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Gräfin Elisa von Ahlefeldt, die Gattin Adolphs von Lützow, die Freundin Karl Immermann's
Viele Siegesbeuten, die gemacht wurden, schenkten die Lützower Elisen, da sie dieselben in ihren Händen am liebsten sahen. Lützow selbst gab ihr mehrere solche; noch im letzten dieser Feldzüge, im Jahre 1815, als nach der Schlacht von Belle-Alliance der Lieutenant Leo Palm der Erste war, der in den eroberten Wagen Napoleons hineinstieg, verschmähte dieser von den vielen Schätzen, die sich darin befanden, etwas für sich zu nehmen, aber zwei Gläser und ein paar Handschuhe des Kaisers überbrachte er Elisen als Andenken. Sogar ein auf dem Schlachtfeld gefundener großer Hund von seltener Schönheit wurde ihr geschenkt, und ist viele Jahre lang ihr treuer Begleiter geblieben.
Werfen wir nun einen Blick auf die Männer, aus denen die Freischaar gebildet war; wir finden da viele Gestalten von besonderer Eigenthümlichkeit, viele, welche sich Namen und Ruf erwarben. Da war der wunderliche Alte im Bart, der Turner Friedrich Ludwig Jahn, der »erste deutsche Freiwillige,« wie er genannt wurde, mit seiner Devise: »frisch, frei, fromm, fröhlich«! Theodor Körner, der edle Dichter, welcher kämpfend dichtete, und dichtend fiel in der Blüthe der Jugend; der mehr als siebzigjährige Rittmeister von Fischer, die komische Figur unter ihnen, der die Listen des Odysseus geerbt zu haben schien, und der mit einem alten Richtschwert bewaffnet einher ging, weil ihm kein anderes groß genug war; dann Peter Beuth, welcher sich seltsam gerüstet hatte, Lützow's Brüder Leo und Wilhelm, sein Schwager Graf zu Dohna, die braven Petersdorff's, Palm, Thümmel, Helmenstreit, Ennemoser, Kruckenberg, Reil, Eckstein, Dorow, Berenhorst, Karl Müller, Meckel, Friedrich Förster, August von Vietinghoff, der Freund von Friedrich Friesen, und endlich Friedrich Friesen selbst, der edle, schöne, blonde Jüngling, mit den feinen, fast mädchenhaften Zügen, welcher von allen, die ihn kannten, heiß geliebt wurde, »an Leib und Seele ohne Fehl, voll Unschuld und Weisheit, beredt wie ein Seher, eine Siegfriedsgestalt von großen Gaben und Gnaden«, wie ihn Jahn beschreibt, »ein lichter Schönheitsstrahl«, wie Arndt von ihm gesungen. Sein früher Tod in den Ardennen, und die Ausdauer, mit welcher sein Freund Vietinghoff seine Ueberreste aufsuchte, getreu seinem Wort, ihn in deutscher Erde bestatten zu lassen, ist vielfach bekannt geworden.
An Friesen, Palm, Friedrich von Petersdorff und Thümmel, einem Verwandten des bekannten Schriftstellers, gewann sich Elisa Freunde für das ganze Leben. Sie und Friesen fühlten sich auf das innigste zu einander hingezogen, es bestand eine schwärmerische Freundschaft zwischen ihnen, sie waren sich ihrem ganzen Wesen nach verwandt, in Friesen fand Elisa eine Seele, die dem hohen Flug der ihrigen folgen konnte.
Da wir keine Kriegsgeschichte schreiben, so kann es nicht unsere Aufgabe sein, die übrigens vielfach bekannten Schicksale der tapfern Lützow'schen Freischaar hier einzeln vorzuführen. Als den 16. September 1813 das Gefecht bei der Görde stattfand, wo Lützow lebensgefährlich verwundet wurde, eilte Elisa gleich zu ihm, um sich ganz seiner Pflege zu widmen.
Wir lassen nun einen Brief von Friedrich Friesen an Elisen folgen vom 30. October 1813, in welchem er ihr die tödtliche Erkrankung seiner Mutter meldete. Er lautet: »Das inliegende Blatt sagt Ihnen, theure Frau, mein Unglück. Ich versuche vergeblich mich frei zu halten. Sie verstehen meine Scheinruhe, weil Sie männlichen Gleichmuth besitzen, und feinfühlend sich in das Wesen Andrer versetzen.
»Wenn Fremde sich in unsre Lage fühlen,
Sind sie wohl näher als die Nächsten uns verwandt.«
Mich erfreut und stärkt Ihre Theilnahme, der ich gewiß bin. – Ich verliere eine wackere Mutter, der ich unendlich viel verdanke. – Sie haben mich schreibend gefunden. Erhalten Sie mir Ihre Güte, und lassen Sie dieses Blatt und mein offenes Geständniß, dessen ich mich gegen Sie nicht schäme, ein harmloses Geheimniß sein. – Ich bin nicht gewöhnt mit meiner Lage, mit meinen Wünschen und meinem Unglück zu stören, aber von Ihnen erwarte ich weder Vorwurf noch von mir Reue – die bei Fehlgriffen schmerzlich kränkt. Friesen.«
Friesen eilte nun athemlos nach Berlin, wo er seine Mutter noch lebend antraf, und ihr in ihren letzten Augenblicken beistehen konnte. Nach ihrem Tode schrieb er Elisen aus Berlin, den 6. November 1813: »Meine Freunde suchen meinen Schmerz durch ihre wahrhafte Theilnahme zu mindern. Ich erkenne das mit Dank. Ihnen aber, theure Frau, fühle ich mich besonders verpflichtet für Ihren Zuspruch und Trost. – Unglückliche sind mißtrauisch, gegen Sie bin ich es nicht. Tiefes Gefühl, eigener Verlust, und die unverkennbare Wahrheit Ihres Wesens verbürgt mir Ihre Mitempfindung, und Ihnen die Gewißheit meiner Anerkennung. – Wie geht es Ihrem Gemahl? – Ich bitte Sie recht dringend, versuchen Sie alles ihn seinen Freunden in wahrer Gesundheit zu erhalten, wenn noch eine Prüfung von Muth und Ausdauer beschlossen sein sollte. Ich weiß, was ich von Ihnen fordere und was Sie der Zeit opfern – aber ich kenne Sie, um gewiß zu sein über vieles, was Sie mit Selbstverläugnung und edlem Stolz gegen das Schicksal über sich vermögen. In der jetzigen Zeit wird der Begriff wahrer Weiblichkeit dem ungetrübten Blick erst klar und verständlich. Ich denke an Sie mit unbedingtem Vertrauen. – Ich versuche mich aufzurichten, und freien Blickes in die Zukunft zu sehen, und des eigenen Unglücks zu vergessen, oder es doch mit ruhiger Besonnenheit zu tragen. – Mir ist nicht wohl. – Denken Sie meiner. Ich verehre in Ihnen das erfreuliche Bild einer Frau, die nicht in der Zeitbildung befangen, ein schönes Leben in ruhiger Würde lebt. Friesen.«
Diese wenigen Zeilen, die wir um so lieber mittheilen, da wir wissen, wie besonders theuer Friesen allen seinen Waffengenossen war, sie charakterisiren genau das edle Verhältniß, welches zwischen ihm und Elisen bestand, und zeigen ein feines, tief empfindendes, liebenswürdiges Gemüth.
Wie die Freischaar in's Holsteinische eingerückt war, schrieb Friedrich von Petersdorff an Elisen vom Vorposten zu Syke bei Oldeslohe, den 8. Dezember 1813: »Wir hoffen noch immer, daß mit Dänemark thätig am Frieden gearbeitet wird, und daß dieser Krieg, der nicht unmittelbar gegen den Erbfeind geht, bald geendigt sein werde. – Vergessen Sie uns nicht, liebe, gute Elisa, und rechnen Sie es nicht uns an, wenn Ihre Landsleute etwas hart mitgenommen werden, wir steuern, was wir können, dankt Adolph doch dem Lande das Glück seines Lebens, und ich das Glück der göttlichen Freundschaft. Ihr Friedrich.«
In der Nacht des 15. März 1814 war es Elisen als träte Friesen vor ihr Bett, und zeige ihr eine tiefe Wunde, die er erhalten habe; bewegt und erschrocken rief sie ihr Mädchen herbei, ob sie die blutige Gestalt dort nicht stehen sehe; diese sah jedoch nichts. Fünf Tage später, an ihrem Hochzeitstage, erfuhr Elisa, daß Friesen damals grade, als sie geglaubt hatte, ihn zu sehen, geblieben war. –
Sie war tief ergriffen. In einem kleinen Notizbuche, welches sie bei sich führte, finden wir dieses Ereigniß mit den kurzen, aber schmerzlichen Worten bezeichnet: »Der erste und beste Mann, Deutschlands Stolz und das höchste Glück seiner Freunde, verlor auf die schrecklichste Weise sein Leben.«
Auch Lützow, dessen Adjutant er gewesen war, betrauerte ihn schmerzlich, und äußerte, von allen Menschen, die er kennen gelernt, sei Friesen derjenige, welcher am wenigsten zu missen sei, und an dem das Vaterland am meisten verliere.
Wir können nicht umhin, hier eine Schilderung anzuführen, welche Karl Immermann im zweiten Bande der »Epigonen« von Elisen entworfen hat. Immermann ließ seine Heldin nicht die Freundin, sondern die Geliebte Friesens gewesen sein, und sie, anstatt Vietinghoff's, jenen Sarg mit seinen Ueberresten bei sich aufbewahren. Diese und noch einige andere kleine Abweichungen, welche der Roman erforderte, wird der Leser leicht herauserkennen, außer diesen aber Elisens Bild wie in einem Spiegel wiederfinden.
Es ist von der Zeit des Befreiungskrieges die Rede.
»Sie war die hohe Brautwoche, der süße Honigmonat meines Lebens! rief Johanna und ihre Augen glänzten. Ich war zwanzig Jahre alt, auf meines Vaters Schlosse erwachsen, der, wie ihn die Leute auch beschelten mögen, mir ein guter Vater war, und mich aufstreben ließ, frei und ungezwängt, gleich den Tannen in unserm Park. An seiner Seite zu Pferde, oder im leichten Jagdwagen, wenn der Hirsch verfolgt wurde, war es mir oft, als müßten Flügel mir an beide Schultern wachsen, so leicht und rein rollte in mir das muthige Leben! Daheim horchte ich den Erzählungen der Reisenden und klugen Männer, welche meinen Vater besuchten, und von fremden Ländern und Menschen sprachen, oder ich las Geschichte mit meiner alten, würdigen Erzieherin. Denn, Dank sei es denen, welche über mein Geschick geboten, nichts Gemeines und Eitles durfte mich berühren, und ich erinnere mich noch, daß in meinem Zimmer der Spiegel fehlte. Welt und Vorzeit umgaben mich wie ein schönes, sinnvolles Mährchen, in dessen Mitte ich, allen Helden und Weisen vertraulich nahe, liebe Tage hinspann.«
»Nun erschien jener große Winter mit seinen Eis- und Leichenfeldern, mit seinem Stadt- und Herzensbrande! Meines Vaters Entschluß war sogleich gefaßt, als die ersten Zuckungen des wiedererwachenden Lebens sich verspüren ließen. Obgleich, nach der Sitte seiner Jugend, gern die fremde Sprache redend, war er ein deutscher Mann und Edelmann geblieben; sein Herz hatte bei dem Jammer des Vaterlandes oft geblutet. Wir zogen, damit er thätiger eingreifen könnte, auf eine Zeitlang nach der großen Stadt, welche der Heerd des heiligen Feuers war. Was schwatze ich Ihnen vor? Sie waren ja selbst dabei, haben selbst die Waffen getragen. Welche Tage! Welche Gefühle! Nun waren Rom und Griechenland und die Ritterzeit kein Mährchen mehr für mich, alles Größte strahlte wiedergeboren im grünen, frischen Lichte mich an. Mein Mädchenherz wollte mir oft die Brust zersprengen, wenn ich bis Mitternacht, ja bis an den frühen Morgen die Binden zuschnitt, welche das Blut der Wunden hemmen sollten. Ich weinte, daß mein Vater reich war, daß ich nicht auch mich genöthigt sah, mein Haupthaar auf dem Altare der allgemeinen Begeisterung zu opfern. Nie, nie kann ich das vergessen, und wenn die ganze Welt umher in Zweifel und Klügelei starr wird, so soll der Busen einer armen Frau wenigstens ewig das Fest der Erinnerung feiern!«
»Sie war aufgestanden und ging mit großen Schritten durch das Zimmer. Ihre Züge hatten sich verklärt, sie glich einer Priesterin, einer Velleda. Nach einer Pause, während welcher ihr Antlitz vom herrlichsten Angedenken wie durchsichtig zu werden schien, stand sie still und rief: Ja, wenn es eine Liebe je auf Erden gegeben hat, so habe ich geliebt! Und o des Glücks! Die zärtlichste Empfindung war nur eins mit der heiligsten und größten! Im Waffenschmuck trat er mir entgegen, dem Kampfe sich entgegensehnend, in den er nach wenigen Wochen zog. Mild war er und edeln Zornes zugleich voll, nie hat ein reineres tugendhafteres Herz unter dem Rocke des Kriegers geklopft. Er war wie ein Verschlagner von einer fernen seligen Insel unter uns Andern. Die Augen pflegte er zu senken, als erliege seine Seele unter ihrer eignen Größe. Stumm war unsre Liebe und ohne Erklärung. Nur, als ich ihm beim Abschiede die Feldbinde reichte, verstanden sich unsre Blicke. Er zog dahin und ich sah ihn nicht wieder.«
»Er trug, wie alle jugendliche Frühlingsherzen, die Todesahnung im Busen. Sein einziger Wunsch war, in deutscher Erde zu ruhn, er schauderte vor dem Gedanken, fern unter den Fußtritten des feindlichen Volkes vermodern zu müssen. Das Schicksal ist oft grausam, es kann uns nicht allein das Leben, wie wir es wünschen, sondern auch den Tod, wie wir ihn zu sterben würdig gewesen wären, versagen. Nicht in einer der großen herrlichen Befreiungsschlachten fiel mein Freund, nein, vereinzelt, seiner Schaar nachgeblieben, wurde er von umherstreifendem Gesindel auf dem fremden Boden erschlagen. Ich erfuhr seinen Tod, noch ehe die Nachricht davon zu mir gelangte. In der Nacht aus tiefem Schlummer ohne vorhergegangnen Traum emporschreckend, sah ich das blutige Haupt des Ermordeten am Fuße meines Lagers aufsteigen, und alsobald auch wieder verschwinden. Augenblicklich wußte ich um meinen ungeheuren Verlust, aber zugleich durchdrang mein Herz ein unvergänglicher Trost, der es so ganz erfüllte, daß ich mich kaum erinnere, damals geweint oder sonst getrauert zu haben. Nur jetzt, nach manchem Jahre fließen meine Thränen zuweilen. Als die Ruhe hergestellt war, beschäftigte uns Alle, die wir ihn geliebt hatten, sein Wunsch. Ein treuer Gefährte seiner Tage machte sich endlich in der Stille auf, scheute nicht Mühe noch Gefahr unter dem noch immer schmerzlich empörten Volke, fand die Grube, in welcher man den Körper verscharrt hatte, kaufte die theuren Reste los, und brachte sie in die Heimath.«
»Sie näherte sich einer schmalen, länglichen Kiste, welche in der Ecke des Gemachs stand, öffnete sie und warf sich mit Lauten des tiefsten Schmerzes über sie. Hermann trat hinzu und fuhr zurück; ein menschliches Gerippe starrte ihm aus der Kiste entgegen. Warum erschrickst Du? Was macht Dich zu fürchten? rief sie. Dies ist mein lieber, mein einziger Freund, den ich nun wiederhabe, und nicht von mir lasse. Betrachte den holdseligen Mund, die guten, schönen Augen, die denkende Stirn! Nun ruht er, umweht vom Hauche der Liebe, nun ist ihm wohl!«
»Theure, warum gaben Sie der Erde nicht wieder, was der Erde gehört? fragte Hermann, als er sich einigermaßen von seinem Erstaunen erholt hatte.«
»Sie versetzte nichts. Mit den zärtlichsten Namen rief sie den geschiedenen Freund, schmeichelnd strich sie über den kahlen Schädel, ihre Lippen küßten die leeren Augenhöhlen. Dazwischen führte sie Reden, deren Sinn und Bedeutung Hermann nicht verstand. Sie sprach von dem Vampyr, der, auferstandne Leiche, umhergehe, und den Lebenden das Blut aussauge, und beschwor die Gebeine des Todten, sie wie bisher, so auch ferner vor dem Schreckniß zu schützen.« –
Im Sommer 1814 hielt sich Elisa eine Weile mit Beuth's Mutter in Kleve auf, dann bezog sie ein Landhaus vor der Stadt, wo Lützow mit seinen Kameraden sie Abends zu besuchen pflegte; unter den schattigen, grünen Bäumen, in einer freundlichen Natur kam dort bei Elisen ein Kreis zusammen, bestehend aus Palm, Karl und Friedrich von Petersdorff, Wilhelm von Lützow und Andern, die alle noch spät mit Entzücken von der reizenden Geselligkeit erzählten, die Elisa um sich her zu schaffen, und mit dem Zauber ihres anmuthigen Geistes zu beleben wußte. Aehnliche Abende wiederholten sich etwas später in Aachen, wo sie auf der alten Ketschenburg in einem Zimmerchen, welches so niedrig war, daß die Freunde es scherzend »die Schiffskajüte« nannten, sich ein blumengeschmücktes und überaus wohnliches Asyl geschaffen hatte; hier war auch der Dichter Max von Schenkendorff ein häufig und gern gesehener Gast.
Im Sommer 1815 hatte Lützow das Unglück in der Schlacht von Ligny in französische Gefangenschaft zu gerathen, aus der ihn jedoch der bald darauf erfolgende Frieden wieder befreite. Elisa war sehr in Angst um ihn; sie theilte so gern alle seine Mühen und Gefahren, sie war nur immer darauf bedacht, ihn zu pflegen, und für sein Behagen zu sorgen, um so mehr, da die vielen Verwundungen ihn viel leiden ließen. Heinrich Pröhle sagt, in seiner Biographie Jahn's, von Lützow, daß er fast in jedem Gefecht verwundet wurde; »wenn er ging,« heißt es dort, »so war er durch seine vielen Wunden halb Invalide; stieg er zu Pferde, so bedurfte er ihrethalben einiger Hülfe – aber saß er einmal im Sattel, so war er das Muster eines Husarenoffiziers, ein Ritter ohne Furcht und Tadel.«
Die liebevolle Sorgfalt, welche Elisa ihrem Gatten erwies, konnte dieser ihr wohl nicht in gleichem Grade erwiedern, denn unpraktisch, und in allem, was nicht zu seinem Kriegesberufe gehörte, unkundig oder zerstreut, war er selbst bei dem besten Willen wenig geeignet, eine zarte Frau in seine Obhut zu nehmen; sie, die auf dem Trannkijörschlosse in den glänzendsten Lebensverhältnissen erwachsen war, ertrug aber mit der äußersten Entsagung und ohne Klage Entbehrungen aller Art, und es war wie wenn ihr starker Geist ihrer zarten Gestalt dazu die Kraft verliehe.
Endlich beschloß die blutige Völkerschlacht von Belle-Alliance diese großartige Kriegszeit. In jener Schlacht gehörte ein junger Mann von neunzehn Jahren, von gleicher Begeisterung für die deutsche Sache erfüllt, wie Elisa, zu den Mitkämpfern, welcher dazu bestimmt war später in ihrem Leben eine bedeutende Rolle zu spielen: es war Karl Immermann. Damals wußten sie noch nichts von einander; erst nach Jahren sollte das Geschick sie zusammenführen. –
Nachdem der Krieg beendet, ging Elisa im Anfang des Jahres 1816 nach Berlin, wo Ernst Moritz Arndt sie besuchte, den sie schon das Jahr zuvor in Düsseldorf kennen gelernt hatte; sie war so erfreut über die Erscheinung des gefeierten Mannes, den sie schon lange als patriotischen Dichter und Schriftsteller geliebt und verehrt hatte, daß sie sagte, kein Besuch eines Königs würde sie so glücklich gemacht haben.
Elisa verweilte nicht lange in Berlin, da sie bald Lützow nach Königsberg nachfolgte, welche Stadt seinem Regiment als Garnison angewiesen war. Dort lernte sie den alten Kriegsrath Scheffner kennen, den Freund von Kant und Hippel, der sie sehr hochschätzte, und Johanna Motherby, welche später die Gattin Dieffenbach's wurde, eine energische und ausgezeichnete Frau, von der noch öfter hier die Rede sein wird, und die sogleich zu Elisen eine leidenschaftliche Zuneigung faßte.
Sie begegnete Elisen zuerst in einer Gesellschaft, und bei ihrem lebhaften Gefühl für Schönheit fiel ihr die ungewöhnlich anmuthige und liebreizende Erscheinung sogleich auf. Sie hatte die Eintretende kaum einige Minuten betrachtet, als sie mit den Worten: »Wir werden und wir müssen Freundinnen sein!« auf sie zueilte. Sie wurden es in der That.
Es konnte nicht leicht einen größeren Contrast geben, als diese beiden Frauen; während in Elisen alles Schönheit, Harmonie und Zartheit war, erschien Johanna beim ersten Anblick scharf und eckig; sie war klein, von starker Figur, von scharfgeschnittenen, bedeutenden, aber eher häßlichen als schönen Gesichtszügen; doch war ihr Geist und Schönheitssinn so mächtig, daß im Gespräch und der Begeisterung, welche in demselben über sie kam, Grazien und Amoretten ihr ganzes Wesen zu umgaukeln schienen, so daß sie nicht nur anmuthig, sondern gradezu schön aussehen konnte. Die Häßlichkeit lag nur wie ein Flor auf ihr, unter dem die innere Schönheit siegreich durchschimmerte. Auch besaß sie wahrhaft großartige Charaktereigenschaften, Thatkraft und Entschlossenheit, Aufopferungsfähigkeit und Herzensgüte in seltenem Grade; ihr ganzes Wesen war Leidenschaft und erregte auch die heftigsten Leidenschaften; ihr stürmisches Feuer konnte fortreißen, während Elisens milde Ruhe bezauberte.
Sie lebte damals mit ihrem Gatten, dem Arzte Motherby, einem geistvollen und vorzüglichen Manne, noch im besten Einvernehmen, und auch er trat mit Elisen in freundschaftliche Beziehung.
Auch manche von Lützow's Kriegskameraden besuchten ihn und Elisen in Königsberg, Friedrich von Petersdorff kam aus dem nahen Memel, Helmenstreit wurde dorthin versetzt; mit Palm trafen sie in Graudenz zusammen.
Noch ehe ein Jahr verflossen war, im Mai 1817, wurde Lützow nach Posen versetzt, wo sie aber kaum angelangt waren, als seine Versetzung als Brigade-Kommandeur nach Münster erfolgte.
Auf dem Wege dorthin berührten sie Nenndorf, wo sie unerwartet Karl von Alten sahen, und es war nicht ohne Bewegung, daß er und Elisa sich hier begegneten. Außerdem mochte der Anblick von Nenndorf manche schwermüthige Gefühle in Elisen wecken; wie sie vor neun Jahren als fröhliches Mädchen hier weilte, da hatte sie doch mit andern Erwartungen in die Zukunft geblickt, als sie jetzt erfüllt sah! –
Im Juli langten sie an ihrem neuen Bestimmungsort an. Elisa fühlte sich dort anfänglich sehr fremd, und die kleine Stadt, die engen Verhältnisse sagten ihr wenig zu. Lützow, dem nach dem bewegten Kriegsleben der leere Friedensdienst gar nicht behagte, suchte sich durch seine Leidenschaft für Pferde in seiner freien Zeit möglichst zu zerstreuen; er schaffte sich deren viele an, die der Gegenstand seiner beständigen Beobachtung waren; auch liebte er es sehr mit Elisen auszureiten, welche eine so ausgezeichnete Reiterin war, daß er oft behauptete, von ihr habe er erst die wahren Feinheiten der Reitkunst gelernt. Konnte er sich nun noch dann und wann mit einigen seiner Kameraden unterhalten, wo dann seine ihm so lieben Pferde beinahe immer den Stoff zum Gespräche lieferten, so war für ihn leidlich gesorgt. Aber Elisens feiner und lebhafter Geist, der sich immer nach Anregung sehnte, konnte hier keine Befriedigung finden. In den begeisterten Kriegsjahren, wo ihr ganzes Wesen in der Liebe zum Vaterlande aufging, war es ihr gewissermaßen nicht möglich gewesen, an sich selbst, an ihr persönliches Geschick zu denken. Jetzt aber konnte sie sich nicht mehr verhehlen, daß der Verkehr mit ihrem Gatten den höheren Ansprüchen, die sie zu machen berechtigt war, nicht mehr genügte.
Der Abstand zwischen ihr und Lützow trat immer schärfer hervor; gutmüthig und brav und nicht ohne natürlichen Verstand, war er doch weder an Bildung noch an Geist und Feinheit Elisen ebenbürtig. Im Laufe der Jahre hatte sich ihr Wesen immer reicher entwickelt, und überflügelte immer mehr ihre Umgebung. Ihre Heiterkeit verwandelte sich in wehmüthigen Ernst; sie suchte, wie es ihre Art war, Trost in der Natur und bei ihren Dichtern, aber ihr Herz sehnte sich vergeblich nach einem Glücke, das sie einst geträumt, und das ihr nicht beschieden zu sein schien. Sehr wohlthuend war ihr die Freundschaft ihres Schwagers Wilhelm von Lützow, der ihren ganzen Werth zu würdigen wußte, und mit rückhaltsloser Offenheit sie an allem Theil nehmen ließ, was ihn betraf.
Mochte nun aber auch Münster noch so geistig todt, so steif, so kleinlich und bigott katholisch sein, alles Eigenschaften, die Elisen in tiefster Seele zuwider waren, so konnte sie bei ihrer besonderen Gabe, einen angenehmen und geistig bewegten Kreis um sich zu gestalten, doch nicht lange diesen Ort bewohnen, ohne alle jene Elemente aufgefunden, und um sich gesammelt zu haben, welche sich dazu eigneten.
Hier machte sie die Bekanntschaft von Henriette Paalzow, geb. Wach, die damals noch nicht als Schriftstellerin aufgetreten war, viel anspruchslose Liebenswürdigkeit besaß, und bis an ihr Lebensende mit Elisen befreundet blieb; hier begegnete sie zuerst der edlen, feinen, liebevollen Adele von A. und ihrem Gatten, die sie sehr lieb gewannen; Adele, eine durchaus weibliche und sinnige Natur, wurde bald ihre Herzensfreundin; hier wurde der Consistorialrath und Schulrath Friedrich Kohlrausch, dessen deutsche Geschichte damals alle Gemüther erfreute, ihr Freund; auch mit Wilhelmine von G. trat sie in lebhafte Beziehung. Eine alte Freifrau von Aachen, die sich in Malerei, Dichtkunst und Musik versuchte, und mit dem damaligen Kronprinzen Ludwig von Baiern, den sie in Italien kennen gelernt hatte, im Briefwechsel stand, wurde zuweilen mit in den Kreis gezogen, so wie einige Offiziere, die Bildung und höheren Sinn besaßen. Hier auch lernte Elisa den würdigen Oberconsistorialrath Anton Möller kennen, der ihr besonders theuer wurde, und dessen segensreiche Wirksamkeit als anregender und begeisternder Universitätslehrer, als Schriftsteller und Prediger vorzüglich in Münster, wo er so lange gelebt, in Aller Andenken steht.
Eine so eigenthümliche Erscheinung wie Möller, dürfte selten zu finden sein; damals war er schon in den Fünfzigen, aber vereinigte jugendliche Frische mit einem enthusiastischen Gemüthe. Er war ein eifriger Anhänger der Kantischen Philosophie, liebte feurig das classische Alterthum der Griechen und Römer, die er häufig zu citiren pflegte, las Goethe mit Entzücken, und mit einer Vorurtheilslosigkeit, welche einem geistlichen Herrn doppelt hoch anzurechnen ist; an der Natur, der Musik, den schönen Künsten hatte er die innigste, reinste Freude; er war ein durch und durch edler Mensch, sein ganzes Wesen war von Poesie durchglüht; eine seltene Gabe der Beredtsamkeit, die dem lebhaften Manne fortwährend von den Lippen strömte, verlieh nicht nur seinen Vorträgen, sondern auch seiner Unterhaltung eine fortreißende Gewalt. Ohne alle priesterliche Salbung war er immer menschlich offen, freien Sinnes, natürlich, anspruchslos wie ein Kind, und verbarg nie seine warme Freude an der Schönheit dieser Welt. Eine Schilderung von ihm, die im »Westphälischen Merkur« erschien, beschreibt ihn folgendermaßen: »Von Charakter war Möller ein echter deutscher Mann, und wie gediegen auch sein Geist, so war doch auch sein Gemüth nicht minder tief und zart. Seine äußere Erscheinung war stattlich, freundlich und ehrwürdig. Seine hohe, gewölbte Stirn verrieth sofort den Denker, seine Lippen umschwebten Anmuth und Heiterkeit; seine ganze Persönlichkeit war liebenswürdig und herzgewinnend, und gewährte den Eindruck eines im Dienste der Ideen ergrauten Lebens. Zeigte er schon ein rein menschliches Wohlwollen und eine aus dem Herzen kommende Freundlichkeit gegen Jedermann, so war insbesondere seine Freundschaft ihm selbst ein Seelenbedürfniß – hingebend und treu, und für Geist und Gemüth gleich genußreich. Die Gesellschaft, welche er angenehm zu unterhalten und zu beleben wußte, liebte und suchte er, besonders solche erlesenere Kreise, wo der Geist den Vorsitz führt, und war in ihnen gern gesehen, bis in seine letzten Tage.« –