bannerbanner
Настройки чтения
Размер шрифта
Высота строк
Поля
На страницу:
7 из 9

Stella warf einen Blick auf Natalja, die an die Decke starrte, als ob die letzte Bedingung des Klubs nicht in ihrer Gegenwart vorgelesen würde.

„Wenn sie aus diesem Job auch noch gefeuert wird…“, dachte das Mädchen, beschloss aber, das ohnehin komplizierte Verhältnis zu ihrer Freundin nicht weiter anzuheizen.

Natalja senkte den Kopf und rief:

„Ist mir alles recht! Ich fahre in die Schweiz! Juh!“

Sie hob ihr Weinglas und hielt inne. Sie schaute Stella an.

„Oh, sorry! Wir fahren in die Schweiz! Nicht wahr, Liebes? Ich zittere schon vor Aufregung! Millionäre! Champagner! Geld! Was wünscht man sich mehr? Tanzen kann ich! Und tausend Dollar pro Nacht? Das ist ja elitär! Erste Klasse! Ich zeige allen, wie man das macht! Das ist keine Arbeit wie bei euch im Notariat, wo es so langweilig war! Auf diesem Gebiet bin ich wie ein Fisch im Wasser! Das ist mein Milieu!“

Stella sah düster und blass aus. Das Tanzen lag ihr nicht, dafür aber das Trinken! Das konnte sie gut! Oh! Dauersuff!

„Haben Sie zufällig einen Vertrag ohne Tanzen? Nur mit Trinken?“, fragte Stella mit einem aufgesetzten Lächeln.

„Für die Schweiz leider nicht. Das Visum bekommen Sie als Künstlerin, und zwar als Tänzerin. Das wissen Sie doch, Kollegin.“

„Ja. Ich habe schon Mädchen dorthin geschickt, aber ich habe sie zum Preis von hundert Dollar pro Kopf angeboten und sie direkt mit dem Unternehmer in Kontakt gebracht. Auf die Einzelheiten, wie das System funktioniert, bin ich nicht eingegangen. Leider“, sagte Stella und warf einen brennenden Blick auf die zufriedene Natalja. Dieser waren die Sticheleien schon egal, für sie ihr war alles in Butter, genau, wie sie es haben wollte.

„Die Schweiz ist ein interessantes Land, das aus drei Teilen besteht. In allen drei werden unterschiedliche Sprachen gesprochen.

In Zürich zum Beispiel spricht man Deutsch. Sie haben dort ein kompliziertes System. Die Mädchen sollen splitternackt sein, sogar ohne Slips, praktisch während der ganzen Show.

In Genf, das im französischen Teil liegt, werden am Ende des Liedes die Bikinis ausgezogen.

In Lugano, wo die italienische Sprache vorherrscht, soll der Slip gar nicht ausgezogen werden. Man zeigt sich nur oben ohne. Aber auch das nicht unbedingt.“

„Wie werden denn dann in Lugano die Kunden ins Lokal gelockt?“

„Dort arbeiten im Klub Balletts aus Charkow, je dreißig Tänzerinnen in einer Truppe. Mit ihren schicken Shows bezaubern sie die Italiener, die einen Flirt und ausgiebiges Vorspiel mögen. Sie haben keine Lust, mit kalter Miene auf nackte Weiber zu starren und dabei keine Emotionen zu zeigen, wie es im deutschen Teil der Fall ist.“

Nataljas Interesse wurde sofort von Genf, dem goldenen Mittelweg, geweckt.

„Den Slip am Ende des Tanzes, und davor die Brustwarzen an der kalten Stange reiben! Schnell her mit den Unterlagen!“, schrie die Nymphomanin fast.

„Mademoiselle will nach Genf! Voilà!“

Ein glückseliges Lächeln erstrahlte in ihrem Engelsgesicht.

„Grundkenntnisse in Französisch habe ich. Das ist Schicksal! Wäre ich da nur gleich hingefahren, dieses Paradies auf Erden zu erobern, statt mich auf kriminelle Sachen einzulassen.“

Stella hörte nicht, was Natalja da redete. Mit einem traurigen Gefühl studierte sie die Vertragsbedingungen für den Einsatz in anderen Ländern.

Darunter waren England, Australien, Schweden, Japan, Deutschland, die Türkei und Italien. Sie las alle nacheinander durch. Ihr fiel ein merkwürdiger Name auf: Liechtenstein.

„Was ist das?“

„Das ist ein kleines Land in den Alpen. Genau genommen ein Zwergfürstentum. Dort herrscht ein Fürst.“

„Noch kleiner als die Schweiz? Dort wohnen doch schon weniger Menschen als in Moskau!“

„Ja, genau, absolut winzig. Ein kleines Wunder, wo alle reichen Leute ihr Geld verstecken. Unsere Millionäre haben sich dort ganz schön eingenistet. Sie lagern riesige Guthaben bei verschiedenen Banken, Stiftungen und Gesellschaften. Viele Restaurants geben auf den Speisekarten keine Preise an, weil den Gästen völlig egal ist, was die bestellten Gerichte kosten könnten. Sie sind so wohlhabend, dass sie essen gehen können, ohne sich um Preise zu kümmern.“

„Klingt nicht schlecht. Das klingt sogar verlockend!“, sagte Stella. „Welche Bedingungen gelten dort?“

„Ein sehr grausames System. Nichts als die reine Prostitution. Die Männer kommen dorthin ausschließlich zu geschäftlichen Verhandlungen und für Business. Sie haben keine Zeit für lange Affären. Außerdem ist Prostitution dort legal. Die Mädchen erhalten dafür ein Prostituiertenvisum. Das kann auch einen Einfluss auf das spätere Leben des Mädchens in Europa haben. Wenn ein Mädchen heiraten und ein normales Leben führen will, ist ihr Ruf in den Augen des Staats leider beschädigt.“

„Oh nein! Dann ist das nichts für mich!“, erklärte Stella.

„Und auch nicht für mich! Mein Bruder ist bei der Polizei und mein Vater ist Priester!“ Die Freundinnen brachen in Gelächter aus.

Die Stimmung wurde mehr oder weniger freundschaftlich. Die Mädchen tranken guten Wein und plauderten über die Details.

„Stella! Du kannst aufhören, so ein böses Gesicht zu machen! Lass uns nach Genf gehen!“

„Nein! Ich kann doch gar nicht tanzen! Schon gar nicht nackt! Wenn ich mir bloß vorstelle, wie ich mit runtergelassenem Slip auf einer Bühne stehe und alle Männer starren mich an! Ich müsste ihn wohl gleich ausziehen, weil ich sonst nichts habe, was einen Blick wert wäre!

Mein Zinnsoldatentanz würde bei den Männern wohl kaum auf Interesse stoßen. Vor allem, wenn der Zinnsoldat auch noch sturzbetrunken ist, weil er sich mit eine Liter Wodka Mut angetrunken hat. Das Publikum müsste vor Angst erstarren, weil es fürchtet, dass die besoffene Gestalt jemandem wie ein Klotz auf den Kopf fallen könnte.“

„Haha! Stella! Du kannst einen echt zum Lachen bringen! Ich habe noch nie so einen selbstkritischen Menschen wie dich getroffen!“

„Ich bin eben leider Realistin.“ Stella kratzte sich im Nacken und brach in Gelächter aus.

Darja beobachtete verwirrt die beiden Freundinnen, die vor Lachen beinahe erstickten, und überlegte, wie sie am schnellsten diese Irrenanstalt mit zwei Verrückten verlassen könnte.

„Ich weiß selber schon nicht mehr, wohin ich gehen soll! Einen Fürsten würde ich auch gerne ficken!“, rief Natalja.

Darauf folgte wieder eine Gelächterexplosion! Diesmal lachten alle drei.

„Fahr nach Genf! Deine Entscheidung ist gefallen. Stella? Hast du dich entschieden?“

„Ah ja, entschuldige bitte. Wir vergeuden deine Zeit mit unseren dummen Witzen.“

„Macht nichts. So was erlebe ich auch nicht jeden Tag. Ich habe Spaß mit euch, Mädchen.“

„Also, Stella!“, rief Natalja. „Das Tanzen bringe ich dir schon bei! Wenn es möglich ist, heißt das! Deine Titten sind gar nicht schlecht. Im Dunkeln würden sie super aussehen.“

Da beschloss Stella endgültig, mit diesem sexbesessenen Ungeheuer nirgendwohin zu gehen.

„Ich gehe nach Japan“, sagte Stella eiskalt, als sie den Vertrag zu Ende gelesen hatte. Sie fand sich schön. Auch ihre Brüste. Aber sie wollte ihre Reize ganz sicher nicht jedem zeigen.

„Ich finde, das ist die richtige Entscheidung! In diesem wunderbaren, märchenhaften Land wirst du, Stella, alles finden, was du dir wünschst. Tanzen ist gar nicht nötig. Und Sex haben die Japaner nur in ihrer Fantasie. Dann hast du dich also entschieden?“

„Ja.“

Erzähl mir bitte von den Vertragsbedingungen und den Anforderungen des Klubs. Was habe ich von Schlitzaugen zu erwarten?“

„Auf einen japanischen Vertrag muss man normalerweise ein halbes Jahr warten. In Städten wie Tokio noch länger. Aber ich habe eine Last-Minute-Anfrage aus Nagasaki. Ein Mädchen hat den Vertrag aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt. Deshalb kannst du in zweieinhalb Monaten fliegen, wenn wir sofort ein Visum beantragen würden. Der Klub heißt Chorus Line. Der Chef dort ist ein schöner, hochgewachsener junger Mann. Tanzen ist nicht nötig, weil alle Mädchen dort tanzen. Die Nacht ist gar nicht lang genug, dass alle an die Reihe kommen.“

„Sind die Tänze so beliebt? Hat das einen Grund?“

„Ich erkläre es euch. Während der Show dürfen die Mädchen den Gästen Blumen verkaufen. Jede Blume kostet ungefähr zehn Dollar. Das Trinkgeld des Mädchens hängt davon ab, wieviel Blumen sie verkauft. Die Blumen sind aus Kunststoff. Viele Tänzerinnen verdienen auf diese Weise genug für ihr Essen und die Kleidung während der ganzen Vertragsdauer. Den Lohn legen sie auf die Seite.“

„So! Hast du gehört, wie der Job zu machen ist, Stella? Du hättest natürlich die ganze Vertragszeit mit stolzer Miene rumgesessen und deinen ganzen Lohn ausgegeben oder im Suff verschleudert. Du großzügige Seele! Und wahrscheinlich würdest du auch noch einen Japaner mit Babypimmel finden und dich in ihn verlieben! Ha! Ha! Ha!

„Lass mich in Ruhe, Natalja! Du bist betrunken! Erzähl weiter, Darja.“

„Wo waren wir?“

„Bei Tänzen und Blumen.“

„Ah ja. Das mit den Tänzen haben wir geklärt. Das war in Ordnung für dich. Aber der Verdienst dort ist sehr gering, kein Vergleich mit der Schweiz. Rechnet man den japanischen Yen in Dollar um, macht das ungefähr fünfhundert Dollar im Monat.“

„Aha! Das ist lächerlich! Stella wird niemals drauf eingehen!“

„Halt den Mund oder geh ins Bett!“

„Ich bin schon still. Excuse moi, Mademoiselle.“

„Womit wir dort überhaupt Geld verdient?“

„Mit den Getränken, wie in der Schweiz. Aber dort kann man einen gewöhnlichen Saft oder Tee trinken.“

„Och, helft mir! Ich ersticke vor Lachen! Stella trinkt Tee! Und den Whiskey trinkt sie hinterher!“

„Erzähl weiter, Darja“, zischte Stella streng. Sie wurde nervös. Sie wollte sich möglichst schnell von Darja verabschieden, ein Glas Whiskey kippen und niemanden mehr um sich herum hören.

„Also. Den Flug, die Versicherung und die Wohnung bezahlt ihr selbst. Die Miete ist nicht hoch, weil ihr zu sechst in einer Einzimmerwohnung untergebracht werdet. In Doppelstockbetten wie in einem Kinderferienlager.“

„Oh Gott.“

Natalja versuchte, das Lachen niederzukämpfen. Sie wurde rot wie eine Tomate.

„Der Vertrag läuft sechs Monate.“

„Wieviel Geld verdienen die Mädchen normalerweise während der gesamten Vertragsdauer?“

„Wer es nicht schafft, ein paar Kunden auszunehmen, bekommen ab fünftausend Dollar. Diejenigen, die mehr Glück haben, bringen viel Geld mit nach Hause. Sie kaufen sich Wohnungen und Autos, Villen und Landhäuser. Sie bekommen riesige Beträge überwiesen, auch nachdem sie Japan schon verlassen haben. Die Japaner mögen blonde Schönheiten. Viele von ihnen sind bereit, ein paar hunderttausend Dollar hinzublättern, um so eine Spezialität zu kosten.“

„Ooooo! Jetzt habe ich Lust, mitzufliegen, Stella! Ich würde die Schlitzaugen mein wildes Fleisch genießen lassen. Was meinst du, wieviel gelbe Typen könnte ich pro Nacht ficken? Drei Minuten für jeden und mit einer Zigarettenpause? Ha! Ha!

„An dir habe ich keine Zweifel. Du Naturtalent! Du hast schon mehrmals glänzend bewiesen, was du kannst!“

„So. Ich muss dir noch alles über den Flug erzählen. Wir bestellen Tickets mit Umsteigen in München und in Fukuoka. Das richtige Gate würdest du doch finden, oder? Sprichst du Englisch?“

„Ja.“ Damit habe ich kein Problem.“

„Hier hast du das ganze Unterlagenpaket. Oh, hätte ich fast vergessen! Um dein Visum zu bekommen, musst du nach Moskau. Und der Flug nach Japan startet von dort aus.“

„Ok. Ich bin einverstanden.“

„Womit bist du einverstanden, Stella? Mit Moskau? Wir dürfen doch nicht über die Grenze und zurück!“

„Zurück will ich nicht. Möchtest du nicht ein paar Monate in Moskau verbringen, Natalja? Und dann von dort aus fliegen?“

„Geht das denn? Natürlich will ich das! Keine Frage! Moskau, ich komme! Freu dich auf deinen Star!“

„Abgemacht“, antwortete Stella mit einem Lächeln. Sie war zufrieden, dass Natalja ihre Idee ohne besondere Erklärungen und Fragen aufgegriffen hatte.

Erst jetzt begriff Stella, dass die Beziehung zwischen ihnen beiden während dieser ganzen Zeit fast verwandtschaftlich geworden war.

„Wo auf der Welt findet man den Menschen, der einen auf Anhieb versteht? Natalja weiß, in was für einer Situation wir stecken. Uns droht Gefängnis. Moskau ist keine schlechte Option für Leute, die untertauchen wollen. Dort wird uns ganz sicher niemand suchen. Vielleicht wäre es besser, mit ihr zusammen nach Genf zu gehen?“, fiel ihr ein. Aber schon im nächsten Augenblick gewann die Vernunft wieder die Oberhand über Stellas Schwäche. „Oh nein! Du solltest eine Pause von dieser Beziehung nehmen!“ Da sprach plötzlich ihr zweites, nüchternes Wesen.

„Wieso bewegst du die Lippen, Stella? Du siehst aus wie ein Fisch.“

„Ich rede mit meinem Schatten.“

„Frag ihn doch, ob er tanzen kann. Und ob er mit mir nach Genf fährt. Oder ist er genau so blöd wie du?“

„Lass mich in Ruhe!“

Die Arbeit mit Natalja im Notariat war ein ständiger Stress gewesen. Hätte Stella allein ihre Gaunereien betrieben, hätte niemand sie je entlarvt. Aber wer weiß, was und wie noch alles passieren könnte. Natalja hatte sie immer unterstützt und ihr auch mit ihrem Wissen weitergeholfen.

Darja unterbrach Stellas Gedankengang.

„Also, Mädels, ich muss gehen. Unterschreibt bitte die Papiere und bleibt in Kontakt. Danke.

„Danke dir für alles, Darja! Bitte entschuldige, wenn wir zu viel geredet haben.“

„Ach was! Es war doch ein angenehmer Abend. Ihr seid echt cool!“

„Und Kohle hast du auch gemacht! Hick, hick!“ Es war Nataljas Stimme. Ihre Worte wurden von Schluckauf unterbrochen. Stella errötete. Wie immer schämte sie sich für ihre Freundin. Es entstand der Eindruck, dass sie sich für Nataljas Verhalten schämen musste, weil dieser das entsprechende Gefühl gänzlich fehlte. Man sagt doch, die Menschen müssen einander ergänzen.

Lange saßen die Freundinnen schweigend beisammen, als ob sie Abschied voneinander genommen hätten. Merkwürdigerweise drängten sich ähnliche Gedanken in den Köpfen beider Mädchen.

„Wie wird es sein, allein in ein fremdes Land zu fliegen? Was erwartet uns? Werden die Veränderungen positiv oder negativ ausfallen?

Werden wir am Flughafen verhaftet, bevor wir ins Ausland fliegen?“

Leider blieben diese Fragen ohne Antwort.

So viel war in dieser Zeit passiert: Höhen und Tiefen, Lustiges und Trauriges, Liebe, Glück und Leid. Nun lagen vor ihnen andere Länder und Städte! Japan und die Schweiz oder schwedische Gardinen und Häftlingssuppe.

Plötzlich erinnerte sich Natalja an Zeilen aus einem Lied von Iwan Kutschin, das einer ihrer Kunden gesungen hatte. Der kahlköpfige Knastbruder hatte eine Strafe für Betrug, und zwar besonders schweren Betrug, abgesessen.

Natalja stand aus dem Schaukelstuhl am Kamin auf, ging ins Haus, nahm aus dem Kühlschrank eine Flasche Weißwein, schenkte zwei Gläser ein, reichte eines der Freundin und fing an zu singen:

„Oh du böses Schicksal,Schau dich nur um!Mein Leben ist keinen Groschen wert,Es geht bergab.Ich zerbreche mir den Kopf,Aber ich werde klüger!Ich erfahre, was schrecklicher ist,Tod oder Knast…“

„Mein Gott! Was singst du da? Soll ich einen Herzinfarkt kriegen?“

„Ich will, das du lächelst.“

Stella nippte an ihrem Wein und sagte mit einem Lächeln:

„Danke, Liebes. Du hast mich von trüben Gedanken abgelenkt.“

„Vorsicht! Trübsal führt zu Alkoholismus.“

„Dann muss ich wohl oft betrübt sein.“

„Am kränksten wird ein Russe durch eine gesunde Lebensweise.“

„Fall nicht ins Koma bei dem Gedanken, dass du ein halbes Jahr von Zwergen statt von Schweizer Millionären gevögelt wirst! Hahaha!“

„Dabei braucht man nicht ins Koma zu fallen!“

In der Dunkelheit erschallte ein so lautes Lachen, dass in manchen Häusern das Licht eingeschaltet wurde und Hunde zu bellen begannen.

„Jag deine philosophischen Gedanken weg, Stella! Die sind so unlogisch. Dabei dachte ich früher, dass gerade du eine große Strategin wärst.“

„Bring mich nicht zum Lachen. Lass mich ein bisschen traurig sein!“

„Wollen wir zusammen traurig sein? Sag, was du gerade denkst!“

„Ich denke darüber nach, wie ich mit den Schlitzaugen reden soll. Ich muss mir wohl ein Wörterbuch kaufen und diese verdammte Schrift lernen.“

„Du bist dumm, Stella! Hast du das alles etwa nötig? Du willst ans andere Ende der Welt fliegen und ein halbes Jahr lang weder Geld noch normale Männer haben. Schau mal, wo ich hinfahre! Nach Genf! Liebe mich auf Französisch, Junge! Es kostet dich nur tausend Mäuse! Das ist der Preis! Sie bekommen kein Rabatt, Monsieur! O là là!

„Haha! Du bist auch nicht schlauer, Natalja!“

„Wollen wir unsere Abreise nach Moskau planen? Weg mit den trüben Gedanken!“

„Das ist eine prima Idee.“

Am nächsten Morgen fingen die Mädchen an, auf der Suche nach einer Wohnung systematisch die Moskauer Immobilienmakler anzurufen. Nachdem sie die Mietpreise in der russischen Hauptstadt kennen gelernt hatten, waren die beiden Freundinnen bald gar nicht mehr abgeneigt, zusammen zu wohnen. Trotzdem bereitete sich jede von ihnen auf den herankommenden Tsunami vor, auch wenn keine darüber sprach.

„Dies darfst du nicht, lass das sein! Diese langweilige Stella macht mich noch verrückt!“

Selbst Saweli mit seinen endlosen Geschichten und das Studentenwohnheim erschienen ihr zu diesem Zeitpunkt als bessere Alternativen zu einem Leben unter der Aufsicht von Gestapo-Stella.

Stella erlebte eine Art Explosion der Emotionen. Dabei wollte sie eigentlich dasselbe: Männer, Sex, Drogen, Rock 'n' Roll. Sie war nervlich am Ende und dachte, dass ihre Reise ins Land der Zwerge ihre letzte sein würde. Man würde sie zwingen, Dinge zu tun, die sie nicht wollte. Sie sollte jede Nacht arbeiten und saufen – das hielt sie für eine völlig unsinnige Zeitverschwendung ohne jede Hoffnung auf Entwicklung, etwas für Schwachsinnige. Sie gehörte nicht zu denen, die sich dem Willen ihres Chefs beugen oder brav und pünktlich zur Arbeit kommen. Es schien, dass dieser Weg zum vollständigen Zerfall ihrer Persönlichkeit, zur Auflösung all ihrer Ideale und Prinzipien führen würde. Stella beschloss, es sich bis zur Abreise noch einmal gut gehen zu lassen und das Leben in vollen Zügen zu genießen. Dabei goss Natalja Öl ins Feuer und sparte nicht mit komischen Sprüchen:

„Du wirst einen Japaner heiraten und einen engstirnigen kleinen Jungen mit dem winzigsten Pimmel der Welt gebären. Hahaha!“

„Und deine Tochter wird Frösche fressen! Hahaha!“

„Dafür werde ich eine Madame und du bloß eine Geisha!“

„Sehr witzig.“

Es war ein herrlicher Tag. Scherzhaft planten die beiden Mädchen ihre Zukunft.

Stella hatte nicht die Absicht, länger in Japan zu bleiben. In ihrem Fall war die Auswahl an Verträgen nicht groß. Ihre Witze über Sohn und Tochter der anderen dagegen erreichten anscheinend Gottes Ohr.

Aber darauf werden wir später zurückkommen.

Eine ganze Woche verbrachten die Mädchen im Vollrausch. Sie stritten und versöhnten sich wieder, während sie auf die Reiseunterlagen warteten.

Als alles fertig war, fuhr Natalja in Darjas Büro, um die rettenden Papiere persönlich abzuholen. Das Büro der Vermittlerin befand sich im gleichen Häuserblock wie Nataljas Wohnung. Sie konnte der Neugier nicht widerstehen und beschloss, bei sich vorbeizuschauen. Das war äußerst gefährlich. Aber es war ihr egal. Sie stieg zu ihrem Stockwerk hinauf und sah, dass die Wohnungstür verplombt war. Schreckliche Angst überkam sie. Erst in diesem Moment begriff sie den ganzen Ernst ihrer Lage. Natalja lief aus dem Gebäude wie ein Hase und zu dem Haus, wo ihre Freundin auf sie wartete. Schreiend rannte sie zu ihr hinein.

„Wir müssen schnell packen! Sie suchen schon nach uns!“

„Wir werden längst gesucht. Weißt du das denn nicht? Hast du die Unterlagen abgeholt?“

„Ja!“ Ich habe alles dabei! Lass uns sofort aus diesem verfluchten Haus verschwinden!“

„Ich bin so weit. Ruf ein Taxi. Ich glaube, wir müssen nach Charkow fahren und von dort aus fliegen.“

„Einverstanden.“

„Wer hat dir gesagt, dass wir gesucht werden? Hast du bei Artschik auf einen Abschiedsfick vorbeigeschaut? Wolltest du ihm erzählen, wo du hinfährst? Hahaha!“

„Stella, du bist natürlich sehr witzig, aber mir ist gerade nicht zum Lachen. Ich war bei meiner Wohnung!“ Natalja kniff die Augen zusammen und wartete auf die Schelte der Freundin. Aber diesmal reagierte Stella gar nicht so heftig:

„Das war dumm.“

Bald kamen die Mädchen in Charkow an. Die Stadt gefiel ihnen. Sie sah ziemlich gepflegt, man könnte sogar sagen, trendy aus. Es gab viele junge Leute, allerlei Unterhaltungsmöglichkeiten und Partys. Natalja wollte natürlich zum Barabaschowo-Markt. Er zog sie an wie ein Magnet, denn dort konnte man eine ganze Garderobe für wenig Geld ergattern. Auf diesem gigantischen Markt, der rund um die Uhr geöffnet zu sein schien, gab alles zu kaufen, selbst die nötigen Teile, um eine Bombe zu basteln.

Die resolute Blonde mit den brennenden Augen tauchte sofort in die Menschenmenge ein, die aus verschiedensten Nationalitäten bestand. Sie verschwand so schnell, als ob das schwarze Marktgewühl sie einfach eingesaugt hätte, ohne die kleinste Spur von Weiß zu hinterlassen. Stella schaute ihr nach. Wie unpassend sah der weiße Fleck vor dem schwarzen Hintergrund aus. So kann ein gerade gewachsener Mensch unter Buckligen wie eine Missgestalt erscheinen.

Stella ging durch die Menge auf der Suche nach einer Wohnung oder einem Zimmer. Sie hatte einen Wunsch, ein paar Tage in dieser tollen Stadt zu verbringen. Sie wollte sich abends in einem Klub ein bisschen entspannen. Aber zuvor musste sie eine Wohnung mieten und am nächsten Schalter ein Flugticket nach Moskau kaufen.

Sie traf eine Frau mit einem Schild, auf dem geschrieben stand: „Wohnung zu vermieten“, und fragte nach.

„Es ist ein abschließbares Zimmer in einer Zweizimmerwohnung. Im anderen Zimmer wohnt ein Mann aus Moldawien, der hier auf dem Markt als Lastträger arbeitet. Er hat einen engen Zeitplan, geht um 4 Uhr morgens aus dem Haus und kommt spät am Abend wieder. Die Küche wird geteilt. Die Miete ist niedrig.“

„Okay. Ich nehme das Zimmer. Könnten Sie noch einen Augenblick warten, bitte? Meine Freundin kommt in einer Stunde zu dem Café da drüben.“

„Gut. Dann bin ich in einer Stunde wieder da.“

„Abgemacht.“

Natalja wurde wütend, als sie von Mietbedingungen erfuhr.

„In einem Zimmer? Bist du verrückt geworden? So kann ich doch niemanden für die Nacht mitbringen!“

„Wir haben einen Haufen Geld bei uns! Und Wertsachen! Du darfst niemanden mit in die Wohnung bringen! Geh ins Hotel oder zu deinem Freier nach Hause!“

„Die meisten wohnen bei ihren Müttern! Du kennst doch unsere Kundschaft. Penner und Versager sind gut im Bett. Männer, deren Gehirn wenigstens ein bisschen funktioniert, können nicht länger als dreißig Minuten.“

„Hahaha! Danke für die Info. Ich werde mir dümmere Typen aussuchen.“

„Ich sterbe vor Lachen.“

Das Zimmer gefiel den Mädchen. Es war geräumig, mit einem großen Bett und Balkon.

„Wow! Der Fickplatz ist ja riesig!“

„Ein altertümliches Großmutterbett für witzige Leute mit Fantasie…“

Die Tür zum zweiten Zimmer stand halb offen. Stella schaute hinein, um den Nachbar zu begrüßen, aber er war nicht da.

„Seltsam. Wo ist unser Nachbar?“

„Ich glaube nicht, dass er schon zu Hause ist. Gewöhnlich fährt er bis zum späten Abend Waren in die Lager.“

„Schließt er sein Zimmer nicht ab?“

„Wahrscheinlich hat er gedacht, dass er hier allein wohnen könnte, bei der winzigen Miete, die von ihm kassiere“, sagte die Vermieterin sarkastisch. „Moldawier sind eben doof.“

Die Frau schrieb mit kluger Miene die Daten aus den gefälschten Pässen ab, nahm das Geld mit der Geschicklichkeit einer erfahrenen Taschendiebin und verließ die Wohnung.

Ohne zu zögern untersuchten die Mädchen das Zimmer des Moldawiers und fanden einen Safe. Er war natürlich nicht in die Wand eingebaut. Er stand einfach in einem Schränkchen und war so groß, dass die Tür des Schränkchens nicht mehr zuging.

„Hahaha! Er ist wirklich doof!“

„Ja, das kann man nicht anders sagen“, schmunzelte Stella. „Schönes Bild.“

„Wollen wir ihn zersägen? Oder gucken wir den Code mit einem Spiegel um die Ecke ab, wenn er kommt?“

„Abgucken wäre wohl am besten. Wenn es nicht klappt, lassen wir den Safe auf dem Markt zersägen. Das dürfte eine halbe Stunde dauern.“

„Dort, wo er arbeitet. Hahaha! Trinken wir inzwischen einen Kaffee?“

„Schenk ein. Den haben wir von unserem Moldawier.“

На страницу:
7 из 9