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Von Bagdad nach Stambul
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Von Bagdad nach Stambul

Язык: Немецкий
Год издания: 2016
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Vor Freuden, mich wiedergefunden zu haben, war der Hund mit einem einzigen Satze bei mir auf dem Pferde; ich aber stieß ihn sofort hinab, da er verderblich werden konnte.

»Buraja, buraja – herbei, hierher!« hörte ich es am Eingange des Tales rufen. Es war der Scheik, der diese Gelegenheit benutzen wollte, aus seiner nichts weniger als angenehmen Lage zu entkommen. Die Kurden vernahmen diesen Ruf, spornten ihre Pferde an und schwangen die Waffen. Ich kam ihnen natürlich zuvor und sah, als ich den Eingang erreichte, den Scheik am Boden liegen, während Halef und der Engländer beschäftigt waren, ihn zu binden. Sein Bruder stand frei daneben, und seine ganze Haltung zeigte, daß er neutral bleiben wolle.

»Emir, schone meine Brüder!« bat er.

»Wenn du den Scheik bewachest!« antwortete ich.

»Ich werde es tun, Herr!«

Ich sprang vom Pferde und gebot den Gefährten, sich hinter die Felsen des Einganges zu legen.

»Schießt nur auf die Pferde!« bat ich.

»Hältst du so dein Wort, Emir?« zürnte Mohammed Emin.

»Der Bruder des Scheik meint es ehrlich. Die erste Salve also nur auf die Pferde; dann werden wir weiter sehen!«

Dies alles war so schnell gegangen, daß die Bebbeh sich nun grad in Schußweite befanden. Ich hatte die beiden Läufe der Büchse abgeschossen und nahm den Stutzen zur Hand. Unsere Schüsse krachten – einmal und noch einmal.

»Bounce – bardauz, da stürzen sie!« rief der Engländer. »Fünf, acht, neun Pferde! Yes!«

Er erhob sich aus seiner knieenden Stellung, um, wie die andern, während ich fort schoß, sein Gewehr wieder zu laden. Auch Allo, der Köhler, hatte mit der Flinte des Scheiks einen Schuß abgegeben. Er war schuld, daß einer der Bebbeh verwundet wurde; die andern waren ihrer Kugel sicher.

Die erste Salve hielt den Anprall der Kurden so lange auf, bis wieder geladen war; die zweite aber brachte ihn vollends zum Stehen.

»Come on – vorwärts!« schrie Lindsay. »Hinaus! Totschlagen diese Houndcatchers, diese Hundejäger!«

Er nahm die Büchse bei dem Laufe und wollte sich wirklich auf die Kurden werfen. Ich faßte ihn aber und hielt ihn zurück.

»Seid Ihr des Teufels, Sir?« rief ich. »Wollt Ihr um Eure schöne Patent-Nase kommen? Bleibt doch, wo Ihr seid!«

»Warum? Der Augenblick ist gut. Drauf, Master, drauf!«

»Unsinn! Hier sind wir sicher, draußen aber nicht.«

»Sicher? Hm! So legt Euch auf das Kanapee und haltet Mittagsruhe, Master! Dummheit, die Kerle laufen zu lassen! Well!«

»Nur ruhiges Blut! Seht Ihr, daß sie sich zurückziehen? Sie haben eine gute Lehre erhalten, an die sie denken werden.«

»Schöne Lehre! Kostet sie nur ein paar Pferde!«

Da legte mir der Bruder des Scheiks die Hand auf den Arm.

»Emir,« sagte er, »ich danke dir! Du konntest so viele und noch mehr von ihnen töten, als Pferde draußen liegen, und du hast es nicht getan. Du bist ein Christ, aber Allah wird dich schützen!«

»Siehst du ein, daß unsere Waffen den euren überlegen sind?«

»Ich sehe es.«

»So geh hinaus zu den Bebbeh und erzähle es ihnen!«

»Ich werde es tun. Was wird aber mit dem Scheik?«

»Er bleibt hier. Ich gebe dir eine ganze Viertelstunde Zeit. Bist du dann noch nicht mit der Botschaft des Friedens zurückgekehrt, so wird der Scheik an dieser Wurzel da oben aufgehängt. Zweifle nicht daran! Ich bin es müde, mit einem unverständigen Feinde zu kämpfen.«

»Und wenn ich Frieden bringe?«

»So gebe ich den Scheik frei.«

»Und was er von dir verlangte?«

»Gebe ich nicht.«

»Auch nicht seine Flinte und seine Pistolen?«

»Nein. Er trägt die Schuld des Angriffes, den wir soeben abgeschlagen haben; er hat nicht die geringste Nachsicht mehr zu erwarten. Wir sind die Sieger. Tue, was du willst!«

Er ging, und ich hatte nur zunächst darauf Bedacht, meine Gewehre wieder zu laden. Dabei lag mir der Hund zu Füßen und winselte vor Freude, obgleich ihm vor Erschöpfung die Zunge aus dem Maule hing.

»Was denkst du, Emir,« fragte Amad el Ghandur; »hat er den Wächter der Pferde erbissen, bei dem er zurückgeblieben ist?«

»Ich hoffe es nicht. Ich will annehmen, daß er den Mann verlassen hat, weil ihm die Zeit zu lang geworden ist. Er hat den ganzen Nachmittag und die ganze Nacht bei ihm gewacht; das arme Tier ist fürchterlich ermattet. Halef, gib ihm zu fressen! Erst später wird er Wasser lecken dürfen.«

Der Scheik lag gebunden am Boden und sprach kein Wort; aber seine Augen folgten jeder unserer Bewegungen. Man sah es ihm an, daß er niemals unser Freund sein könne.

Wir harrten mit Spannung auf den Bescheid, den wir von den Bebbeh erhalten würden. Sie hielten eng beieinander, und wir sahen aus der Lebhaftigkeit ihrer Gestikulationen, daß ihre Beratung eine stürmische sei. Endlich kehrte unser Bote zurück.

»Ich bringe den Frieden, Herr,« sagte er.

»Unter welcher Bedingung?«

»Unter keiner.«

»Das hatte ich nicht erwartet. Du scheinst sehr eifrig für uns gesprochen zu haben. Ich danke dir!«

»Verstehe mich wohl, ehe du mir dankest, Herr! Ich bringe dir zwar den Frieden, aber auch die Bebbeh gehen auf keine Bedingung ein.«

»Ah! Und das nennen sie einen Frieden? Gut, so werde ich mich sicher stellen. Sage ihnen, daß ich den Scheik, deinen Bruder, als Geisel mit mir nehmen werde.«

»Wie lange wirst du ihn behalten?«

»So lange als es mir gefällt; so lange, bis ich sicher bin, daß ich nicht verfolgt werde. Dann wird er unbeschädigt entlassen.«

»Ich glaube dir. Erlaube, daß ich es meinen Brüdern sage!«

»Gehe hin und gebiete ihnen, sich bis an die Berge zurückzuziehen, welche die Ebene dort begrenzen. Sobald ich merke, daß sie uns folgen, stirbt der Scheik.«

Er ging, und bald sahen wir, daß alle Bebbeh, beritten und unberitten, langsam nach Norden zogen. Er selbst aber kam wieder, um sein Pferd zu holen.

»Emir,« sagte er, »ich war dein Gefangener; gibst du mich frei?«

»Ja. Du bist mein Freund. Hier nimm die Pistolen deines Bruders. Nicht ihm, sondern dir gebe ich sie zurück. Die Flinte aber bleibt das Eigentum des Mannes, dem ich sie geschenkt habe.«

Er blieb bei uns, bis man den Scheik auf sein Pferd gebunden hatte und wir vollständig marschbereit waren. Dann reichte er mir die Hand.

»Lebe wohl, Herr! Allah segne deine Hände und deine Füße! Du nimmst einen Mann mit dir, der dein Feind und nun auch der meinige ist, und dennoch empfehle ich ihn deiner Güte; denn er ist der Sohn meines Vaters.«

Er sah uns lange nach, bis wir verschwunden waren; der Scheik aber hatte keinen Blick für ihn gehabt; es war sicher, daß sie Feinde geworden waren.

Wir behielten die südliche Richtung bei. Halef und Allo hatten den Scheik zwischen sich genommen, und außer einigen kurzen Bemerkungen, die zuweilen nötig waren, wurde der Weg mit Schweigsamkeit verfolgt. Ich merkte es den Gefährten an, daß mein Verhalten während der letzten Tage nicht ihren Beifall hatte. Es fiel zwar keine Bemerkung darüber, aber es war aus ihren Blicken, aus ihren Mienen und aus ihrem ganzen mürrischen Wesen zu erkennen. Ein offenes Aussprechen wäre mir lieber als diese Verschlossenheit gewesen. Auch die uns umgebende Natur war keine freundliche. Wir ritten über öde Bergkuppen, nackte Hänge, finstere Schluchten; es wurde am Abend so kalt und zugig, wie im Winter, und die Nacht, welche wir zwischen zwei gegeneinander geneigten Felsen zubrachten, vermochte es nicht, eine andere Stimmung in uns zu erwecken.

Kurz vor Tagesgrauen nahm ich meine Büchse, um irgend ein Wild zu beschleichen. Nach langem Suchen gelang es mir, einen armen Dachs zu schießen, den ich als einzige Beute zum Lager brachte. Die Gefährten waren bereits alle munter. Ein Blick, den Halef mir unbeobachtet zuwarf, sagte mir, daß während meiner Abwesenheit irgend etwas vorgegangen sei. Um zu erfahren, was es sei, brauchte ich gar nicht lange zu warten; denn ich hatte mich kaum niedergelassen, so fragte Mohammed Emin:

»Emir, wie lange sollen wir diesen Bebbeh noch mit uns schleppen?«

»Wenn du ein längeres Gespräch beabsichtigst,« antwortete ich, »so entfernt vorher den Gefangenen, der jedenfalls ebenso gut das Arabische versteht, wie sein Bruder.«

»Allo mag ihn in seine Obhut nehmen.«

Ich folgte diesem Vorschlage, führte den Scheik an eine entferntere Stelle und ließ ihn da in der Obhut des Köhlers, dem ich bedeutete, daß er die größte Achtsamkeit auf den Gefangenen zu verwenden habe. Dann kehrte ich zu den andern zurück.

»Jetzt sind wir unbelauscht,« meinte Mohammed Emin, »und ich wiederhole meine Frage, wie lange wir den Bebbeh mit uns herumschleppen sollen.«

»Warum tust du diese Frage?«

»Bin ich nicht berechtigt, sie zu tun, Effendi?«

»Du hast ein Recht dazu, welches ich dir nicht bestreite. Ich wollte ihn bei mir behalten, bis ich sicher sein kann, daß wir nicht verfolgt werden.«

»Wie willst du diese Sicherheit erhalten?«

»Dadurch, daß ich mich überzeuge. Wir setzen unsern Weg bis Mittag fort; dann nehmt ihr an einer geeigneten Stelle gleich Nachtlager, ich aber reite zurück und bin überzeugt, daß ich die Bebbeh sicher entdecken werde, falls sie uns folgen. Morgen am Vormittag bin ich wieder bei euch.«

»Ist ein solcher Feind so viele Mühe wert?«

»Nicht er ist es wert, aber unsere Sicherheit erfordert es.«

»Warum willst du es dir und uns nicht leichter machen?«

»Auf welche Weise könnte dies geschehen?«

»Du weißt, daß er unser Feind ist?«

»Sogar ein sehr schlimmer Feind.«

»Der uns wiederholt nach dem Leben trachtete?«

»Allerdings.«

»Der uns sogar verriet, als er sich in unsern Händen befand; denn er rief die Seinigen herbei, als du das Tal verlassen hattest, um den Hund zu verteidigen.«

»Auch dies ist richtig.«

»Nach den Gesetzen der Schammar hat er mehrfach den Tod verdient.«

»Gelten diese Gesetze auch hier?«

»Ueberall, wo ein Schammar zu richten hat.«

»Ah, ihr wollt den Gefangenen richten? – Ich denke, ihr habt ihm bereits das Urteil gesprochen! Wie lautet es?«

»Der Tod.«

»Warum habt ihr dies Urteil nicht bereits vollstreckt?«

»Konnten wir dies tun ohne dich, Emir?«

»Ihr habt nicht den Mut, das Urteil ohne mich zu vollstrecken; aber ihr habt das Herz, den Gefangenen ohne mich zu richten? O, Mohammed Emin, du gehst auf falschem Wege, denn der Tod des Gefangenen wäre auch der deinige gewesen.«

»Wie willst du mir das erklären?«

»Sehr leicht. Hier sitzt mein Freund David Lindsay-Bey, und hier mein tapferer Hadschi Halef Omar. Glaubst du, daß sie dir erlaubt hätten, in meiner Abwesenheit den Bebbeh zu töten?«

»Sie hätten uns nicht gehindert. Sie wissen, daß wir stärker sind, als sie.«

»Es ist wahr, ihr seid die tapfersten Helden der Haddedihn, aber diese beiden Männer haben noch niemals Furcht und Angst gefühlt. Was denkst du wohl, was ich getan hätte, wenn ich nach meiner Rückkehr Zeuge eures Tuns geworden wäre?«

»Du hättest es nicht mehr zu ändern vermocht.«

»Das ist richtig, aber es wäre euer Tod gewesen. Ich hätte das Messer vor euch in die Erde gesteckt und mit euch gekämpft als Rächer dessen, der ermordet wurde, obgleich er sich unter meinem Schutze befand. Allah allein weiß, ob es euch gelungen wäre, mich zu überwinden.«

»Emir, laß uns darüber schweigen. Du siehst ja, daß wir dich fragen, bevor wir handeln. Der Scheik hat den Tod verdient; laß uns über ihn beraten!«

»Beraten? Wißt ihr nicht, daß ich seinem Bruder versprochen habe, ihn unverletzt ziehen zu lassen, sobald ich überzeugt bin, daß wir nicht verfolgt werden?«

»Dies war ein voreiliges Versprechen. Du gabst es, ohne uns vorher zu fragen. Bist du etwa unser Gebieter, daß du dir jetzt angewöhnt hast, ganz aus eigener Macht zu handeln?«

Das war ein Vorwurf, den ich nicht erwartet hatte. Ich schwieg einige Zeit, um mein Gewissen zu prüfen; dann antwortete ich:

»Ihr habt recht, wenn ihr sagt, daß ich zuweilen gehandelt habe, ohne euch zu fragen. Dies geschah aber nicht, weil ich mich für den Höchsten von euch halte, sondern aus anderen Gründen. Ihr versteht nicht Kurdisch, und ich war also stets der einzige, der mit den Kurden zu sprechen hatte. Konnte ich euch da vor jeder Frage, die ich erhielt, und bei jeder Antwort, die ich erteilte, die Worte übersetzen? Hat man bei einem Entschluß, der schnell gefaßt werden muß, bei einer Tat, die nicht den mindesten Aufschub erleiden darf, Zeit und Gelegenheit, sich mit Gefährten zu beraten, die nicht einmal eine und dieselbe Sprache reden? Ist es nicht immer zu unserm Nutzen gewesen, wenn ihr das tatet, was ich euch riet?«

»Seit wir mit den Bejat zusammengekommen sind, ist dein Rat niemals ein guter gewesen.«

»Ich bin mir dessen nicht bewußt, obgleich ich nicht mit euch streiten will. Ich bin nicht Allah, sondern ich bin ein Mensch, der sich irren kann. Ihr habt mir bisher die Leitung freiwillig überlassen, weil ihr Vertrauen zu mir hattet; da ich nun aber sehe, daß dieses Vertrauen verschwunden ist, so trete ich ebenso freiwillig zurück. Mohammed Emin, du bist der älteste von uns; es sei dir gern die Ehre gegönnt, unser Anführer zu sein.«

Das hatten sie nicht erwartet; aber der letzte Satz schmeichelte dem alten Haddedihn zu sehr, als daß er mein Anerbieten unerörtert zurückgewiesen hätte.

»Ist dein fester Wille, Emir? Und du glaubst wirklich, daß ich euer Anführer sein kann?«

»Ja, denn du bist ebenso weise, wie stark und tapfer.«

»Ich danke dir! Aber ich kenne das Kurdische nicht.«

»Ich werde dein Dolmetscher sein.«

Der gute Mann begriff nicht, daß es infolge der eigentümlichen Zusammensetzung unserer kleinen Gesellschaft gar nicht möglich war, die absolute Führung in eine bestimmte Hand zu legen.

»Uebrigens,« fügte ich hinzu, »kommen wir ja sehr bald in Gegenden, wo nur Arabisch gesprochen wird.«

»Sind die anderen mit deinem Vorschlage einverstanden?« fragte Mohammed.

»Hadschi Halef Omar wird tun, was ich will, und den Engländer werde ich jetzt einmal fragen.«

Nachdem ich dem Engländer die Sachlage erklärt hatte, entgegnete er trocken:

»Macht keinen Fehler, Master! Habe längst bemerkt, daß die Haddedihn irgend etwas auf dem Herzen haben. Wir sind Christen, wir sind ihnen viel zu human. Well!«

»Ihr werdet das rechte getroffen haben. Nun soll ich euch fragen, ob Ihr Scheik Mohammed als Führer anerkennt?«

»Yes, wenn er die Wege weiß. Im übrigen aber kümmere ich mich den Kuckuck um einen Führer. Ich bin Englishman und tue, was mir beliebt!«

»Soll ich ihm dies sagen?«

»Sagt es ihm, und sagt ihm meinetwegen noch verschiedenes, was Euch beliebt. Ich bin es zufrieden, selbst wenn dieser Köhler Allo den Meister spielen will.«

Ich machte diese Meinung dem Haddedihn bekannt mit den Worten:

»David Lindsay-Bey ist einverstanden. Ihm ist es gleich, wer Anführer ist, du oder Allo, der Kohlenbrenner. Er ist ein Emir aus Inglistan und tut nur das, was ihm gefällt.«

Mohammed Emin zog die Brauen ein wenig zusammen; seine Herrschaft geriet gleich im Anfange ins Wanken.

»Wer Vertrauen zu mir hat, der wird mit mir zufrieden sein,« meinte er. »Doch jetzt wollen wir über den Bebbeh sprechen. Er hat den Tod verdient. Soll er die Kugel oder den Strick erhalten?«

»Keines von beidem. Ich habe dir bereits gesagt, daß ich mich mit meinem Worte für sein Leben verbürgt habe.«

»Emir, das gilt nichts mehr, denn ich bin Anführer geworden. Was der Anführer sagt, das muß geschehen!«

»Was der Anführer sagt, das wird geschehen, wenn die anderen damit einverstanden sind. Ich werde nicht zugeben, daß mein Wort gebrochen wird.«

»Effendi!«

»Scheik Mohammed Emin!«

Da zog der kleine Halef eine seiner Pistolen hervor und fragte mich:

»Sihdi, wünschest du, daß ich irgend jemandem eine Kugel durch den Kopf jage? Bei Allah, ich tue es sofort!«

»Hadschi Halef Omar, laß deine Waffe stecken, denn wir sind Freunde, obgleich die Haddedihn dies zu vergessen scheinen,« antwortete ich ruhig.

»Herr, wir vergessen es nicht,« verteidigte sich Amad el Ghandur; »du aber darfst auch nicht vergessen, daß du ein Christ bist, der sich in Gesellschaft von wahren Gläubigen befindet. Hier gelten die Gesetze des Kuran, und ein Christ soll uns nicht hindern, sie auszuüben. Du hast schon den Bruder dieses Scheiks verteidigt; ihn selbst lassen wir uns nicht entreißen. Warum gebietest du uns, nur auf die Pferde zu schießen? Sind wir Knaben, welche ihre Waffen nur zum Spielen erhielten? Warum sollen wir Verräter schonen? Die Lehre, welcher du folgest, wird dir noch das Leben kosten!«

»Schweig, Amad el Ghandur, denn du bist allerdings noch ein Knabe, obgleich du einen Namen trägst, der »Held« bedeutet! Lerne erst Männer kennen, ehe du redest!«

»Herr,« rief er zornig, »ich bin ein Mann!«

»Nein, denn wärest du ein Mann, so wüßtest du, daß ein solcher nie sich zwingen läßt, sein Wort zu brechen!«

»Du sollst es nicht brechen, denn nur wir sind es, die den Bebbeh bestrafen.«

»Ich verbiete es!«

»Und ich befehle es!« rief Mohammed Emin, indem er sich zornig erhob.

»Hast du hier zu befehlen?« fragte ich ihn.

»Hast du hier zu verbieten?« antwortete er mir.

»Ja. Mein verpfändetes Wort gibt mir das Recht dazu.«

»Dein Wort gilt nichts bei uns. Wir sind es müde, uns von einem Manne regieren zu lassen, der unsere Feinde liebt. Du hast vergessen, was ich an dir tat. Ich nahm dich auf als Gast bei mir; ich beschützte dich; ich gab dir sogar das Pferd, welches mir die Hälfte meines Lebens wert war. Du bist ein Undankbarer!«

Ich fühlte, wie mir das Blut aus den Wangen wich und daß die Hand nach dem Dolche zuckte; aber es gelang mir, mich zu bezwingen.

»Nimm das Wort wieder zurück,« antwortete ich kalt, indem ich mich erhob.

Ich gab Halef einen Wink und schritt dann der Stelle zu, wo der gefangene Scheik mit dem Kohlenbrenner lag. Dort setzte ich mich nieder. Keine Minute später saß auch der Engländer bei mir.

»Was gibt es, Master?« fragte er. »Zounds, Ihr habt ja Wasser im Auge! Mensch, sagt mir, wen ich erschießen oder erwürgen soll!«

»Den, der diesen Gefangenen anzutasten wagt.«

»Wer ist es?«

»Die Haddedihn. Scheik Mohammed warf mir vor, daß ich undankbar sei. Ich habe ihm den Rappen wiedergegeben.«

»Den Rappen? Seid Ihr verrückt, Master, ein solches Tier zurückzugeben, nachdem es Euer festes Eigentum geworden war. Aber ich hoffe, daß es sich noch ändern läßt!«

Da kam Halef herbei, zwei Pferde führend; das eine war das seinige, und das andere war das überzählige, das ich den Bebbeh genommen hatte. Es trug mein Sattelzeug, das Halef dem Rappen abgenommen hatte. Auch meinem kleinen Hadschi stand ein Tropfen im Auge, und seine Stimme zitterte, als er sagte:

»Du hast recht gehandelt, Herr. Der Scheïtan ist in die Haddedihn gefahren. Soll ich die Peitsche nehmen, um ihn wieder auszutreiben?«

»Ich verzeihe ihnen. Laßt uns aufbrechen!«

»Sihdi, was tun wir, wenn sie den Bebbeh töten wollen?«

»Wir schießen sie augenblicklich nieder.«

»Das ist mir recht und lieb! Allah steinige diese Schurken!«

Der Gefangene ward wieder auf sein Pferd gebunden, und wir stiegen auf: ich natürlich nicht auf den Rappen, sondern auf den Bläßfuchs, der in Deutschland ein Vierhunderttalerpferd gewesen wäre. Der kleine Zug setzte sich in Bewegung und kam an den Haddedihn vorüber, die noch im Grase saßen. Sie mochten gemeint haben, daß wir nachgeben würden. Jetzt aber, da sie sahen, daß ich Ernst machte, sprangen sie empor.

»Emir, wohin willst du?« fragte Mohammed Emin.

»Fort,« antwortete ich kurz.

»Ohne uns?«

»Wie es euch beliebt!«

»Wo ist der Rappe?«

»Drüben, wo er angehobbelt war.«

»Maschallah, er ist ja dein!«

»Er ist wieder dein. Salama – Allah gebe dir Friede!«

Ich gab meinem Pferde die Sporen, und wir sausten im Trabe davon. Kaum aber hatten wir eine kleine englische Meile zurückgelegt, so kamen uns die beiden nach. Amad el Ghandur hatte den Rappen bestiegen und führte sein Pferd an der Hand. Jetzt war es ganz unmöglich geworden, den Hengst zurückzunehmen.

Mohammed Emin kam an meine Seite, während sein Sohn zurückblieb.

»Ich denke, ich soll der Führer sein, Emir!« begann er.

»Wir brauchen einen Führer, aber keinen Tyrannen!«

»Ich will den Bebbeh bestrafen, der mich und meinen Sohn gefangen nahm. Was aber habe ich dir getan?«

»Mohammed Emin, du hast dir die Liebe und Achtung von drei Männern geraubt, die für dich und deinen Sohn ihr Leben wagten und bis heute für euch ohne Zaudern in den Tod gegangen wären.«

»Effendi, verzeihe!«

»Ich zürne dir nicht.«

»Nimm den Hengst zurück!«

»Niemals!«

»Willst du mein Alter züchtigen und meinen grauen Bart beschämen?«

»Grad dein Alter und der Schnee deines Bartes sollten dir gesagt haben, daß der Zorn nie Gutes tut.«

»Soll unter den Kindern der Beni Arab allüberall erzählt werden, daß der Scheik der Haddedihn ein Geschenk zurückerhielt, weil er nicht würdig war, es zu geben?«

»Man wird es erzählen!«

»Emir, du bist grausam, denn du wirfst Schande auf mein Haupt.«

»Du selbst hast es getan. Ich war dein Freund und ich liebte dich; auch heute verzeihe ich dir. Ich weiß, welche Schande es sein wird, wenn du zurückkehrst zu den Deinen und den Hengst wieder bringst; ich möchte dir helfen, aber ich vermag es nicht.«

»Du vermagst es. Du brauchst ja nur den Hengst wieder anzunehmen.«

»Ich würde es tun, dir zur Liebe und Ehre, aber es ist unmöglich geworden. Blicke zurück!«

Er sah sich um, schüttelte aber den Kopf.

»Ich sehe nichts. Was meinst du, Emir?«

»Siehst du nicht, daß der Rappe bereits einen Besitzer hat?«

»Jetzt verstehe ich dich, Effendi. Amad el Ghandur wird absteigen.«

»Aber ich werde das Pferd nicht nehmen. Er hat seinen Sattel aufgelegt und das Tier bestiegen; dies ist ein Zeichen, daß ihr es von mir zurückgenommen habt. Brächtest du es mir so herbei, wie ich es dir zurückgelassen habe, ungesattelt und unberührt, so würde ich denken, daß wir Freunde waren, und ich könnte die Schmach von dir nehmen. Amad el Ghandur hat mir vorgeworfen, daß ich ein Christ bin und als solcher handle; nun wohl, er ist ein Moslem, ohne als solcher zu handeln; denn er besteigt ein Pferd, dessen Rücken einen Christen trug. Erzähle dies den Gläubigen, mit denen du zusammenkommst!«

»Allah il Allah! Was haben wir für Fehler begangen!«

Der alte Scheik dauerte mich, aber ich konnte ihm nicht helfen. Sollte ich eine Schande auf mich laden, um ihm die seine zu ersparen? Nein! Ich konnte gar nicht begreifen, was den beiden so verständigen Männern auf einmal in den Kopf gefahren war. Persönliche Rücksichten waren sicher nicht der Grund. Vielleicht war der Keim zu ihrem Verhalten schon lange Zeit in ihnen versteckt gewesen und von mir gepflegt worden durch die Nachsicht, mit der ich unsere Gegner behandelt wissen wollte. Die Schonung aber, die ich gegen die beiden Bebbeh gezeigt hatte, war dann der Tropfen gewesen, der das Gefäß überlaufen läßt. Aber trotzdem mir der Verlust des Hengstes zu Herzen ging, fiel es mir gar nicht ein, meine milden Anschauungen den rachsüchtigen Gewohnheiten dieser Nomaden zu opfern.

Der Haddedihn ritt lange schweigend neben mir her. Endlich fragte er zagend:

»Warum zürnest du so anhaltend?«

»Ich zürne dir nicht, Mohammed Emin; aber es betrübt mich, daß dein Herz sich nach dem Blute derjenigen sehnt, denen dein Freund verziehen hatte.«

»Wohlan, so werde ich diesen Fehler wieder gutmachen!«

Er wandte sich um. Hinter mir ritt der Engländer mit Halef; dann kam Allo mit dem Gefangenen, zuletzt Amad el Ghandur. Ich wandte mich nicht zurück, weil ich glaubte, Mohammed Emin wolle mit seinem Sohne sprechen; auch Halef und Lindsay drehten sich aus demselben Grunde nicht um. Wir taten es erst, als wir die laute Stimme des Haddedihn vernahmen:

»Reite zurück, und sei frei!«

Der erste Blick überzeugte mich, daß er die Fessel des Gefangenen zerschnitten hatte, der seinem Pferd sofort in die Zügel griff, um im Galopp davon zu sprengen.

»Scheik Mohammed, was hast du getan!« rief Halef.

»Thunder storm, was fällt dem Menschen ein!« schrie der Engländer.

»Habe ich recht gehandelt, Emir?« fragte Mohammed.

»Wie ein Knabe hast du gehandelt!« zürnte ich.

»Ich wollte deinen Willen tun,« entschuldigte er sich.

»Wer hat dir gesagt, daß ich wünsche, ihn so schnell frei zu sehen? Die Geisel ist verloren, nun sind wir wieder in Gefahr!«

»Allah istafer – Gott verzeihe ihm!« rief Halef. »Laßt uns dem Bebbeh nachjagen!«

»Wir werden ihn nicht einholen,« wandte ich ein. »Unsere Pferde sind ihm nicht überlegen; nur der Rapphengst ist schneller.«

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