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Polly!
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Sie trug einen schwarzen Satin-Hosenanzug. Die untere Hälfte waren Hosen mit leicht ausgestellten Beinen, das Oberteil war weit offen, wie zwei breite Hosenträger, die sich nach oben zogen und sich in ihrem Nacken trafen. Sie hatte gewöhnliche, flache, schwarze Turnschuhe an und ihr Rücken war nackt. Sie war nicht ungesund dünn, aber da war sicher nirgendwo Fett. Um ihren Hals trug sie eine dünne Goldkette mit einem großen Medaillon, sicher zehn Zentimeter breit mit mindestens zehn Lichtern, die da blinkten. Sie sah nicht viel älter aus als zwanzig.

„Ja?“, sagte sie.

Er war so beschäftigt damit, den Anblick zu bewundern, dass er beinahe vergessen hatte, wieso er hier war. „Ähm, tut mir leid, dass ich Sie stören muss, aber mein Auto ist kaputt gegangen, dort an der Straße. Ich wollte fragen –“

„Also, stehen Sie doch nicht da in der Hitze 'rum“, sagte sie mit einer einladenden Handbewegung. „Kommen Sie rein, hier ist es klimatisiert, und machen Sie sich's bequem. Willkommen im Grünen Haus.“

„Danke“, sagte er und trat ein. Sie schloss die Tür hinter ihm und er badete in dem Gefühl. Seit Stunden war ihm nur heiß gewesen. Sie standen in einer Eingangshalle mit schwarz-weißen Marmorfließen und einem riesigen Kristallleuchter, der von der hohen Decke hing. Es gab einen langen Gang, der zum hinteren Teil des Hauses führte, und von dem in verschiedenen Abständen Türen zu verschiedenen Zimmern führten. Eine breite Treppe mit dunkelgrünem Teppich führte hinauf in das nächste Stockwerk.

„Es tut mir leid, dass ich Sie so belästigen muss –“, begann er, aber sie unterbrach ihn wieder.

„Ach was. Es ist keine Belästigung. Sie können doch nichts dafür, wenn Ihr Auto kaputt geht, oder?“

„Nein“, sagte er mit einem tiefen Seufzen. „Ich hatte nur gehofft, Sie könnten mir kurz ihr Telefon leihen.“

„Würde ich, wenn ich eines hätte.“

„Sie leben hier mitten im Nirgendwo ohne Telefon?“

„Wenn ich ein Telefon hätte, würden mich die Leute ständig anrufen“, sagte sie. „Zu viele Leute wollen mit mir reden. Ich ziehe es vor, schwer erreichbar zu sein.“

„Aber was ist, wenn Sie ein Problem haben?“, fragte er weiter. „Was, wenn Sie mit jemandem sprechen müssen?“

„Ich kann problemlos mit jedem sprechen, den ich will“, sagte sie. „Und es gibt keine Probleme, die ich und meine Angestellten nicht bewältigen könnten.“

„Oh, Sie haben Angestellte. Ich nehme an, das macht es etwas besser.“

„Ja. Genau genommen, wollte ich gerade vorschlagen, dass sich mein Fahrer ihr Auto ansieht. Er weiß wahrscheinlich, wie wir es wieder hinkriegen.“

„Ich möchte Ihnen keine Mühe machen –“

„Es ist keine Mühe für mich. Fritz wird es machen. Dafür ist er da.“ Sie griff nach ihrem Medaillon und sprach hinein. „Fritz, da draußen steht ein Auto und funktioniert scheinbar nicht mehr. Kannst du es dir ansehen und versuchen es wieder zu starten?“

„Ja, mein Fräulein“, kam eine Stimme aus dem Medaillon. Der Akzent war so Hollywood-Deutsch, dass man beinahe die Hacken klacken hören konnte.

„Vielen, vielen Dank“, sagte er.

Sie drehte sich noch einmal zu ihm um. „Ich bin übrigens Polly.“

„Oh, ähm, hallo. Ich bin Rod.“

Sie legte den Kopf schief. „Du siehst nicht wie ein Rod aus“, sagte sie kritisch.

„Wie sieht ein Rod aus?“

„Nun, lang, zylindrisch und unbiegsam.“ Sie warf ihm ein verschmitztes Grinsen zu. „Natürlich kann ich es verstehen, wenn es ein Spitzname ist.“

Er merkte, dass er knallrot wurde. „Es, ähm, ist die Abkürzung für, äh, Herodotus“, sagte er leise. Gleichzeitig fragte er sich, wieso er das gesagt hatte. Er erzählte das beinahe nie jemandem – und schon gar nicht einer völlig Fremden.

„Ah, der griechische Geschichtsschreiber“, kreischte Polly. „Wie hübsch.“

„Sie haben von ihm gehört?“

„Natürlich. Ich liebte die alten Griechen.“

„Ja, mein Vater auch. Er war ein Professor der klassischen Archäologie.“

„Er muss sie sehr gerne gehabt haben, dass er Ihnen einen so ehrenvollen Namen gab.“

Herodotus schnaubte spöttisch. „Herodotus Shapiro ist der schrecklichste Name, den man einem jüdischen Jungen geben kann.“

„Mir gefällt er. Darf ich dich Heros nennen?“

„Mir ist Rod wirklich lieber.“

„Du kannst mein Heros sein“, sagte sie wobei sie seine Beschwerde völlig ignorierte. „Das ist besser als Heer, nicht wahr?“

„Wie auch immer“, sagte er resignierend. Er hatte jetzt wirklich wichtigere Probleme in seinem Leben als wie ein dummes, reiches Mädchen ihn nannte. Und in diesem Moment war eines dieser Probleme, wie er seinen Blick von dem hinreißenden Körper des dummen, reichen Mädchens losreißen und verhindern konnte, dass er zu sabbern begann.

Sie hakte sich bei ihm ein und zog ihn auf das Zimmer rechts neben ihm zu. „Komm in die Stube und geselle dich zur Party.“

„Party?“ Er fühlte wie sich seine Brust plötzlich zusammenzog. Partys bedeuteten Menschen, normalerweise fröhliche Menschen. Fröhliche Menschen waren so ziemlich das Letzte, was er in seinem Leben in diesem Moment brauchte. „Ah, ich wollte nicht ungeladen –“

„Könntest du nicht einmal, wenn du wolltest“, erklärte Polly nachdrücklich.

Er war sich nur zu sehr dessen bewusst, dass er verschwitzt und ungekämmt war. „Ich weiß nicht, ob ich da hineinpassen würde. Ich kenne da wohl niemanden –“

„Mach dir keine Sorgen. Du wirst dich großartig amüsieren. Sie sind alle gute Leute. Andere lade ich nicht ein.“

„Aber. Ähm. Ich bin nicht wirklich passend gekleidet.“

„Mach dir keine Sorgen. Meine Partys haben keine Dress Codes. Sehr wenig formell. Ich finde, dass Menschen wichtiger sind als ihre Kleider. Komm schon.“

Sie öffnete die Schiebetür und führte ihn in eine sehr große Stube. Das Zimmer war voll mit Menschen. Im Hintergrund spielte eine fröhliche Instrumentalmusik, ohne zu stören, und die Leute unterhielten sich mit leisen, freundlichen Stimmen. Ab und zu konnte man ein Lachen hören.

Der Teppichboden war hellblau, bedeckt mit zwei Persischen Teppichen mit marineblauen offenen Teilen. Die Tapete war ein dazu passendes Pastellblau mit horizontalen, königsblauen Streifen oben an der Decke und unten. Es gab ein langes, blaues Brokat-Sofa und fünf Stühle überzogen mit lindengrünem Jacquard mit ein paar Glockenblumen in Diamanten-Muster und einen babyblauen Flügel in der hinteren Ecke. Kleine Mahagoni-Tische umringten die Kommode an der Fassade unter dem großen Platinspiegel mit schrägen Kanten. Alle Leute standen und unterhielten sich; niemand saß auf der luxuriösen Einrichtung.

Er ließ seinen Blick über die große Menschenmenge schweifen aber konnte keine Gesichter finden, die er kannte. „Wie hast du all diese Leute hier heraus in die Wüste bekommen?“

„Ich habe sie eingeladen“, sagte Polly einfach. „Menschen kommen gern zu meinen Partys.“

Sie drückte einen Knopf in ihrem Medaillon und ein leises aber hartnäckiges Klingeln hallte durch den Raum. Die Leute unterbrachen ihre Unterhaltungen und sahen hinüber zur Tür.

„Hallo alle zusammen“, rief sie. „Ich hoffe, ihr unterhaltet euch gut.“

Die meisten nickten, andere gaben zustimmende Geräusche von sich. „Gut“, sagte Polly. „Wenn es irgendwelche Probleme gibt, sagt mir einfach Bescheid. Ich möchte euch meinen Heros vorstellen. Eigentlich ist sein Name Herodotus Shapiro, aber ich finde, Heros passt zu ihm. Heißt ihn willkommen.“ Entsprechende Rufe kamen aus der Menge, sodass Herodotus sich nur noch unwohler fühlte.

Polly drehte sich wieder zu ihm um. „Du siehst aus, als könntest du was zu trinken gebrauchen.“

„Ich bin nicht wirklich ein großer Trinker –“

„Nur ein Gläschen Wein. Oh, Fifi“, rief sie.

Eine schöne, kecke, junge Blondine in einer schwarz-weißen Hausmädchen-Uniform kam zu ihnen herüber, in der Hand ein Tablett mit einigen gefüllten Weingläsern. Ihr Kostüm war sehr kurz und ließ wenig der Vorstellung über, besonders den ausgestellten Beweis ihres Säugetier-Stammbaums. „Oui, Mademoiselle?“, fragte sie.

Polly nahm mit einem geübten Handgriff zwei Gläser von dem Tablett und gab eines Herodotus während sie das andere für sich selbst behielt. „Fifi, ich möchte, dass du dich darum kümmerst, dass Heros alles bekommt, was er wünscht.“

Das Hausmädchen sah zu Herodotus' Gesicht hoch und lächelte. „Ich werde mich bemühen“, versprach sie, mit plötzlich heiserer Stimme. Ihre Schultern und Hüften waren komplett gegeneinander verdreht, als würden sie zu unterschiedlichen Trägern gehören.

Polly hob ihr Glas in Herodotus' Richtung. „Auf neue Freundschaften“, sagte sie und sie stießen an.

Herodotus sah die goldene Flüssigkeit in dem Glas an und kostete sie vorsichtig. Es war köstlich – süß aber nicht zu sehr, glatt auf der Zunge, kühlend in der Kehle und im Abgang knackig und fruchtig. Er nahm noch einen zweiten, größeren Schluck.

Sie sah ihm mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu. „Schmeckt's?“, fragte sie.

„Er ist sehr gut, ja.“

„Er ist von meinem eigenen Weingut“, prahlte sie. „Er heißt Zufriedenheit, der Wein von zufriedenen Trauben. Sie wachsen gleich neben einem anderen meiner Weingärten, wo die Trauben der Wut aufbewahrt werden. Den behalte ich für spezielle Ereignisse auf.“

„Sieh her, Polly, ich –“

„Es tut mir leid, dass ich dich vorübergehend alleinlassen muss, aber ich muss mich unter die Gäste mischen. Gastgeberinnenpflichten und so. Rede mit den Leuten, mach es dir gemütlich. Wenn du etwas brauchst, werden Fifi oder James dir gerne helfen.“

„Wer ist James?“

„Mein Diener. Ich komme sofort zurück und dann können wir uns unterhalten.“ Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas und stürzte sich in das Getümmel. Sie wurde von allen angelächelt, bis sie in der Menge verschwand.

Herodotus fühlte sich sehr alleine und unwohl. Die Menschen sahen alle freundlich aus, aber er war nicht gerade in der Stimmung für Gesellschaft – nicht heute. Er bahnte sich den Weg zum Sofa und setzte sich vorsichtig auf ein Ende davon, ehrfürchtig vor dem offensichtlichen Alter des Möbelstücks, und versuchte, sich selbst so unauffällig wie möglich zu machen.

Ein paar Minuten später kam ein Mann und setzte sich neben ihn. Er sah aus, als wäre er in seinen späten Sechzigern, mit einem verwitterten, ledrigen Gesicht und einem weit zurück gehenden Ansatz reinweißen Haares. Er hatte einen dünnen Körper mit einem wachsenden Bierbauch und sein Gesicht war runzelig, aber auf eine nette Art. Es gab dort viele Lachfalten.

„Wie lange kennen Sie sie schon?“, fragte der Mann um eine Unterhaltung zu beginnen.

„Sie? Sie meinen Polly?“

„Nennt sie sich heutzutage so? Ja, Polly.“

„Ich habe sie erst vor ein paar Minuten kennen gelernt.“

Der alte Mann nickte. „Bei mir sind es jetzt fünf Jahre. Meine Frau und ich waren dreiundvierzig Jahre lang verheiratet, und sie war in ihrem ganzen Leben nie krank gewesen, abgesehen von einem Husten oder zwei. Dann kam Alice ins Krankenhaus und drei Wochen später starb sie an Krebs. Meine ganze Welt brach zusammen. Ich dachte, ich könnte genauso gut sterben und zu ihr gehen. Dann kam diese Krankenschwester zu mir ins Besucherzimmer und hielt meine Hand. Ich bin nicht jemand, der öffentlich seine Gefühle zeigt, aber ich heulte wie ein Baby an ihrer Schulter, ich machte ihren Kittel ganz nass. Es schien sie nicht zu stören. Ich erzählte ihr alles über Alice. Mensch, wir mussten wohl Stunden da gesessen und uns unterhalten haben. Wissen Sie, ich hatte einige Freunde, die versuchten, mich aufzumuntern, indem sie sagten, dass Alice an einen schöneren Ort ging. Polly erzählte mir keinen solchen Unsinn. Sie war einfach nur da, und das war genug, und bald war auch der Rest der Welt da – ein wenig leerer ohne Alice, aber bei weitem nicht so trostlos wie ich gedacht hatte.“

Er hielt inne. „Was ist Ihre Geschichte?“, fragte er.

Herodotus errötete. Nach der Geschichte des alten Mannes, was konnte er da schon sagen? „Mein Auto steht vor der Tür und startet nicht mehr“, sagte er fast entschuldigend.

Der alte Mann sah ihn eine Weile lang an, die leiseste Andeutung eines Lächelns umspielte seine Mundwinkel. Schließlich stand er auf. „Klar“, sagte er, streckte die Hand aus, und klopfte Herodotus auf die Schulter. „Vergessen Sie nicht, wie Polly sagt: die Dinge sind nie hoffnungslos, außer man verliert alle Hoffnung.“ Und er ging weg.

Herodotus trank noch einen Schluck Wein und beobachtete die anderen Partygäste. Nach noch ein paar Minuten kam ein kleiner Mann mit einem Gesicht, das an eine Maus erinnerte, in grauem Anzug und gestärktem weißen Hemd und roter Krawatte herüber zur Couch. Anstatt sich hinzusetzen, ging er herum, bis er hinter Herodotus stand, beugte sich hinunter und flüsterte in dessen Ohr: „Verschwinden Sie hier, solange sie noch können“, sagte er Unheil verkündend.

„Was?“

„Sie haben mich verstanden. Verschwinden Sie, bevor es zu spät ist.“ Dann ging er ohne weitere Erklärung weg.

Herodotus fragte sich, in welcher Art Bärenhöhle er da gelandet war, als er den Mann weggehen sah. Aber er hatte keine andere Wahl als zu bleiben, es sei denn, er wollte achtzig oder noch mehr Kilometer durch die sommerliche Wüstenhitze wandern.

Sich leichtfüßig einen Weg durch die Menschenmenge bahnend, kam eine langhaarige schwarze Katze mit goldenen Augen auf ihn zu. Sie steuerte direkt auf das Sofa zu, sah Herodotus forschend an und sprang dann auf seinen Schoß. Vorsichtig streichelte Herodotus ihr Fell. Die Katze ließ es sich gefallen und begann zu schnurren, während sie seine Oberschenkel mit ihren Samtpfoten massierte.

Und dann war Polly wieder zurück, sie trug nun einen schmucken Gymnastikanzug – vertikal rot-weiß gestreift, mit blauen Rändern mit weißen Sternen oben und unten. Ihre Schultern, Arme und Beine waren bloß und ihre Füße steckten in Ballerinas.

„Ah, du hast Midnight gefunden“, sagte Polly lächelnd.

„Eigentlich hat eher er mich gefunden“, entgegnete Herodotus.

„Ich sehe, du bist daran gewöhnt, Dinge aus der Katzenperspektive zu sehen.“

„Ich habe mit einigen zusammen gelebt“, gab er zu.

„Das freut mich zu hören. Katzen sind der lebende Beweis dafür, dass Gott nur einen Spaß machte, als er sagte, wir sollten vor ihm keine anderen Götter haben.“ Sie bückte sich um die Katze auch zu streicheln. Diese schnurrte noch lauter.

Polly ließ sich neben ihm auf das Sofa fallen und ließ sich ein paar Mal mit all dem Anstand einer ungestümen Zehnjährigen zurückfedern und endete schließlich seitlich sitzend im Schneidersitz, ihm zugewandt. Die Katze zuckte nicht einmal. „Nun, worüber sollen wir reden?“, fragte sie.

Herodotus schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht wirklich in der Stimmung zum Reden. Ich möchte einfach, dass mein Auto wieder funktioniert, und dann verschwinde ich hier und geh dir nicht weiter auf die Nerven.“

Pollys Stimme klang mitfühlend. „Hast einige Probleme, hä?“

„Ich sagte, ich möchte nicht darüber reden.“ Sein Tonfall war schärfer als beabsichtigt.

„In Ordnung“, sagte sie, wobei sie immer noch die Katze streichelte. „Dann reden wir über mein Lieblingsthema – mich. Stell mir deine Fragen. Ich weiß, du hast welche, ich sehe es in deinen Augen. Frag mich, was du willst. Ich bin ziemlich gut drauf, also hast du eine einmalige Chance, für die manche Männer morden würden.“

Sie hatte offensichtlich nicht die Absicht, ihn in Ruhe zu lassen, also konnte er sie auch unterhalten. „Pflanzt du hier viele Blumen?“

Sie war tatsächlich mehrere Sekunden lang sprachlos und belustigt. „Ich muss zugeben, diese bekomme ich nicht oft. Meistens ist es sowas wie 'Was ist der Sinn des Leben' oder 'Wieso ist mir das passiert?'. Ja, ich habe ein kleines Blumenbeet draußen im Hinterhof, aber nicht größer als Versailles. Wieso fragst du?“

„Nun, als ich ankam, sagtest du 'Willkommen im Grünen Haus.'“

Polly lachte. Es war ein Klang wie ein Glockenspiel, ein Klang, der den ganzen Raum erstrahlen ließ, ein Klang, der Freude, destilliert auf ihre reinste Essenz, war. „Damit ist nicht das Grün draußen gemeint, sondern die Farbe des Hauses.“

„Dein Haus ist weiß.“

„Ja, aber das 'Weiße Haus' ist schon vergeben, nicht wahr?“

Herodotus schloss die Augen. Sein Gehirn fühlte sich, als wäre es plötzlich in einen dichten Nebel geraten. „Ich weiß nicht, ob das irgendeinen Sinn ergibt.“

„Sinn? Im Vertrag steht nirgendwo etwas von 'Sinn'. Oder 'fair', wenn wir schon darüber sprechen. Nicht einmal im Kleingedruckten. Ich habe es alles gelesen.“

Herodotus bekam das unbehagliche Gefühl, dass Polly ein wenig zu lange allein gelebt hatte. Er wollte gerade aufstehen und sagen, dass er doch draußen warten würde, als der Diener auf das Sofa zukam. Er war ein großer Mann im Smoking, sein Haar schütter und an den Seiten grau werdend. Er trug sich selbst mit einer überlegenen Haltung und er trug ein silbernes Tablett mit Häppchen in seiner rechten Hand. Er senkte das Tablett elegant und sagte mit einem Oxford-Akzent: „Erfrischungen?“

„Danke, James“, sagte Polly und nahm ein ungewöhnlich aussehendes Hors d'Oeuvre vom Tablett wobei sie Herodotus ansah. „Lust auf etwas?“

Er besah sich die Auswahl. Die meisten Partys, zu denen er ging, hatten ein Angebot von Chips mit Saucen, Käsebällchen oder Nüssen oder Keksen. Auf dem Tablett vor ihm befand sich nichts, das bekannt aussah. „Äh, was empfiehlst du?“

„Oh, sie sind alle großartig“, sagte Polly. „Ich habe sie selbst gemacht.“

Herodotus schaute noch ein wenig weiter und entschied sich dann für etwas, das wie eine kleine, rot-braune Blume auf einem Cracker aussah. Er biss vorsichtig hinein; es war eine Spur salzig und eine Spur süß. „Das ist lecker“, sagte er und aß auch den Rest davon.

„Nun, du brauchst nicht so überrascht zu klingen“, sagte Polly.

„Was ist es?“

„Nach dieser wenig überzeugenden Reaktion, glaube ich nicht, dass ich dir das sagen werde. Das genügt erst mal, James.“

„Wie Sie wünschen, Madam.“ Der Diener richtete sich auf und ging im Raum herum um die anderen Gäste zu bedienen.

Polly sah zu, wie Herodotus den letzten Bissen des Canapés hinunterschluckte, und sagte dann: „Also, wo waren wir?“

„Ich glaube, wir waren nicht wirklich irgendwo.“

„Oh ja, du warst dabei, mich mit deinen geistreichen Bemerkungen auszufragen. Mach weiter, ich kann die nächste kaum erwarten.“

Herodotus trank seinen Wein aus, um sich einen Moment zu verschaffen, wo er seine Gedanken sammeln konnte. Mit einem Seufzen entschied er, zu sagen, was ihn so verwirrte. Nun, eines der Dinge, die ihn verwirrten. Polly schien ihm seine Unverblümtheit nicht übel zu nehmen.

„Wusstest du“, fragte er nachdrücklich, „dass da ein Schneemann vor dem Haus in deinem Garten steht?“

„Oh, McCool? Ich dachte, er war im Hinterhof. Er muss nach vorne gegangen sein, denn er sieht gerne den Autos zu, die vorbeifahren.“

Das war zu viel für ihn. „Du machst Scherze.“

Sie schenkte ihm ein breites Lächeln, das den Raum erhellte wie eine Lichterkette. „Ja klar, Dummkopf“, sagte sie und streckte ihre Hand aus, um sie beruhigend auf sein Knie zu legen. „McCool kann nirgendwo hingehen – er hat keine Beine. Das habe ich mich bei Frosty immer gefragt. Wie konnte er herum tanzen, wenn Schneemänner doch gar keine Füße und Beine haben? Aber es ist ein süßes Lied.“

Mit der Berührung ihrer Hand auf seinem Knie durchzuckte ihn ein Gefühl von... etwas. Es war nicht Wärme, obwohl ihm auch trotz der Klimaanlage immer noch sehr warm war. Es war auch keine Elektrizität, obwohl sein ganzer Körper kribbelte. Es war nicht sexuell, obwohl ihr Gymnastikanzug die Weiblichkeit ihrer Präsenz betonte. Es war einfach etwas, und es war jedenfalls gut.

Er begann zu stammeln: „Aber wie –“, als sie ihm ins Wort fiel.

„Die Fragestunde ist erst einmal vorbei. Vielleicht später mehr, wenn du brav bist. Jetzt gerade ist meine Trainingszeit. Ich wollte eigentlich gerade anfangen, als du auftauchtest. Daher bin ich so angezogen. Komm mit hinauf in den Fitnessraum und leiste mir Gesellschaft.“

„Und die Gäste?“

„Oh, die werden es eine Weile ohne mich aushalten. James und Fifi können sich um sie kümmern.“

„Ich mache nicht viel Sport“, sagte Herodotus, und behielt seine Meinung für sich, dass das einzige, was schlimmer war, als Sport zu treiben, war zuschauen, wenn jemand anders es tat. „Geh du nur. Ich bleibe inzwischen hier sitzen und streichle deine Katze und warte darauf, dass dein Chauffeur mein Auto wieder repariert.“

„Oh nein, das wirst du nicht“, sagte sie, sprang vom Sofa auf und ergriff seinen Arm. Midnight befand das für ein Zeichen, dass er von Herodotus' Schoß springen sollte, was er tat bevor er gemütlich weiter wanderte. „Ich liebe es, anzugeben“, fuhr Polly fort, „und das kann ich nicht, wenn du hier unten sitzt.“ Sie zog ihn hoch und hinter sich her. „Sieh es als deine Chance, meine Gastfreundschaft zurück zu bezahlen.“

Nachdem er erkannte, dass sie etwas war, was der Unwiderstehlichen Kraft so sehr entsprach, wie nichts Anderes, was er je treffen würde, folgte er ihr wieder hinaus in den Flur und den Korridor entlang zum hinteren Teil des Hauses. Es gab schlimmere Arten, seine Zeit zu verbringen, als einem schönen Mädchen zuzusehen, wie sie schwitzte.

Sie erreichten das Ende des langen Korridors, wo sich eine Liftkabine befand, die auf sie wartete. Polly drückte auf Nummer drei. Herodotus bemerkte, dass die Knöpfe bis Nummer dreizehn gingen, dazu einer, worauf „R“ stand.

„Ich hätte schwören können, dass dein Haus nur zwei Stockwerke hat“, sagte er, als sich die Lifttüren schlossen. Die Kabine schoss viel schneller aufwärts, als irgendein gesunder Lift sich das getraut hätte. Herodotus hatte das Gefühl, als würden seine Knie gleich an seinem Kinn vorbei schießen und aus seiner Schädeldecke kommen, während sein Magen sich anfühlte, als wäre er im Parterre zurückgeblieben.

„Ah, du hast es wohl nur von vorne gesehen“, sagte Polly spontan. „Hinten ist es viel größer. Hier wären wir.“

Der Lift blieb abrupt stehen und Herodotus fühlte sich wie ein Turm Wackelpudding auf einer zitternden Feder. Die Türen öffneten sich und offenbarten etwas, das wie der Korridor eines Luxushotels aussah, mit Türen an beiden Seiten. Es standen keine Nummern an den Türen, und auch keine anderen Hinweise darauf, was sich dahinter befinden könnte, außer, dass eine der Türen weiter den Flur hinunter leuchtend grün gestrichen war.

Mit federnden Schritten marschierte Polly den Gang entlang. Sie musste Herodotus nun nicht mehr an der Hand hinter sich her ziehen. Seine Nerven klirrten noch von der Fahrt mit dem Lift und er hatte Angst, zurück zu bleiben und sich in der immer verwirrenderen Villa zu verlaufen.

Sie blieb neben der grünen Tür stehen. „Du kannst hier nicht hinein gehen“, sagte sie.

„Wieso sollte ich das wollen?“

„Weil es verboten ist“, sagte sie finster. „Sie wollen immer hinein gehen, wenn ich sage, dass es verboten ist.“ Sie ging weiter und blieb an einer Tür zu ihrer Linken stehen, etwa in der Mitte des Korridors. „Hier ist der Fitnessraum“, sagte sie. „Komm herein.“

Es war ein großer Saal, so groß wie der Turnsaal eines Gymnasiums. Es war nicht gerade das, was Herodotus erwartet hatte. Kein Laufband, keine Hometrainer, keine Rudermaschinen, keine Treppen – keine der modernen Apparaturen. Stattdessen gab es ein Turnpferd, einen Stufenbarren, ein Trapez und ein mehrere Meter langes Seil horizontal gespannt in der Luft. Viele graue Matten lagen am Boden.

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