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Ndura. Sohn Des Urwalds
Ndura. Sohn Des Urwalds

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Ndura. Sohn Des Urwalds

Язык: Немецкий
Год издания: 2021
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Mein erster Triumph im Urwald. Der Mensch hatte die Bestie besiegt. Ich war vollkommen euphorisch, für einen Augenblick hatten sich all meine Problem in Luft aufgelöst. Jetzt wusste ich, ich würde überleben und es schaffen hier herauszukommen. Ich war ein wahrer Abenteurer, ein geborener Überlebenskünstler. Nichts würde mich daran hindern den Ausweg aus diesem grünen Labyrinth zu finden und ich würde nach Hause, in mein Heim zurückkehren. Ich war von Mutter Natur herausgefordert worden und ich hatte meinen Wert, meine Anpassungs- und Überlebensfähigkeit bewiesen. Jetzt wusste ich es, ich war der Sieger in diesem ungleichen Kampf gegen mich selbst und gegen die feindlichen Elemente.

Ich nahm die Schlange und schnitt sie mit dem Taschenmesser in der Mitte auf, um ihre Eingeweide so gut ich konnte zu entfernen, wobei ich mich heftig ekelte. Dafür nahm ich sie an einem Ende hoch und drehte mich so schnell es ging um mich selbst, so dass die Eingeweide in allen Richtungen herausflogen. Dann dachte ich, dass das gegen meinen Plan verstieß, diskret zu sein und keine Aufmerksamkeit zu erregen, aber jetzt waren die Reste der Schlange überall verteilt und ich hatte keinerlei Lust sie wieder einzusammeln. Was noch übriggeblieben war, kratzte ich mit dem Taschenmesser heraus, wobei ich einige Male würgen musste, es so war ekelhaft. Danach zog ich ihr die Haut ab. Als sie bereits fertig vorbereitet war, bemerkte ich, dass ich ein Problem hatte. Ich konnte kein Feuer machen, um sie zu braten, sonst würde man von meiner Existenz erfahren und meinen Standort entdecken, also musste ich sie roh essen. Ich sah mir das blutige Fleisch zweifelnd an. Ich schnitt ein gutes Stück ab und steckte es in den Mund. Wenn Tiere rohes Fleisch aßen, dann konnte ich das auch. Ich kaute ein paar Mal und spuckte alles wieder aus. Es war widerlich! Es hatte die Konsistenz von Plastik, als würde ich versuchen eine Puppe meiner Schwestern oder einen halb zerkochten Knorpel zu essen. Ich hatte schon immer gut durchgebratenes Fleisch gemocht, ich habe es noch nie blutig essen können und so, ganz roh noch viel weniger. Was mich schon immer am meisten angewidert hatte, waren Lebensmittel mit der Konsistenz dieses Fleisches: weiche Hühnchenhaut, Speck, Kutteln, …

Völlig desillusioniert sammelte ich alle Reste der Schlange und die meines Essens ein und vergrub sie. Danach warf ich einige Blätter darüber, um es besser zu verbergen. Wozu nützte es mir, Nahrung zu finden, wenn ich sie nicht essen konnte? Wozu das Risiko eingehen, dass ich von einer Schlange gebissen und getötet werde? Außerdem war da noch das Problem mit dem Wasser. Ich musste welches finden, denn ich hatte immer noch fürchterlichen Durst und mir blieben nur noch zwei Getränkedosen. Ich schwitzte heftig wegen der anstrengenden Jagd auf die Schlange und ließ mich auf den Boden fallen. Geschlagen trank ich eine der beiden Dosen aus und warf sie weg. Sollten sie mich doch finden, letztendlich war es besser, durchlöchert zu werden, als zu verhungern, das ging schneller. Abgesehen davon waren die Schlangeneingeweide in einem Umkreis von zwei Metern verteilt. Auf Wiedersehen Sieger, auf Wiedersehen geborener Überlebenskünstler, hallo Versager, der in einem wilden Garten sterben würde. Das hatte ich verdient, also konnte ich mich nicht beschweren. Ich hatte meine beiden besten Freunde umgebracht. Wie auch immer, ich wusste jedenfalls, dass ich im Fernsehen etwas über Wasser im Urwald gesehen hatte, ich erinnerte mich, dass gesagt wurde, es wäre an einem bestimmten Ort, auf eine bestimmte Weise einfach zu finden, aber ich erinnerte mich nicht mehr wo.

Eine Zeitlang, ich weiß nicht, wie lange, blieb ich auf dem Boden sitzen, die Arme auf die Knie gestützt und den Kopf gesenkt, mit leerem Kopf und ließ mich gehen. Resignation, Annahme meines Schicksals, Mutlosigkeit, verlorener Lebensmut. Der Flugzeugabsturz und Alex Tod, zu sehen, wie Juan durchlöchert wird, die Euphorie über die Schlange und die darauffolgende Enttäuschung, die Erschöpfung, der Traum… zu viele Dinge in nicht einmal vierundzwanzig Stunden, zu viele intensive Gefühle. Warum war Juan so dumm gewesen und auf diese Weise weggelaufen? Warum hatten sie mich allein gelassen? Wenigsten wären wir zu zweit und alles wäre anders, aber nein, er musste versuchen auf diese so…, so… Weise zu fliehen. Ich wollte zurück nach Hause, die Augen schließen, und wenn ich sie wieder öffnete in meinem Bett liegen und alles wäre nur ein Albtraum gewesen, wenn auch realistischer als normalerweise. Ein schlechter Traum, wie jeder andere, eine Anekdote, die man am abends, wenn man sich mit seiner Freundin und seinen Freunden trifft erzählen würde. Ich fing an zu weinen, aber es kamen fast keine Tränen.

Verloren, entmutigt, ernüchtert und geschwächt vor Erschöpfung und Müdigkeit. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Schließlich vergrub ich aus reiner Gewohnheit die Dose, die ich weggeworfen hatte und stand auf, um weiter zu gehen, aber jetzt ließ ich mich in einem viel gemächlicheren Rhythmus fast schlurfend treiben. Ich lief und blieb stehen, immer abwechselnd, bis es fast acht Uhr abends war. Die Pausen dauerten immer länger, die Phasen, in denen ich lief wurden immer kürzer. Ich benutze den Stock, den ich für die Schlange gebraucht hatte als Wanderstab, so konnte ich mein verletztes Knie entlasten, auch wenn ich meine Beine zu dem Zeitpunkt nicht mal mehr spürte. Gehen um des Gehens Willen, ohne den Versuch meine Richtung festzulegen, letztendlich wusste ich nicht sicher, wie ich das machen sollte und ich konnte schon fast sagen, dass es mir auch egal war. Warum hatte ich sie überreden müssen, mit mir hierher zu kommen, warum? Nie hörte ich auf jemanden, immer musste ich meinen Kopf durchsetzen. Guck mal, wohin mich mein Wunsch alles zu kontrollieren, über alles zu bestimmen gebracht hatte. Juan, du Idiot, warum musstest du auf diese Art wegrennen und damit Selbstmord begehen? Das war deine Schuld, damit hatte ich nichts zu tun. Deine Schuld. Deine.

Als ich nicht mehr konnte, aß ich eine ganze Packung Quittengelee und trank die letzte Dose aus, danach versteckte ich alle Reste ebenso wie eine der Decken, die ich noch besaß. Wofür brauchte ich zwei? Je weniger Gewicht ich zu tragen hatte, desto besser. Außerdem war es sehr heiß und während ich den Rucksack trug, hatte ich den Eindruck, mein Rücken würde gekocht und das T-Shirt klebte mir vor lauter Schwitzen die ganze Zeit am Körper, was sehr lästig war. Auch war mir so langsam dauerhaft übel, wahrscheinlich weil ich durch das fehlende Wasser dehydriert war. Das erstaunte mich nicht. Man sagte, dass Erfrischungsgetränke für den Moment den Durst löschten, aber wenig zum Flüssigkeitshaushalt beitrugen. Den Jojo-Effekt nannte das einer meiner Schulfreunde, aufgrund des Zuckers, wie er sagte.

Da die Nacht hereinbrach und ich keine Lust hatte, wieder so unbequem auf einem Baum zu schlafen, suchte ich mir einen etwas geschützten Platz mit trockenem Boden und baute mir ein provisorisches Lager aus Blättern und grünen Zweigen, rollte mich zusammen, deckte mich mit der kleinen Decke so gut es ging zu, nahm den Rucksack als Kopfkissen und schlief ein. Ich hatte meinen ersten vollen Tag im Urwald verbracht und ich war es jetzt schon mehr als Leid, war völlig erschöpft und wünschte mir, dass es auf welche Art auch immer endete.

TAG 3

WIE MEINE LEIDEN BEGINNT

Irgendetwas griff mich an, ich merkte, wie es mich am ganzen Körper pikste. Mit einem Satz sprang ich schreiend auf und war sofort hellwach. Ich sah auf meine Hände, sie waren mit roten Ameisen, deren Köpfe sehr groß waren, übersät, mein ganzer Körper war voll von ihnen. Sie bissen mich überall hin, wieder und wieder. Ich zog mich aus, riss mir beinahe die Kleider vom Leib und begann die Ameisen wie wild mit den Händen vom Körper zu wischen, begann zu hüpfen, mich zu schütteln und zu winden wie eine Schlange, ich schrie und wimmerte vor Schmerzen. Einige drangen in meinen Mund ein, so dass ich immer wieder ausspucken musste, ich spürte welche in der Nase, in den Ohren, überall. Es war, als hätte ein ganzes Bienenvolk beschlossen, mich gemeinsam anzugreifen. Stück für Stück gelang es mir, die Ameisen loszuwerden, aber ich brauchte etwa zehn Minuten, bis ich merkte, dass keine mehr ungestraft über meinen Körper lief. Wo ich gelegen hatte verlief eine endlose Ameisenstraße9. Mein ganzer Körper war rot von den Schlägen, mit denen ich die Ameisen von mir heruntergefegt hatte und übersät von noch stärker geröteten Punkten von den Bissen, die mir diese verfluchten Insekten zugefügt hatten. Es juckte mich überall so heftig, dass ich nicht einmal wusste, wo ich mit dem Kratzen anfangen sollte. Auch wenn nicht eine einzige mehr auf mir war, hatte ich immer wieder das Gefühl, als würde irgendwo etwas auf mir herumkrabbeln und ich begann sofort wieder mich wie wild zu schütteln.

Als ich meine Wut und meinen Frustration etwas unter Kontrolle hatte, griff ich nach meinem Rucksack und schüttelte alle Ameisen heraus, das gleiche machte ich mit der Decke und der Kleidung, die ich über den ganzen Boden verstreut hatte. Ich zog nur meine Turnschuhe an und verstaute den Rest im Rucksack. Ich packte einige Steine und Äste und warf sie voller Wut auf die geordnete Ameisenstraße, während ich sie gleichzeitig beschimpfte. Einen Augenblick lang verlor ich die Kontrolle, die Wut übermannt mich. Ja, die Ameisen waren an allem schuld, ich musste die Ameisen fertigmachen, sie hatten mich in diese blöde Situation gebracht, sie würden dafür bezahlen. Ich trat immer wieder auf sie ein, wütend, rasend, wie ein von einer unaufhaltsamen Zerstörungswut Besessener. Einige krabbelten an meinen Beinen hoch und bissen mich erneut, aber ich fühlte nichts mehr, der Schmerz hatte für einen Augenblick aufgehört zu existieren. Es gab nur einen einzigen Gedanke in meinem Kopf: vernichte die Ameisen. Ich trampelte, ich stampfte auf denen, die am Boden waren herum und zerdrückte die, die auf meinem Körper herumliefen mit heftigen Schlägen, zerquetschte sie an meinen Beinen, meinen Armen oder meiner Brust. Einige Minuten lang war das mein einziger Krieg, meine einzige Welt: Tritte, Schläge mit der Hand, Schreie vor Wut und zu lange zurückgehaltener Frustration. Ein vor Wut rasender Gulliver, der Liliput zerstört. Danach entfernte ich mich einige Schritte, sackte auf dem Boden zusammen und war eine Zeitlang wie weggetreten, völlig meinem Schicksal überlassen, blind für alles, was um mich herum geschah, für nichts anderes zu erreichen als dem Nichts, der innere Leere. Schließlich kam ich zu mir. In der Nacht hatte ich gemeint, das Plätschern eines nahen Wasserlaufs zu hören, also machte ich mich auf, ihn zu suchen, nackt, lustlos, zitternd, mit Juckreiz am ganzen Körper, den Wanderstock in der Hand und den Rucksack auf der Schulter. Hinter mir eine Myriade von zerquetschten Ameisen und noch viele mehr, die in ihrem besonderen Tanz wie verrückt wild durcheinanderliefen.

Tatsächlich hatte mich mein Gehör nicht getäuscht. Ein Fluss von ungefähr fünf Meter Breite bahnte sich vor meiner Nase einen Weg durch die Bäume. Mein erster Gedanke war, mir die Turnschuhe auszuziehen und mich ins Wasser zu werfen, aber ich erinnerte mich an etwas über Blutegel und kontrollierte zuerst aufmerksam das Wasser am Ufer, entschlossen die Vorsicht einen Moment lang über die Verzweiflung siegen zu lassen. Allein der Gedanke, einer könnte an meinem Körper kleben, sich festsaugen und mein Blut trinken erschreckte mich. Als ich die Hand ins Wasser hielt, stellte ich fest, dass das Wasser nicht so kalt war, als dass ich es nicht eine Weile aushalten könnte. Ich konnte nichts sehen, außer einigen wunderschönen kleinen bunten Fischen, von denen einige farbenprächtiger waren als andere und die zu klein zum Essen und zu schön zum Töten waren. Sie hatten einen länglichen und abgeflachten Körper, die Schwanzflosse war dreigliedrig, der mittlere Teil ähnelte Vogelfedern, die Augen waren im Verhältnis zum Kopf groß, sie waren schillernd blau, aber wenn die Sonnenstrahlen auf ihre Körper trafen, glitzerten ihre Schuppen in einem unglaublichen Farbspektrum von blau bis violett10. Ich suchte nach weiteren Tieren, wie Piranhas, Krokodilen oder ähnliches, aber ich fand nichts. Also beschloss ich, nachdem ich etwas Wasser getrunken hatte, baden zu gehen.

Ich ging ein Stück ins Wasser, vergewisserte mich aber zuerst mit dem Wanderstab, dass der Untergrund fest war und behielt die Turnschuhe an, weil ich Angst hatte, dass mich irgendein Viech stechen oder ich mir etwas in den Fuß treten könnten. Bei der ersten Berührung überlief mich aufgrund des Temperaturunterschieds zwischen Wasser und Luft ein Kälteschauer, aber ich gewöhnte mich schnell daran. Um mich herum flogen ein paar Libellen in leuchtenden Farben, mit ihren länglichen Körpern und ihrem schnellen und sicheren Flug. Es gab auch viele andere Insekten, sowohl welche die flogen als auch welche die auf dem Wasser liefen, als wäre es eine Schlittschuhbahn.

Als mir das Wasser bis zu den Knien ging, blieb ich stehen und spritzte mir den ganzen Körper mit den Händen nass. Die erfrischende Wirkung des Wassers auf die unendlichen Ameisenbisse, die unzähligen Kratzer und auf das geschwollene Knie war eine unglaubliche Erleichterung. Die Möglichkeit eine Weile im Wasser zu sein, alles zu vergessen, jede Sekunde zu genießen, entspannte mich zutiefst. Ich schloss die Augen und tauchte mit dem Kopf unter Wasser, wobei ich die Luft so lange wie möglich anhielt und ich spürte wie das kühle Wasser über meine Haut strich, sie umschloss und sanft liebkoste. Einige kurze Augenblicke lang waren alle Probleme, alle Sorgen verschwunden. Ich trank auch große Schlucke Wasser, bis mein Durst vollständig gestillt war. Als ich aus dem Wasser stieg, war ich entschlossen um jeden Preis zu überleben, meine Lebensgeister waren wieder erwacht, mein Kopf bereit für den Kampf

In einem Baum in der Nähe hörte ich ein Geräusch und versteckt mich schnell im Dickicht. Jetzt hatten sie mich gefunden, nackt und ahnungslos, sie würden mich sicherlich töten, mich ohne jedes Mitleid ermorden, mich opfern wie ein niederträchtiges Tier. Ich wollte nicht sterben. Könnte ich sie nicht getäuscht haben? Hatte ich nicht schon genug mit den Ameisen gehabt? Vor meinem inneren Auge erschienen Bilder von Juan wie in einer Abfolge von kurzen Blitzen, der von den Rebellen mit Maschinengewehren erschossen worden war, und das Bild von Alex leblosem Körper nach dem Aufprall auf seinem Platz im Flugzeug und dem Blut, das von seiner Stirn tropfte, quält mich ein weiteres Mal. Ich stelle mir vor, wie ich selbst aus mehreren Löchern blutete, die von den Schüssen der Rebellen herrührten, auf dem Boden liegend zu Füssen eines großen Baumes, sie lachend, ich sterbend. Der Schmerz… Ich beobachtete suchend die Blätter der Bäume und entdeckte schließlich den Ursprung des Geräusches: ein Affe von ca. fünfzig Zentimeter Größe mit einem ebenso langem Schwanz, das Gesicht war bläulich, auf jeder Seite verlief vom Auge zum Ohr ein dunkler Fellstreifen, über den Augen befand sich ein querverlaufender heller Streifen, der größte Teil des Körpers war gelbbraun und der Hals, die Brust und der Bauch waren weiß11. Vielleicht war es mir doch nicht vorherbestimmt, heute zu sterben. Langsam erschien immer mehr von ihnen und fünf gesellten sich zusammen, sprangen von Ast zu Ast, wobei sie schrille Schreie ausstießen. Vermutlich spielten sie oder etwas in der Art, sie kletterten einen Ast hinauf und schüttelten ihn mit aller Kraft und schrien dabei. Vielleicht war gerade Paarungszeit, ich hatte keine Ahnung, aber es war ein grandioses Schauspiel. Mein Herz kehrte allmählich zu seinem normalen Pulsschlag zurück. Das letzte, was ich von ihnen sah, war, wie einer etwas vom Boden aufhob, das aus der Entfernung wie ein Hundertfüßer aussah und es aß.

Auf dem anderen Uferseite erschien ein weiterer Affe von ähnlicher Statur, aber anderer Farbgebung. Dieser hatte ein schwarzes Gesicht, die Koteletten, der Bart, die Brust und ein Teil der Arme waren weiß. Er war dunkler gefärbt und hatte einen dreieckigen rot-orangefarbenen Fleck im Lendenbereich. Er war größer und stämmiger als die anderen12. Er trank etwas Wasser, in dem er es mit der Hand zum Mund führte und verschwand. Ich verweilte einen Augenblick und schaute den anderen beim Spielen und Springen zu. Es war eine einzigartige Erfahrung, von der ich niemals geglaubt hätte, dass ich sie machen würde. Wieder einmal erinnerte ich mich an meine beiden toten Freunde und daran, wie sehr sie es genossen hätte, das hier zu erleben, vor allen Dinge der fröhliche Alex, der sich immer so für alles interessiert hatte. Mit wem sollte ich jetzt über diese Momente sprechen? Mit wem könnte ich sie teilen? Da war niemand, der sie mit mir erlebt hätte, niemand, der es verstehen könnte. Nein! Das durfte ich nicht denken, das half mir nicht dabei, weiterzumachen und was ich jetzt machen musste, war so viel Energie wie möglich zu sammeln, um überleben zu können. Mein einziges Ziel musste es sein, aus diesem verfluchten Urwald herauszukommen. Dieser grünen Hölle zu entfliehen.

Ich zog die Turnschuhe aus, wrang sie etwas aus, damit das Wasser herauslief und hängte sie an einen Ast, damit sie trockneten. Dann nahm ich die Wasserflasche und suchte mir eine Stelle mit fließendem Wasser, um sie aufzufüllen. Ich meinte gelesen zu haben, dass man kein Wasser aus stehenden Gewässern trinken sollte, da es wahrscheinlicher war, dass es dort ungesund und mit irgendwelchen Keimen belastet war. Natürlich hätte ich mich schon daran erinnern sollen, bevor ich etwas getrunken hatte. Es juckte mich immer noch am ganzen Körper, auch wenn es nicht mehr so schlimm war wie zuvor. Ich spürte ein Stechen am Oberschenkel und als ich hinuntersah, um festzustellen, ob ich dort etwas abbekommen hatte, sah ich einen Blutegel an meinem Bein kleben und mein Blut saugen. Er sah aus wie eine Nacktschnecke, vielleicht etwas dünner. Zuerst war ich erschrocken, dann überlegte ich, was ich machen sollte. Wenn ich mich recht erinnerte, entfernte man Blutegel mit Salz oder indem man sie verbrannte. Ich holte das Feuerzeug heraus und hielt die Flamme so lange an den Blutegel, bis er sich zusammenzog, diesen Moment nutzte ich, um ihn mit dem Taschenmesser von meinem Bein zu lösen. Dort, wo er gewesen war, war jetzt nur noch ein roter Fleck, ein Blutstropfen sickerte am Rand heraus. Ich erhitzte die Spitze des Taschenmessers mit dem Feuerzeug und verödete die Wunde vorsichtig. Ich hatte keine Ahnung, ob sich Verletzungen, die von Blutegeln herrührten, entzündeten oder nicht, aber ich zog es vor, kein Risiko einzugehen. Es tat so weh, dass ich mich sehr anstrengen musste, um nicht aus Leibeskräften zu schreien. Ich suchte den Rest meines Körpers für den Fall ab, dass da noch mehr waren, aber es war der einzige. Jetzt hatte ich am Bein ein Brandmal in Form meiner Taschenmesserspitze. Vielleicht hätte ich diese Gräueltat nicht begehen sollen.

Die Trägheit übernahm die Kontrolle über meinen Körper und ich beschloss, mir einen freien Vormittag zu erlauben. So viele unterschiedliche Gefühle ermüdeten, ich war fix und fertig und mein Körper wog Tonnen. Ich suchte mir einen schattigen Platz, und nachdem ich mich abgetrocknet hatte, zog ich mich an und deckte mir den Kopf und das Gesicht mit dem Namibia Souvenir T-Shirt aus dem Rucksack ab, um die vielfältigen und lästigen Insekten, die das Ufer säumten fernzuhalten. Bevor ich mich hinlegte, untersuchte ich einen Strauch mit auffälligen karminroten Früchten und kleinen bläulichen Samen13, der in meiner Nähe stand und von dem ich schon viele gesehen hatte. Ob man sie essen konnte? Ich zerquetschte einige verirrte Ameisen, die ich noch nicht aus meiner Kleidung hatte schütteln können. Ich schloss die Augen und ließ mich von der Schläfrigkeit und Benommenheit davontragen, die Hitze und die Feuchtigkeit machten meine Muskel schwer und lähmten meinen Willen.

Ein Schuss, dann eine Salve aus einer automatischen Waffe, noch mehr Schüsse. Mit einem Satz war ich auf den Beinen. Sie kamen vom anderen Flussufer, wenn auch aus weiter Ferne. Diesmal bildetet ich es mir wirklich nicht nur ein, sie würden mich jeden Augenblick finden. Mit einem Schlag wurde mir wieder bewusst, dass meine Situation es mir nicht erlaubte, mich auszuruhen, dass es meinen sicheren Untergang bedeutete, wenn ich nicht alle meine Sinne in ständiger Alarmbereitschaft hatte.

Schnell sammelte ich alle meine Sachen zusammen, verstaute das T-Shirt im Rucksack, zog die Socken und die Turnschuhe an und ergriff den Wanderstock. Die Sachen waren noch nass, aber im Augenblick hatte ich keine Zeit, mich um solche Nichtigkeiten zu kümmern. Weil es meiner Meinung nach die beste Möglichkeit war, dem Flussbett zu folgen, um irgendwohin zu gelangen, es mir aber sehr gefährlich erschien, direkt am Ufer entlangzulaufen, ging ich wieder in den Urwald, um mich zwischen dem Blattwerk „unsichtbar“ zu machen und in vier bis fünf Meter Entfernung parallel zum Fluss zu gehen. Es war eine geschlossene Welt, in der es nichts gab, außer einer undurchdringlichen grünen Wand ohne irgendeinen Ausgang, egal in welche Richtung ich auch blickte. Ich konnte höchstens drei oder vier Meter weit sehen. Schnell verlor ich den Fluss aus den Augen, und wieder einmal befand ich mich auf dem Weg ins Nirgendwo.

Den ganzen Nachmittag lief ich in einem wechselnden Rhythmus, mal sehr schnell und dann wieder langsam mit nur wenige Pausen. Gerade genug, um wieder etwas zu Atem zu kommen und um zu lauschen für den Fall, dass weitere Schüsse zu hören wären. Die ganze Zeit musste ich gelegentliche Vorboten eines Wadenkrampfes ertragen und das Geräusch, das meine Turnschuhe bei jedem Schritt machten, das klang, wie wenn man in eine Pfütze trat. Das Blattwerk wurde zeitweise so dicht, dass es einige Bereiche in den Schatten tauchte. Überall waren Mücken, die nicht aufhörten, mich zu drangsalieren, als würde es sich um eine endlose Schlacht handeln. Manchmal erinnerten sie mich an die japanischen Kamikazeflieger aus dem zweiten Weltkrieg, die sich im Sturzflug auf ihr Ziel warfen ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben. Die Mücken waren genauso, sie stürzten sich kontinuierlich auf meinen Körper, ohne dass sie sich für ihre Verluste interessierten, die ich ihnen durch die Schläge meiner Händen, die ich als Luftabwehr benutzte, verursachte. Einige von ihnen war so groß, dass sie mehr gigantische Bomber als Kampfflieger ähnelten und deren bloße Anwesenheit beim Feind Besorgnis auslöste. Sobald sie sich mir näherten, spannte ich mich sofort an, bereit ihnen auszuweichen. Da war immer eine mit Appetit und ich hatte unendlich viele Stiche auf den Armen und Beinen, überall dort, wo meine Kleidung meinen Körper nicht bedeckte. Einige saßen sogar auf den Bissen, die mir die Ameisen beim Aufwachen zugefügt hatten. Das war eine Schlacht, die ich schon im Voraus verloren hatte, ein banaler Kampf, belanglos, unnütz, denn von ihnen gab es unendlich viele und ich war immer erschöpfter. Sie nervten mich derart, dass ich beschloss, die nackte Haut mit nasser Erde zu bestreichen und auf diese Weise eine für sie undurchdringliche Mauer zu erschaffen. Diese plötzliche Eingebung rettete mich. Es war unbequem sich damit zu bewegen, vor allen Dingen, wenn sie trocknete, aber die unablässigen Angriffe der Mücken waren schlimmer. Dank dieses Tricks konnte ich die unerbittlichen Insekten eine ganze Zeitlang vergessen, und wenn ich auch nicht den Sieg davongetragen hatte, so hatte ich zumindest einen zeitweiligen Waffenstillstand erreicht. Außerdem hatte es die überraschende Wirkung, dass es dort, wo die Ameisen mich gebissen hatten, aufhörte zu jucken. Endlich ein bisschen Glück.

Ich beobachtete unaufhörlich meine Umgebung, ich hatte den fortwährenden Eindruck, dass ich verfolgt wurde, dass ich in einem grenzenlosen Urwald immer weiter eingekreist und in die Enge getrieben wurde. Ich meinte sogar Schritte und Stimmen hinter mir zu hören oder flüchtig die Gesichter der Milizen zwischen den Bäumen zu erblicken, die mich mit wildem Blick anstarrten und mich unaufhörlich überwachten. In Wahrheit bekam ich keinen deutlich zu sehen, ich konnte nicht einmal die geringste Spur ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet entdecken. Es kam mir so vor, als würden sich die Bäume über meinem Kopf zusammenbeugen und mich immer weiter in einer Zelle aus lebendem Holz einsperren. Ich wusste nicht, ob ich paranoid wurde oder so, aber ich musste es schaffen mich zu beruhigen, um in diesem unbekannten und tödlichen Dschungel zu überleben.

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