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Briefe aus Aulestad an seine Tochter Bergliot Ibsen
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Briefe aus Aulestad an seine Tochter Bergliot Ibsen

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Язык: Немецкий
Год издания: 2017
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Briefe aus Aulestad an seine Tochter Bergliot Ibsen

Vorwort

Der größte Teil dieser Briefe ist in den Jahren 1887 bis 1890 geschrieben. Der Zeitraum ist kurz, aber gerade aus diesem Grunde verstärkt sich der Gesamteindruck. Als ich sie von neuem durchlas, überraschte es mich, welch ein lebendiges Bild sie von all dem geben, was damals B. B.’s Gemüt und Gedanken beschäftigt hat. Und deshalb entschloß ich mich, sie wenigstens einem engeren Kreise zugänglich zu machen.

Die Sammlung schließt mit einer kleineren Zahl von Briefen ab, die aus späterer Zeit stammen. Sie wurden aufgenommen, weil sie in gewissen Beziehungen die Selbstschilderung der früheren Periode vervollständigen.

Obige Zeilen waren das Vorwort zu einer Ausgabe, die nur in fünfzig Exemplaren als Manuskript in Norwegen gedruckt wurde. Gleich nachdem diese Exemplare verteilt waren, ergingen sowohl von privater Seite wie durch die Presse eindringliche Aufforderungen an mich, die Briefsammlung öffentlich erscheinen zu lassen. Das tue ich hiermit, nachdem ich einige wenige, aber notwendige Streichungen vorgenommen habe.

B. I.Aulestad, 8. Juni 1887.

Liebe, liebe Bergliot, als Mutter aus Deinem Briefe vorlas, Du hättest bei der Nachricht, daß mir mein Dichtersold entzogen sei, stundenlang weinen müssen, da konnt’ auch ich die Tränen nicht zurückhalten. Ich sah Dich vor mir, wie Du weich und bewegt bist; ich liebe Dein Gemüt an Dir, Bergliot, und bin stolz darauf, daß Du mich verstehst. Dank Dir für Dein Mitgefühl; Du kannst mir glauben, es hat mir wohlgetan. Ich mußte nach meiner Pflicht handeln; denn diese schlechten Menschen gingen darauf aus, mir ebenso zu schaden wie Kielland. Ich gebrauche nicht gern das Wort „schlecht“; aber hier darf ich es ohne Bedenken.

Dann waren Mutter und ich lebhaft berührt von Deiner schrecklichen Angst vor einer Untersuchung. Wir fühlen Dir nach, daß es ganz furchtbar ist. Aber wenn es sein muß, muß es eben sein. Ich freue mich mächtig auf den Tag, da Du wieder von Gesundheit und Mut strotzen wirst; so warst Du, ehe diese Sache anfing, und Du mußt wieder die alte werden. Damit ist die Schamhaftigkeit und Vorsicht durchaus vereinbar, von der das Seelenleben einer so unverdorbenen Natur, wie Deiner, beherrscht wird.

Du bist von allen unsern Kindern die vollste und einheitlichste Natur. Daher bist Du unter ihnen auch das Kind, um das ich mir die wenigste Sorge zu machen brauche. Versuche nun, von der Gesellschaft, in der Du lebst, zu lernen; sie sind so gemessen in ihren Empfindungen und Ideen; es läßt sich so friedlich und gut mit ihnen leben. Grüße alle aufs herzlichste. Hast Du auch nicht vergessen, Hegel zu bitten, die Büste von mir, die Runeberg auf die Ausstellung nach Kopenhagen geschickt hat, an meine Mutter nach Kristiania zu senden? – Runebergs sind jetzt auf ein paar Tage in Kopenhagen. Sie reisen nach Finnland.

Hier ist es unglaublich schön in diesen Tagen, durchaus nicht zu warm. Geht es Dir gut? Sobald Du untersucht bist, mußt Du schreiben!

Entsinnst Du Dich der Longworthy-Geschichte, die ich Euch aus England erzählte? Von dem Menschen, der ein junges Mädchen in Belgien heiratete und recht gut wußte, daß kirchliche Trauung nicht genügend war? Und sie später nicht mehr kennen wollte? Nun, er hat jetzt geantwortet (er lebt in Buenos-Aires, Südamerika), und diese Antwort ist vernichtender für ihn als irgend etwas, was die Frau selbst gesagt oder durch Zeugen vor Gericht bekundet hat. Solch ein ausgemachter Schurke! – Hast Du meinen Aufsatz über Rußland gelesen? Oder soll ich ihn Dir schicken? Du liest „Verdens Gang“ jetzt wohl nicht? Es ist ein Brief an Dich aus Kopenhagen gekommen; sollte mich wundern, wenn er nicht vom kleinen Höffding wäre? Du solltest es so einrichten, daß Du so lange wie möglich in Hamburg bleibst, der Sprache wegen. Und solltest eigentlich schon jetzt deutsch lernen. – Ist es nicht drollig, daß Thommessen „Verdens Gang“ gekauft hat, so daß er nun die Hälfte besitzt und zwei andere Freunde je ein Viertel, und nun soll es eine Tageszeitung werden. – Du weißt wohl, daß auch Garborg den Staatsrevisor-Posten verloren hat? Wir sind also nun drei norwegische Dichter, denen man das Geld wegnimmt, weil wir nicht dieselben Ansichten haben wie die Majorität. – Ja, leb’ wohl, liebe, süße Bergliot! Wir wissen, Du machst uns nur Ehre, wo Du auch bist, und Du wirst heimkehren mit ungeteiltem Herzen für Heimat und Eltern! Dein Dir innig zugetaner Freund Vater.

Dein Björnst. Bj.11. Dezember 1887.

Liebe, liebe Bergliot, innigen Dank für den Brief; worüber ich mich am meisten gefreut habe, war natürlich, daß Du selbst gutes Mutes bist und an Dich selber glaubst. Da kannst Du sehen, wie recht ich hatte, als ich meinte, Du müßtest wieder sicherer werden und Dich sicherer fühlen im Gesang, dies sei der Weg für Dich, um ruhigen, guten Mut zu schöpfen. – Ja, ich freute mich so hierüber, daß ich nicht so viel Gewicht, als ich vielleicht gesollt hätte, auf den Umstand legte, daß Du Dich bei Deiner Dame nicht wohlfühlst. Liebes Kind, scher’ Dich den Teufel um die Person; setzt sie Dir zu oder kannst Du Dich nicht satt essen, so geh sofort weg. Du bist Dein eigner Herr. Wenn man sich wohl fühlen will, so ist es durchaus notwendig, daß man es zu Hause behaglich hat, und selbst wenn Dich Dein Aufenthalt weit mehr kosten sollte, als jetzt, – lieber das, als wenn Du Dich ärgern mußt oder kaum wagst, Dich satt zu essen!

Vergiß das nicht!

Ich möchte Dich so gern einmal hier auf der Hochschule haben; es ist die beste des Nordens, und Schröders sind unsre Freunde von alters her. Liebste, Du solltest die Mädchen turnen sehen! Das wäre was für Dich, – etwas, um ganz und gar gesund zu werden. Doch davon ein andermal.

Ich habe nun 9000 Kronen Schulden bezahlt und werde noch mehr abzahlen. Dann haben wir Ruhe. Zu Weihnachten in Kristiania (bei Björns, die sich rasend freuen), und dann zurück nach Schweden, und aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch nach Finnland. Eine schwere Tournee, eine große, große Anstrengung, über die ich allein durch Mutters immer wache Pflege hinwegkomme. Dies in aller Eile. Wieder weiter!

Dein Freund Vater.

Grüße die lieben Heides und Cavlings und Kiellands und Runebergs, und danke letzteren für die Briefe!

Aulestad, 6. Januar 1888.

Liebe Bergliot, Du müßtest Mutter mit Deiner Büste herumziehen sehen, aus und ein, wie sie die verschiedensten Standorte, jede Art Beleuchtung ausprobiert; dann die Treppe damit hinauf, vor den Spiegel, wo die Büste eine Weile stehen bleibt, dann zu mir herein, damit sie nicht entzwei gehen soll. Heute wieder von da weg – ich weiß noch nicht, wohin. Vermutlich endigt sie vor dem Spiegel im Korridor auf einem eigens dazu angefertigten Sockel. – Sie ist fein, die Ähnlichkeit in einem Teil des Geistigen sicher getroffen; aber das Ganze gewissermaßen verkleinert; besonders die Unterpartie. Immerhin, – nur ein echter Künstler konnte sie modellieren. Es ist ganz famos, daß wir sie haben. Danke ihm vielmals, und innigen Dank Dir, die sie uns geschenkt hat. – Was Du über Arve schreibst, freut uns; ich wußte, er würde ein großer Meister werden. Ich habe sofort den Vater gebeten, ein Darlehen für Arves Rechnung aufzunehmen; sie muß so groß sein, wie der Junge wünscht! In zwei Jahren muß er es selbst übernehmen können. – Und es freut mich in jedem neuen Brief zu lesen, daß Du Dich mit Deiner Kunst verheiratet hast, daß eine Fertigkeit nach der andern aus Deinem gewissenhaften Fleiß im Zusammenleben mit ihr geboren wird. Dieses innige Zusammenleben ist notwendig. Besonders für Dich; denn es liegt kein, absolut kein Erbe von Virtuosität in Dir. Unsere Familie hat diese erarbeitete Gabe nicht; so daß, falls Du sie erlangst, es allein geschehen kann durch eine Energie und einen Fleiß, der seinesgleichen in der Familie nicht gehabt hat. Ohne das geht es nie und nimmer. Und wenn Du auch Deine vier (oder viereinhalb) Jahre lang singst, Du wirst sehen, Du mußt trotzdem noch immer weitermachen. Du mußt das schwer erringen, Zoll für Zoll, was andere leicht nehmen wie im Spiel. Denn Du hast kein Erbe, das Dir als Sprungbrett dient. Daß Du bereits so viel erreicht hast, muß Dich aufmuntern, immer weiter zu gehen! Und mit derselben treuen Behutsamkeit; – die darfst Du niemals außer acht lassen.

Ja, ich bin so glücklich über Deine Fortschritte und Dein Glücksgefühl, daß Du Dich ihrer selbst bewußt bist, – ja, das ist gegenwärtig mein liebster Gedanke. – Hast Du Darwin, 7. und 8. Heft gelesen? Das ist das Herrlichste in seiner Art. Stell’ Dir vor, – Einblick zu gewinnen in die Werkstatt eines so bahnbrechenden, so großen Werks, wie es der „Ursprung der Arten“ ist, eines Werks, das umwälzend gewirkt hat auf das Gedankenleben der Menschen! Ich lese auch sonst viele herrliche Dinge gegenwärtig. Und sammle Leute um mich zum Vorlesen. – Die Politik ärgert mich gewaltig; ich mag nichts über sie schreiben. Aber hier ist ein Keimen in der Luft; die Norweger sackt keiner ein!

Dein Freund Vater.

Ich kann mir kein rechtes Bild von den Leuten machen, in deren Haus Du bist; ich muß Dich mir hinter langen Gardinen in einem leeren Zimmer denken, wo Kohlen im Kamin glimmen, und sehe nur Schatten an Dir vorübergleiten. Es wäre hübsch, wenn Du mich auch Menschen sehen und Stimmen hören ließest.

Es geht uns ja nun gut insofern, als wir Geld für eine Menge kleinere und größere Bedürfnisse haben, die wir früher nicht befriedigen konnten, und dazu die Aussicht, in Zukunft sorgloser leben zu können; aber wir verdienen doch nicht so viel, wie es den Anschein hat. Und all die Menschen, die wir kennen lernen, und all die Freude, die wir erleben! Sind wir erst einmal damit durch, so wird es ergötzlich sein, das Erlebte und Gesehene zu sammeln.

Innig geliebte Bergliot, ich sehne mich so danach, Dich wieder so gesund und fröhlich zu sehen, wie damals, als Du aus Dänemark kamst. Hoffentlich wird es auf Aulestad so gemütlich, wie wir es uns für den Sommer wünschen; ich freue mich von Herzen darauf; aber am meisten auf die Arbeit, selber mit Steine zu brechen und dadurch mehr Erdreich zu gewinnen. Irgendeinen Sammelpunkt muß die Familie auch nach unsern Tagen haben, und das wird wohl Aulestad sein; wir werden versuchen, es so gut in Stand zu setzen, daß es dem, der den Hof besitzt, auch etwas abwirft. Erling ist begeistert für die Landwirtschaft, so daß es den Anschein hat, als müsse er die Aufgabe lösen können.

Wir sitzen nun hier bei Hedlunds, die uns lieben und die wir wieder lieben. Wir haben an vielen Ecken und Enden der Welt Familien, die uns geistig verschwistert sind, und ohne die wir uns unser Leben nicht mehr denken können; wir müssen sie ab und zu besuchen. Wir denken, es soll auch einmal für Euch ein gutes Erbe sein, die treue Anhänglichkeit all dieser warmen Menschen. Die Liebsten sind und bleiben uns Hedlunds.

Ich habe eine ganz mächtige Sehnsucht, wieder an meinen Roman zu gehen! Aber alles läßt sich nicht zu gleicher Zeit tun. Wenn ich doch so gut verdiente, daß ich den Kauf von Solbakken verantworten könnte; dann hätten wir eine Behausung für Sommergäste und auch für Erling, wenn er eine Frau nach seinem Geschmack findet. Wir legten dann Telephon zwischen den Häusern an, und auch hinüber zu anderen, die mit uns in Verkehr stehen. Ich will zusammen mit mehreren in der Gemeinde und im Sanatorium eine Station für Telephon bis nach Lillehammer errichten lassen. Heutzutage meint man ohne Telephon nicht mehr auskommen zu können. – Alle Deine Freundinnen hier lassen Dich grüßen; sie erkundigen sich sehr nach Deinem Gesang; aber ich kann ja nicht viel antworten; ich weiß so wenig davon, und im Grunde wirst Du wohl selbst nicht mehr wissen. So viel scheint mir sicher, daß Du vier Jahre statt drei wirst studieren müssen, und ich hoffe, ich kann es durchführen. Meine Ansicht ist: werde vollkommen darin; was für einen Gebrauch Du später davon machst, ist weniger wichtig; die Hauptsache ist das Talent, und das Bewußtsein, das Meistmögliche daraus gemacht zu haben.

Dein Freund Vater.

Liebe Bergliot, Mutter ist ein paar Tage unwohl gewesen; aber nun ist es wieder vorüber. Dank für Deinen letzten Brief. Hier machte in den Zeitungen ein Brief Cavlings an „Politiken“ über Dich die Runde, an dem kein wahres Wort war. Das ist doch ein Satanskerl! Pack’ ihn und hau’ ihn durch! Haben sich Bräkstad und Thommessen in Paris entzweit? Warum? Sag’ es mir! Ferner, erzähl’ uns umgehend, was Du mit Mad. Viardot-Garcia anfängst!

Ich bin in diesen Tagen besonders guter Laune. Ich will so viel und ich glaube, ich vermag auch noch viel. Und dann glaube ich, wir stehen wieder dicht vor einem Aufschwung; ich glaube es. Seltsame, starke ethische Kräfte dringen von allen Seiten herein, strengere Forderungen, ehrlicherer Wille. – Was einen angewidert und dabei gepeinigt hat, die Verräterei im großen und kleinen, hat seinen Hexensabbat gehabt; jetzt sollst Du sehen, es wird bald Tag. Jedenfalls kann der Mensch nicht arbeiten, wenn er nicht diesen Glauben hat. Und ich habe ihn! —

Dein guter Freund Vater.

Deine Briefe machen uns viel Spaß, liebe Bergliot, und Deine ganze Natur tritt in jedem einzelnen klar zutage. Du bist die wiedererstandene Jugend Deiner Mutter mit dem Mehr, das Dir die Gelegenheit zu zeitiger Entwicklung gegeben hat, die ihr fehlte, die sie aber später nachzuholen wußte; also für mich bist Du etwas von der Wonne, die ich in den Tagen meiner Verliebtheit empfand. – Karl Konow war hier mit seinen Geschwistern; wie der sich herausgemacht hat! Nie ist er so hübsch gewesen, so gesund, so unterhaltend. Er hat alle Herzen erobert, Mutters, meins, Erlings und Keilhaus, der gute Karl. – Wie entzückend doch so ein norwegischer Winter ist; für mein Gefühl übertrifft er den Sommer. Bald sollst Du von Hegel die norwegischen Bücher bekommen, die zu Weihnachten erscheinen. Ich wollte, ich wäre mit darunter; aber ich werde bei weitem nicht fertig. Ich schreibe diesmal was Feines. Bitte keinen Schritt, um mit Lies zusammenzukommen! Ergibt es sich von selbst, ja; sonst auf keinen Fall. Vergiß ja nicht, Tschernings zu grüßen! – Sverdrup ist ja jetzt bald erledigt, soviel ich höre. Die Rechte nimmt nun wohl selbst das Heft in die Hand?! – Erling ist tüchtig in der Wirtschaft. Aber Ejnars Brief verrät, daß er in Footchou in zu große Geselligkeit geraten ist, die gefährlich für Gesundheit und Charakter werden kann.

Dein Freund Vater.

Liebe Bergliot, nein, ich bin nicht dafür, daß Du mit Brandes zusammentriffst. Ich meine, schütze nur Krankheit vor, wenn Du in dieser Zeit zu Schandorphs oder Cavlings eingeladen wirst; es ist ja auch die Zeit, in der Du am meisten zu tun hast, – falls Du durchaus den Juni über draußen bleiben willst.

Schandorphs Urteil über Literatur und Kunst ist sehr saftig, wie sein Naturell – kognak-getränkt. Das Urteil der Menschen ist in der Regel wie ihr Leben, immer wie ihre Natur. – Was Strindbergs „Julie“ uns zeigt, ist das Experiment eines begabten, aber ungesunden Burschen, der dasitzt und konstruiert – und ganz und gar nicht dem Leben folgt. Folgen wir dem Leben (womit sie sich immer nur brüsten), so ist alles viel weniger überraschend; Aufsehen wollen sie machen; das ist für sie Nummer eins. – Du kannst ganz ruhig sein: so wird die Literatur nicht werden; aber sie ist voll Verschrobenheit und Ziererei so lang auf Abwegen gewandelt, daß sich mit Recht ein brutaler Protest erhoben hat. Weißt Du noch, daß Arnljot Gellines Lied, wie er seine Liebste als Beute in den Wald trägt, seinerzeit als unanständig ausgemustert wurde; Magnhild war ein Buch über – freie Liebe; auch Leonarda war das! Ja, sogar „Es flaggen Stadt und Hafen“ ist unanständig. Da mußte die Natur ihr Recht wieder geltend machen, und das hat sie durch diese Menschen getan, – aber so getan, daß nun wieder protestiert wird. Es gibt nicht viele unter uns, die ihren gesunden Gang gehen! – Ja, jetzt macht der Schnee Ernst, zu schmelzen. Auf den Höhen ist schon alles kahl, hier durch den Hof geht ein Fluß; aber das Moor liegt noch unterm Schnee. Auf dem Altan den ganzen Tag alle, die nicht arbeiten. – Griegs trafst Du also nicht. Ich hatte einen Brief von Werenskjold, den ich so auffaßte, als wolle er diesen Sommer nach Bergen und Griegs malen, und erst den nächsten nach Aulestad. Ich werde ihm antworten; aber frag’ ihn, ob ich ihn recht verstanden habe. Ich werde diesen Sommer ein Lustspiel mit Gesang schreiben, und ich denke so halbwegs, Grieg zu bitten, daß er hierher kommt und zusammen mit mir arbeitet. Aber das hat noch gute Weile. Das Lustspiel ist nur ein einziger langer, sehr langer Akt, psychologisch ungemein interessant und heißt „Der König kommt“! Es steckt mir schon mehrere Jahre im Kopf. Davon sollst Du nächsten Winter in Paris leben. Ich möchte aber nicht, daß Cavling etwas hierüber in irgendeine Zeitung bringt; vergiß das nicht! Ach, ist das hier ein Wetter! Von morgens bis abends, Tag für Tag, Woche für Woche wundervoll! Ach, wie ich mich in Norwegen wohl fühle! Meine süße, liebe Bergliot, alles, was Du von Deinem Gesang schreibst, freut mich unbändig. Du sollst auch auf Solbakken ein Klavier haben!

Dein Freund Vater.

Liebe Bergliot, gestern hatten wir einen Brief von Ejnar; es scheint ihm in jeder Hinsicht ausgezeichnet zu gehen; er schickt eine Photographie von sich selbst mit fünf anderen zusammen, bis auf einen alles Zollmenschen; es scheinen brave, gutmütige Leute zu sein; aber aus den Gesichtern zu schließen, scheint Ejnar ihnen überlegen; er hat sich überhaupt sehr herausgemacht. Es hat auch den Anschein, als würden ihm schwierige Arbeiten zugewiesen, bei denen eine Verantwortung ist, und er ist stolz darauf. Von seinen Geldverhältnissen schreibt er, sie stünden gut. – Wir haben jetzt „Fräulein Julie“ gelesen. Ob wirklich in der Welt ein Mensch glaubt, daß das wahrscheinlich ist? Hat es jemals irgendwo zwei Menschen gegeben, die dieses Zwiegespräch gehabt und sich in einer einzigen Nacht so aufgeführt haben? Oder hat es irgendwelches Interesse, es sei denn, Sensation zu machen mit etwas, was sonst nicht die Regel zu sein pflegt? Auch Ibsens Poesie fällt meines Erachtens allzu stark unter das Ungewöhnliche und rein Unmögliche, um auf die Dauer, d. h. wenn die Sensation verflogen ist, das allgemeine Interesse bewahren zu können. Aber mag es damit sein, wie es will, – Strindbergs Poesie ist obendrein schmutzig. Er ist selbst ein bedenklicher Kerl, und das spiegelt seine Dichtung wieder. Es gibt zwei Arten von Büchern, – solche, die in den Menschen die Freude am Leben, die Sehnsucht nach dem Guten steigern, und solche, die das nicht tun; die ersten sind gut, die anderen sind schlecht, so ausgezeichnet und genial sie auch in Einzelheiten sein mögen. – Es hat mich rasend gefreut zu hören, daß es „brillant“ geht mit Deinem Gesang. Ja, das hat mich gefreut wie nichts anderes augenblicklich. Mein lieber Schatz, wie sich das ganze Haus darüber gefreut hat! Das muß ich Dir sagen: – Du kannst Dir nicht vorstellen, wie gespannt ich bin, was daraus werden wird. Nicht auf die äußerliche Entwickelung, die es nehmen wird, ob Du Opernsängerin wirst usw.; das mag seinen natürlichen Lauf haben; nein, ob Du die Gabe erringst, die ich mir für einen Norweger ersehnt habe – die Gabe, uns hinzureißen, uns in einen Schönheitstaumel zu versetzen. Uns regelrecht zu verzaubern. Noch hat keiner sie gehabt. Erringst Du die, so werde ich wieder jung und froh, – froher, als über irgend etwas, was ich selbst oder ein anderer geleistet hat. Mutter sitzt und schreibt für mich ab in diesen Tagen, daß ihr die Finger steif werden und der Körper krumm und lahm; aber es ist doch ihre liebste Arbeit. Es ist ein Jammer mit meinem Buch, daß es zu lang wird; aber das läßt sich diesmal nicht ändern; es soll auch nie mehr vorkommen. Ich will fortan fünf Jahre lang nichts anderes tun als schreiben, schreiben, schreiben. Und dann punktum finale! – Du hättest die Materna hören sollen; um jeden Preis. Sie war Richard Wagners Liebling. – Es ist wieder Schnee gekommen; also werden wir das Fest der Schmelze noch einmal haben, vielleicht sogar noch zweimal. Nett!

Dein Freund Vater.Aulestad, April 1888.

Ich finde, liebe Bergliot, es wäre eine wahre Sünde, wenn ich Dir nicht ein paar Zeilen schriebe. —

Mir ist nicht recht klar, weshalb ich an Jonas Lie schreiben soll, nein, ich tue es nicht. Mir liegt nichts daran, daß Du mit ihnen verkehrst; Du wirst keine ungetrübte Freude daran haben. Aber wenn Du es durchaus willst, so würde ich schon eine Form finden können; z. B. jetzt bei meinem neuen Buch.

Ich sehe, Bräkstad ist in Paris gewesen, um sein Geld loszuwerden, das leichtsinnige Huhn. Aber er war wohl gemütlich? – Meine liebe, süße Bergliot, hörst Du auch genug Musik? Du schreibst nichts darüber; und es macht mir Sorge, daß Du vielleicht die Maschine nicht mit dem Verständnis und dem Geschmack ölst, die wir immer aus der Arbeit anderer gewinnen. – Du sagst, wir sollen Cavlings danken. Ja, was ist ein Brief für ein merkwürdig armselig Ding; weder er noch sie zweifeln an unsrer Dankbarkeit. Wir müssen bei Gelegenheit etwas anderes für sie aushecken. Aber ich weiß noch nicht was. – Jetzt beginnt der große Schneeschmelzprozeß, und der ganze lange, kahle Frühling hinterher ohne Grün. Haben wir einen Winter ohnegleichen gehabt, so müssen wir jetzt für ihn büßen. – Ich glaube annehmen zu können, daß Du jetzt gut französisch sprichst. Ist das der Fall? Dann könntest Du vielleicht auch lernen, es korrekt zu schreiben? Ich sehe, Du schreibst immer noch „brilliant“ statt brillant. – Mutter wird entsetzlich taub, Du; aber prachtvoll sieht sie aus! Und so gesund ist sie! Sie behauptet, sie schlafe nicht gut, wenn sie nicht von halb zehn bis acht Uhr durchschläft! – Ich lese das 10. Heft von Darwin; hast Du es bekommen? Wenn nicht, so sag’ es mir oder schreibe an Husebye & Comp., Storgaten, Kristiania. Ich finde, es gehört zum besten, was man in der Welt lesen kann. Gibt es etwas Französisches, was sich lohnt, so kauf’ es, lies es und schick’ es mir! Dann werd’ ich es Ejnar schicken. Nichts geht über einen gemütlichen Schwatz; aber gleich danach kommt ein gutes Buch.

Heute habe ich nichts zu schreiben, ich sitze da mit leerem Kopf, weil das, was ich drin habe, bei der Erzählung ist und fürs erste nicht heimkommt.

Dein Freund Vater.30. Oktober 1888.

Liebe, süße Bergliot, die Treue, mit der Du an Frau Lürig hängst, berührt mich sehr angenehm, – natürlich vorausgesetzt, daß Du sicher bist, sie kann Dich weiter bringen.

Treue und alles, was einen Menschen darin festigen kann, ist das Mittel, unser Gemüt und unsern Charakter zu erweitern. Nichts bringt so großes Leid, aber auch nichts so große Freuden; deshalb führt auch nichts so viel der Seele eines Künstlers und dem Willen eines Menschen zu. Halt an der Treue fest, Bergliot, sie ist die Krone des Lebens! Alles andere, was die Menschen so nennen, ist es nicht, – mögen nun Priester oder Gott weiß wer sonst es behaupten. Allein die Treue ist es. Dabei aber erhebt sich die Frage: wem schuldet man das Meiste? Also auch die höchste Treue? Dem Vaterland. Unter diesem Namen hast Du Wahrheit, hast Du alles Gute. Paß’ auf, daß Deine Treue gegen die Menschen niemals in Widerstreit kommt mit Deiner höchsten Verpflichtung. Erst sie, dann alles andere! – Ich zweifle nicht, daß gerade Du hierin meinen Spuren folgen wirst, meine liebe, treue Bergliot, und obwohl die Gelegenheit, Dir das zu sagen, etwas fern liegt, so benutze ich sie doch. Du bist außerordentlich pflichttreu (das hast Du wesentlich von Deiner Mutter) und daraus folgt die Treue gegen andere.

Falls Lies keinen Krieg, direkt oder indirekt, gegen uns führen, so magst Du sie besuchen; aber am liebsten in Arves Begleitung; und dann müßt ihr zusammen spielen und singen, was ihr uns vorgespielt und vorgesungen habt; so könnt ihr ihnen ein Stück Sommer von uns bringen und sie gleichzeitig von uns grüßen.

Dein nervöser Brief an Mutter hat uns sehr erschreckt. Was, glaubst Du, wird die Folge sein, wenn Du diese Deine Nervosität nicht bekämpfst? Du mußt mehr an die Luft, Bergliot! Sag’ lieber Deine Unterrichtsstunden ab! Hast Du überhaupt Nutzen davon?

Wir haben einen herrlichen Spätherbst, voll Wärme und Sonnenschein, die Kühe sind noch draußen, und heute schreiben wir den letzten Oktober. Wir haben ein gutes Jahr gehabt. Aber wir haben den großen Kummer, daß X. nicht nur lotterig, sondern unredlich gewesen ist. Er hat mir das Geld durchgebracht zu Tausenden. So werde ich auf alle mögliche Weise geschunden. – Ißt Du jetzt gut? Ißt Du Dich ordentlich satt? Vergiß nicht, das zu beantworten. Lebwohl, mein liebes, süßes Mädel. Und vergaff’ Dich in keinen, sondern komm wieder als unser altes, munteres Prachtmädel!

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