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Hannibals Elefantenmädchen Buch Eins
»Auf Wiedersehen«, sagte er, als ich davonging. »Pass auf dich auf.«
* * * * *
Ich wollte nicht an dem Ort vorbeigehen, wo ich früher Tin Tin Ban Sunia getroffen hatte. Ich fragte mich, ob mich ein anderer Pfad auf Umwegen zu Yzebel führen würde, aber ich fühlte mich veranlasst am Zelt des Sklavenmädchens vorbeizugehen. Ich sah einen weiteren Korb Baumwollkapseln auf der kleinen Matte stehen und ihr Spinnwerkzeug lag daneben. Sie war nicht dort und der Ort schien verlassen.
Ein kleines Stück jenseits des Zelts sprach jemand hinter mir. Ich wirbelte herum, verlor beinahe mein Gleichgewicht und die Ladung Brot.
»Du hast mich erschreckt.«
»Es tut mir leid.« Das waren die weichen Worte von Tendao.
Meine Seite schmerzte mehr als zuvor, aber ich wollte niemandem erzählen, was passiert war. Froh über eine Pause, legte ich meine Bürde auf das Gras neben dem Pfad und dachte daran, wie sehr Tendao wie Hannibal schien, nur dass Tendao nicht die Stärke der Autorität besaß, die ich in Hannibal sah. Obolus, obwohl er ein Elefant war, war auch männlich, stärker als jeder von ihnen, aber er bekam Angst vor kleinen Dingen, so wie ich es tat.
»Wirst du für mich zu Lotaz gehen?«, fragte Tendao.
Ich zögerte, wollte sie nicht wiedersehen. Aber ich wusste, dass Tendao Schwierigkeiten hatte mit Menschen zu sprechen und er hatte mir geholfen, also sollte ich nicht einmal darüber nachdenken.
»Selbstverständlich.«
Er streckte mir einen Gegenstand hin. »Das muss vor Sonnenuntergang bei ihr sein.«
Als ich es ihm abnahm, war es viel schwerer als ich erwartet habe. »Was ist das?«
»Das ist unsere Göttin, Tanit. Lotaz will es für ihren Altar.«
Die Figur oben auf dem Objekt war entzückend und anmutig, zwei Hände groß und gemeißelt aus schwarzem Onyx, mit polierten blauen Steinen als Augen. Die zwei Perlen, die Lotaz mir in der Nacht zuvor gegeben hatte, waren jetzt in baumelnde Ohrringe gestaltet worden. Die Göttin Tanit saß auf einem Thron, der auf einer viereckigen Basis stand, alles aus einem einzigen Steinblock gemeißelt.
»Du hast das gemacht?« Ich schaute zu ihm auf.
»Die Bildhauerei des Steins wurde vor ein paar Tagen fertiggestellt. Ich brauchte nur die Perlen, um die Statue zu vervollständigen.«
»Sie ist so schön.« Ich bemerkte einige Worte, die in den Sockel gemeißelt waren. »Du weißt, wie man Worte macht?«
»Ja, ein wenig.«
»Sag mir die Worte.«
»Ich bin Tanit deine Göttin deine Tanit bin ich«, las Tendao.
»Wirst du es mich lehren?«
Tendao betrachtete mich für einen Moment, schaute dann weg, entlang des Pfads. Schließlich wandte er sich wieder mir zu.
»Warum willst du –« Er senkte seine Stimme. »Warum willst du Worte lernen?«
»Ich will über alles lernen. Worte, Elefanten, Menschen.«
»Ich werde es dir lehren, aber du musst versprechen, dass du es niemals jemandem erzählst. Die Priester verbieten es jeder Person außerhalb des Tempels zu wissen, wie man liest und schreibt.« Er deutete zu jeder Gruppe Symbole auf der Statue, während er sie aussprach. »Bemerkst du irgendetwas Unübliches im Muster der Worte?«
Ich inspizierte sie noch einmal, aber verstand nicht. »Es tut mir leid, Tendao. Ich weiß nicht, wie man liest. Ich sehe nur, dass einige Worte wiederholt sind.«
»Du bist gescheiter als du denkst, meine Freundin. Ja, die Worte sind wiederholt.« Er las noch einmal, begann dieses Mal vom linken Ende der Reihe anstatt von rechts, aber es klang exakt wie zuvor. »Siehst du, es liest sich gleich, vorwärts und rückwärts.«
»Das ist erstaunlich, Tendao. Sind alle Worte auf diese Weise geschrieben?«
»Nein, überhaupt nicht.«
Dann erinnerte ich mich an meinen Armreif. »Kannst du das lesen?«
Ich verlagerte die Statue in die Beuge meines rechten Arms und streckte mein linkes Handgelenk aus, so dass er es sehen konnte. Seine Augen wurden groß, während er den Armreif an meinem Handgelenk rotierte, um die feinen Gravuren zu untersuchen.
»Woher hast du das?«
»Einer der Soldaten hat es letzte Nacht auf Yzebels Tischen gelassen. Sie hat es mir gegeben.«
»Das wurde nicht hier oder in Karthago gemacht.« Er untersuchte die andere Seite. »Kein Handwerksmann aus unserer Region kann diese Qualität von Arbeit machen.«
»Kannst du die Worte lesen?«
»Worte?«, fragte er. »Wo?«
»Um den Kreis an der Oberseite, sehr winzige Worte.«
»Ah, ja. Ich sehe sie jetzt. Diese Worte sind unsere, aber der Kunsthandwerker ist nicht aus unserer Mitte.«
»Sag die Worte für mich.«
»Alle Elefanten kehren nach Valdacia zurück«, sagte Tendao.
»Valdacia?«
»Ja, da ist mehr.« Er neigte seinen Kopf, um den Rest zu lesen, fuhr um den Kreis herum fort, von rechts nach links. »Ganz egal, wie weit sie schweifen.«
»Was ist Valdacia?«, fragte ich.
»Ich habe niemals von diesem Ort gehört.«
»Alle Elefanten kehren nach Valdacia zurück«, sagte ich. »Was ist der Rest?«
»Ganz egal, wie weit sie schweifen.«
»Alle Elefanten kehren nach Valdacia zurück, ganz egal, wie weit sie schweifen.« Ich wiederholte die Zeile und zog mein Handgelenk aus seiner Hand, um die Worte selbst zu sehen. Während ich im nachlassenden Licht die Augen zusammenkniff, bemerkte ich plötzlich, dass die Sonne bald wieder vom Himmel verschwunden sein würde. »O nein!«, sagte ich. »Ich muss mich zurück an Yzebels Tische beeilen.«
»Ja«, sagte Tendao. »Es wird spät.«
»Pass auf das Brot auf, während ich mit der Statue zu Lotaz gehe.«
»Werde ich.«
Ich rannte entlang des Pfads, hielt die Statue von Tanit in meinen Armen. Der Schmerz in meiner Seite war beinahe unerträglich, aber ich musste mich beeilen.
Als ich zu Lotaz’ Zelt kam, saß ihr großer Sklave auf dem Teppich, mit seinen Knöcheln verschränkt und Unterarmen auf seinen Knien ruhend. Er stand auf, als ich zum Gehen verlangsamte.
»Also«, sagte er. »Das Elefantenmädchen kommt zurück.«
»Elefantenmädchen?«
»Ich habe gehört, wie du all die Tiere auf der Elefanten Straße in Panik versetzt hast.«
»Ich habe sie nicht in Panik versetzt.«
»Wirklich?« Er grinste und ich konnte sehen, dass er es nicht böse meinte; er neckte mich nur.
»Na ja«, sagte ich, »es gab ein bisschen Aufruhr.«
»Ein bisschen Aufruhr ist manchmal eine gute Sache.«
»Wie wirst du genannt?«
»Ich bin Ardon. Und du?«
»Liada.« Ich mochte Ardon und dachte, dass er vielleicht in der Lage wäre mir zu helfen. »Ich will mit dir über ein Sklavenmädchen sprechen, aber ich muss mich zurück an Yzebels Tische beeilen. Könnte ich das jetzt Lotaz geben? Es ist von Tendao, die Arbeit, die er für einen Krug Rosinenwein versprochen hat.«
»Lotaz ist im Moment nicht hier. Sie ist losgegangen, um sich mit Artivis zu treffen. Von welchem Sklavenmädchen sprichst du?«
»Dasjenige, das aus Baumwolle Garn macht, am Zelt hinten den Weg hoch.« Ich deutete mit einer Neigung meines Kopfs.
»Dasjenige, das ungefähr so hoch ist?« Er streckte seine Hand flach aus, Handfläche nach unten. »Mit dunklen Augen?«
»Ja«, sagte ich.
»Warum fragst du wegen ihr?«
»Bitte, ich muss jetzt gehen. Wirst du dies Lotaz geben, wenn sie zurückkommt?« Ich streckte ihm die Statue hin. »Ich werde morgen von dem Sklavenmädchen sprechen.«
Er nahm die Figur und ich rannte zurück zu Tendao. Ich erzählte ihm davon, dass Lotaz nicht da war.
»Sie ist zu jemandem gegangen, der Artis genannt wird.«
Tendao schien von diesen Neuigkeiten überrascht. »Wolltest du eigentlich ›Artivis‹ sagen?«
»Ja, Artivis. Ihr Sklave sagte, Lotaz ist losgegangen, um sich mit ihm zu treffen.«
»Ich muss gehen.«
Er eilte den Pfad entlang davon.
* * * * *
Als ich mit ihren Brotlaiben an Yzebels Tischen ankam, war es Sonnenuntergang, aber noch immer Dämmerung. Keiner der Soldaten war bisher angekommen.
»Du hast eine große Ladung zu tragen«, sagte sie, als ich mein Bündel auf den Tisch legte.
»Ja, Bostar gab uns elf Laibe für die eine kleine Kette.« Ich reichte ihr den Geldbeutel, dann, ohne nachzudenken, presste ich meine Hand an meine rechte Seite.
»Warum hältst du derart deine Seite?«
»Oh«, sagte ich, nahm meine Hand weg, um das Bündel mit Brot aufzubinden. »Es ist nichts.«
Wenn ich ihr sagte, was mit dem fetten Mann auf Steinklopf Hügel geschehen war, würde sie mich vielleicht nicht weiterhin auf Botengänge schicken. Oder sie würde vielleicht darauf bestehen, dass Jabnet mit mir ginge. Ich wollte ihr beweisen, dass ich allein arbeiten und nicht wieder in Schwierigkeiten geraten konnte.
Yzebel öffnete den Geldbeutel und schüttete die verbliebenen Kupfermünzen und ein Paar Ohrringe in ihre Handflächen. Sie lächelte.
»Das hast du gut gemacht mit Bostar.« Sie brachte die Gegenstände zurück in ihren Geldbeutel und zog die Kordel fest. »Jetzt lass uns an die Arbeit gehen. Die Soldaten werden bald hier sein.«
Jabnet hatte das Schwein auf einem Spieß über einem zweiten Feuer, also machte ich mich an die Arbeit mit den Lampen. Als sie alle angezündet waren, schnitt ich gelbe Melonen und höhlte die Samen aus, fühlte mich sehr erleichtert, dass Yzebel nicht gefragt hatte, warum ich so lange gebraucht habe, um das Brot zu holen.
»Bitte schäle diese Erdnüsse für mich«, sagte sie zu mir von hinter dem Feuer, wo sie Karotten in den Eintopf schnitt. »Stelle eine volle Schüssel auf jeden Tisch und sprenkle Salz darauf. Aber nur ein wenig. Salz ist kostbar, bis der nächste Ochsenkarren durch die Wüste kommt.«
Ich machte die Erdnüsse fertig und stellte acht leere Tonschüsseln auf jeden Tisch, zusammen mit Holzlöffeln – als ob die Männer diese jemals benutzen würden.
Gerade nach Einbruch der Dunkelheit kamen zwei Männer an und verlangten gespeist zu werden. Ich füllte deren Schüsseln mit Eintopf und servierte Melonenscheiben zusammen mit kleinen Brotstücken. Mehr Männer kamen und bald waren alle Tische besetzt. Ich eilte mit den saftigen, dicken Scheiben Schweinefleischs, die Yzebel vom Spieß abgeschnitten hat,von einem Soldaten zum nächsten.
»Wird Hannibal heute Abend kommen?«, fragte ich, als ich eine Schüssel ausstreckte, um eine Scheibe aufzufangen, die Yzebel vom Knochen schnitt.
»Nein. Er nimmt sein Abendbrot wahrscheinlich mit dieser Frau, Lotaz, ein.«
Ich blickte zu ihr hoch. ›Diese Frau‹? Was meinte sie? Und hörte ich einen Hauch von Gift in Yzebels Worten, als ob Lotaz eine andere Art von Wesen als sie war?
Gerade als ich fragen wollte, was sie meinte, brüllte ein hungriger Mann nach mehr Fleisch.
Die ganze Nacht lang kamen und gingen die Soldaten. Ich suchte nach Hannibal, aber er kam in dieser Nacht nicht. Schließlich blieben nur noch drei Männer an den Tischen. Sie ließen sich mit ihrem Essen und Trinkenlange Zeit, sprachen über eine große Expedition nach Gadir in Iberien, die vorbereitet wurde. Ich wusste nichts von Iberien, also beschloss ich später Yzebel deswegen zu fragen.
Irgendwann nach Mitternacht gingen die drei letzten Männer weg. Yzebel, Jabnet und ich begannen dann die Tische zu säubern.
»Na ja«, sagte Yzebel, »zumindest haben sie uns heute Nacht ein wenig Essen gelassen.«
Wir sammelten die Münzen und den Schmuck von den Tischen ein, dann setzten wir drei uns hin, um unser Abendessen zu uns zu nehmen.
»Wo ist Iberien?«, fragte ich Yzebel.
Bevor sie antworten konnte, kamen vier betrunkene Männer den Pfad entlang, torkelten auf uns zu.
»Aha!«, brüllte einer von ihnen. »Schaut euch das an, meine Freunde. Es ist das Elefantenmädchen selbst.« Er deutete auf mich und lachte. »Lasst uns nach dem mächtigen Obolus rufen und sie wird ihn zur Unterhaltung heute Abend über die Tische tanzen lassen.«
Ich erkannte den widerlichen Mann wieder. Er war die letzte Person, die ich jemals sehen wollte.
Kapitel Neun
Die vier Soldaten stolperten zu einem Tisch und fielen auf die Bänke. Sie stießen eine Lampe um und das flammende Öl breitete sich rasch über dem Tisch aus, entzündete ein kleines Feuer und ließ sie in einen Lachanfall ausbrechen. Jabnet wich zurück und ich tat es auch, wusste nicht, was ich tun sollte.
Yzebel entfernte ihre zerlumpte Schürze und erstickte die Flammen. Die Männer applaudiertem ihrem geistreichen Trick, hämmerten dann auf den Tisch nach Essen und Trinken.
Jabnet ersetzte die umgestürzte Lampe und gab ihnen die letzten drei Schüsseln Essen. Als ich eine leere Schüssel zum Tisch für den vierten Mann brachte, um etwas des Essens zu teilen, hatten sie bereits das verschlungen, was unser Abendessen hätte sein sollen.
»Aufgepasst!«, schrie der Mann, den ich wiedererkannt hatte. »Das hässliche Elefantenmädchen wird uns zu Fall bringen, wie sie es mit allen Biestern des Walds tut.«
Seine Freunde fanden seine Bemerkung sehr originell und offenkundig dachte Jabnet auch, dass es witzig war, weil er hinter meinem Rücken lachte. Der großmäulige Soldat war derselbe, der sich über mich lustig gemacht hat, als Obolus mich aus dem Fluss zog. Seine grauen Knopfaugen lagen zu nahe beieinander zu einer verdrehten Nase und seine wenigen verbliebenen Zähne waren schief, kaputt und gelb. Sein Haar ähnelte einer wirren Masse toten Unkrauts und ich fragte mich, warum es nicht wie sein zotteliger Bart war. Ich mochte ihn oder seine Freunde nicht und wünschte, dass er mich nicht »Elefantenmädchen« nennen würde.
Ich wusste, dass es weiser gewesen wäre wegzugehen, aber stattdessen schenkte ich ihm meinen fiesesten Blick. Er lachte mich einfach weiter aus.
»Oh-oh«, sagte einer der anderen Soldaten. Die drei mittleren Finger seiner linken Hand waren abgehackt worden, was nur seinen Daumen und kleinen Finger ließ, welche er wie eine Krabbe benutzte. »Sei vorsichtig, Sakul, sie wirft dir den bösen Blick zu.« Er klickte mit seinen Krabbenfingern in meine Richtung.
Mehr Gelächter. Ich stand so nahe bei Sakul, dass sein fauler Geruch mir schlecht werden ließ. Er konnte sich einfach ausstrecken und mich ohrfeigen oder mit seiner Faust umhauen, genau wie der fette Mann es Tin Tin Ban Sunia angetan hatte. Andererseits könnte ich ihn ebenfalls schlagen oder sein Gesicht zerkratzen und das würde ich vielleicht, wenn er nicht die Klappe hielt. Meine Hände waren so fest verkrampft, dass ich spürte, wie meine Fingernägel in meine Handflächen schnitten.
»Liada!«, rief Yzebel von der Kochstelle. »Komm und hilf mir.«
Ich starrte in Sakuls Wieselaugen, bemerkte, dass sie seicht und wässrig waren, genau wie sein benebeltes Gehirn.
Nachdem ich den Tisch verließ, hörte ich einen der Männer sagen: »Du bist knapp mit deinem Leben davongekommen, Sakul.«
»Schneid diese letzten zwei Melonen für sie auf«, sagte Yzebel. »Und ich werde sehen, ob ich ein wenig mehr Fleisch von den Knochen des armen Schweins schneiden kann.«
Ich hob ein Messer von der Kochstelle auf. »Wir geben ihnen keinen Wein. Sie hatten genug.«
Jabnet kicherte und ging zu einem anderen Tisch, brachte einen frischen Krug mit Rosinenwein und vier Trinkschalen zu den Männern.
Ich schob mein Messer in eine fette Melone, um sie aufzuschneiden. Nachdem ich die Samen ausgehöhlt und sie auf die Erde geworfen hatte, stach ich auf eine weitere ein.
»Liada«, sagte Yzebel mit leiser Stimme. Ich blickte sie an. »Ich glaube, diese Melonen sind bereits tot«, sagte sie und schenkte mir ein Zwinkern.
Ja, ich hatte eine Schweinerei aus ihnen gemacht. Ich brachte die vier gelben Hälften zum Tisch, hackte sie in Stücke und warf sie in den Freiraum zwischen die Männer. Sie schienen Freude daran zu haben wie Tiere gefüttert zu werden, konkurrierten miteinander, um zu sehen, wer die ekelhaftesten Geräusche machen konnte. Möglicherweise würde ein Trog auf dem Boden besser zu ihren Essgewohnheiten passen.
»Es ist nicht mehr viel übrig, Jungs.« Yzebel hob Scheiben des gerösteten Schweins mit ihren Fingern hoch und ließ das Fleisch in ihre Schüsseln fallen. »Ihr seid ein bisschen spät zum Abendbrot gekommen.«
Als sie sich über das Ende des Tischs beugte, um nach einer Schüssel zu greifen, legte Sakul seine Hand auf ihre Seite. »Dein ausgezeichnetes Essen ist nicht die einzige Sache, die den Appetit eines Mannes speist.«
Yzebel richtete sich auf und ich dachte, sie zog ihre Hand zurück, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen, aber sie steckte nur eine verirrte Haarlocke hinter ihr Ohr. Zu meiner Überraschung schenkte sie ihm ein süßes Lächeln.
»Sakul«, sagte Yzebel, »ich dachte dein einziges Vergnügen läge darin den Speer zu werfen und wehrlose Dörfer zu plündern?«
Zwei seiner Kameraden brachen in Gelächter aus und nach einem Moment begriff auch der Krabbenhändige und schloss sich ihnen in der Ausgelassenheit an, winkte mit seiner deformierten Hand, als ob er nach Fliegen in der Luft schnappte.
»Den Speer zu werfen ist in Ordnung«, sagte Sakul, »aber das ist nicht mein einziges Talent.«
Das brachte Gemurmel der Bewunderung von seinen Mitsoldaten, dann schnaubendes Gelächter.
Ich fand nichts an seiner Bemerkung lustig. Ich schaute zu Jabnet, während er mit den betrunkenen Männern mitlachte, offensichtlich vorgab das Geplänkel der Erwachsenen zu verstehen.
»Liada«, sagte Yzebel. »Bring diesen feinen Schaftmännern einen Laib Brot.« Sie lächelte Sakul einmal mehr an, überließ sie dann deren Mahlzeit.
Als ich das Brot auf ihren Tisch fallen ließ, packte Sakul mein Handgelenk und verdrehte es, zwang mich auf die Knie. Ich biss die Zähne zusammen und starrte zu ihm hoch, weigerte mich aufzuschreien.
»Sogar ein unwissendes Sklavenmädchen weiß genug, um das Brot eines Mannes zu schneiden«, knurrte er. »Ich sollte dir dein –«
»Genug, Sakul!« Yzebel eilte zurück an den Tisch. »Lass sie los.«
Sakul drehte sich, um Yzebel anzuschauen, die ihn anfunkelte, während sie nah bei ihm stand. Ihre rechte Hand war hinter ihm außer Sicht. Nach einem Moment grinste er und ließ mein Handgelenk los, schob mich rückwärts in den Schmutz.
»Weißt du von Tashid und Glotel?«, fragte Yzebel ihn.
Ich stand auf und rieb hinter meinem Rücken mein Handgelenk, trat dann zu Yzebel hinüber.
»Ja«, sagte Sakul. »Ich kenne diese zwei Melonenköpfe.« Er behielt seine Augen auf mir. »Sie sind nichtsnutzige Pfeilschleuderer von der zweiten Truppe.«
»Und wo nehmen sie ihr Abendbrot zu sich?«
»An Sojas Tischen, schätze ich.«
»Was gibt Soja ihnen zu essen?«, fragte Yzebel.
»Getrocknetes Pferdefleisch und altes Brot.« Sakul schaute in seine Schüssel mit zartem gebratenem Ferkel. »Dasselbe, das jeder bekommt, wenn sie an ihre Scheunen-Tische gehen.«
»Gibt sie ihnen jemals Lammeintopf?«
»Nein.«
»Und was zu trinken?«
»Diesen schrecklichen Feigenessig, den sie Wein nennt.«
»Ja«, sagte Yzebel. »Diese zwei Schleuderer sind nicht länger an meinen Tischen willkommen, weil sie zänkisch, gemein und obszön und beleidigend sind. Dein Name könnte der Liste hinzugefügt werden, wenn du noch einmal Hand an meine Kinder anlegst oder sie wie Sklaven behandelst.«
Sakul murmelte etwas und nahm einen Schluck von seinem Wein.
»Du kannst mich behandeln, wie es dir gefällt, aber rühr meine Kinder nicht an«, fuhr Yzebel fort, legte ihre freie Hand auf meine Schulter. »Verstehst du mich, Sakul?«
Er donnerte seine leere Trinkschale auf den Tisch und hob den Brotlaib auf. »Selbstverständlich.« Er reichte mir den Laib. »Nun, wird das herzallerliebste kleine Elefantenmädchen bitte mein Brot schneiden?«
Sein Tonfall war ein bisschen zu süß, aber ich nahm den Laib und begann in Richtung der Kochstelle zu gehen, um ein Messer zu holen.
Yzebel hielt mich auf. »Hier«, sagte sie, reichte mir das Messer, dass sie in Sakuls Rücken gehalten hatte.
Seine Augen wurden beim Anblick des Messers, das hinter ihm zum Vorschein kam, groß, aber dann lachte er und klatschte auf den Tisch, was die Schüsseln und Lampe auf den Holzplanken hüpfen ließ.
»Yzebel!«, schrie er. »Du musst dich mir auf unserem nächsten Schlachtfeld anschließen. Wir könnten da draußen zusammen eine nette Zeit haben.«
»Ja, Sakul. Sobald du kochen lernst, soll ich lernen Menschen zu töten.«
Das erschien den Männern komisch, aber ich dachte nicht, dass sie es als Witz meinte.
Yzebel ging zurück zur Kochstelle.
Nachdem ich das Brot geschnitten habe, begann ich die Tische zu säubern, blieb weg von den Männern.
Als Sakul nach einer weiteren Schüssel rief, zusammen mit einer brennenden Kohle vom Feuer, schaute ich zu Yzebel, die mir zunickte es zu tun. Ich benutzte einen Stock, um eine glühende Kohle aus dem Feuer und in die Schüsselzu arbeiten, fragte mich, was er vorhatte. Ich brachte sie ans Tischende, legte sie ab und ließ sie zu Sakul rutschen. Er schenkte mir ein wölfisches Grinsen, griff dann nach der Schüssel, band einen Beutel von seinem Gürtel auf und nahm eine Handvoll getrockneter Blätter heraus, welche er in die Schüssel über die heiße Kohle krümelte, während seine Freunde mit wachsendem Interesse zusahen. Er hob dann die Schüssel an seine Lippen und blies sanft, bis ein dicker grauer Rauch in die Luft waberte. Sakul atmete den Rauch tief ein und schloss seine Augen. Nachdem er für einen Moment den Atem angehalten hat, öffnete er seine Augen und reichte die Schüssel über den Tisch an einen seiner Kumpane. Der andere Mann wiederholte das Ritual, dann streckte der Dritte seine Hand nach der Schüssel aus.
Ich bekam eine Duftwolke des Rauchs ab; es roch wie ein totes Tier. Ich spürte, wie mein Magen schlingerte und ich musste weg. Ich ging dazu zurück Tische zu säubern, während die Männer bei jeder närrischen Sache, die einer von ihnen sagte, kicherten und lachten.
Ich ertrug den ausgelassenen Klamauk, bis das Essen und der Wein ausgingen. Schließlich erhoben sie sich vom Tisch und torkelten davon. Ich hörte Sakul etwas davon sagen Lotaz einen Besuch abzustatten. Seine drei Freunde stimmten enthusiastisch zu.
Nachdem das Geräusch ihrer Stimmen entlang des Pfads erstarb, ging Yzebel ins Zelt und ich sammelte die Gegenstände ein, welche die vier Männer als Bezahlung für ihr Abendbrot hinterlassen hatten. Es war nicht viel; eine kleine Silbermünze, eine Goldkette mit einem baumelnden blauen Stein und drei Kupfermünzen. Ich fügte sie dem Rest des nächtlichen Einkommens auf dem ersten Tisch hinzu.
»Schau, was ich habe«, sagte Yzebel, als sie aus dem Zelt kam.
Ich drehte mich um und meine Augen wurden bei dem Anblick groß. »Du hast einen Laib Brot gerettet.«
»Ja«, sagte Yzebel mit einem Lächeln. »Genau wie du es letzte Nacht getan hast.«
Wir genossen es unser Brot in Frieden zu essen, während wir die Gegenstände durchsahen, die auf den Tischen gelassen wurden.
»Was war dieses schreckliche Zeug, das Sakul in seiner Schüssel verbrannt hat?«, fragte ich Yzebel.
»Blätter der Hanfpflanze. Der Rauch lässt Männer betrunkener sein als der Wein es tut.«
»Mirwurde schlecht davon.«
Jabnet zeigte mit seinem Kinn in meine Richtung und sagte zu Yzebel. »Sie ist nicht dein Kind.«
Ich starrte ihn an, versuchte zu ergründen, was er meinte. Dann erinnerte ich mich daran, dass Yzebel Sakul gesagt hatte seine Hände von ihren Kindern zu lassen.
Yzebel runzelte ihre Stirn und studierte das Gesicht ihres Sohns für einen Moment. »Sie ist meins, wenn sie das sein will.« Sie zwinkerte mir zu.
Ich grinste und nickte, nahm einen weiteren Bissen von meinem Brot. Jabnet konnte meinetwegen den ganzen Haufen Münzen und Schmuck haben; Yzebel hatte mir gerade etwas viel Wertvolleres gegeben.
Wir beendeten unser mageres Abendessen, dann ging der mürrische Jabnet ins Bett, ohne seiner Mutter auch nur gute Nacht zu sagen.
»Gute Nacht, Jabnet«, flüsterte sie, als sie eine kleine Münze aufhob, sie dann wieder auf den Tisch fallen ließ.