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Der Aufstand Der Tapferen
Der Aufstand Der Tapferen

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Als er sie so nah sah, wusste Alec, dass er ein toter Mann war.

Alec stürmte mit letzter Kraft voran, seine Hände schwitzten selbst in der Eiseskälte schwitzten seine Hände, sein Atem gefror in dicken weißen Wolken vor ihm. Die Wilvox waren kaum mehr als zehn Meter entfernt und der gierige Blick in ihren Augen, der Sabber, der ihnen aus den Mäulern lief, sagte ihm, dass sie ihn in Stücke reißen würden. Er sah keinen Ausweg. Er warf Marco einen Blick zu in der Hoffnung, dass er einen Plan hatte, doch er sah genauso verzweifelt aus. Auch er wusste nicht, was sie tun sollten.

Alec schloss die Augen und tat etwas, was er noch nie zuvor getan hatte: er betete. Sein Leben lief vor seinen Augen ab, und es veränderte ihn – es ließ ihn erkennen, wie sehr er das Leben liebte und mehr denn je wollte er weiterleben.

Bitte Gott, rette mich. Nach allem, was ich für meinen Bruder getan habe, bitte lass mich nicht hier sterben. Nicht an diesem Ort, nicht durch diese Kreaturen. Ich würde alles dafür tun.

Als Alec die Augen öffnete, hob er den Blick und bemerkte diesmal einen Baum, der ein wenig anders war als die anderen. Seine Äste waren knorriger und hingen tiefer hinab, gerade tief genug, um einen im Sprung zu erreichen. Er hatte keine Ahnung, ob die Wilvox klettern konnten, doch er hatte keine andere Wahl.

„Der Ast!“, schrie Alec Marco wild gestikulierend zu.

Gemeinsam rannten sie zu dem Baum und als die Wilvox näher kamen, nur wenige Meter entfernt, sprangen sie und zogen sich an dem Ast hoch.

Alecs Hände rutschten auf dem verschneiten Ast, doch es gelang ihm, sich festzuhalten und er zog sich hoch zum nächsten Ast hoch, der ein paar Meter über dem Boden war. Von dort sprang er sofort zum nächsten Ast, immer höher. So schnell war er noch nie in seinem Leben geklettert.

Die Wilvox erreichten den Baum, sprangen hoch und hieben nach ihren Beinen. Alec spürte ihren heißen Atem an seinen Fersen einen Augenblick bevor er sprang und ihre Kiefer verfehlten ihn um Zentimeter.

Die Jungen kletterten weiter, angetrieben durch das Adrenalin, bis sie gut fünf Meter über dem Boden waren und so sicher, wie sie sein konnten.

Alec hielt schließlich inne und klammerte sich mit aller Kraft an dem Ast fest. Schweiß brannte ihm in den Augen, während er langsam wieder zu Atem kam. Er sah nach unten und betete, dass die Wilvox nicht klettern konnten.

Zu seiner Erleichterung waren sie immer noch am Boden; knurrend und schnappend sprangen sie am Baum hoch, doch offensichtlich unfähig zu klettern. Sie kratzten wütend an der Rinde des Baums, doch ohne Erfolg.

Die beiden Jungen saßen auf dem Ast und als sie begriffen, dass sie in Sicherheit waren, seufzten beide erleichtert. Marco lachte und Alec sah ihn überrascht an. Es war ein verrücktes Lachen, ein Lachen der Erleichterung, das Lachen eines Mannes, dem es unerwartet gelungen war, dem Tod zu entkommen.

Als Alec erkannte, wie knapp es gewesen war, konnte auch er ein Lachen nicht unterdrücken. Er wusste, dass sie noch nicht in Sicherheit waren; er wusste, dass sie nicht vom Baum herunter konnten solange die Wilvox da unten waren und dass sie womöglich trotz allem hier sterben würden, doch zumindest für den Augenblick waren sie sicher.

„Sieht so aus, als wäre ich dir was schuldig“, sagte Marco.

Alec schüttelte den Kopf.

„Du solltest mir noch nicht danken“, erwiderte Alec.

Die Wilvox knurrten wütend und Alec blickte mit zitternden Händen nach oben. Er wollte noch weiter von den Biestern weg und fragte sich, wie hoch sie klettern konnten, und ob es einen Ausweg aus der Situation gab.

Plötzlich erstarrte er. Als er aufblickte, zuckte er zusammen, erfasst von einer Angst, wie er sie noch nie erlebt hatte. Von dort oben, aus den Ästen über ihm, blickte die hässlichste Kreatur auf ihn herab, die er je gesehen hatte. Mehr als zwei Meter lang, mit dem Körper einer Schlange und zwölf krallenbewehrten Beinen und einem Kopf wie dem eines Aals starrte sie ihn aus schmalen mattgelben Augen an. Nur ein paar Meter über ihm zischte sie und riss das Maul auf. Alec erschrak darüber, wie weit sie es öffnen konnte – sie konnte ihn glatt im Ganzen verschlucken! Das rasseln ihres Schwanzes verriet ihm, dass sie im Begriff war anzugreifen und beide zu töten.

Als sich ihr Maul in Richtung von Alecs Hals senkt, reagierte er instinktiv. Er schrie auf und wich zurück, wobei er seinen Halt verlor und an nichts anderes denken konnte, als ihren tödlichen Fangzähnen und dem sicheren Tod zu entkommen.

Er dachte nicht einmal an das, was unter ihnen lauerte. Als er spürte, wie er vom Baum stürzte, erkannte er zu spät, dass er vom Regen in die Traufe flüchtete. Er blickte in die Tiefe und sah die sabbernden Wilvox, die ihre Mäuler aufrissen und wusste, dass er nichts tun konnte, als sich für den Aufprall zu wappnen.

Er hatte einen sicheren Tod gegen den anderen ausgetauscht.

Kapitel Drei

Als Kyra langsam durch die Tore von Argos zurückkam, lagen die Blicke der Männer ihres Vaters auf ihr und die Scham brannte. Sie hatte ihre Beziehung zu Theos falsch verstanden. Dumm wie sie war hatte sie geglaubt, dass sie ihn kontrollieren konnte – doch stattdessen hatte er sie vor all diesen Männern verschmäht. Alle hatten gesehen, dass sie schwach war und keine Macht über den Drachen hatte. Sie war nur ein Krieger wie jeder andere auch – nicht einmal ein Krieger, sondern nur ein Mädchen, das ihr Volk in einen Krieg gestürzt hatte, den sie ohne den Drachen nicht gewinnen konnten.

Kyra trat durch die Tore von Argos, spürte die Blicke und die unbehagliche Stille. Was sie jetzt wohl von ihr dachten? Sie wusste nicht einmal, was sie selbst denken sollte. War Theos nicht wegen ihr gekommen? Hatte er die Schlacht aus eigenem Antrieb geschlagen? Hatte sie etwa doch keine besonderen Kräfte?

Kyra war erleichtert, als die Männer ihre Aufmerksamkeit endlich von ihr abwandten und sich wieder damit beschäftigten, Waffen zu sammeln und sich für den kommenden Krieg vorzubereiten. Sie eilten umher, sammelten die Reichtümer ein, die die Männer des Lords zurückgelassen hatten, füllten Karren, führten Pferde weg und das Klirren von Stahl war überall zu hören, als sie Berge von Schilden und Rüstungen sammelten. Da es immer noch schneite und es langsam dunkel wurde, hatten sie keine Zeit zu verlieren.

„Kyra“, hörte sie eine bekannte Stimme.

Sie drehte sich um und war froh, Anvins lächelndes Gesicht zu sehen. Er sah sie mit Respekt an, mit der aufmunternden Güte und Wärme der Vaterfigur, die er immer für sie gewesen war. Er legte liebevoll einen Arm um ihre Schulter, lächelte breit unter seinem Bart und hielt ihr ein glänzendes neues Schwert hin, dessen Schneide mit pandesischen Symbolen graviert war.

„Der beste Stahl, den ich seit Jahren in Händen gehalten habe“, bemerkte er mit breitem Grinsen. „Dank dir haben wir genug Waffen, um einen Krieg zu beginnen. Du hast uns stärker gemacht.“

Kyra fand Trost in seinen Worten, so wie immer; doch es gelang ihr nicht, dieses Gefühl der Niedergeschlagenheit und Verwirrung abzulegen, weil sie der Drache abgewiesen hatte. Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich war das nicht“, antwortete sie. „Das war Theos Werk.“

„Aber Theos ist für dich zurückgekommen“, antwortete er.

Kyra blickte zum grauen Himmel hoch und fragte sich, ob er Recht hatte.

„Ich bin mir nicht sicher.“

Beide betrachteten schweigend den Himmel und die Stille wurde nur vom Pfeifen des Windes gestört.

„Dein Vater wartet auf dich“, sagte Anvin schließlich mit ernster Stimme.

Kyra folgte Anvin. Schnee und Eis knirschten unter ihren Stiefeln, als sie durch den Hof und das Gewimmel der Männer gingen. Sie gingen an Dutzenden der Männer ihres Vaters vorbei, als sie durch die Straßen von Argos gingen, Männer überall, seit langer Zeit endlich wieder einmal entspannt. Sie sah sie lachen, trinken und miteinander Scherzen, während sie Waffen und Vorräte einsammelten. Sie waren wie Kinder am Tag der Heiligen.

Dutzende der Männer ihres Vaters standen in einer Reihe und reichten säckeweise Getreide weiter, um es auf die Karren zu laden; ein weiterer Karren fuhr vorbei, auf dem die gestapelten Schilde klirrten. Er war so vollgeladen, dass ein paar über den Rand fielen und die Krieger beeilten sich, sie wieder einzusammeln. Überall um sie herum verließen Karren das Fort, einige zurück auf die Straße nach Volis, andere auf andere Straßen zu den Dörfern, zu denen sie ihre Vater geschickt hatte, alle gefüllt bis an den Rand. Kyra fand Trost in diesem Anblick und fühlte sich weniger schlecht wegen des Krieges, der wegen ihr ausgebrochen war.

Sie kamen um eine Ecke und Kyra sah ihren Vater, umgeben von seinen Männern. Er war damit beschäftigt Dutzende Schwerter und Speere zu inspizieren, die sie ihm entgegenhielten. Als sie sich näherte, drehte er sich um und bedeutete seinen Männern, sie allein zu lassen.

Ihr Vater sah Anvin an, und dieser stand einen Augenblick lang unsicher da, offensichtlich überrascht über den Blick, mit dem er auch ihn zu gehen bat. Schließlich wandte er sich ab, ging zu den anderen und ließ Kyra allein mit ihm. Auch sie war überrascht – nie zuvor hatte er Anvin gebeten, zu gehen.

Kyra blickte zu ihm auf, doch seine Miene war undurchdringlich wie immer. Er hatte das distanzierte Aussehen eines Anführers unter seinen Männern, nicht das liebevolle Gesicht des Vaters, das sie so kannte und liebte. Er blickte auf sie herab und sie war nervös, da so viele Gedanken in ihrem Kopf umherschwirrten: War er stolz auf sie? War er böse, weil sie sie in diesen Krieg gestürzt hatte? War er enttäuscht, weil Theos sie abgewiesen und seine Armee verlassen hatte?

Kyra wartete. Sie war sein langes Schweigen gewohnt, doch sie war unsicher, denn alles zwischen ihnen hatte sich so schnell verändert. Sie hatte das Gefühl, dass sie über Nacht erwachsen geworden war, während er von den jüngsten Ereignissen verändert worden war; es war, als wussten beide nicht mehr, wie sie miteinander umgehen sollten. War er der noch der Vater, den sie immer geliebt hatte, der ihr bis spät in die Nacht Geschichten vorgelesen hatte? Oder war er jetzt ihr Kommandant?

Er stand da und starrte sie an, und sie spürte, dass er nicht wusste, was er sagen sollte, während die Stille schwer zwischen ihnen hing. Schließlich konnte Kyra es nicht länger ertragen.

„Lässt du all das nach Volis zurückbringen?“, fragte sie, als ein Wagen voller Schwerter an ihnen vorbeifuhr.

Er drehte sich um und betrachtete den Wagen und es schien ihn aus seinem Tagtraum zu reißen. Er wandte sich nicht wieder zu Kyra um, sondern beobachtete kopfschüttelnd den Wagen.

„In Volis gibt es außer dem Tod nichts mehr für uns“, sagte er mit tiefer, entschlossener Stimme. „Wir gehen nach Süden.“

Kyra war überrascht.

„Nach Süden?“, fragte sie.

Er nickte.

„Esephus“, sagte er.

Aufregung machte sich in Kyra breit, als sie sich ihre Reise nach Esephus vorstellte, dem alten Bollwerk am Meer, ihrem größten Nachbarn im Süden. Sie wurde noch aufgeregter, als sie erkannte – wenn er dorthin ging, konnte es nur eines bedeuten: er bereitete sich auf den Krieg vor.

Er nickte, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

„Es gibt jetzt kein Zurück mehr“, sagte er.

Kyra sah ihren Vater mit einem Gefühl des Stolzes an, wie sie es schon seit Jahren nicht mehr empfunden hatte. Er war nicht mehr der selbstzufriedene Krieger, der seine besten Jahre in der Sicherheit einer kleinen Festung verbrachte, sondern der mutige Kommandant, den sie einst gekannt hatte, der bereit war, alles für die Freiheit zu riskieren.

„Wann gehen wir los?“, fragte sie mit pochendem Herzen und freute sich auf die erste Schlacht.

Sie war überrascht, als er den Kopf schüttelte.

„Nicht wir“, korrigierte er. „Meine Männer und ich. Nicht du.“

Kyra war schockiert, seine Worte waren wie ein Dolchstoß in ihr Herz.

„Warum lässt du mich zurück?“, stammelte sie. „Nach allem, was passiert ist? Was sonst muss ich tun, um mich dir zu beweisen?“

Er schüttelte entschieden den Kopf und als sie den Blick in seinen Augen sah, wusste sie, dass er sich nicht davon abbringen lassen würde.

„Du gehst zu deinem Onkel“, sagte er. Es war keine Bitte, es war ein Befehl und mit diesen Worten wusste sie, wo sie stand: sie war einer seiner Krieger, nicht mehr seine Tochter und das tat ihr weh.

Kyra atmete tief durch – sie würde nicht so schnell aufgeben.

„Ich will an deiner Seite kämpfen“, beharrte sie. „Ich kann dir helfen.“

„Du wirst mir helfen“, sagte er, „indem du dorthin gehst, wo du gebraucht wirst. Und ich brauche dich dort, bei ihm.“

Sie runzelte die Stirn und versuchte zu verstehen.

„Aber warum?“, fragte sie.

Er schwieg eine Weile bis er schließlich seufzte.

„Du besitzt…“, begann er, „…Fähigkeiten, die ich nicht verstehe. Fähigkeiten die wir brauchen, um diesen Krieg zu gewinnen. Nur dein Onkel weiß, wie man diese Fähigkeiten fördern kann.“

Er legte ihr bedeutungsvoll die Hand auf die Schulter.

„Wenn du uns helfen willst“, fügte er hinzu, „wenn du unserem Volk helfen willst, ist das der Ort, an dem du gebraucht wirst. Ich brauche nicht noch einen weiteren Krieger. Ich brauche die einzigartigen Talente, die du zu bieten hast. Die Fähigkeiten, die niemand sonst besitzt.“

Sie sah den Ernst in seinen Augen und fühlte sich schrecklich bei der Aussicht, nicht mit ihm gehen zu können, doch sie fühlte ein wenig Bestätigung in seinen Worten und sie weckten ihre Neugier. Sie fragte sich, welche Fähigkeiten er meinte und fragt sich, wer ihr Onkel war.

„Geh und lerne, was ich dir nicht beibringen kann“, fügte er hinzu. „Komm gestärkt zurück und hilf mir zu siegen.“

Kyra sah ihm in die Augen und sie spürte den Respekt, die Wärme zurückkehren, die sie sich wieder ganz fühlen ließen.

„Die Reise nach Ur ist lang“, sagte er. Ein Drei-Tages-Ritt nach Nordwesten. Du wirst Escalon allein durchqueren müssen. Du musst schnell reiten und dich versteckt halten. Meide die Straßen. Bald wird sich die Kunde dessen verbreiten, was hier vorgefallen ist – und den Zorn der pandesischen Lords wecken. Die Straßen werden gefährlich sein – du musst im Wald bleiben. Reite nach Norden, finde das Meer und bleib in Sichtweite. Es soll dein Wegweiser sein. Folge der Küste und du wirst Ur finden. Halte dich von den Dörfern und den Leuten fern. Halte nicht an. Sag niemandem wohin du gehst und sprich mit niemandem.“

Er hielt sie fest an den Schultern und sein eindringlicher Blick machte ihr Angst.

„Verstehst du mich?“, sagte er. „Es ist eine gefährliche Reise für einen Mann – und ganz besonders für ein einzelnes Mädchen. Ich kann niemanden entbehren, um dich zu begleiten. Du musst stark genug sein, es alleine zu tun. Bist du das?“

Sie konnte die Angst in seiner Stimme hören, die Liebe eines besorgten Vaters, der hin und hergerissen war, und sie nickte, stolz, dass ihr Vater ihr eine solche Mission zutraute.

„Das bin ich, Vater“, sagte sie stolz.

Er sah sie eindringlich an, dann nickte er schließlich zufrieden. Langsam füllten sich seine Augen mit Tränen.

„Von all meinen Männern“, sagte er, „von all diesen Kriegern, bis du diejenige, die ich am meisten brauche. Nicht deine Brüder, nicht einmal meine vertrautesten Krieger. Du bist die eine, die einzige, die diesen Krieg gewinnen kann.

Kyra war verwirrt und überwältigt; sie verstand nicht, was er meinte. Sie wollte ihn fragen, als sie plötzlich eine Bewegung wahrnahm.

Sie drehte sich um und sah Baylor, den Pferdemeister ihres Vaters, der sich ihnen wie immer lächelnd näherte. Ein kleiner, dicker Mann mit buschigen Brauen und dünnem Haar, kam mit federndem Schritt und lächelnd auf sie zu, dann sah er ihren Vater an, als ob er auf seine Zustimmung wartete.

Ihr Vater nickte ihm zu und Kyra fragte sich, was vor sich ging, als Baylor sich ihr zuwandte.

„Ich habe gehört, du wirst eine Reise machen“, näselte Baylor. „Dafür wirst du ein Pferd brauchen.

Kyra runzelte die Stirn.

„Ich habe ein Pferd“, antwortete sie und sah sich nach dem braven Pferd um, das sie im der Schlacht gegen die Männer des Lords geritten hatte. Es stand auf der anderen Seite des Hofs an einen Pfosten gebunden.

Baylor lächelte.

„Das ist kein Pferd“, sagte er.

Baylor sah ihren Vater an und der nickte.

„Folge mir“, sagte er, und drehte sich um, um in Richtung der Stallungen vorzugehen.

Kyra sah ihm irritiert hinterher, dann sah sie ihren Vater an. Er nickte.

„Folge ihm“, sagte er. „Du wirst es nicht bereuen.“

* * *

Kyra folgte Baylor über den verschneiten Hof, gefolgt von Anvin, Arthfael und Vidar zu den niedrigen Stallungen. Kyra fragte sich, was Baylor gemeint hatte und welches Pferd er für sie ausgewählt hatte. Ihrer Meinung nach gab es keine großen Unterschiede zwischen den Pferden.

Als sie das weitläufige Gebäude erreichten, das mindestens hundert Meter lang war, wandte sich Baylor zu ihr um.

„Die Tochter unseres Lords wird ein feines Pferd brauchen, das sie hinbringt, wo auch immer sie hingehen wird.“

Kyras Herz schlug schneller. Sie hatte noch nie zuvor ein Pferd von Baylor bekommen, das war eine Ehre, die normalerweise verdienten Kriegern vorbehalten war. Sie hatte immer davon geträumt, eines zu bekommen, wenn sie alt genug war und es sich verdient hatte. Es war eine Ehre, die bisher nicht einmal ihren älteren Brüdern zuteil geworden war.

Anvin nickte stolz.

„Du hast es verdient“, sagte er.

„Wenn du mit einem Drachen umgehen kannst“, fügte Arthfael mit einem Lächeln hinzu, „dann kannst du auch mit einem Schlachtross umgehen.“

Vor dem Stall sammelte sich eine kleine Menge, die ihnen gefolgt war. Die Männer machten eine Pause, offensichtlich neugierig zu erfahren, wohin sie geführt wurde. Ihre beiden älteren Brüder, Brandon und Braxton schlossen sich ihnen ebenfalls an und starrten wortlos in Kyras Richtung – mit Neid in den Augen. Schnell wandten sie den Blick ab, wie immer zu stolz, sie überhaupt zur Kenntnis zu nehmen von Lob ganz zu schweigen. Leider hatte sie von ihnen nichts anderes erwartet.

Kyra hörte Schritte und sah sich um, erfreut zu sehen, dass ihre Freundin Deirdre sich zu ihr gesellte.

„Ich habe gehört, du verlässt uns“, sagte sie, während sie neben ihr her ging.

Kyra ging neben ihrer neuen Freundin und fand Trost in ihrer Gesellschaft. Sie dachte, an ihre gemeinsame Zeit in der Zelle des Lord Regenten, all das Leid, das sie ertragen hatten und ihre gemeinsame Flucht, und das Band, das sie zwischen ihnen spürte. Deirdre hatte viel Schlimmeres durchgemacht als sie, und als sie sie ansah und die dunklen Ringe unter ihren Augen sah, die Aura des Leids und der Traurigkeit, die sie noch immer umgab, fragte sie sich, was aus ihr werden würde. Sie konnte sie nicht einfach allein in diesem Fort zurücklassen. Nachdem die Armee nach Süden zog, wäre Deirdre allein.

„Ich könnte jemanden gebrauchen, der mich auf meiner Reise begleitete“, sagte Kyra und hatte eine Idee, als sie die Worte aussprach.

Deirdre sah sie an, riss erfreut die Augen auf und lächelte. Die dunkle Aura schwand.

„Ich hatte gehofft, dass du fragen würdest.“

Anvin der zugehört hatte, runzelte die Stirn.

„Ich weiß nicht, ob dein Vater zustimmen würde. „Du hast eine ernste Aufgabe vor dir.“

„Ich werde mich nicht einmischen“, sagte Deirdre. „Wenn ich zurück zu meinem Vater will, muss ich Escalon sowieso durchqueren. Und wenn ich ehrlich bin, ist es mir lieber, wenn ich es nicht allein tun muss.“

Anvin rieb sich den Bart.

„Deinem Vater würde das nicht gefallen“, sagte er zu Kyra. „Sie könnte eine Belastung werden.“

Kyra legte beruhigend die Hand auf Anvins Arm. Sie hatte ihren Entschluss gefasst.

„Deirdre ist meine Freundin“, sagte sie. „Ich würde sie nie im Stich lassen, genauso wie du nie einen deiner Männer im Stich lassen würdest. Was sagst du immer? Wir lassen niemanden zurück.“

Kyra seufzte.

„Ich habe vielleicht geholfen, Deirdre aus dieser Zelle zu befreien“, fügte sie hinzu, „doch sie hat genauso mir geholfen. Ich stehe in ihrer Schuld. Tut mir leid, doch was mein Vater denkt, interessiert mich nicht. Ich bin es, die Escalon allein durchqueren soll, nicht er. Sie kommt mit mir.

Deirdre lächelte und hakte sich bei Kyra unter, sichtlich stolz. Kyra fühlte sich wohler bei dem Gedanken, sie auf ihrer Reise dabeizuhaben, und sie wusste, dass es die richtige Entscheidung war.

Kyra bemerkte, dass ihre Brüder ganz in ihrer Nähe gingen und sie konnte nicht umhin, eine gewisse Enttäuschung zu verspüren, dass sie nicht beschützender waren, dass sie nicht einmal daran gedacht hatten, anzubieten, sie zu begleiten. Doch sie empfanden sie als Konkurrenz. Es machte sie traurig, dass ihre Beziehung so war, doch sie konnte andere nicht ändern. Ohne sie war sie sowieso besser aufgehoben. Sie waren großmäulige Draufgänger und sie hätten sicher irgendetwas Dummes getan, das sie in Schwierigkeiten gebracht hätte.

„Ich würde dich auf gerne begleiten“, sagte Anvin, und man konnte den Selbstvorwurf in seiner Stimme hören. „Der Gedanke, dass du Escalon allein überqueren sollst, gefällt mir nicht.“ Er seufzte. „Doch dein Vater braucht mich mehr denn je. Er hat mich gebeten, ihn in den Süden zu begleiten.“

„Auch ich, würde dich gerne begleiten“, fügte Arthfael hinzu, „doch auch ich soll den Männern in den Süden folgen.“

„Und ich soll in seiner Abwesenheit über Volis wachen“, fügte Vidar hinzu.

Kyra war gerührt von ihrer Unterstützung.

„Macht euch keine Sorgen“, antwortete sie. „Es ist eine Reise von drei Tagen. Ich werde es schon schaffen.“

„Das wirst du“, stimmte Baylor ein. „Und dein neues Pferd wird dafür sorgen.“

Damit stieß Baylor die Tür zu den Stallungen auf und sie folgen ihm in das Gebäude, in dem der Geruch der Pferde schwer in der Luft lag.

Kyras Augen gewöhnten sich langsam an das schwache Licht, als sie ihm hinein folgte. Die Luft war kühl und feucht und erfüllt von dem nervösen Scharren der Pferde. Sie sah sich um und sah vor sich Reihen der schönsten Pferde, die sie je gesehen hatte – große, starke, schöne Pferde, schwarz und braun, jedes einzelne ein Champion. Der Stall war eine wahre Schatztruhe.

„Die Männer des Lords haben die besten für sich beansprucht“, erklärte Baylor im Gehen. Er war ganz in seinem Element. Er streichelte ein Pferd hier, tätschelte ein anderes dort und die Tiere schienen in seiner Gegenwart zum Leben zu erwachen.

Kyra ging langsam und genoss den Anblick. Jedes dieser Pferde war wie ein Kunstwerk, größer als die meisten Pferde, die sie bisher gesehen hatte, voller Schönheit und Kraft.

„Wir haben es dir und deinem Drachen zu verdanken, dass diese Pferde jetzt uns gehören“, sagte Baylor. „Da ist es passend, dass du dir eines aussuchst. Dein Vater hat mich angewiesen, dir die erste Wahl zu geben.“

Kyra war überwältigt. Als sie sich umsah, spürte sie die Last der Verantwortung, denn das war eine einmalige Auswahl.

Sie ging langsam, strich über ihre Mähnen, fühlte, wie weich sie waren, wie stark, und wusste nicht, welches sie wählen sollte.

„Wie soll ich meine Wahl treffen?“, fragte sie Baylor.

Er lächelte und schüttelte den Kopf.

„Ich habe mein ganzes Leben lang Pferde trainiert“, antwortete er. „Ich habe sie auch großgezogen. Und wenn es eines gibt, das ich dabei gelernt habe, dann ist es, dass keine zwei Pferde sich gleichen. Manche sind auf Schnelligkeit gezüchtet, andere auf Ausdauer, andere auf Stärke, während wieder andere gezüchtet werden, um große Lasten zu tragen. Manche sind zu stolz, irgendetwas zu tragen. Und wieder andere, ja, andere sind für den Krieg gemacht.

Manche blühen im Einzelkampf auf, andere wollen einfach nur kämpfen und andere sind geschaffen für einen endlosen Krieg. Manche werden dein bester Freund, andere wenden sich gegen dich. Deine Beziehung zu einem Pferd ist etwas Magisches. Sie müssen dich rufen, und du sie. Wähle gut, und du hast ein Pferd, das immer an deiner Seite sein wird, in Schlachten und Kriegen wie im Frieden. Kein guter Krieger ist vollkommen ohne sein Pferd.“

Kyra ging langsam mit vor Aufregung pochendem Herzen weiter, ging an einem Pferd nach dem anderen vorbei. Einige sahen sie an, andere wandten sich ab, einige wieherten und scharrten aufgeregt mit den Hufen, andere standen still. Sie wartete darauf, ein Band zu einem der Tiere zu spüren, doch nichts geschah. Sie war frustriert.

Dann, plötzlich, bekam Kyra eine Gänsehaut und es schoss durch sie hindurch wie ein Blitz. Ein scharfer Klang hallte durch den Stall, ein Klang der ihr sagte, dass das ihr Pferd war. Es klang nicht wie ein normales Pferd – sondern viel dunkler, mächtiger. Es drang durch das allgemeine Wiehern und Schnauben der anderen hindurch, wie ein wilder Löwe, der versuchte, aus seinem Käfig auszubrechen. Es machte ihr Angst und zog sie an.

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