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Heute oder nie!
Heute oder nie!

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Heute oder nie!

Язык: Русский
Год издания: 2021
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DOKTOR: Mit ihrem Mann.

MANN: Das kann nicht sein! Sie ist nicht verheiratet! Ich will sagen, sie ist mit mir verheiratet.

DOKTOR: (Nachdenklich.) Nun denn, vielleicht erklärt das einiges… Also, was wollen Sie nun von mir?

MANN: Ich weiß, sie war hier. Vielleicht kommt sie nochmal her. Helfen Sie mir, sie zu treffen.

DOKTOR: Ich befasse mich nicht mit der Suche fremder Ehefrauen. Und ich bin mir nicht sicher, dass Marina Ihre Frau ist. Und ich bin mir nicht sicher, dass sie Marina heißt. Und ich bin mir nicht sicher, dass sie hierher kommt. Und noch weniger sicher bin ich mir, dass sie überhaupt existiert.

MANN: Sie existiert!

DOKTOR: Dann gehen Sie nachhause und warten Sie dort auf sie. (Schiebt ihn zum Ausgang.)

MANN: (Wehrt sich.) Doktor, ich flehe Sie an…

DOKTOR: Ich kann mit nichts helfen. Auf Wiedersehen. Nicht hier – das ist der Ausgang nur für Patienten. Hierher, bitte.

Er begleitet den Mann zur anderen Tür hinaus und bleibt dann alleine neben dem Tisch mit dem Beruhigungsmittel. In seinem Gesicht ist völliges Unverständnis zu lesen.


Zweiter Akt


Der Doktor ist in seinem Kabinett. Marina tritt ein, gekleidet in ein sehr schickes Kleid.

MARINA: (Fröhlich.) Guten Tag, Doktor! Hier bin ich wieder!

DOKTOR: (Äußerst kühl.) Wer sind Sie, eigentlich?

MARINA: (Verwundert, aber nicht ohne Charme.) Mein Gott, Was geht in Ihrem Kopf vor? Mich innerhalb einer halben Stunde zu vergessen? Ausreichend, mein Kleid zu wechseln, und Sie erkennen mich schon nicht mehr!

DOKTOR: Ich erkenne Sie hervorragend. Und genau deshalb würde ich gerne wisse, wer Sie sind. Weisen Sie ein Dokument vor.

MARINA: Weshalb?

DOKTOR: Deshalb, weil Sie nicht einmal Zeit dazu fanden, sich vorzustellen.

MARINA: Ich heiße Marina, das wissen Sie doch.

DOKTOR: Woher weiß ich, dass Sie tatsächlich Marina heißen? Übrigens, falls tatsächlich Marina, dann bedeutet das noch gar nichts. Einen Ausweis, bitte.

MARINA: Ich trage keine Dokumente bei mir.

DOKTOR: Und ich wiederhole noch einmal – Ausweis.

Marina öffnet ihre Handtasche und kramt darin, aber anstelle eines Ausweises bringt sie ein Taschentuch hervor, beginnt zu schluchzen und sich die Tränen abzuwischen..

DOKTOR: (Besorgt.) Was ist mit Ihnen?

(Marina antwortet nicht. Der Doktor gießt ihr aus der Karaffe Wasser ein und reicht es ihr.)

MARINA: (Weist das Wasser zurück.) Lassen Sie mich!

DOKTOR: Was ist los? Sind Sie mit mir beleidigt?

MARINA: Was denken Sie denn?

DOKTOR: Weshalb?

MARINA: (Unter Tränen.) Und Sie fragen noch, weshalb? Sie haben auf mich einen sehr guten Eindruck gemacht, mehr noch – Sie gefielen mir. Mir schien, dass auch Sie mir zugetan waren… ich kam zu Ihnen mit offenem Herzen, und was erlebe ich in Wirklichkeit? Kälte, Misstrauen, erniedrigende Fragen… (Schluchzt.)

DOKTOR: Beruhigen Sie sich…

MARINA: Lassen Sie mich gehen.

DOKTOR: Sie kennen nicht alle Umstände. Sache ist die, es kam ohne Sie… Unwichtig.

MARINA: Wer kam? Eine andere Frau? (Der Doktor schweigt.) Und nannte sich auch seine Frau?

DOKTOR: Ja.

MARINA: Na, und? Haben Sie denn das geglaubt? Kommen denn zu Ihnen wenige Verrückte?

DOKTOR: Das Problem ist doch das, dass auch Anton sie seine Frau genannt hat.

MARINA: Und Sie wissen nicht, dass er kein Gedächtnis hat? Und kam sie tatsächlich hierher?

DOKTOR: Sie kam, natürlich.

MARINA: (Geht zur Tür und ruft den Mann.) Lieber, komm hierher. (Tritt ein.) Sag, kam während meiner Abwesenheit irgendeine Frau hierher?

ANTON: (Arglos.) Ich hab´ niemanden gesehen.

MARINA: Und hat sie sich deine Frau genannt?

ANTON: Wie kann sie sich so nennen, wenn sie doch gar nicht hier war?

MARINA: Und du – hast du sie nicht deine Frau genannt?

ANTON: Du bist die Einzige für mich auf der Welt und du weißt das sehr gut. (Küsst sie.)

MARINA: Danke, Lieber. (An den Doktor gewandt.) Nun, glauben Sie jetzt?

DOKTOR: Ich weiß nicht, was ich denken soll… Übrigens, es gibt noch einen Umstand… Außer der Frau kam auch ein Mann hierher…

MARINA: Na, und?

DOKTOR: Er behauptete, dass er… Dass er Ihr Mann ist.

MARINA: Mein Mann? (Lacht schallend.) Mein Gott, wie schwer ist es, Psychiater zu sein! Wer kommt nicht alles zu Ihnen! (Lacht immer noch.)

DOKTOR: Was ist hier so lächerlich?

MARINA: Und dieser Mann hat nicht behauptet, dass er Napoleon ist?

DOKTOR: Nein. Er behauptete nur, dass er Ihr Man ist. Warum haben Sie das vor mir verborgen?

MARINA: Aber hier ist doch mein Mann, vor Ihnen! Brauchen Sie noch Beweise? Bitte. (An den Mann gerichtet.) Mein Lieber, zieh das Hemd aus und zeig dem Doktor dein Muttermal unter dem linken Schulterblatt. (Zieht folgsam sein Hemd aus. Der Doktor besieht sich das Muttermal. Marina wendet sich an den Doktor.) Haben Sie sich überzeugt?

DOKTOR: Ja.

ANTON: Doktor, ist dieses Muttermal nicht gefährlich?

DOKTOR: Nein.

ANTON: (Hartnäckig.) Trotzdem, ich möchte Sie bitten, es zu entfernen. Ich fürchte, dass es sich in ein Krebsgeschwür verwandelt.

DOKTOR: Ich versichere Ihnen, es ist harmlos. Und, außerdem bin ich kein Chirurg.

ANTON: Wir könnten das gleich jetzt machen. (Zieht wieder das Hemd aus.)

DOKTOR: (Leidend.) Ich hab´ doch gesagt, ich bin kein Chirurg.

ANTON: Und was sind Sie, Urologe? Das trifft sich sehr gut. Gerade auf diesem Gebiet habe ich große Probleme. Wenn ich versuche zu…

MARINA: (Unterbricht ihn.) Stör den Doktor nicht, Lieber. Zieh das Hemd an. (Er zieht sich folgsam an.) Und jetzt zieh die Hosen aus und zeig dem Doktor… (Er macht sich am Gürtel zu schaffen.)

DOKTOR: Das muss nicht sein, ich glaube Ihnen.

MARINA: Ich wollte Ihnen nur noch ein Muttermal zeigen, auf dem…

DOKTOR: Ich verstehe. Das muss nicht sein.

ANTON: Also, Hosen ausziehen, oder nicht?

DOKTOR: Das braucht es nicht.

ANTON: Ich zieh´ sie trotzdem aus. Wenn Sie schon Urologe sind, dann will ich Ihnen auch gleich zeigen…

MARINA: (Unterbricht ihn.) Danke, Lieber, das muss nicht sein. Wart bitte im Wartezimmer auf mich. Aber geh nicht weg. (Eindringlich.) Hast du verstanden? Geh nirgendwo hin. Wir fahren bald zusammen nachhause. (Anton geht hinaus.)

DOKTOR: Entschuldigen Sie, dass ich mir erlaubt habe, an Ihnen zu zweifeln. Ich bekenne, dass mich jener Mann durcheinander gebracht hat.

MARINA: Und Sie sind sicher, dass er überhaupt hierher kam?

DOKTOR: Was heißt “sicher”? Natürlich kam er! (Erinnert sich an sein Leiden.) Obwohl… Denken Sie, dass er nicht kam?

MARINA: Das hat keine Bedeutung.

DOKTOR: Nein, mir scheint, er kam. Nun, gut. Angenommen, dass er, Ihren Worten nach, ein Verrückter ist. Aber jene Frau zeigte mir ihre Dokumente, und Sie, entschuldigen Sie, kenne ich nicht einmal dem Namen nach.

MARINA: Wie können Sie das nicht wissen? Nicht länger, als heute Morgen, haben Sie mir selbst zweimal angerufen und mich Marina genannt.

DOKTOR: (In die Enge getrieben.) Ach, ja, richtig… Das hab´ ich vergessen… Aber, verstehen Sie, ich bin nicht sicher…

MARINA: (Marina öffnet ihre Handtasche, steckt das Taschentuch hinein, nimmt die Puderdose heraus und bringt sich in Ordnung. Als sie die Puderdose zurück legt, ruft sie freudig aus.) Oh! Es scheint, ich hab` ein Dokument dabei. Und sogar mit Foto. Das ist mein Führerschein. Hier, bitte, schauen Sie.

DOKTOR: Das muss nicht sein, ich glaube Ihnen.

MARINA: Jetzt glauben Sie, nach fünf Minuten hören Sie wieder auf, zu glauben. Wie alle Männer. Schauen Sie trotzdem. (Der Doktor nimmt unwillig das Dokument in die Hand.) Was steht da?

DOKTOR: „Marina Glöckner“.

MARINA: Ist der Stempel in Ordnung?

DOKTOR: In Ordnung. (Er gibt ihr das Dokument zurück. Sie steckt es in die Handtasche und zieht Fotos hervor.)

MARINA: Mein Mann hat Ihnen erzählt, dass wir in derselben Schule gelernt haben?

DOKTOR: Welcher Mann? Anton? Er hat.

MARINA: Hier, schauen Sie, wie wir als Kinder waren. Lustig, nicht wahr?

DOKTOR: Sie haben sich fast nicht verändert.

MARINA: Danke. Und hier sind wir beide schon erwachsen.

DOKTOR: Das war wahrscheinlich kurz vor der Hochzeit?

MARINA: Ja.

DOKTOR: Wie schön Sie sind!

MARINA: (Verführerisch.) Wollen Sie sagen, dass ich jetzt nicht mehr so bin?

DOKTOR: Jetzt sind Sie noch besser.

MARINA: Danke. (Steckt die Fotos weg.) Ich sehe, Sie sind ein Frauenheld. Ich weiß nicht, ob eine Frau hierher kam, aber von was ich überzeugt bin ist, dass Sie auch sie zum Abendessen eigeladen haben.

DOKTOR: Ich schwöre Ihnen, ich habe niemanden eingeladen! Und überhaupt kam niemand hierher! (Verwirrt.) Oder kam doch? Verdammtes Gedächtnis… Es scheint, ich sollte die Praxis aufgeben. (Gießt sich die nächste Portion Tropfen ein.)

MARINA: (Nimmt ihm das Fläschchen weg.) Hören Sie auf, Tropfen zu nehmen. Sind Sie Arzt, oder kein Arzt?

DOKTOR: (Stöhnt.) Ich bin Arzt. (Verwirrt.) Oder kein Arzt? (Fasst sich.) Was rede ich da für Unsinn! Natürlich Arzt.

MARINA: Und wenn Sie Arzt sind, dann bringen Ihnen die Patienten auch Cognac. Bringen sie, oder bringen sie nicht?

DOKTOR: (Unsicher.) Natürlich bringen sie.

MARINA: Also, dann trinken Sie einen Doppelten. Das hilft sofort.

DOKTOR: Das prüfen wir sofort. (Öffnet die Bar.) So viel Cognac. (Erfreut.) Das heißt, ich bin Arzt. (Ergreift eine Flasche.) Schließen Sie sich an?

MARINA: Ich habe Ihnen noch nicht verziehen.

DOKTOR: Ach, lassen Sie doch. Trinken wir. (Gießt mit zitternden Händen Cognac in zwei Schwenker ein.)

MARINA: (Beobachtet ihn mitleidig.) Mein Lieber, schauen Sie sich im Spiegel an: Verwirrter Blick, zitternde Hände. Was geht mit Ihnen vor?

DOKTOR: Ich gebe zu, dass ich heute nicht ganz in Form bin. Müdigkeit, Gedächtnisverlust, verwirrte Gedanken, Schwindelgefühle… Ich fürchte, das alles nennt sich mit einem Begriff – Alter.

MARINA: Dummes Zeug. Sie brauchen bloß eine warme, fürsorgliche, weibliche Hand, das ist alles. Haben Sie eine Frau?

DOKTOR: Frau? Lassen Sie mich nachdenken… (Grübelt.) Ich bin jetzt in so einem Zustand, dass ich mich sogar daran nicht mehr erinnere. (Erinnert sich.) Was rede ich denn da? Natürlich erinnere ich mich. Ich bin Witwer, schon viele Jahre. Die Kinder sind erwachsen, leben einzeln, ich habe sie schon lange vergessen. Übrigens, um die Wahrheit zu sagen, haben sie mich vergessen. Ich bin völlig einsam… Ich verstehe nicht, was mit meinem Gedächtnis passiert ist? Das kam so unerwartet…

MARINA: Leiden Sie bloß nicht darunter.

DOKTOR: Ich leide auch nicht. Wenn Sie in der Nähe sind. Wissen Sie, ich beneide sogar Ihren Mann. Ich würde auch mit Freuden alles zum Teufel vergessen: Einsamkeit, ermüdende Arbeit, Steuerinspektoren, neidische Kollegen, streitende Nachbarn, beharrliche Patienten mit ihren dauernden Beschwerden und Krankheiten, und gleichzeitig meine eigenen. An nichts denken, sich an nichts erinnern, neben einer schönen Frau sitzen mit einem Cognac, vergessen, dass du alt für sie bist, oder bald alt wirst, alles vergessen und nur die momentane Minute genießen…

MARINA: Also dann lassen Sie uns doch für den Augenblick leben. Buße, Bedauern, Nachdenken, die kommen danach, aber jetzt lassen Sie uns des Lebens freuen. (Hebt ihr Glas.) Auf unsere Gesundheit und unsere Erfolge! Auf das Glück!

DOKTOR: Danke. Mir ist so leicht mit Ihnen. Von Ihnen geht irgendein Licht aus. Sie sind wahrscheinlich sehr glücklich.

MARINA: Denken Sie nicht, dass ich es leicht habe. Ich weiß, was Einsamkeit ist.

DOKTOR: Sie haben Anton.

MARINA: Apropos, ich muss kontrollieren, ob er nicht gegangen ist. (Geht und kehrt schnell wieder zurück. Der Doktor besieht sich derweilen kritisch im Spiegel.)

DOKTOR: Alles in Ordnung?

MARINA: Ja. Es erscheint Ihnen wahrscheinlich seltsam, dass ich mich um ihn sorge, aber ich liebe ihn sehr. So sehr, dass ich bereit bin, ihm zuliebe große Dummheiten zu machen. (Kurzes Schweigen.) Aber das befreit mich nicht von Einsamkeit.

DOKTOR: Ich verstehe. (Nimmt sie an der Hand.)

MARINA: (Ohne die Hand zurückzuziehen.) Es ist Zeit für mich, zu gehen.

DOKTOR: Beeilen Sie sich nicht.

MARINA: Ich muss Anton heim bringen. (Will gehen.)

DOKTOR: (Hält sie fest.) Dann treffen wir uns heute?

MARINA: Wenn Sie es sich nicht anders überlegen oder vergessen.

DOKTOR: (Ereifert sich.) Ich – anders überlegen? Vergessen? Ja, ich… (Erinnert sich plötzlich wieder an die über ihn gekommene, seltsame Vergesslichkeit und unterbricht sich selbst.) Ich schreibe es auf. Für alle Fälle. (Macht einen Vermerk in seinem Tagebuch.)

MARINA: (Erhebt sich.) Und vergessen Sie nicht, die Krankengschichte und die Bescheinigung vorzubereiten.

DOKTOR: Für Sie mache ich alles, was Sie wünschen. Soll ich Sie begleiten?

MARINA: Nein, danke. Ich bitte Sie, sorgen Sie dafür, dass mein Mann nicht weg geht, solange ich ein Taxi suche.

Marina geht hinaus. Der Doktor, nachdem er lebhafter geworden ist und vor sich hin pfeift, setzt sich an den PC. Der Mann tritt ein. Er verhält sich völlig anders, als beim ersten Besuch. Seine Manieren sind selbstsicher und entschlossen.

DOKTOR: Sie wieder?

MANN: Wie Sie sehen.

DOKTOR: Was wollen Sie denn eigentlich?

MANN: Ich führe eine kleine private Nachforschung durch.

DOKTOR: Ich habe gleich begriffen, dass Sie ein Schnüffler sind.

MANN: Ich bin kein Schnüffler. Ich bin Finanzist.

DOKTOR: Falls Sie Steuerinspektor sind, zeigen Sie einen Ausweis vor.

MANN: (Hart.) Wo ist Marina?

DOKTOR: Haben Sie etwa sie verfolgt?

MANN: Kann sein.

DOKTOR: Leider kann ich mit nichts helfen. Sie ist, wie Sie sehen, nicht hier.

MANN: Ich habe doch gesehen, wie sie vor zwanzig Minuten hier herein kam.

DOKTOR: Aber Sie haben nicht gesehen, wie sie vor einer Minute hinaus ging.

MANN: Kommt sie zurück?

DOKTOR: Ich weiß nicht. Was wollen Sie von ihr?

MANN: Ich habe nicht das Recht, Ihnen das zu sagen.

DOKTOR: Kein Recht, dann sagen Sie auch nichts. Alles Gute.

MANN: Ich bin dringend verpflichtet, sie zu finden, verstehen Sie? Eine Frage auf Leben und Tod.

DOKTOR: Hier ist keine Detektei. Suchen Sie sie also auf der Straße. Und, bitte, halten Sie mich nicht auf. Übrigens, Besuche bei mir sind sehr kostspielig.

MANN: Ich bin bereit zu zahlen, wenn Sie helfen, sie zu finden.

DOKTOR: Ich nehme kein Bestechungsgeld.

MANN: Wirklich?

DOKTOR: Ich nehme Honorare.

MANN: Also bin ich bereit, Ihnen ein Honorar zu bezahlen.

DOKTOR: Ich nehme es nur für Behandlung und nicht für die Bereitstellung von Information. Ich wünsche Ihnen Erfolg, und stören Sie mich nicht bei der Arbeit. Zu mir kommt man nur nach vorheriger Anmeldung. (Schiebt den Mann höflich zum zweiten Ausgang.) Ich bitte Sie. Nein, durch diese Tür. Durch diese kommen nur meine Kranken herein.

MANN: Nun denn, dann schicke ich Ihnen tatsächlich einen Steuerinspektor. (Schaut den Doktor aufmerksam an.) Nun, erschreckt?

DOKTOR: Nicht sehr.

MANN: Umsonst. Ich bin sicher, dass Sie es nicht mögen, Steuern zu zahlen.

DOKTOR: Ich, nicht mögen?

MANN: Sie.

DOKTOR: Ich?!

MANN: Sie.

DOKTOR: Na und? Wer mag das?

MANN: Vielleicht veranstalten wir eine kleine Prüfung?

DOKTOR: Bitte. Meine Einkünfte weiß ich gut zu verbergen.

MANN: Und ich weiß sie gut zu finden.

DOKTOR: Hören Sie auf, mir zu drohen. Ich hab doch gesagt, dass ich keine Prüfung fürchte.

MANN: Weil Sie kein Bestechungsgeld nehmen?

DOKTOR: Nein. Weil ich es gebe. Alles Gute.

MANN: (Ändert den Ton.) Doktor, Sie wissen doch, dass ich jetzt eine äußerst private Angelegenheit habe, die weder Verbindung zur Medizin, noch zu Steuern hat. Ich brauche Marina.

DOKTOR: Auf Wiedersehen. Die Ausgangstür ist hier.

MANN: (Bleibt in der Türe stehen.) Doktor, warum kommt sie eigentlich zu Ihnen? Haben Sie etwas mit ihr?

DOKTOR: Sie betrifft das in keiner Weise.

MANN: Ist sie denn krank?

DOKTOR: Jegliche Einzelheiten bezüglich meiner Besucher, gesund oder krank, verlassen nicht die Grenzen dieses Kabinetts.

MANN: (Trocken, fast drohend.) Hervorragend. Obwohl ich spüre, dass es zwischen ihnen irgendeine Verbindung gibt, und ich halte es für meine Pflicht, Sie zu warnen: Seien Sie vorsichtig!

DOKTOR: Ich welchem Sinn?

MANN: In allen Sinnen. Sie ist verwirrt und weiß selbst nicht, was sie macht. (Wendet sich zum Gehen.) Wenn Sie sie trotzdem sehen, sagen Sie, dass ich versuche, sie zuhause anzutreffen und, falls ich sie nicht finde, wieder hierher komme.

DOKTOR: Ich glaube nicht, dass ich Sie hereinlasse.

MANN: Und ich glaube, dass ich Sie nicht fragen werde.

(Der Mann geht. Der Doktor setzt sich wieder an den PC. Marina tritt ein.)

MARINA: Gehe ich Ihnen noch nicht auf die Nerven?

DOKTOR: So schnell haben Sie ein Taxi gefunden?

MARINA: Ich hab´ keines gesucht… Ich habe beschlossen, meinen Mann in meinem Auto mitzunehmen. Es steht hier ganz in der Nähe, auf einem Parkplatz. Bewachen Sie ihn noch zwei Minuten, gut? (Schaut den Doktor aufmerksam an.) Was ist schon wieder passiert?

DOKTOR: Gerade eben hat wieder dieser… Nun… Ihr Mann nach Ihnen gefragt.

MARINA: Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich keinen Mann habe! Außer Anton versteht sich.

DOKTOR: Ich weiß nicht, ich weiß nicht… Er hat mich gewarnt, dass man mit Ihnen vorsichtig sein muss. Er hat sogar versucht, mir zu drohen.

MARINA: Hat er nicht erklärt, um was es geht?

DOKTOR: Nein, aber er hat gesagt, dass es sehr wichtig ist. Eine Frage auf Leben und Tod.

MARINA: (Sehr verwirrt.) Es scheint, ich kann mir vorstellen, von wem die Rede ist.

DOKTOR: Ist er tatsächlich Ihr Mann?

MARINA: Nicht ganz…

DOKTOR: Nicht ganz?

MARINA: Überhaupt nicht. Das ist mein Kollege… Genauer, sogar mein Vorgesetzter.

DOKTOR: Sagen Sie die Wahrheit?

MARINA: Ich schwöre.

DOKTOR: Und was will er so Wichtiges von Ihnen?

MARINA: Nichtigkeiten. Er ist einfach, wie soll ich Ihnen das sagen… leicht ungleichgültig gegenüber mir und ziemlich eifersüchtig. Er schüchtert alle meine Bekannten ein. Er will ewig mit mir etwas klären, etwas bereden… Und dabei immer dringend.

DOKTOR: Ich verstehe.

MARINA: Also, ich gehe, das Auto holen.

DOKTOR: (Hält sie fest.) Ich will Sie nicht weglassen.

MARINA: (Befreit sich sanft.) Ich komm´ schnell zurück. Wirklich in einer Minute.

DOKTOR: Und fahren wieder weg.

MARINA: (Küsst ihn auf die Wange.) Um uns abends zu treffen.

Marina geht. Der Doktor lächelt glücklich. Er geht zum Spiegel, besieht sich kritisch, bringt die Krawatte und die Frisur in Ordnung, nimmt aus dem Schrank ein anderes, helleres Jackett und zieht es an. Johanna tritt ein, noch entschiedener als vorher eingestellt. Der Doktor, darauf eingestellt, den Gast mit offenen Armen zu empfangen, ist unangenehm überrascht.

DOKTOR: Sie sind das?

JOHANNA: Wen haben Sie denn erwartet?

DOKTOR: Eine andere Frau. Die Frau Ihres Mannes. Das heißt… Ich wollte sagen – Antons Frau. Das heißt…

JOHANNA: Antons Frau – das bin ich.

DOKTOR: Jetzt habe ich große Zweifel daran.

JOHANNA: Zum ersten Mal treffe ich einen Arzt, der sich anstatt mit Behandlung mit Ermittlung befasst. Ist die Krankengeschichte fertig?

DOKTOR: Nein. Und wenn sie es wäre, würde ich sie Ihnen nicht geben. Wer sind Sie eigentlich?

JOHANNA: Ich habe geahnt, dass Sie beliebige Ausflüchte suchen werden, nur um auszuweichen, und habe für diesen Fall das ganze Spektrum an Dokumenten der Reihe nach vorbereitet. (Zeigt einen ordentlich geführten Ordner.) Hier, mein Pass. Hier meine Heiratsurkunde mit Anton. Hier die Geburtsurkunden unserer Kinder, in denen übrigens die Namen der Eltern aufgeführt sind, das heißt meiner und der meines Mannes. Hier unser Hochzeitsbild, das hier auch, aber mit Gästen, und hier unsere Fotos mit den Kindern. Hier die Stromrechnung und andere auf unseren gemeinsamen Namen. Sind Sie jetzt zufrieden?

DOKTOR: (Völlig verblüfft sieht er die Papiere durch und gibt sie Johanna zurück.) Ich… Ich… (Will zu den Tropfen greifen, stellt aber das Fläschchen zur Seite und gießt sich eine großzügige Portion Cognac ein.) Das heißt, Sie sind trotzdem seine Frau?

JOHANNA: Wer denn sonst, Ihrer Meinung nach etwa die Großmutter?

DOKTOR: Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich denken soll. (Greift wieder zum Cognac.) JOHANNA: (Im Befehlston.) Stellen Sie das Glas zurück! (Schiebt die Flasche energisch zur Seite.) Ich beginne, mir ernsthaft Sorgen um die Gesundheit meines Mannes zu machen.

DOKTOR: Warum?

JOHANNA: Weil sein Arzt Alkoholiker ist.

DOKTOR: Ich trinke überhaupt nicht.

JOHANNA: Das sehe ich.

DOKTOR: Sind Sie wirklich seine Frau?

JOHANNA: Warum verwundert Sie das so?

DOKTOR: Ich würde mich nicht wundern, wenn… Wenn nicht die andere Frau gewesen wäre…

JOHANNA: (Hart.) Was die andere Frau betrifft, ist das ausschließlich das Ergebnis des Alkohols oder die Frucht Ihrer gestörten Wahrnehmung. Als Jurist weiß ich, dass Psychiater infolge dauernder Kontakte mit Verrückten nur schwer ihr seelisches Gleichgewicht bewahren. Vergessen Sie also diesen Wahn. Es war keine Frau da.

DOKTOR: Es war!

JOHANNA: (Unerbittlich.) Es war keine und kann keine gewesen sein. Sie kontrollieren sich nicht. Sie haben Probleme mit dem Gedächtnis. Sie haben sogar vergessen, dass Sie meinen Mann schon zwei Jahre behandeln. Sie haben seine Krankengeschichte verloren. Vielleicht haben Sie sie aus Unvorsichtigkeit oder Vorsatz vom PC gelöscht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als sie wieder herzustellen. Dem Gesetz nach waren Sie verpflichtet, die Kranken-geschichte zu führen. Es wird Ihnen sehr schwerfallen, dem Gericht zu erklären, warum Sie das nicht getan haben.

DOKTOR: (Nervös.) Welches Gericht?

JOHANNA: Das Gericht, an das ich mich wende. Ich beabsichtige, meinen Mann in einer Pflegeeinrichtung unterzubringen, und Sie wissen ausgezeichnet, dass dazu eine lange und überzeugende Krankengschichte nötig ist.

DOKTOR: Sie wollen den Mann in ein Irrenhaus stecken?

JOHANNA: Achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise. Wenn ich jemanden in ein Irrenhaus stecken will, dann sind Sie das. Und, glauben Sie mir, das gelingt mir. Schauen Sie sich im Spiegel an, betrachten Sie Ihren wahnsinnigen Anblick, und Sie stimmen mir zu.

DOKTOR: Geben Sie zu, dass Sie es satt haben, sich um den Mann zu kümmern, und Sie beschlossen haben, ihn loszuwerden.

JOHANNA: Erstens ist das meine Privatangelegenheit. Und zweitens, wenn es so wäre, was dann? Er hat vielleicht das Recht, seine wichtigste Verpflichtung zu vergessen, aber ich bin nicht verpflichtet, mein wichtigstes Recht zu vergessen. (Verächtlich.) Verstehen Sie das wenigstens, Doktor?

DOKTOR: „Verpflichtung“, „Recht“… Gleich zu sehen, dass Sie Jurist sind.

JOHANNA: Und das, dass ich Frau bin, ist nicht gleich zu sehen?

DOKTOR: Nicht gleich. Sie gleichen mehr der „Freiheitsstatue“.

JOHANNA: Von einem Arzt habe ich mehr Verständnis erwartet.

DOKTOR: Was wollen Sie von mir?

JOHANNA: Bescheinigung und Krankengeschichte.

DOKTOR: Nun, gut, kommen Sie morgen, ich bereite alles vor.

JOHANNA: Bis morgen denken Sie wieder irgendeine Ausrede aus. Ich brauche es heute. Jetzt.

DOKTOR: Jetzt beginnt bei mir die Sprechstunde im Krankenhaus. Ich muss gehen.

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