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Gefährliche Dinge
Kane erwiderte ihr Lächeln, obwohl sie es nicht sehen konnte. Scheinbar war sie die einzige in der Gruppe, die Mumm hatte.
âDas letzte Mal, wo wir Micah gesehen haben, hat er mit Anthony Valachi gestritten und ihn aus dem Club geworfenâ, sagte Steven leise. âDas war kurz bevor er verschwand.â
âDer Werwolf?â, fragte Trevor und legte seinen Kopf schief.
âJa, und nebenbei hat Steven sich auch noch mit Anthonys Verlobter gepaartâ, erzählte Quinn ihm und allen, die es noch nicht gehört hatten.
Jewel runzelte die Stirn, als ihr klar wurde, dass Steven ihr die Wahrheit darüber gesagt hatte, dass Anthony vielleicht eine Spur zu seinem fehlenden Bruder sein könnte. Sie biss sich auf ihre Lippe und fragte sich im Stillen, ob das der einzige Grund war, weshalb Steven ihr geholfen hatte. Nein, das war dumm. Als Steven sie aus der Kirche mitgenommen hatte, hatte er noch nicht einmal gewusst, dass Anthony ihr Verlobter war.
Sie hörte die unausgesprochene Anschuldigung in Quinns Stimme und spannte ihre Schultern an. Ein beschützender Instinkt bohrte sich in ihr nach vorne, und sie musste ihm Luft geben.
âSteven wusste nicht, wer mein Verlobter war, und ich hatte keine Ahnung, dass Anthony ein Werwolf warâ, erklärte Jewel mit fester Stimme. âIch habe ihm erst von Anthony erzählt, nachdem wir uns gepaart hatten. Also wenn du jemandem die Schuld geben musst, dann mir.â
Quinn hatte so viel Anstand, leicht betroffen auszusehen und Kat streckte unauffällig ihren Daumen in die Luft.
Jewel lehnte sich zurück an die Theke und begann wieder, an ihrer Unterlippe zu kauen. Stevens älterem Bruder, dem Alphamann der Pumas, die Stirn zu bieten, hatte sie etwas verängstigt.
Sie sah hinüber zu Steven und entspannte sich, als sie den Stolz für sie in seinen Augen leuchten sah. Etwas in ihr wurde weich und sie musste mit aller Kraft kämpfen, um die Schutzmauer darum herum wieder aufzubauen. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, und sie fragte sich, ob sie sich in ihn verliebte.
âAnthony Valachi steht schon eine ganze Weile unter Verdachtâ, meldete sich Chad zu Wort. âDie Polizei hat Grund zu der Annahme, dass er nicht nur an Menschenhandel sondern auch an Sklaverei beteiligt ist. Es gibt auch Gerüchte, dass seine Männer Prostituierte aufgesammelt und entführt haben, um sie als Sexsklaven zu verkaufen.â
âWieso macht die Polizei dann nichts dagegen?â, fragte Kat.
âUns wurde befohlen, uns aus der Sache herauszuhalten, weil das FBI die Ermittlungen übernommen hatâ, antwortete Chad. âLeider ist es so, dass, wenn das FBI auftaucht, wir kein Mitspracherecht mehr haben, und nichts tun können, als uns herauszuhalten, es sei denn, wir wollen neben den bösen Jungs im Gefängnis landen.â
Steven nickte und beschloss, dass es Zeit war, ihnen die ganze Wahrheit zu erzählen. âJewels Vater wurde vor einer Weile vom FBI festgenommen. Das war der Grund, weshalb Jewel sich überhaupt erst mit Anthony verloben musste.â Er warf Jewel ein liebevolles Lächeln zu, ehe er sich wieder an die Gruppe wandte.
âIhr Vater war der Manager des Resorts in Palm Springs und Anthony war nicht glücklich über den Durchsuchungsbefehl, den sie hatten, oder darüber, dass Arthur sie auf das Anwesen lieÃ. Als er seinen Fehler erkannte, hat Arthur den Agenten umgebracht und wurde wegen Mordes verhaftet. Um seine Haut zu retten versprach Arthur Anthony, dass er Jewel heiraten durfte, als Bezahlung dafür, dass er ihn da herausholte.â
âEr ist derjenige, der meinen Vater umgebracht hat. Ich weià es sicherâ, sagte Jewel und ballte ihre Faust. âAlso, wann können wir ihn angreifen?â
âWir brauchen ihn nicht anzugreifenâ, erklärte Chad. âWir werden uns einen Plan ausdenken und dann werden wir es bekanntmachen, dass du unter dem Schutz der Wilders stehst. Wenn er kommt⦠holen wir ihn uns.â
âIch denke, das könnte das Gesetz ein wenig zu sehr ausreizenâ, berichtigte Trevor. âHalte Jewel noch ein paar Tage lang geheim, und lass mich und Zachary sicherstellen, dass sich das FBI nicht einmischt, und alles in eine groÃe Katastrophe verwandelt.â
âWieso sollten sie sich einmischen?â, fragte Kat. âIhr seid doch von der paranormalen Organisation⦠stehen die nicht über dem FBI?â
âNur auf gewissen Gebietenâ, entgegnete Trevor. âDie meisten im FBI haben keine Ahnung, dass wir überhaupt existieren. He, nicht einmal der Präsident der Vereinigten Staaten weià von uns. Wir stehen weit über deren Köpfen, und damit wir dieses Recht bekommen, müssen wir beweisen, dass da etwas Paranormales vorgeht.â
âBedeutet das, dass zumindest ein Teil der Regierung von uns weiÃ?â, fragte Nick, dem das unruhige Gefühl, das er davon bekam, nicht gefiel.
Trevor schüttelte den Kopf. âNicht genau über euch⦠aber sie wissen, dass es da etwas⦠ungewöhnlichere Wesen gibt. Ihr steht unter demselben Schutz wie die Menschen⦠vielleicht sogar noch mehr und mit nicht so strengen Regeln, und unter dem Schutz einer kleinen, aber mächtigen Regierung in und über der Regierung.â Er kratzte sich am Kopf und hoffte, dass alle seiner vagen Version der Wahrheit folgen konnten.
âMeine Sorge ist, dass das FBI sich zu weit darin vertieft und dann erst zu spät bemerkt, dass sie sich mit Werwölfen anlegen und nicht mit Menschen.â Chad runzelte die Stirn als er verstand, was Trevor gerade gesagt hatte, und es gefiel ihm nicht. Sollte das heiÃen, dass die Paranormalen mehr Rechte hatten, als die Menschen? Vielleicht war er ja ein wenig parteiisch, aber er war zufällig einer dieser niedrigen Menschen.
Trevor schüttelte den Kopf. âDie Mafia wird sich nicht gleich ein Fell umlegen und das FBI angreifen. AuÃerdem, wenn die Welt von Werwölfen erfährt, dann sind sie als nächstes dran, um auszusterben, und die Werwölfe wissen das. Das letzte Mal, wo sie sich selbst zeigten, wurden sie fast bis zur Ausrottung verfolgt.â
âLasst mich ein paar Anrufe tätigen und sehen ob wir alle Rechte über den Valachi-Fall habenâ, bot Zachary an. âWenn wir die haben, dann haben wir freie Hand und können alle rekrutieren, die wir als qualifiziert ansehen.â Er sah sich in der Gruppe um, wusste, dass das fast alle im Raum waren und sie würden Immunität genieÃen, egal, wie die Dinge sich wenden würden.
Weià jemand, welches Auto Micah an dem Tag, wo er verschwunden ist, gefahren hat?â, fragte Chad. âIch kann es mit meinem Streifenwagen suchen und eine Suchmeldung dafür aufgeben.â
âSein Motorradâ, sagte Alicia schnell, dann wurden ihre Augen groÃ, als sie sich daran erinnerte, wie sie Warren gesagt hatte, dass sie im Gewitter der letzten Nacht mit demselben Motorrad gekommen war. Als sie zu ihm hinüber schielte, seufzte sie erleichtert, als er ihr nur kurz zuzwinkerte.
Nick gab noch seinen Senf dazu. âIch bin auch dafür, dass wir uns von Misery fernhalten, aber die Vampire pflanzen sich für sie fort und das können wir nicht zulassen.â
âAlle sind eingeteilt zur Schädlingsbekämpfungâ, stimmte Warren zu.
âNicht alle, hoffe ich.â Trevor sah hinüber zu Envy.
Zachary trat diskret vor Trevor, um den tödlichen Blick, den Devon seinem Freund zuwarf, abzuwehren. âIch glaube, es wird auch Zeit, dass wir ein paar Gefälligkeiten zurückverlangen und mehr von unserem Team herholen.â
âDu meinst es gibt noch mehr von euch?â, fragte Steven.
Zachary rammte seine Hände in seine Hosentaschen und legte seinen Kopf schräg. Das weiche Licht der Lampen schien in sein blondes, stacheliges Haar und er grinste. âEs tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss, aber es gibt nur einen von mir. Ich wollte mich klonen, aber unser ängstlicher Anführer hier lässt mich nichtâ, erklärte er und zeigte mit dem Daumen auf Trevor.
âHalt's Maul, verdammt und mach dich ans Telefonierenâ, rief Trevor. âWenn es noch einen von dir gäbe, würde Angelica ihn umbringen, nur damit sie sagen kann, dass sie es endlich geschafft hat.â
Zacharys Gesichtsausdruck wurde verträumt. âOh, von diesen wunderbaren Doc Martin's zertrampelt zu werden, die sie in ihrem Schrank versteckt.â
Trevor machte einen aufgebrachten Schritt auf seinen Partner zu und Zachary rannte sofort durch den Raum um sich hinter Kane zu verstecken.
âGibt es einen Grund, wieso du mich als Schutzschild verwendest?â, fragte Kane.
âJaâ, rief Zachary. âLass mich kurz darüber nachdenken, dann sag ich dir einen.â
Kane grinste. âLass mich kurz nach Hause gehen, dann suche ich meine Doc Martin's.â
Zachary machte schnell ein paar Schritte rückwärts von Kane weg und hob seine Hände. âLangsam, Mann, ich bin nicht schwul.â
âZachary!â, rief Trevor.
âOkay, okayâ, sagte Zachary und zog sein Handy heraus. âMann, ich bin umgeben von Leuten ohne jeden Sinn für Humor⦠Angelica wird diesen Haufen lieben.â
Kapitel 4
Kane lehnte an dem Kreuz wenige Meter hinter Michael und starrte hinaus auf die Stadt, fragte sich, wo Misery sich versteckte, und ob sie überhaupt noch in der Stadt war. Es gab dort drauÃen eine ganze Welt, die sie terrorisieren könnte, aber das Karma war kein Wunschkonzert und seine Instinkte auch noch, und die erzählten ihm, dass sie nicht weit weg war.
Er verzog das Gesicht, als er sich vorstellte, wie sie als verrottende Leiche über den Gehsteig spazierte, dann unterdrückte er ein Schaudern, als das Bild von dem gespenstischen kleinen Mädchen in seinem Kopf auftauchte und er entschied, dass die Leiche weniger beängstigend war. Ãber die Jahrhunderte hatte er manchmal gesehen, wie erwachsene Vampire Kinder verwandelt hatten.
Was viele von ihnen nie lernten, war, dass Kinder oft viel wilder waren, als ihre erwachsenen 'Eltern'. Sie wurden dann von der Hand des Erwachsenen getötet, oder das Kind ermordete denjenigen, der es verwandelt hatte. Er musste zugeben, dass eine Frau, die ein Buch über Vampire geschrieben hatte, die richtige Vorstellung gehabt hatte.
Er hoffte, dass, wer auch immer diese Dämonenexpertin war, die Trevor erwähnt hatte, wusste, was sie tat⦠aber er bezweifelte es.
Die Erinnerung an die Dämonin hatte ihn dazu gebracht, Michael auf Schritt und Tritt zu folgen⦠das, und die Tatsache, dass ihn das davon abhielt, Tabatha zu verfolgen, jetzt, wo sie wieder in der Stadt war. Es brauchte eine groÃe Willensanstrengung, um es nicht zu tun. Schon alleine im selben Raum zu sein wie sie, hatte ihm körperliche Schmerzen verursacht⦠Schmerzen, von denen er gewusst hatte, dass er sie nicht viel länger ertragen hätten können, wenn er geblieben wäre. Sein Blick wanderte wieder zurück zu seinem Freund und er lehnte sich schwerer an das Kreuz.
Er musste zugeben, wenn man alleine sein wollte, und doch von Menschen umgeben, dass das Dach der höchsten Kirche der Stadt ein faszinierender Ort dafür war.
Merkwürdiger Weise wusste er, dass Michael nicht hier war, um die Stille und den Friedens des Ortes zu genieÃen. Der Vampir kam hierher, um sich Sorgen zu machen und nachzudenken. Es machte nichts aus, dass sie sich unter freiem Himmel befanden, denn Kane hatte das Gefühl, dass, wenn Misery sie finden wollte, vier Wände sie auch nicht retten würden. Er hatte sich noch nie vor einem Feind versteckt, und er würde damit jetzt nicht beginnen. Natürlich ging es Michael genauso.
Er grinste, als ein absurder Gedanke durch seinen Kopf ging. Sobald er Dean wiedersah, würde er den Gefallenen Engel um einen Gefallen bitten. Er wollte ein paar von den Federn mit was auch immer für einem Zauber Dean in den Katakomben verwendet hatte. Die hatten der Schlampe nicht so gefallen. Er legte seine Handfläche auf seine Schulter und erinnerte sich an all das Fleisch, das verloren gegangen und irgendwie wieder aufgetaucht war, während er bewusstlos gewesen war. Michael hatte ihm gesagt, dass Dean ihn geheilt hatte.
Kane konnte sich kaum an die Momente nach der Gefangenschaft erinnern. Er erinnerte sich daran, dass er Michaels Stimme gehört hatte, die ihn aus der Dunkelheit zurückgerufen hatte, aber sonst nicht viel. Das Nächste, an das er sich erinnerte, war, wie er in einer Kirche voll mit Leuten aufgewacht war, und Michael wie eine Glucke über ihm gesessen hatte.
Tabathas Gesicht blitzte wieder vor seinem inneren Auge auf. Er hatte die letzten paar Stunden damit verbracht, verzweifelt zu versuchen, nicht an sie zu denken, aber den GroÃteil der letzten paar Stunden hatte er nicht auf sich selbst gehört.
Michael konnte Kanes Anwesenheit irgendwo hinter sich fühlen, aber anstatt sich über die unerwünschte Störung zu ärgern, fühlte er sich beruhigt unter dem wachsamen Auge seines Freundes. Wenigstens würde Kane seine eigene Paranoia eine Weile vergessen können, wenn er sich stattdessen um ihn sorgte. AuÃerdem liebte er Kane wie einen Bruder⦠das Wort Bruder hallte durch seinen Kopf und seine Gedanken verfinsterten sich, richteten sich auf Damon. Wie konnten wahre Brüder sich je so in einander täuschen?
Während er versuchte, die verstörenden Erinnerungen beiseite zu schieben, legte sich Michael hin und lieà sich von der Erschöpfung übermannen. Er wusste, dass er in Sicherheit schlafen konnte⦠Kane bewachte ihn.
Kane wunderte sich über Michaels geflüsterten Gedanken. Er hatte nicht gewusst, dass Michael Probleme hatte, zu schlafen. Was war es, wodurch sein Freund sich so gefährdet fühlte, dass er Angst hatte, seine Augen zu schlieÃen? Er wusste, dass Schlaflosigkeit ihn langsam in den Wahnsinn treiben würde⦠aber andererseits hatte er auch am eigenen Körper erfahren, dass zu viel Schlaf sogar noch mehr Schaden anrichten konnte.
Er blickte über die StraÃe hinüber zu Michaels Haus, das zwischen den anderen Gebäuden der Stadt eingeschlossen war. Nach dem runden Raum im obersten Stockwerk zu schlieÃen, war es wohl ein Viktorianischer Baustil. Er hatte sich dazu überreden lassen, mit Michael zusammenzuziehen, aber nun schien es so, als würde er Michael davon überzeugen müssen, bei sich selbst einzuziehen, anstatt auf dem Dach gegenüber zu schlafen.
Er hob eine Augenbraue über seinen merkwürdigen Freund. Das Haus hatte jeden modernen Luxus, den sich jemand ausdenken konnte, der so alt war, wie sie, und dazu noch Zauber, die Dämonen abhielten, also woher kam dieser plötzliche Durst nach frischer Luft, die nach Regen roch?
Er wusste, dass Michael sich immer noch dafür schuldig fühlte, dass er nicht dagewesen war, als er sich selbst begraben lassen hatte. Obwohl Kane versucht hatte, nicht in seinem Kopf zu schnüffeln, hatte er Michael noch immer nicht erzählt, dass, wenn er wollte, er seine Gedanken lesen konnte. Es war einfach etwas, was ein Freund nicht wirklich wissen wollte⦠auÃerdem hatte er das Gefühl, dass er der einzige mit dieser Macht war.
Ihn im Stich gelassen zu haben, war nicht das einzige, was Michael in dieser Nacht auf der Seele lag⦠es war der Grund, weshalb er das Land überhaupt erst verlassen hatte, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog⦠Damon, Michaels Bruder. Kane hatte Damon noch nicht gesehen, seit er wieder bei Sinnen war⦠dem, was davon übrig war zumindest, aber die Erinnerungen, die er an ihn hatte, waren groÃteils positiv. Damon hatte eine übertrieben ausgeprägte wilde Ader und die beiden hatten Michael verdammte Kopfschmerzen bereitet, als er versucht hatte, mit ihnen mitzuhalten.
Kane schielte hinunter auf Michael und sah, dass dieser mit dem Ring um seinen Finger spielte, während er an Damon dachte. Es dauerte nicht lange, bis der Schlaf Michael übermannte und die lebhaften Träume begannen. Je länger die Träume andauerten, umso mehr lernte Kane darüber, was Michael versteckte. Er schloss seine Augen, ignorierte die Stadt um sich und konzentrierte sich zum ersten Mal völlig auf den Schmerz eines anderen.
Er erschrak, als er nicht nur den Träumen zuhörte, sondern auch visuelle Erinnerungen von vor vierzig Jahren bekam. Er sah von auÃen zu, wie sich alles zugetragen hatte, wie in einem dramatischen Film.
Michael hatte zum ersten Mal seit einem Jahrhundert den Drang gefühlt, Damon besuchen zu gehen. Als er seinen Bruder gefunden hatte, schien alles in Ordnung. Damon hatte ein gutes Leben im sozialen Rampenlicht von London geführt, und Michael hatte ihm dabei eine Weile lang Gesellschaft geleistet. Sie hatten sich groÃartig unterhalten, bis sie eine Frau getroffen hatten⦠Katie.
Die auserlesensten alleinstehenden Männer waren alle zur Feier ihres achtzehnten Geburtstags eingeladen gewesen, darunter auch die beiden Brüder. Sie war eindeutig die Schönheit des Balls. Was als einfacher brüderlicher Wettbewerb begonnen hatte, hatte sich in ein gefährliches Spiel der Eifersucht verwandelt. Alles schien bei ihnen zu einem Wettbewerb zu werden. Sie hatten Wochen damit zugebracht, einen stillen Krieg gegeneinander zu führen, um ihre Zuneigung zu gewinnen.
Damon hatte ihm gesagt, dass er gehen sollte⦠zurück über das Meer, aber Michael konnte nicht. Er würde Damon nicht gewinnen lassen, indem er weglief. Als die Rivalität zwischen den Brüdern eskalierte gingen sie einander an die Kehlen wegen eines Mädchens. Es war nicht so, dass sie ihre Seelenfreundin war, oder so, aber beide waren von ihr verzaubert gewesen. Und wie es das Schicksal wollte, hatte Katie dasselbe Problem⦠sie hatte sich in beide verliebt und wollte nicht wählen.
Was das Liebesdreieck nur noch verworrener machte, war die Tatsache, dass Katie dachte, dass die Brüder Menschen waren⦠sie hatten ihr keinen Grund gegeben, etwas Anderes zu denken.
Sie hatten Katie an jenem Abend zum Tanzen ausgeführt, aber das war ein tödlicher Fehler gewesen. Die Spannung zwischen den Männern war zu groÃ. Nach etwa einer Stunde, in der einer innerlich langsam zugrunde ging, während der andere mit ihr tanzte, hatten die Brüder schlieÃlich die Fassung verloren. Sie hatten nicht einmal bemerkt, wie sehr sie die Kontrolle verloren hatten, bis ihre Augen ihre Farbe veränderten während sie einander die Hände um die Kehlen schlangen und ihre FüÃe vom Boden abhoben.
Sie hatten sie nicht einmal wegrennen gesehen. Michael und Damon waren plötzlich wieder zu Verstand gekommen, als sie drauÃen vor dem Tanzlokal Reifen quietschen und ein metallisches Krachen hörten. Als sie sie erreicht hatten⦠war sie schon tot gewesen.
Als Damon auf sie zu gerannt war, mit dem Vorhaben, sie mit seinem Vampirblut wiederzubeleben, hatte Michael ihn aufgehalten, weil sich schon eine Menschenmenge versammelt hatte. Damon hatte sich dann ernsthaft gegen ihn gewandt, hatte Michael die Schuld gegeben, weil er nicht gegangen war, als Damon es ihm aufgetragen hatte.
Sie hatten danach monatelang gekämpft⦠hatten immer wieder für ein paar Momente Waffenstillstand geschlossen, um über ihre Gefühle zu reden, aber das hatte immer wieder zu einem weiteren Kampf geführt. Michael wusste, dass Damon dunkler wurde und dass Damon ihn umbringen wollte. Wenn er das versuchen sollte, dann würde Michael sich selbst verteidigen, und einer der beiden würde sterben.
Daraufhin machte Michael etwas, von dem er sich geschworen hatte, dass er es nicht tun würde⦠er ging, um Syn zu besuchen. Syn war der erste Vampir. Er war schlafen gegangen und war jahrhundertelang nicht aufgewacht, aber Syn war nicht tot, denn er konnte nicht sterben⦠zumindest dachten das alle. Sie wussten nicht genau, wieso er sich entschieden hatte, die letzten paar Jahrhunderte zu schlafen, aber es schien als würde Syn darauf warten, dass etwas geschah.
Michael ging um die Statue herum, die Syns Ruhestätte in dem Mausoleum markierte. Er wusste, dass Syn tief unter ihm war. Er redete zu der leeren Grabstätte, hörte, wie seine Worte als Echo widerhallten⦠manchmal als Flüstern und manchmal in ohrenbetäubenden Schreien.
Gegen Damon zu kämpfen machte ihn verrückt, er hatte nicht gewollt, dass dies so weit ging. Er war sich nicht einmal sicher, ob einer von ihnen beiden das Mädchen überhaupt wirklich geliebt hatte. Er fühlte, wie sein Herz sich über den Boden ergoss, aufgrund des Schmerzes, den er seinem Bruder bereitet hatte⦠und Katie. Er wusste nicht, ob Syn zuhörte, aber es war schon genug, dass er endlich jemandem die Wahrheit erzählen konnte.
Die Augen der Statue bewegten sich, als sie ihn beobachtete. Sie war Syns Ebenbild, aber ohne Farben. Die Kerzen, die um ihn herum brannten, leuchteten, wurden schwächer und flackerten dann hoch auf, als sich die Statue bewegte. Geflüsterte Worte in einer längst vergessenen Sprache schwebten aus dem Boden hoch.
Die Stille, die daraufhin folgte, war wie ein beruhigender Donner und Michael wusste, dass Syn ihm vergeben hatte, auch wenn Damon es nicht getan hatte. Er rieb sich mit seinen Händen über seine Arme und versuchte, die Gänsehaut zu vertreiben. Syn war ein Mann der Magie und Michael fragte sich, welcher Zauber jetzt durch ihn krabbelte.
Er richtete sich wieder auf und trat aus dem Mausoleum hinaus, nur um vor dem Eingang Damon stehen zu sehen, der auf ihn wartete. Wieder folgten weiche, gefühlvolle Worte, aber es dauerte nicht lange, bis die Unterhaltung hitzig wurde. Michael wollte einfach, dass alles aufhörte⦠wollte seinen Bruder umarmen und von vorne beginnen.
Damon hatte den ersten Teil seiner Gedanken wörtlich genommen und ehe Michael ihn aufhalten konnte zog er einen Holzspeer aus seiner Jacke. Michael fühlte, wie das Holz sein Herz durchbrach und fiel auf seine Knie. Er sah zu Damon hoch und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber alles, was herauskam, war ein Gurgeln.
Michael fiel zur Seite, fühlte, wie das Blut in seinen Adern stehenblieb und sich in Asche verwandelte, als sein Sichtfeld sich schwarz verfärbte.
Mit Tränen in seinen Augen stolperte Damon weg, wusste, dass er nun verdammt war. Syns Stimme erklang in seinem Kopf und er schrie. Er griff nach seinem Kopf und beugte sich nach vorne, versuchte, die Stimme zum Schweigen zu bringen, aber man konnte Syn nicht zum Schweigen bringen.
In diesem Moment erwachte etwas in Michael brüllend zum Leben. Als er den schrecklichen Schmerz in seinem Herz fühlte, griff er nach dem Holzpfahl und zog ihn heraus. Es schmerzte ebenso sehr, ihn herauszuziehen, wie es geschmerzt hatte, als er hineingetrieben worden war.
âDamon!â, schrie Michael und kam schwankend wieder auf die Beine um seinen Bruder suchen zu gehen. Es war den ganzen Schmerz wert, wenn er den Ausdruck auf Damons Gesicht sehen durfte, wenn dieser erkannte, dass Michael noch am Leben war.
Michael lieà das blutige Holz aus seinem Ãrmel gleiten und stach damit auf Damon ein. âDas sollst du fühlen, Bruder!â, schrie er, als er es ihm heimzahlte. Ein Teil von ihm ging innerlich zugrunde, als er es tat, aber er musste dies irgendwie beenden.
Als Damon wiederauferstand, setzte Michael sich auf den Boden, um wieder zu Atem zu kommen. Er verstand nun, was Syn getan hatte⦠was die Worte in der Luft des Mausoleums gewesen waren. Es war ein Zauber, den nur Syn erzeugen konnte, und der es unmöglich machte, dass Michael und Damon einander umbrachten⦠vielleicht machte er es ihnen sogar unmöglich überhaupt zu sterben. Oh, sie konnten einander umbringen⦠aber es würde nur wehtun.
Sie waren nach jener Nacht noch mehrfach gestorben, immer durch den anderen ermordet worden. Michael hatte schlieÃlich aufgegeben und war nach Hause gekommen, lieà seinen Bruder am anderen Ende der Welt zurück. Er wusste, dass es sinnlos war, zu versuchen, sich mit seinem Bruder zu versöhnen, und obwohl sein Herz ihm lautstark mitteilte, dass noch nicht alles verloren war, war Michael immer noch unsicher.
Kane war schlau genug, sich still zu verhalten, als Michael aus dem erinnerten Albtraum hochfuhr. Er blinzelte und fragte sich, ob die Tatsache, dass er so tief in seine Gedanken eingedrungen war, Michael dazu gebracht hatte, die Erinnerungen so deutlich wiederzubeleben. Wenn es so war⦠dann hatte er sofort ein schlechtes Gewissen, als er Salz in der Luft roch. Er verschwand bevor Michael sich umdrehte, um das Kreuz anzusehen, gerade als die Sonne aufging.
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