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Gefährliche Dinge
Angelica seufzte. âDu weiÃt, wie ich bin. Ich würde manchmal meinen Kopf vergessen, wenn er nicht angewachsen wäre. Ich bin erst dazu gekommen, mir einen kleinen Teil dieses Ordners anzusehen.â
âJa, gut, du warst etwas in Eile, als du ihn heruntergeladen hastâ, sagte Zachary und seufzte. âDas waren schöne Zeiten.â
Angelica klickte auf die Festplatte und gab ein Wort in den Suchmodus ein.
âIch nehme an, du hast dich nicht benommenâ, fragte Angelica und lehnte sich auf ihrem Sofa zurück, während sie wartete, dass der Computer seine Arbeit machte.
âNatürlich nichtâ, lachte Zachary. âDu kannst mich nirgendwo hin mitnehmen, erinnerst du dich?â
Angelica zog den Kopf ein, als sie sich daran erinnerte, wie sie vor ein paar Monaten zu einer groÃen Gala gegangen waren. Während sie einen vierjährigen Werwolf verfolgt hatten, der verloren gegangen war, und darüber nicht sehr glücklich war. Am Ende der Nacht hatte Zachary seine Hosen verloren, weil der Werwolf sich in einem kindischen Wutanfall verwandelt und sie in Stücke gerissen hatte.
Das Lustigste aber war, dass Zachary kein Wort gesagt hatte, sie einfach ausgezogen hatte und in seiner Unterhose mit Hemd und Anzugjacke herumspaziert war. Angelica hatte sich nicht entschlieÃen können, ob sie vor Scham im Boden versinken, oder laut loslachen wollte. Als sie seine Beine mit kniehohen Strümpfen in Anzugschuhen gesehen hatte, wäre sie beinahe gestorben, als mehrere der jungen Damen sich um ihn tummelten und mit ihm tanzen wollten.
Ihr Laptop biepte und sie beugte sich nach vor, um zu sehen, was er gefunden hatte.
âEtwas gefunden?â, fragte Zachary.
Angelica öffnete ein paar der Dateien, in denen der Computer das Wort Misery gefunden hatte, und begann zu lesen. Ihre Zigarette fiel ihr aus den Fingern, während sie las, und landete auf ihrem FuÃ.
âAutsch, verdammt!â, fluchte sie, hob die Zigarette schnell wieder auf und drückte sie aus.
âAlles in Ordnung?â Zachary runzelte besorgt die Stirn und hob eine Hand, als Trevor wissen wollte, was los war.
Angelica überflog die Information, nur um sicherzugehen. âIch nehme den nächsten Flug dort runterâ, erklärte sie, ehe sie das Schnurlostelefon abschaltete und weglegte. Sie sah zurück auf den Bildschirm und kümmerte sich nicht mehr um Zacharys Fragen. Es war nicht das, was sie gelesen hatte, was sie davon überzeugte, dass dies gefährlich war⦠es war die Tatsache, dass der Chef des TEP sie gerade irgendwie aus der Datei ausgesperrt hatte.
Wenn Storm Geheimnisse hatte⦠dann wollte sie wissen, wieso.
Kapitel 2
Anthony schritt ohne Unterlass über den Marmorboden seines Arbeitszimmers auf und ab. Er fuhr mit einer Hand frustriert und wütend durch sein dunkles Haar. Er wusste, dass er seine Fassung verloren hatte, als er Arthur umgebracht hatte, und jetzt hatte er sein Druckmittel verloren, um Jewel zu zwingen, ihn zu heiraten⦠nicht dass ihn das davon abhalten würde.
Er hatte gewollt, dass die Situation ruhig blieb⦠aber als Arthur Anthonys Vater ins Spiel gebracht hatte, hatte der Werwolf-Teil in ihm durchgedreht. Nun würde er eine andere Methode anwenden müssen, um seine flüchtige Braut zurückzuholen. Das Problem war, dass er sie zuerst finden musste.
Jemand klopfte an die Tür und Anthony blieb lange genug stehen, um sein Haar und seine Kleidung glatt zu streichen. Er war ein Alphamann, dazu gehörte ein gewisses Auftreten.
âHereinâ, rief er mit kalter Stimme.
Die Tür öffnete sich und einer seiner Wölfe trat ein und schloss die Tür hinter sich.
âWas hast du gefunden?â, fragte Anthony.
Das Rudelmitglied sah sehr nervös aus und räusperte sich. âIch bin dort geblieben, wie Sie befohlen haben, um zu sehen, ob der Priester zurück zur Kirche kommt. Ich war noch nicht lange da, als in der Kirche und auf dem Friedhof dahinter die Hölle losbrach. Leute tauchten überall auf, die meisten aus dem Nichts.â Er hielt inne und schluckte nervös, bevor er hinzufügte: âDa bemerkte ich, dass Jewel bei ihnen war.â
âWo ist sie dann jetzt?â, fragte Anthony drohend, während er mit schnellen Schritten auf den Mann zukam. âWieso hast du sie nicht mitgebracht?â
Der Wolf wich zurück, Panik in seinen Augen, er wusste, dass es nie eine schöne Sache war, dem Alpha schlechte Nachrichten zu bringen. âIch konnte nichtâ, sagte er zitternd.
Anthonys Hand schoss plötzlich nach vor und er packte seinen Untergebenen an der Kehle, hob ihn in die Luft. âDu bist ein Werwolf. Wieso hast du sie nicht einfach genommen?â
âSie war von Wertieren umgeben⦠zu vielen davonâ, erklärte der Wolf, während er seine Hände hob und versuchte, ein wenig Druck von seiner Kehle zu nehmen.
Anthonys Griff wurde nur noch fester und seine Augen nahmen eine gespenstische, goldene Farbe an. Sein Bruder war endlich aus Italien zurückgekommen, er war sich dessen sicher. âHabe ich dir nicht beigebracht, wie du gegen ein anderes Rudel, als dein eigenes zu kämpfen hast? Mein Bruder hätte keine Chance gegen dich haben dürfen.â Das war eine Lüge. Der Wolf würde jetzt irgendwo im StraÃengraben liegen, wenn er es gewagt hätte, Andreas Valachi anzugreifen.
âWa-en keine Wööölfeâ, krächzte der Wolf, während er zu atmen versuchte.
Anthony richtete ruckartig seine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann, den er würgte, und riss seine Hand weg, als er erkannte, dass er ihn schon fast umgebracht hatte. âWer war es?â, wollte er wissen, wobei die rasende Wut in seiner Stimme deutlich zu hören war.
Der Wolf lag in einem Häufchen am Boden und versuchte, wieder zu Luft zu kommen. Er kam mühsam auf Hände und Knie hoch, ehe er seine Stirn auf den kalten MarmorfuÃboden stützte. Er hielt seinem Anführer seinen bloÃen Nacken hin, als Zeichen seiner Unterwerfung, während er sich wünschte, dass er davongelaufen wäre, als er die Möglichkeit gehabt hatte.
âKatzen⦠ich habe Katzen gerochenâ, sagte er nach ein paar Sekunden. âPumas und Jaguare⦠viele davon.â Er hob seinen Kopf und sah, wie Anthonys Augenbrauen sich drohend zusammenzogen. Er fügte schnell hinzu: âEin Puma hat sie auf Schritt und Tritt verfolgt. AuÃerdem war die Gegend voller Vampire. Ein Teil der Kirche flog in die Luft, und dann kam auch noch ein Polizeiauto.â
Anthony stand da und versuchte, Herr über seine wachsende Wut zu werden. Aber je länger er da stand, umso wütender wurde er. Sein Plan, seine flüchtige Partnerin zurückzuholen war nun schon mehrfach entweder durch seine eigenen Handlungen, oder durch die seiner dummen Untergebenen durchkreuzt worden.
Er bedeutete seinen Leibwächtern, näher zu kommen. âBringt ihn in den Keller, wo er in seinem Versagen schmoren kann.â
Der Wolf setzte sich auf seine Knie auf, ein flehender Ausdruck in seinem Gesicht. Er hatte Geschichten über den Keller gehört, und was er enthielt. Einige der Werwölfe, die die Folter überlebt hatten, hatten noch immer Narben davon, die sie herzeigen konnten. Er winselte mitleiderregend, als seine Arme von den Wachen gepackt wurden, und er auf die FüÃe hochgezogen wurde.
Die Wächter sahen ihm nicht ins Gesicht, sie sagten auch nichts Beruhigendes oder Erniedrigendes. Wenn es nach ihnen ging, dann hätten sie ihn laufen lassen. In ihren Augen hatte Fräulein Jewel gute Gründe, vor ihrem Alphamann wegzulaufen. Sie war unglücklich und, trotz Anthonys Bemühungen, würde sie ihn nie lieben. So zu leben, sich am Unglück von anderen zu ergötzen, war nicht die echte Werwolf-Art⦠es war die Art der Mafia.
Früher hatten sie die Menschheit vor dem Bösen bewahrt, das drohte, die Welt zu überwältigen. Jetzt, mit Ausnahme einiger Rudel, die über die ganze Welt verteilt lebten, waren sie das Böse. Es war kein Wunder, dass die Menschen Filme machten, die sie als tollwütige Hunde darstellten, die es nur darauf abgesehen hatten, Tod und Zerstörung zu verursachen.
Anthony folgte den Wachen hinunter in den Keller und grinste, als der junge Werwolf leise winselte. Das Untergeschoss der Villa war in eine groÃe, unterirdische Folterkammer verwandelt worden, die mehrere hundert Quadratmeter beanspruchte. Ketten hingen an der gegenüberliegenden Wand, mit Manschetten, die eine Person aufrecht an den kalten Stein fesseln konnten.
Zur Rechten stand ein Tisch, der bedeckt war mit Peitschen und Ruten in verschiedenen GröÃen. Aus einem Kessel, in dem ein Feuer brannte, ragten ein paar Eisenstangen hervor, die für Brandmarken benutzt wurden, die Anthony aber noch sehr selten angewendet hatte. Und schlieÃlich, an der Wand, genau gegenüber davon, war eine Reihe von Zellen, die ein paar Insassen beherbergten.
Ein paar Werwölfe bewegten sich in den Schatten und bereiteten noch mehr Werkzeuge für einen Spezialgast vor, den Anthony zu seiner groÃen Freude vor ein paar Wochen erhalten hatte. Sie blieben stehen und sahen neugierig hoch, als der Alphamann mit seinen Wächtern und einem neuen Wolf, der diszipliniert werden sollte, die Kammer betrat.
Anthony blieb stehen während die Leibwächter den Wolf an die Wand fesselten und winkte sie dann weg, als sie fertig waren.
âWas sollen wir mit ihm tun, Herr Anthony?â, fragte der leitende Werwolf.
âIch möchte, dass ihr ihm eine Lehre erteiltâ, antwortete Anthony. âEr hat versagt, mir meine Braut zurückzubringen, und er muss lernen, dass Versagen nicht toleriert wird.â
Boris schaute hinüber zu dem Mann und seufzte innerlich. âEr ist nur ein Junge.â
âDann wird er früh lernen.â Anthonys Stimme war völlig emotionslos.
Boris hob eine vernarbte Hand und winkte zwei der anderen Werwölfe herbei. Sie näherten sich und rissen die Rückseite des Hemds des jungen Wolfs auf. Boris hob eine der Peitschen und lieà sie in der Luft schnalzen. Der gefesselte Wolf zuckte zusammen, was Anthony ein Grinsen entlockte.
Boris stellte sich knapp zwei Meter hinter den Jungen und lieà die Peitsche nach vorn schieÃen. Der junge Wolf schrie auf, als die Peitsche sich in seinen Rücken biss. Das Schreien endete nicht, während Boris die vorhin makellose Haut auspeitschte. SchlieÃlich hörte er auf und ein weiterer Werwolf trat nach vor mit einer groÃen Schüssel mit Salz. Mehr Schmerzensschreie folgten, als das Salz in die blutenden Wunden geworfen wurde.
Der junge Wolf sackte an der Wand zusammen, dachte, dass die Folter vorbei war, nur um gleich wieder aufzuschreien, als die Schläge wieder begannen⦠nur diesmal mit noch zwei weiteren Peitschen dabei.
Anthony hob seine rechte Hand, um sie besser sehen zu können und runzelte die Stirn, als er sah, dass er seine Nägel schon wieder schneiden musste. Er zuckte die Schultern, wandte sich von den Schlägen ab und näherte sich der Zelle, die von allem am weitesten weg, am anderen Ende des Kellers war. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als die schweren Ketten klirrten.
Der Mann in der Zelle war plötzlich auf seinen FüÃen und zog an seinen Fesseln, versuchte, sich auf Anthony zu stürzen.
Anthonys schlechte Laune verflog plötzlich, als er das stolze Männchen dort sah. Sein Lächeln wurde noch breiter, als er sich eine neue Möglichkeit überlegte, Jewel wieder in seine Hände zu bekommen, weg von den Pumas, bei denen sie Unterschlupf gesucht hatte.
âIch bin froh, dass ich nur einmal auf dich geschossen habe, Micah⦠ich könnte noch Verwendung für dich haben.â
*****
Tabatha sah sich in der Wohnung um, die sie mit Kriss teilte, und zitterte. Normalerweise machte es ihr nichts aus, alleine zu sein, aber aus mehreren Gründen war es heute Nacht richtig schwierig auszuhalten. Sie sah zum Fenster hinüber, jedes Mal, wenn sie ein Geräusch hörte, und hoffte, dass es Kriss war, der zurückkam. Sie hatte gedacht, dass es ihr gut ging, als Envy und Devon sie am Weg zu Chads Haus nach Hause gefahren hatten, aber jetzt erkannte sie, wie sehr sie Gesellschaft brauchte.
Envy hatte sie gefragt, ob sie mit ihnen mitkommen wollte, nur für den Fall. Envy brauchte Unterstützung, um mit ihrem Bruder fertig zu werden. Aber Tabby hatte gedacht, dass Kriss vielleicht bald nach Hause kommen würde, und sie wollte ihn fragen, was passiert war, also hatte sie abgelehnt⦠und jetzt wünschte sie, dass sie es nicht getan hätte.
Als sie an Kriss dachte, wanderten ihre Gedanken zu Dean und wie er sich in der Kirche benommen hatte. Sie konnte noch immer seinen Gesichtsausdruck sehen, als er Kane erblickt hatte.
Tabatha schüttelte in einem vergeblichen Versuch, nicht an ihn zu denken, ihren Kopf, als das Bild von Kane in ihrem Kopf aufleuchtete. Ihn dort sterbend liegen zu sehen, hatte irgendetwas tief in ihrem Herzen und ihrer Seele durcheinander gebracht. Sie konnte nicht verstehen, wieso, aber bei dem Gedanken daran, dass er sterben sollte, wollte sie sich nur in einen kleinen Ball zusammenrollen.
âReià dich zusammenâ, flüsterte sie, um die Stille zu brechen. âWas du brauchst, ist ein wenig Ablenkung.â
Sie nahm das Telefon in die Hand und beschloss, Jason in der Arbeit anzurufen, um zu sehen, was sie alles verpasst hatte, seit Kriss sie bis nach Florida geflogen hatte.
Das Telefon klingelte dreimal, bevor es abgehoben wurde.
âNaturschutzgebiet, Ranger Fox sprichtâ, leierte eine sexy Stimme herunter.
âHi Jason, ich bin's, Tabby.â Sie lächelte zum ersten Mal, seit sie durch die Haustür getreten war.
âTabby?â, rief Jason, und sie hörte, wie etwas zu Boden fiel, vermutlich sein Stuhl, denn er schaukelte gewöhnlich in gefährlichem Winkel auf zwei Beinen. âWo, zur Hölle, warst du?â
âKriss hat mich und Envy sozusagen entführt und für ein paar Tage nach Florida mitgenommenâ, antwortete Tabby. âIch bin gerade nach Hause gekommen und dachte, ich rufe mal an, um zu sehen, was ich verpasst habe.â
Jason seufzte. âAbgesehen von dem alltäglichen, verrückten Zeug hast du nicht viel verpasst. Das einzige Aufregende war letzte Nacht, als wir einen Anruf von einem richtig besoffenen Typen bekommen haben.â
Tabby grinste und setzte sich auf das Sofa. âErzähl!â
âJacob und ich, wir saÃen einfach rum, es war eine langweilige Nacht, dann klingelt das Telefon. Ich hob ab und da war dieser Typ, der davon redete, dass er einen Jaguar einen Puma durch die Stadt jagen gesehen haben will â mit einem Handy an sein Bein gebunden.â
Tabatha konnte nicht anders, sie begann laut zu lachen. Wenn sie vor ein paar Wochen an Jasons Stelle gewesen wäre, hätte sie dasselbe gedacht. âOh verdammtâ, rief sie.
âWem sagst du dasâ, meinte Jason kichernd. âJacob und ich haben Wetten darüber abgeschlossen, ob es SMS-Nachrichten geben wird, wenn sie das Vieh finden.â
âBist du sicher, dass du nicht eine von Kats Spezialitäten getrunken hast?â, fragte sie, noch immer lachend.
âIch trinke nicht in der Arbeitâ, rief Jason und Tabatha hörte Jacobs Lachen im Hintergrund. âAlso, wann kommst du wieder in die Arbeit?â
Tabatha zuckte die Schultern. âIch weià es noch nicht. Ich brauche noch ein paar Tage, und ich muss meine Urlaubstage aufbrauchen.â
âIn Ordnung, aber wir vermissen dich. Es ist einfach nicht dasselbe hier, wenn es kein hübsches Gesicht gibt, das das Büro ein wenig aufhellt. Jetzt habe ich nur Jacob und er ist nicht wirklich ein Blickfang.â
âIch habe euch auch vermisstâ, sagte Tabatha, und sie meinte es auch. âWir treffen uns mal, dieser Tage.â
Jason schwieg zwei Sekunden, und Tabatha wusste instinktiv, was kommen würde. âWie geht es Envy?â
âIhr geht es auch gut. So wie ich, hat sie einfach ein paar Tage Urlaub gebraucht.â Sie biss sich auf ihre Lippe, als mehrere Sekunden Stille folgten.
âIst es wahr?â, fragte Jason.
âIst was wahr?â, fragte Tabatha und versuchte, so zu klingen, als hätte sie keine Ahnung, wovon er sprach.
âIst Envy wirklich mit Devon Santos zusammen?â Jasons Knöchel wurden weiÃ, als er den Hörer ein wenig fester umklammerte.
Tabatha seufzte, sie wusste, dass dies Jason sehr wehtun würde, aber bis zu einem gewissen Grad, war es auch seine Schuld. Jemand, der so süà war, sollte sich nie in das Mädchen verlieben, das ihn als besten Freund und Bruder ansah.
âJa, es ist wahrâ, sagte Tabatha mit weicher Stimme. âIch weiÃ, dass sie dich nicht verletzen wollte. Sie mag dich wirklich sehr⦠du weiÃt schon.â
Jason atmete langsam aus und Tabatha hatte Mitleid mit ihm. Er war schon so lange hinter Envy her, dass sie die einzige Frau war, die er je angesehen hatte. Jetzt war sie auÃerhalb seiner Reichweite, aber das würde Tabatha ihm nicht erzählen. Das musste Envy selbst tun.
âIch weiÃ, dass sie das nicht wollteâ, sagte Jason schlieÃlich. âIch schätze, ich hätte es mir denken sollen, als sie nicht einmal bemerkt hat, dass ich mit ihr flirtete.â
âSie hat es bemerkt, Jasonâ, sagte Tabatha. âAber sie hatte Angst, dass es eurer Freundschaft schaden könnte.â
Jason schnaubte. âJa, ich nehme an, das hätte es, aber man kann es einem Mann nicht übelnehmen, dass er träumt, nicht wahr?â
âIch kann dir eine Menge Dinge übelnehmenâ, hörte Tabatha Jacob im Hintergrund sagen.
âHalt's Maul, verdammtâ, knurrte Jason gespielt wütend und Tabatha hörte, wie er die Stuhlbeine schwungvoll auf den Boden setzte. âTabatha, ich rufe dich später an. Das Kind hier hat beschlossen, Papierkugeln auf mich zu schieÃen.â
Tabatha kicherte und nickte. âOkay, wir reden später.â
Sie beendete den Anruf und saà einen Augenblick lang da, bevor sie das Telefon wieder in das Ladegerät steckte. Als sie sich nun wieder in der Wohnung umsah, fühlte sie sich nicht mehr ganz so einsam. Jason würde ihre Freundschaft jetzt mehr denn je brauchen, und gebraucht zu werden half ihr, sich besser zu fühlen.
Sie stand auf, streckte ihre Arme über ihren Kopf in die Luft und ging zurück zu ihrem Zimmer. Nachdem sie sich ausgezogen hatte, zog sie eine Männer-Boxershorts und ein ärmelloses Top an, bevor sie sich in die kühle, bekannte Weichheit ihres Bettes sinken lieÃ.
Dieses Mal versuchte sie nicht, die Szene aufzuhalten, die sich in ihrem Kopf abspielte, als sie einschlief. SchlieÃlich musste sie herausfinden, was sie bedeutete, und sie würde nicht weggehen, solange sie es nicht wusste⦠also wieso sollte sie dagegen ankämpfen? Sie versank in der Dunkelheit des Schlafs während sie noch immer durch die Kirche und in Kanes Augen starrte.
*****
Jewel ging in Stevens Schlafzimmer auf und ab. Ihre Arme vor ihrer Brust verschränkt hatte sie wieder begonnen, Nägel zu beiÃen, etwas, das sie seit ihrer Kindheit nicht mehr getan hatte.
âDies ist meine Schuldâ, sagte sie leise und versuchte, das Bild ihres Vaters, gekreuzigt über dem Altar derselben Kirche, die er den GroÃteil seines Lebens besucht hatte, abzuschütteln. Wie oft hatte er dort gebetet, direkt unter dem Ort, wo er gestorben war? Sie hatte gewusst, dass Anthony gemein war, aber dies war sadistisch.
Steven sah zu, wie die Frau auf und ab lief und konnte sogar sehen, wie sich ihre Lippen bewegten, als sie geräuschlos in ihrem Kopf Hasstiraden loslieÃ. Er streckte seine Hand aus und legte sie beschützend auf ihren Arm in der Hoffnung, sie zu beruhigen. âJewel, nichts davon ist deine Schuld.â
Sie zog ihre Augenbrauen zusammen, als sie auf die Hand hinunter sah, dann schenkte sie ihm einen bösen Blick. âDu hast teilweise sogar recht. Es ist ebenso sehr deine Schuld, wie meine. Und jetzt, wo Papa tot ist, brauche ich Anthony nicht mehr zu heiraten und damit muss ich garantiert nicht mehr mit dir verheiratet bleiben.â
Jewel drehte sich von ihm weg, sodass seine Hand hinunterfiel. Das Letzte, was sie im Moment brauchte, war, von ihren Sünden reingewaschen zu werden⦠sie war schuldig wie der Teufel. Sie hatte Anthony die Nägel gegeben, mit denen er ihren eigenen Vater gekreuzigt hatte.
Steven würde es nicht zugeben, aber ihre Worte trafen ihn hart. Er antwortete auf die einzige Art, die er sich im Augenblick vorstellen konnte, nachdem sie offensichtlich keine ermutigenden oder liebevollen Worte hören wollte.
âMeinst du wirklich, dass Anthony dich nicht mehr verfolgen wird, nur weil er deinen Vater umgebracht hat?â, rief Steven. Er wusste, dass er recht hatte, und dass sie nicht eine verdammte Sekunde auf ihn hören würde.
âEr hat meinen Vater getötet⦠ich habe mit dem Teufel getanzt, weil ich wollte, dass mein Vater in Sicherheit und am Leben war. Wenn Anthony es jetzt wagt, in meine Nähe zu kommen, werde ich ihm seinen verdammten Kopf vom Hals schlagen.â Jewel fühlte sich so merkwürdig. Es war, als wäre sie nach auÃen hin völlig ruhig, während sie innerlich wie verrückt zitterte.
Sie hatte stundenlang geweint, aber ihre Wut hatte sie schlieÃlich wieder nüchtern gemacht. Sie hatte genug Tränen vergossen. Jetzt war es Zeit, ihr Leben wieder zurückzuholen. Sie hatte sich einen Plan überlegt, wie sie Anthony eine Falle stellen konnte, und sie hoffte, dass Steven recht hatte⦠dass Anthony sie holen kommen würde, denn sie würde dafür bereit sein.
âIch kann dich nicht gehen lassenâ, erklärte Steven. Wenn sie sich nicht selbst schützen würde, dann war es seine Pflicht als ihr Partner⦠es für sie zu tun. Er sah zu, wie ihre rot umrandeten Augen sich auf ihn richteten, und seinen Blick auffingen.
âDann bist du um nichts besser als Anthony und ich werde dich den Rest meines Lebens hassenâ, sagte sie stur. Sie wollte, dass Steven auf sie wütend wurde, sie hinauswarf und sich seine Hände von ihr wusch. Wenn er das machte⦠dann würde Anthony ihn vielleicht nicht ebenso töten wie ihren Vater. Sie wollte nicht die Schuld an noch mehr schrecklichen Morden haben, es sei denn, das Opfer war Anthony⦠sie würde mit Freude die Schuld daran auf sich nehmen.
Steven starrte sie eine Minute lang wütend an, dann riss er die Tür auf und trat zur Seite. âLos dann! Ich biete dir an, dass ich deinen Hintern rette, und du willst dich dafür mit mir anlegen? Geh schon, lass uns sehen, wie weit du kommst, gegen etwas, wovon du nicht die leiseste Ahnung hast, wie man es umbringen kann.â Steven lächelte sie gemein an. âNur damit du es weiÃt, die Filme sind nur voller Unsinn.â
âDu musst es ja wissen!â, schrie Jewel zurück und machte ein paar Schritte auf die Tür zu. Wieso wollte er immer noch versuchen, sie zu retten? Verstand er nicht, dass sie nur seinen Tod bedeuten würde?
Steven schloss seine Augen und schaute weg. âJa, ich muss es wissen⦠nicht wahr?â, spottete er und öffnete dann seine Augen wieder, als Jewel versuchte, an ihm vorbeizuschlüpfen. Panisch packte Steven sie um die Hüfte und zog sie an sich. âVerdammt, warte!â, gab er endlich nach.
Jewel begann sich an ihm zu winden und zu zappeln, also zog er sie noch fester an seine Brust. âWenn du ihm eine Falle stellen willst, bitte, aber du kannst es nicht alleine. Lass uns dir helfen.â
Jewel drückte sich von seiner Brust ab, lehnte sich zurück, sodass sie zu ihm hochsehen konnte. âWieso? Damit du auch am Kreuz hängen kannst?â Sie wollte schreien, als das Bild sich wieder vor ihr inneres Auge schob. âIch will nicht, dass das geschieht.â
Sie wusste nicht genau, was sie für Steven empfand, aber der Gedanke, dass er so sterben sollte, gab ihr das Gefühl, als hätte ihr jemand ein Messer in die Brust gerammt. âWenn du mich jetzt gehen lässt, dann wird er keinen Grund haben, hinter dir her zu sein.â Sie packte seinen Hemdkragen mit ihren kleinen Händen. âDu wirst in Sicherheit sein⦠und am Leben.â
âEr wird sowieso hinter mir her seinâ, erklärte Steven und fuhr dann mit einem Finger über die Paarungsmarke, die er ihr gegeben hatte. Er lächelte sanft, als er fühlte, wie sie unter seiner Berührung erzitterte. âWie ich sagte, dies ist das echte Leben. Wenn du zu ihm zurückgehst und er die Paarungsmarke sieht, wird er hinter mir her sein, egal was du sagst oder machst.â