seine Absicht sei, euch zu überfallen, so hätten wir uns ihm nicht angeschlossen. Er nahm eure Herden, während wir schliefen, und als ich die Wahrheit bemerkte, habe ich ihm meinen Zorn zu erkennen gegeben. Du überfielst uns und ließest uns verfolgen; wir fürchteten uns nicht; wir schonten euch und entkamen, nachdem ich euch bewiesen hatte, daß wir unschuldig seien. Du ließest uns dennoch nicht ruhig ziehen. Du legtest uns einen Hinterhalt. Wir nahmen deinen Spion gefangen und ließen Gnade walten. Du griffst uns an, und wir schonten euer Leben. Ich kam in euer Lager; ich holte meine gefangenen Gefährten; ihr waret in meine Hand gegeben, ich aber ließ nicht einen Tropfen Blutes fließen. Ihr jagtet uns nach; wir fingen deinen Bruder, doch wurde ihm kein Haar gekrümmt. Strenge deine Gedanken an, o Scheik, und begreife, daß wir nicht als Feinde, sondern als Freunde an euch gehandelt haben! Zum Dank dafür kommst du mit bösen Worten und Beleidigungen, und statt uns um Verzeihung zu bitten, verlangst du, daß wir dies tun sollen. Allah sei Richter zwischen uns und euch! Wir fürchten euch nicht; suche ja nicht zu erfahren, daß ihr uns zu fürchten habt!«

Er hatte mir nur mit halber Aufmerksamkeit zugehört und entgegnete jetzt ziemlich höhnisch:

»Deine Rede ist sehr lang, Fremdling, aber alles, was du sagst, ist unrichtig und falsch.«

»Beweise dies!«

»Dieser Beweis fällt mir leicht. Die Bejat sind unsere Feinde; ihr wart bei ihnen, folglich seid ihr unsere Feinde. Als meine Leute euch verfolgten, schosset ihr ihnen die Pferde tot. Ist dies Freundschaft?«

»War es etwa Freundschaft, daß ihr uns verfolgt habt?«

»Du hast mich an den Kopf geschlagen, daß ich die Besinnung verlor. Du schlugst dann den tapfersten meiner Krieger in das Gesicht und schleudertest ihn vom Pferde wie einen verächtlichen Wurm. Ist dies etwa Freundschaft?«

»Du griffst mich an, folglich schlug ich dich nieder; dein tapferster Krieger verhöhnte mich, darum zeigte ich ihm, daß er ein Wurm gegen mich sei.«

»Deine Schläge waren die größte Beleidigung, die es gibt; der Beleidigte fordert dein Blut!«

»Meine Schläge müssen keine Beleidigung, sondern eine Ehre für ihn gewesen sein, da du ihm dann doch noch erlaubt hast, an deiner Seite zu kämpfen. Wenn er mein Blut verlangt, so mag er kommen, um es sich zu nehmen!«

»Endlich hast du uns gestern die besten unserer Pferde gestohlen. Ist dies Freundschaft?«

»Ich nahm euch diese Pferde, weil ihr die unserigen erschossen habt. Alle deine Vorwürfe sind falsch und grundlos. Wir haben weder Zeit noch Lust, unsere Geduld noch länger mißbrauchen zu lassen. Sage uns kurz, was du verlangst, und dann werde ich dir eine eben solche Antwort geben!«

Nun rückte der Scheik mit seinen Bedingungen heraus, indem er begann:

»Ich verlange, daß ihr zu uns kommt – — —«

»Weiter!« sagte ich.

»Ihr übergebt uns eure Pferde, eure Waffen und alles, was ihr bei euch tragt.«

»Weiter!«

»Du gibst dem Manne, den du geschlagen hast, Rechenschaft!«

»Weiter!«

»Dann könnt ihr ziehen, wohin ihr wollt.«

»Ist dies alles?«

»Ja. Du siehst, daß ich sehr gnädig bin!«

»Worin soll die Rechenschaft bestehen, welche ich zu geben habe?«

»In einer Entschädigung, deren Höhe wir bestimmen werden. Ich hoffe, daß du zu meinem Verlangen Ja sagen wirst!«

»Ich sage nicht Ja, sondern Nein. Nicht ihr seid es, sondern wir sind es, die zu fordern haben. Und übrigens ist dein Verlangen unsinnig. Wie könnte ich eine Entschädigung zahlen, wenn ihr uns bereits alles genommen hättet! Wir raten euch, uns unangefochten ziehen zu lassen; das ist das beste für euch! Bedenke, daß du dich in meiner Hand befindest!«

»Willst du mich ermorden lassen?«

»Nicht ermorden, sondern töten, sobald die Bebbeh die geringste Feindseligkeit gegen uns begehen.«

»Sie würden mich rächen; das habe ich dir bereits gesagt!«

»Sie würden dich nicht rächen, sondern nur sich verderben. Blicke her, Scheik Gasahl Gaboya! In diesem Gewehr habe ich fünfundzwanzig Kugeln und in dieser Büchse zwei; jeder dieser zwei Revolver hat sechs Kugeln, und jede deiner Pistolen, die du hier in meinem Gürtel siehst, zwei; ich kann also dreiundvierzigmal schießen, ohne zu laden. Meine Gefährten sind nicht weniger gut bewaffnet, und wir befinden uns hier an einem Orte, dessen Eingang nur je ein einzelner Feind passieren könnte. Deine Leute würden daher fallen, ohne Gelegenheit zu finden, auch nur einen einzigen von uns zu verwunden oder gar zu töten. Folge mir und der Stimme deines Bruders: laß uns in Frieden ziehen!«

»Soll ich mich von den Meinigen verlachen und verhöhnen lassen? Wie kannst du so viele Kugeln in deinem Gewehre haben! Deine Worte klingen nicht, als ob du die Wahrheit redest.«

»Ich lüge nicht. Die Silahdar[23] des Abendlandes sind geschickter als die eurigen. Blicke genau her; ich will dir diese Gewehre erklären!«

Ich zeigte ihm die Einrichtung des Repetierstutzens und der Revolver, und seine besorgter werdende Miene bewies mir, daß meine Taktik die richtige sei.

»Allah ist allmächtig!« murmelte er. »Warum gibt er nicht seinen Gläubigen die Weisheit, solche Gewehre zu verfertigen?«

»Weil sie solche Gewehre mißbrauchen würden. Allah ist allgütig und allweise; er schenkt diese Gewehre nur dem Christen, der sich ihrer erst dann bedient, wenn seine Langmut nichts mehr fruchten will. Sage, was du beschlossen hast!«

»Herr, ich habe eure Waffen gesehen; sie sind vorzüglich, aber wir fürchten sie dennoch nicht. Trotzdem will ich Gnade über euch ergehen lassen, wenn ihr mir gebt, was ich jetzt fordern werde.«

»Was forderst du?«

»Die sechs Pferde, die ihr uns genommen habt, und den Rappen, den du reitest. Außerdem gibst du mir dieses Gewehr mit fünfundzwanzig Kugeln und die beiden Pistolen mit sechs Kugeln nebst den Waffen, die du aus meinem Zelte genommen hast. Sonst nichts!«

»Du wirst keines deiner Pferde erhalten, da ihr die unserigen erschossen habt; du wirst auch den Hengst nicht bekommen, denn er ist mehr wert, als tausend Pferde der Bebbeh. Auch meine Waffen brauche ich selbst. Um dir jedoch zu zeigen, daß ich gütig bin, sollst du deine Flinte und deine Pistolen wieder erhalten, sobald ich die Ueberzeugung besitze, daß ihr uns in Frieden ziehen laßt.«

»Bedenke wohl, Fremdling, was du – — —«

Er hielt inne, denn draußen fiel ein Schuß, noch einer und noch mehrere. Ich wandte mich zu dem Engländer:

»Was gibt‘s, Sir?«

»Dojan!« antwortete er.

Dieses Wort elektrisierte mich so, daß ich in der nächsten Sekunde am Eingange stand. Wirklich, es war der Windhund. Die Kurden machten Jagd auf ihn; er aber war so klug, einen Bogen zu schlagen, um sie zu umgehen; doch schien diese List keinen Erfolg zu haben. Er war so angegriffen und ermüdet, daß die kleinen, struppigen Pferde der Bebbeh eine größere Schnelligkeit entwickelten, als er. Ich bemerkte, daß er sich in der größten Gefahr befand, erschossen zu werden. Ich sprang zu meinem Pferde.

»Scheik Gasahl Gaboya, jetzt kannst du sehen, was ein Emir aus dem Abendlande für Waffen hat. Aber hüte dich, den Eingang zu überschreiten. Du bist mein Gefangener, bis ich wiederkehre!«

Ich bestieg das Pferd.

»Wohin, Sihdi?« fragte Halef.

»Den Hund beschützen.«

»Ich reite mit!«

»Du bleibst. Sorge dafür, daß die beiden Bebbeh nicht entkommen!«

Ich ritt hinaus auf das Blachfeld und gab mit dem ausgestreckten Arme den Kurden ein Zeichen, von dem Hunde abzulassen. Sie sahen es wohl, befolgten es aber nicht. Auch der Hund erblickte mich und kam, anstatt den eingeschlagenen Bogen weiter zu verfolgen, auf mich zugerannt. Diese Richtung führte ihn ganz nahe an seinen Verfolgern vorüber. Es kam mir gar nicht in den Sinn, mir das brave Tier, welches ich bereits verloren geglaubt hatte, erschießen zu lassen. Darum hielt ich, in Schußweite angekommen, mein Pferd an und zeigte ihm den Lauf meiner Büchse. Auf dieses Zeichen stand es vollständig bewegungslos. Ich legte an und warf mit zwei Schüssen die Pferde der beiden Kurden, die dem Hunde am nächsten waren, in das Gras. Dojan kam unbeschädigt vorüber, aber die Bebbeh erhoben ein Geschrei des Zornes und kamen auf mich losgesprengt.

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