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Das doppelte Lottchen / Близнецы. Книга для чтения на немецком языке
Der Fotograf, ein gewisser Herr Eipeldauer, hat nach der ersten Verblüffung, ganze Arbeit geleistet. Sechs verschiedene Aufnahmen hat er gemacht. In zehn Tagen sollen die Fotos fertig sein.
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Zu seiner Frau meint er, als die Mädchen fort sind:
„Weißt du was, am Ende schick ich ein paar Fotos an eine Illustrierte oder ein Magazin! Zeitschriften interessieren sich manchmal für so was!“
Draußen löst Luise ihre „dummen“ Zöpfe wieder auf. Und als sie ihre Locken wieder schütteln kann, kehrt auch ihr Temperament zurück. Sie lädt Lotte zu einem Glas Limonade. Lotte sträubt sich. Luise sagt energisch: „Komm! Mein Vater hat vorgestern frisches Taschengeld geschickt. Auf geht’s!37“
Sie setzen sich in den Garten, trinken Limonade und plaudern. Es gibt ja so viel erzählen, zu fragen und zu beantworten, wenn zwei kleine Mädchen erst einmal Freundinnen geworden sind!
Die Hühner laufen pickend und gackernd zwischen den Gasthaustischen hin und her. Ein alter Jagdhund beschnuppert die beiden Gäste und ist mit ihrer Anwesenheit einverstanden.
„Ist dein Vater schon lange tot?“, fragt Luise.
„Ich weiß es nicht“, sagt Lotte. „Mutti spricht nie von ihm – und fragen möchte ich nicht gern.“
Luise nickt, „Ich kann mich an meine Mutti gar nicht erinnern. Früher stand auf Vaters Flügel ein großes Bild von ihr. Einmal kam er dazu, wie ich es mir ansah. Und am nächsten Tag war es fort. Er hat es wahrscheinlich im Schreibtisch eingeschlossen.“
Die Hühner gackern. Der Jagdhund döst. Ein kleines Mädchen, das keinen Vater, und ein kleines Mädchen, das keine Mutter mehr hat, trinken Limonade.
„Du bist doch auch neun Jahre alt?“, fragt Luise.
„Ja.“ Lotte nickt. „Am 14. Oktober werde ich zehn.“
Luise setzt sich kerzengerade.
„Am 14. Oktober?“
„Am 14. Oktober.“
Luise beugt sich vor und flüstert: „Ich auch!“
Lotte wird steif wie eine Puppe.
Hinterm Haus kräht ein Hahn. Der Jagdhund schnappt nach einer Biene, die in seiner Nähe summt. Aus dem offenen Küchenfenster hört man die Wirtin singen.
Die beiden Kinder schauen sich wie hypnotisiert in die Augen. Lotte schluckt schwer und fragt heiser vor Aufregung:
„Und wo bist du geboren?“
Luise erwidert leise und zögernd, als fürchte sie sich:
„In Linz an der Donau!“
Lotte fährt sich mit der Zunge über die trockene Lippen.
„Ich auch!“
Es ist ganz still im Garten. Nur die Baumwipfel bewegen sich. Vielleicht hat das Schicksal, das eben über den Garten hinwegschwebte, sie mit seinen Flügeln gestreift.
Lotte sagt langsam: „Ich hab ein Foto von… von meiner Mutti im Schrank.“
Luise springt auf.
„Zeig mir’s!“ Sie zerrt die andere vom Stuhl herunter und aus dem Garten.
„Nanu!“, ruft da jemand empört. „Was sind denn das für neue Moden?“ Es ist die Wirtin. „Limonade trinken und nicht zahlen?“
Luise erschrickt. Sie kramt mit zitternden Fingern in ihrem kleinen Portemonnaie, drückt der Frau einen Geldschein in die Hand und läuft zu Lotte zurück.
„Ihr kriegt etwas heraus!“, schreit die Frau. Aber die Kinder hören sie nicht. Sie rennen, als gälte es das Leben38.
„Was mögen die kleinen Gänse bloß auf dem Kerbholz haben?“39, brummt die Frau. Dann geht sie ins Haus. Der alte Jagdhund trottet hinterdrein.
Lotte kramt, im Kinderheim, hastig in ihrem Schrank. Unter dem Wäschestapel holt sie eine Fotografie hervor und hält sie Luise hin.
Luise schaut scheu und ängstlich auf das Bild. Dann verklärt sich ihr Blick. Ihre Augen saugen sich förmlich an dem Frauengesicht fest.
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Lottes Gesicht ist erwartungsvoll auf die andere gerichtet. Luise lässt das Bild sinken und nickt selig. Dann presst sie es wild an sich und flüstert: „Meine Mutti!“
Lotte legt den Arm um Luises Hals. „Unsere Mutti!“ Zwei kleine Mädchen drängen sich eng aneinander. Hinter dem Geheimnis, das sich ihnen eben entdeckt hat, warten neue Rätsel, andere Geheimnisse.
Der Gong dröhnt durchs Haus. Kinder rennen lachend und lärmend treppab. Luise will das Bild in den Schrank zurücklegen. Lotte sagt: „Ich schenke dir’s!“
Fräulein Ulrike steht im Büro vor dem Schreibtisch der Chefin und hat vor Aufregung krebsrote, kreisrunde Flecken auf beiden Backen.
„Ich kann es nicht für mich behalten!“, sagt sie. „Wenn ich nur wüsste, was wir tun sollen!“
„Na, na“, sagt Frau Muthesius. „Was drückt Ihnen denn das Herz ab, meine Liebe?“40
„Luise Palfy und Lotte Körner! Ich habe im Aufnahmebuch nachgeschlagen! Sie sind beide am selben Tag in Linz geboren! Das kann kein Zufall sein!“
„Wahrscheinlich ist es kein Zufall, meine Liebe. Ich habe mir auch schon bestimmte Gedanken gemacht.“
„Sie wissen es also?“, fragt Fräulein Ulrike.
„Natürlich! Als ich die kleine Lotte, nachdem sie gekommen war, nach ihren Daten gefragt und diese eingetragen hatte, verglich ich sie mit Luises Geburtstag und Geburtsort.“
„Und was geschieht nun?“
„Nichts.“
„Nichts?“
„Nichts! Sie sollen den Mund halten, meine Liebe.“
„Aber…“
„Kein Aber! Die Kinder ahnen nichts. Sie haben sich vorhin fotografieren lassen und werden die Bilder heimschicken. Wenn sich die Fäden hierdurch entwirren41, gut! Doch Sie und ich, wir wollen uns hüten, Schicksal zu spielen42. Ich danke Ihnen für Ihre Einsicht. meine Liebe. Und jetzt schicken Sie mir, bitte, die Köchin.“
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Fräulein Ulrike macht kein sonderlich geistreiches Gesicht, als sie das Büro verlässt. Übrigens wäre das bei ihr auch etwas völlig Neues.
Aufgaben
Ist das richtig?
1.Im zweiten Kapitel spielt die Handlung nach einer Woche.
2.Im zweiten Kapitel spielt die Handlung am nächsten Tag.
3.Lotte und Luise wachen am Morgen auf und grüßen freundlich einander.
4.Luise ärgert sich über Trudes Worte und geht Lotte suchen. Sie hat keine Wut mehr auf sie.
5.Lotte und Luise werden Freundinnen und lassen sich fotografieren.
6.Lotte und Luise haben das Geheimnis entdeckt, dass sie Schwestern sind.
7.Zum Mittagessen kommt die doppelte Luise. Die beiden Mädchen tragen Locken.
8.Zum Mittagessen kommt das doppelte Lottchen. Die beiden Mädchen tragen Zöpfe.
9.Alle Kinder sind überrascht.
10.Es ist leicht festzustellen, wer Luise und wer Lotte ist.
11.Trude erkennt Luise.
12.Lotte und Luise wollen ihr Geheimnis für sich behalten.
13.Die Leiterin und Fräulein Ulrike wissen auch, dass Lotte und Luise Schwestern sind, aber sie wollen das Geheimnis für sich behalten.
Fragen:
1.Wie und wann haben die Kinder das Geheimnis entdeckt, dass sie Schwestern sind?
2.Wie hat die Leiterin das Geheimnis entdeckt, dass die Mädchen Zwillinge sind?
3.Warum wollen die Mädchen das Geheimnis für sich behalten?
4.Warum will die Leiterin des Ferienheims das Geheimnis für sich behalten?
Übersetzung ins Russische:
1.Luise ärgert sich über Trudes Worte.
2.Luise hat große Wut auf Trude.
3.Luise hat keine Wut mehr auf Lotte.
4.Luise ist Lotte nicht mehr böse.
5.Luise ist nicht mehr wütend.
Wie heißt auf Deutsch:
действие происходит, тайна, обнаружить тайну, сохранить тайну, фотографироваться, злиться, сердиться на кого-либо (все варианты)
Nacherzählung:
1.Die Mädchen wagen einander nicht anzusehen.
2.Luise spielt mit ihren Freundinnen.
3.Luise und Lotte auf der Wiese.
4.Das doppelte Lottchen.
5.Die Mädchen entdecken das Geheimnis.
6.Die Eltern der Mädchen.
7.Das Gespräch der Leiterin mit Fräulein Ulrike.
Drittes Kapitel
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Die Zeit vergeht. Sie weiß es nicht besser43.
Haben die zwei kleinen Mädchen ihre Fotos bei Herrn Eipeldauer im Dorf abgeholt? Längst! Hat sie Fräulein Ulrike neugierig gefragt, ob sie die Fotos nach Haus geschickt hätten? Längst! Haben Luise und Lotte mit den Köpfchen genickt und ja gesagt? Längst!
Und ebenso lange liegen dieselben Fotos, in kleine Fetzen zerpflückt, auf dem Grunde des grünen Bühlsees bei Seebühl. Die Kinder haben Fräulein Ulrike angelogen! Sie wollen ihr Geheimnis für sich behalten! Wollen es zu zweit verbergen und, vielleicht, zu zweit enthüllen! Und wer ihren Heimlichkeiten zu nahe kommt, wird rücksichtslos beschwindelt. Es geht nicht anders. Nicht einmal Lottchen hat Gewissensbisse. Das will viel heißen.
Die beiden hängen jetzt wie die Kletten zusammen. Trude, Steffie, Monika, Christine und die anderen sind manchmal böse auf Luise, eifersüchtig auf Lotte. Was hilft’s? Gar nichts hilft es! Wo mögen sie jetzt wieder stecken?
Sie stecken im Schrankzimmer. Lotte holt zwei gleiche Schürzen aus ihrem Schrank, gibt der Schwester eine davon und sagt, während sie sich die andere umbindet: „Die Schürzen hat Mutti beim Oberpollinger gekauft.“
„Aha, meint Luise, „das ist das Kaufhaus auf der Neuhauser Straße, beim … wie heißt das Tor?“
„Karlstor.“
„Richtig, beim Karlstor!“
Jede weiß schon recht gut Bescheid über die Lebensgewohnheiten, über die Schulfreundinnen, Nachbarn, die Lehrerinnen und Wohnungen der anderen! Für Luise ist ja alles, was mit der Mutti zusammenhängt, so ungeheuer wichtig44! Und Lotte will auch alles über den Vater erfahren, was die Schwester weiß! Tag für Tag sprechen sie von nichts anderem. Und noch abends flüstern sie stundenlang in ihren Betten. Jede entdeckt einen anderen, einen neuen Kontinent. Das, was bis jetzt ihre Kinderwelt war, war ja nur die eine Hälfte ihrer Welt!
Und sie sind damit beschäftigt, diese beiden Hälften aneinander zu fügen. Ein anderes Thema erregt sie auch, ein anderes Geheimnis plagt sie: Warum sind die Eltern nicht mehr zusammen?
„Erst haben sie natürlich geheiratet“, erklärt Luise zum hundertsten Male. „Dann haben sie zwei kleine Mädchen gekriegt. Und weil Mutti Luiselotte heißt, haben sie das eine Kind Luise und das andere Lotte getauft. Das ist doch sehr hübsch! Da müssen sie sich doch noch geliebt haben, nicht?“
„Bestimmt!“, sagt Lotte. „Aber dann haben sie sich sicher gezankt. Und sind voneinander fort. Und haben uns selber genauso entzweigeteilt wie vorher Muttis Vornamen!“
„Eigentlich hätten sie uns erst fragen müssen, ob sie uns halbieren dürfen!“
„Damals konnten wir ja noch gar nicht reden!“ Die beiden Schwestern lächeln hilflos. Dann haken sie sich unter und gehen in den Garten.
Es ist Post gekommen. Überall, im Gras und auf Mauer und auf den Gartenbänken, hocken kleine Mädchen und studieren Briefe. Lotte hält die Fotografie eines Mannes von etwa dreißig Jahren in den Händen und blickt mit zärtlichen Augen auf ihren Vater. So sieht er also aus! Und so wird es einem ums Herz, wenn man einen wirklichen, lebendigen Vater hat!
Luise liest vor, was er ihr schreibt: „Mein liebes, einziges Kind!“ – „So ein Schwindler!“, sagt sie hochblickend. „Wo er doch genau weiß, dass er Zwillinge hat!“ Dann liest sie weiter: „Hast du denn ganz vergessen, wie dein Vater aussieht, dass du unbedingt, noch dazu zum Ferienschluss, eine Fotografie von ihm haben willst? Erst wollte ich dir ja ein Kinderbild von mir schicken. Eines, wo ich als nackiges Baby auf einem Eisbärenfell liege! Aber du schreibst, dass es unbedingt ein funkelnagelneues Bild sein muss! Na, bin ich gleich zum Fotografen gerannt, obwohl ich eigentlich gar keine Zeit hatte, und habe ihm genau erklärt, weswegen ich das Bild so eilig brauche. Sonst, habe ich ihm gesagt, erkennt mich meine Luise nie wieder, wenn ich sie von der Bahn abhole! Das hat er zum Glück eingesehen. Und so kriegst du das Bild noch rechtzeitig. Hoffentlich tanzt du den Fräuleins im Heim nicht so auf der Nase herum45 wie deinem Vater, der dich tausendmal grüßt und große Sehnsucht nach dir hat!“
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„Schön!“, sagt Lotte. „Und lustig! Dabei sieht er auf dem Bild so ernst aus!“
„Wahrscheinlich hat er sich vor dem Fotografen geniert zu lachen“, meint Luise. „Vor anderen Leuten macht er immer ein strenges Gesicht. Aber wenn wir allein sind, kann er sehr komisch sein.“
Lotte hält das Bild ganz fest. „Und ich darf es wirklich behalten?“
„Natürlich“, sagt Luise, „deswegen habe ich’s mir schicken lassen!“
Die pausbäckige Steffie sitzt auf einer Bank, hält einen Brief in der Hand und weint. Sie gibt dabei keinen Laut. Die Tränen rollen unaufhörlich über das Kindergesicht. Trude schlendert vorbei, bleibt neugierig stehen, setzt sich daneben und schaut Steffie abwartend an. Christine kommt hinzu und setzt sich auf die andere Seite. Luise und Lotte nähern sich und bleiben stehen. „Fehlt dir was?“, fragt Luise. Steffie weint lautlos weiter. Plötzlich senkt sie den Kopf und sagt monoton: „Meine Eltern lassen sich scheiden!“
„So eine Gemeinheit!“, ruft Trude. „Da schicken sie dich erst in die Ferien und dann tun sie so was! Hinter deinem Rücken!“
„Der Papa liebt, glaub ich, eine andere Frau“, sagt Steffie.
Luise und Lotte gehen rasch weiter. Was sie eben gehört haben, bewegt ihre Gemüter aufs heftigste.
„Unser Vater“, fragt Lotte, „hat doch aber keine neue Frau?“
„Nein“, erwidert Luise. „Das wüsste ich.“46
„Vielleicht eine, mit der er nicht verheiratet ist?“ fragt Lotte zögernd.
Luise schüttelt den Lockenkopf. „Bekannte hat er natürlich. Auch Frauen. Aber du sagt er zu keiner. Aber wie ist das mit Mutti? Hat Mutti einen guten Freund?“
„Nein“, meint Lotte zuversichtlich. „Mutti hat mich und ihre Arbeit, und sonst will sie nichts vom Leben, sagt sie.“
Luise blickt die Schwester ziemlich ratlos an.
„Ja, aber warum sind sie denn dann geschieden?“
Lotte denkt nach. „Vielleicht waren sie gar nicht auf dem Gericht? So wie Steffies Eltern das wollen?“
„Warum ist Vater in Wien und Mutti in München?“ fragt Luise. „Warum haben sie uns halbiert?“
„Warum“, fährt Lotte grübelnd fort, „haben sie uns nie erzählt, dass wir gar nicht einzeln, sondern eigentlich Zwillinge sind? Und warum hat Vater dir nichl davon erzählt, dass Mutti lebt?“
„Und Mutti hat dir verschwiegen, dass Vati lebt“.
Luise stemmt die Arme in die Seiten.
„Schöne Eltern haben wir, was? Na warte, wenn wir den beiden einmal die Meinung sagen! Die werden staunen!“
„Das dürfen wir doch gar nicht“, meint Lotte schüchtern. „Wir sind ja nur Kinder!“ „Nur?“, fragt Luise und wirft den Kopf zurück.
Aufgaben
Ist das richtig?
1.Luise und Lotte haben ihre Fotos beim Fotografen abgeholt und in kleine Fetzen zerrissen. 2.Die Kinder haben Fräulein Ulrike gesagt, dass sie die Fotos heimgeschickt haben.
3.Sie wollen ihr Geheimnis für sich behalten.
4.Die beiden Mädchen hängen wie Kletten zusammen.
5.Lotte will alles über den Vater wissen, Luise will alles über die Mutter wissen. 6.Jedes Mädchen entdeckt für sich einen neuen Kontinent.
7.Der Vater schickt Luise ein altes Bild, auf dem er als ein kleines Baby auf einem Eisbärenfell dargestellt ist. 8.Das Foto zeigt einen fünfunddreißig-jährigen Mann mit ernstem Gesicht. Das Foto ist funkelnagelneu.
9.Steffie weint, weil ihre Eltern sich scheiden lassen.
Übersetzung:
1.Die Eltern haben den Vornamen der Mutter entzweigeteilt.
2.Die Eltern ließen sich scheiden.
3.Die Eltern haben die Kinder halbiert.
4. Die Mutter hat Lotte verschwiegen, dass ihr Vater lebt und dass sie eine Schwester hat.
5.Der Vater hat Luise verschwiegen, dass ihre Mutter lebt und dass sie ein Zwilling ist.
6.Luise ist nicht brav. Sie tanzt den Fräuleins im Ferienheim auf der Nase herum wie dem Vater.
7.Das Thema Scheidung bewegt ihre Gemü-ter sehr. 8.Der Vater genierte sich vor dem Fotografen zu lachen.
Wie heißt auf Deutsch:
делить пополам, утаить /скрыть, совершенно новый, обнаруживать / открывать, вести себя непослушно / озорничать, стесняться
Nacherzählung:
1.Lotte und Luise entdecken neue Kontinente.
2.Rätsel über Rätsel.
3.Der entzweigeteilte Vorname der Mutter.
4.Eine ernste Fotografie und ein lustiger Brief vom Vater.
5.Steffies Eltern lassen sich scheiden.
6.Darf man Kinder trennen?
Viertes Kapitel
Die Ferien gehen dem Ende zu. In den Schränken sind die Stapel frischer Wäsche zusammengeschmolzen. Die Betrübnis, das Kinderheim bald verlassen zu müssen, und die Freude aufs Zuhause wachsen gleichmäßig.
Frau Muthesius plant ein kleines Abschiedsfest. Der Vater eines der Mädchen, dem ein Kaufhaus gehört, hat eine große Kiste Lampions, Girlanden und viele andere Dinge geschickt. Nun sind die Helferinnen und die Kinder eifrig dabei, die Veranda und den Garten schön zu schmücken. Sie schleppen Küchenleitern von Baum zu Baum, hängen bunte Laternen ins Laub, schlingen Girlanden von Zweig zu Zweig und bereiten auf einem langen Tisch eine Tombola vor. Andere schreiben auf kleine Zettel Losnummern. Der Hauptgewinn: ein Paar Rollschuhe! „Wo sind eigentlich die Locken und die Zöpfe?“, fragt Fräulein Ulrike. (So nennt man neuerdings47 Luise und Lotte.)
„Oh, die!“, meint Monika abfällig. „Die werden wieder irgendwo im Gras sitzen und sich an den Händen halten, damit der Wind sie nicht auseinander weht!“
Die Zwillinge sitzen nicht irgendwo im Gras, sondern im Garten. Sie halten sich auch nicht an den Händen – dazu haben sie keine Zeit —, sondern haben Heftchen vor sich liegen, halten Bleistifte in der Hand, und im Augenblick diktiert Lotte gerade der emsig kritzelnden Luise: „Am liebsten mag Mutti Nudelsuppe mit Rindfleisch. Das Rindfleisch holst du beim Metzger Huber.“
Luise hebt den Kopf. „Metzger Huber, Max-Emanuel-Straße, Ecke Prinz-Eugen-Straße“, murmelt sie.
Lotte nickt befriedigt. „Das Kochbuch steht im Küchenschrank, im untersten Fach ganz links. Und in dem Buch liegen alle Rezepte, die ich kann.“
Luise notiert: „Kochbuch… Küchenschrank… unteres Fach… ganz links…“ Dann stützt sie die Arme auf und meint: „Vor dem Kochen hab ich eine Heidenangst! Aber wenn’s in den ersten Tagen schief geht, kann ich vielleicht sagen, ich hätt’s in den Ferien verlernt.“
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Lotte nickt zögernd. „Außerdem kannst du mir ja gleich schreiben, wenn etwas nicht klappt. Ich gehe jeden Tag aufs Postamt und frage, ob etwas angekommen ist.“
„Ich auch“, meint Luise. „Schreib nur recht oft! Und iss tüchtig im lmperial! Vati freut sich immer so, wenn es mir schmeckt!“
„Zu dumm“, dass ausgerechnet gefüllter Eierkuchen dein Lieblingsgericht ist!“, murrt Lottchen. „Na, da kann eben nichts helfen! Aber Kalbsschnitzel und Gulasch wären mir lieber!“48
„Wenn du gleich den ersten Tag drei Eierkuchen isst, oder vier oder fünf, kannst du hinterher sagen, du hast dich fürs ganze weitere Leben daran überfressen“, schlägt Luise vor.
„Das geht“, antwortet die Schwester, obwohl sich ihr bereits bei dem bloßen Gedanken an fünf Eierkuchen der Magen umdreht. Sie macht sich nun einmal nichts daraus!
Dann beugen sich beide wieder über ihre Heftchen und hören einander wechselseitig die Namen der Mitschülerinnen, die Sitzordnung in der Klasse, die Gewohnheiten der Lehrerin und den genauen Schulweg ab.
„Mit dem Schulweg hast du’s leichter als ich“, meint Luise. „Du sagst Trude ganz einfach, sie soll dich am ersten Tag abholen! Das macht sie manchmal. Na, und da läufst du dann ganz gemütlich neben ihr her und merkst dir die Straßenecken und den übrigen Palawatsch49!“
Lotte nickt. Plötzlich erschrickt sie. „Das hab ich noch gar nicht gesagt – vergiss ja nicht, Mutti, wenn sie dich zu Bett bringt, einen Gutenachtkuss zu geben!“
Luise blickt vor sich hin. „Das brauch ich mir nicht aufzuschreiben. Das vergesse ich bestimmt nicht!“
Merkt ihr, was sich anspinnt?50 Die Zwillinge wollen den Eltern noch immer nicht erzählen, dass sie Bescheid wissen. Sie wollen Vater und Mutter nicht vor Entscheidungen stellen. Sie ahnen, dass sie kein Recht darauf haben. Und sie fürchten, die Entschlüsse der Eltern könnten das junge Geschwisterglück sofort und endgültig wieder zerstören. Aber das andere brächten sie erst recht nicht übers Herz: als wäre nichts geschehen, zurückzufahren51, woher sie gekommen sind! Weiterzuleben in der ihnen von den Eltern ungefragt zugewiesenen Hälfte!52 Nein! Kurz und gut, es ist eine Verschwörung im Gange! Der von Sehnsucht und Abenteuerlust geweckte, fantastische Plan sieht so aus: Die beiden wollen Kleider, Frisuren, Koffer, Schürzen und Existenzen tauschen! Luise will, mit braven Zöpfen, als sei sie Lotte, zur Mutter, von der sie nichts als eine Fotografie kennt, „heimkehren“! Und Lotte wird, mit offenem Haar, lustig und lebhaft, wie sie’s nur vermag, zum Vater nach Wien fahren!
Die Vorbereitungen auf die zukünftigen Abenteuer waren gründlich. Die Hefte sind randvoll von Notizen. Man wird einander postlagernd schreiben, wenn wichtige unvorhergesehene Ereignisse53 eintreten sollten.
Vielleicht wird es ihnen gelingen zu enträtseln, warum die Eltern getrennt leben? Und vielleicht werden sie dann, eines schönen, eines wunderschönen Tages miteinander und mit beiden Eltern – doch so weit wagen sie nicht zu denken, geschweige54 denn, darüber zu sprechen.
Das Gartenfest am Vorabend der Abreise ist als Generalprobe gesehen. Lotte kommt als lockige, lebhafte Luise. Luise erscheint als brave, bezopfte Lotte. Und beide spielen ihre Rollen ausgezeichnet. Es macht beiden einen Mordsspaß55, einander laut beim eigenen Vornamen zu rufen. Lotte schlägt vor Übermut Purzelbäume56, und Luise tut so sanft und still, als könne sie kein Wässerchen trüben57.
Die Lampions schimmern in den Sommerbäumen. Die Girlanden schaukeln im Abendwind. Das Fest und die Ferien gehen zu Ende. An der Tombola werden Gewinne verteilt. Steffie gewinnt den ersten Preis, die Rollschuhe. (Besser ein schwacher Trost als gar keiner!)
Die Schwestern schlafen schließlich, ihren Rollen treu, in den vertauschten Betten und träumen vor Aufregung wilde Dinge58. Lotte beispielsweise wird in Wien am Bahnsteig von einer überlebensgroßen Fotografie59 ihres Vaters abgeholt, und daneben steht ein Hotelkoch mit einem Schubkarren voll dampfender Eierkuchen – brr!
Am nächsten Morgen, in aller Herrgottsfrühe60, fahren in der Bahnstation Egern, bei Seebühl am Bühlsee zwei aus entgegengesetzten Richtungen kommende Züge ein. Dutzende kleiner Mädchen klettern in die Abteile. Lotte beugt sich weit aus dem Fenster. Aus einem Fenster des anderen Zuges winkt Luise. Sie lächeln einander Mut zu. Die Herzen klopfen. Das Lampenfieber61 wächst. Wenn jetzt nicht die Lokomotiven zischten und spuckten, würden die kleinen Mädchen vielleicht im letzten Moment doch noch …
Aber nein, der Fahrplan hat das Wort. Der Stationsvorsteher hebt sein Szepter. Die Züge setzen sich gleichzeitig in Bewegung. Kinderhände winken.
Lotte fährt als Luise nach Wien. Und Luise als Lotte nach München.
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Aufgaben
Ist das richtig?
1.Die Ferien sind noch lange nicht zu Ende.
2.Die Ferien gehen dem Ende zu.
3.Man nennt Luise und Lotte scherzlich Locken und Zöpfe.
4.Luise und Lotte haben den Plan, die Rollen auszutauschen.
5.Die Kinder wollen den Eltern nicht erzählen, dass sie Bescheid wissen.
6.Die Mädchen tauschen verschiedene Informationen aus. Lottes Lieblingsgericht ist Eierkuchen. Luise mag Eierkuchen nicht. Schnitzel oder Gulasch wären ihr lieber.
7.Das Abschiedsfest macht den Mädchen Spaß.
8.Lotte fährt als Luise nach Wien.
9.Luise fährt als Lotte zur Mutter nach München.
10.Die Mädchen haben keine Angst.
Übersetzen Sie:
1. Die Kinder wissen Bescheid, dass sie Zwillinge sind.
2.Luises Liebligsgericht ist Eierkuchen. Lotte mag Eierkuchen nicht.
3.Luise erscheint am Abschiedstag als brave, bezopfte Lotte.
4.Lotte erscheint als lockige Luise. Sie schlägt Purzelbäume vor Übermut.
5.Den beiden macht es Mordsspaß.