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Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen
Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen

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Das Mädchen Der Verbotenen Regenbögen

Язык: Немецкий
Год издания: 2019
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Ich hob meinen Kopf und unsere Blicke trafen sich. Er starrte mich aufmerksam an, und ich merkte, dass er dies schon die ganze Zeit getan hatte.

„Nein, ich ... Es ist alles in Ordnung ... Es ist nur…“ Und plötzlich befand ich mich in einem Labyrinth, einem Dilemma: soll ich es ihm von dem Brief sagen oder nicht? Wenn ich nichts sagte, bestände die Gefahr, dass es Kyle ihm später erzählen würde. Er übernahm normalerweise die Post und legte sie ihm auf den Schreibtisch. Oder vielleicht hatte er es gar nicht bemerkt, dass ein Brief einen anderen Empfänger hatte. Konnte ich darauf hoffen und den Brief zu einem späteren Zeitpunkt zur Seite legen? Nein, unmöglich. Mc Laine war zu analytisch und es entging ihm nichts. Das Gewicht meiner Lüge trat zwischen uns.

Er streckte seine Hand aus und brachte mich so in starke Bedrängnis. Er spürte meine Unentschlossenheit, und verlangte es mit seinen eigenen Augen zu sehen.

Mit einem schweren Seufzer reichte ich ihm den Umschlag.

Er löste seinen Blick von mir für nur eine Sekunde, gerade lang genug, um den Namen auf dem Umschlag zu lesen, dann sah er mich erneut an. Die Feindseligkeit spiegelte sich in seinen Augen wieder, ein Gefühl so dick wie Nebel, klamm wie Blut, schwarz wie Misstrauen.

„Wer schreibt dir, Melisande Bruno? Ein Verlobter in der Ferne? Ein Verwandter? Ah, nein, wie dumm von mir. Du hast mir ja gesagt, dass sie alle tot sind. Und? Vielleicht ein Freund?“

Er spielte mir den Ball zu und ich ergriff ihn ohne zu Zögern und fuhr mit meiner Lüge fort. „Das wird meine ehemalige Mitbewohnerin sein. Jessica. Ich wusste, dass sie mir schreiben würde, ich hatte ihr die Adresse gegeben“, sagte ich und war selbst davon überrascht, wie die Worte so natürlich und doch so falsch aus meinem Mund flossen.

„Dann lies ihn doch. Du wirst es doch kaum erwarten können. Mach dir keine Sorgen, Melisande.“ Seine Stimme war honigsüß mit einem Spritzer erschreckender Grausamkeit. In diesem Moment wurde mir klar, dass mein Herz noch da war, entgegen meiner früheren Annahme. Es war aufgebläht, synkopisch, vom Rest meines Körpers losgelöst. Genauso wie mein Geist.

„Nein ... es ist nicht so dringend ... später, vielleicht ... Ich meine ... Jessica wird keine große Neuigkeiten haben ...“, stammelte ich und versuchte seinen eisigen Blick zu vermeiden.

„Ich bestehe darauf, Melisande.“

Zum ersten Mal in meinem Leben wurde mir die Süße von Gift bewusst, seinem betörenden Duft und seinem trügerischen Charme. Denn seine Stimme und sein Lächeln offenbarten seine Wut nicht. Nur seine Augen verrieten ihn.

Ich nahm den Umschlag mit den Fingerspitzen, so als ob ich mich dadurch infizieren könnte.

Er wartete. In diesen bodenlosen Augen war ein Hauch von sadistischem Vergnügen zu erkennen.

Ich steckte den Umschlag in meine Tasche. „Er ist von meiner Schwester.“ Die Wahrheit entwich aus meinem Mund, und ich fühlte mich befreit, auch weil es sicherlich keinen Weg gab, sie zu vermeiden. Er schwieg und ich setzte tapfer meine Erklärung fort.

„Ich weiß, dass ich gelogen habe, über meine Familie, aber ... Ich bin wirklich allein in der Welt. Ich…“. Meine Stimme versagte. Ich versuchte es noch einmal. „Ich weiß, dass es falsch war, aber ich wollte nicht über sie reden.“

„Sie?“

„Ja. Mein Vater ist auch noch am Leben. Aber nur, weil sein Herz noch schlägt.“ Meine Augen beschlugen sich mit Tränen. „Er vegetiert eigentlich nur noch vor sich hin. Er ist Alkoholiker im letzten Stadium und erinnert sich nicht einmal daran, wer wir sind. Monique und ich, meine ich.“

„Es war dumm von Ihnen zu lügen, Miss Bruno. Hatten sie nicht daran gedacht, dass Ihnen Ihre Schwester schreiben würde? Oder vielleicht sind sie einfach untergetaucht, um sich nicht um Ihren Vater kümmern zu müssen, und die ganze Last jemand anderem aufzubürden?“ Die Stimme erklang im Arbeitszimmer so tödlich wie ein Gewehrschuss.

Ich schluckte meine Tränen hinunter und starrte ihn trotzig an. Ich hatte gelogen, das war nicht zu leugnen, aber er stellte mich wie ein verwerfliches Etwas dar, das es weder verdient hat zu leben, noch respektvoll behandelt zu werden.

„Ich erlaube Ihnen nicht, über mich zu urteilen, Mr. Mc Laine. Sie wissen nichts über mein Leben, oder über die Gründe, warum ich gelogen habe. Sie sind mein Arbeitgeber, und nicht mein Richter und umso weniger mein Henker“. Die gewagte Ruhe, mit der ich gesprochen hatte, überraschte mehr mich selbst als ihn, und ich legte meine Hand auf den Mund, der scheinbar an meiner Stelle geredet hatte, losgelöst vom Geist, mit der Eigenständigkeit, die auch mein Herz oder meine Träume von mir trennte.

Ich stand schnell auf und warf den Stuhl nach hinten um. Ich hob ihn mit zitternden Händen auf, mein Geist befand sich in katatonischer Starre.

Ich war schon an der Tür angekommen, als er mit eiskalter Härte sprach. „Nehmen Sie den Rest des Tages frei, Miss Bruno. Sie kommen mir ziemlich aufgewühlt vor. Wir sehen uns morgen.“

Ich erreichte mein Zimmer wie in Trance, und rannte ins angrenzende Bad. Hier wusch ich mein Gesicht mit kaltem Wasser, und studierte mein Spiegelbild. Das war zu viel. Das ganze Schwarz und Weiß, das mich umgab, war noch furchterregender als ein Leichentuch. Ich fühlte mich gefährlich nahe einem Abgrund balancieren. Mich erschreckte der Gedanke zu fallen kein bisschen. Ich war schon so oft gefallen, und ich bin immer wieder aufgestanden. Meine Haut und mein Herz waren mit Millionen von unsichtbaren und schmerzhaften Narben übersät. Ich hatte Angst, den Verstand zu verlieren, die Klarheit, die mich bis dahin am Leben erhalten hatte. In diesem Fall würde ich eher den Abgrund hinunterstürzen.

Die nicht vergossenen Tränen zerwühlten meine Eingeweide und machten mich fix und fertig. Ich fühlte mich wie ein Zombie, wie der Protagonist in einem der Romane von Mc Laine.

Meine Hand tastete in der Tasche meines Tweedrocks, in die ich den Moniques Brief gesteckt hatte. Was immer sie auch wollte, ich konnte es nicht noch weiter hinausschieben. Ich zog ihn heraus und trug ihn ins Schlafzimmer.

Er war so schwer wie ein Sack Zement, und ich war versucht ihn nicht zu öffnen. Sein Inhalt kann nur eines bedeuten: Leid. Ich dachte, ich wäre stark, bevor ich nach Midnight Rose kam. Da war ich wohl völlig danebengelegen. Ich war alles andere als stark.

Meine Hände handelten nach ihrem eigenen Willen, ich selbst war nur noch eine Marionette. Sie rissen den Umschlag auf und zogen das darin enthaltene Blatt Papier heraus. Es waren nur wenige Worte, was so typisch für Monique war.

Liebe Melisande,

Ich brauche mehr Geld. Ich danke Dir dafür, dass Du mir welches aus London geschickt hast, aber es reicht nicht aus. Kannst Du diesen Schriftsteller nicht um einen Vorschuss auf Dein Gehalt bitten? Sei nicht schüchtern und habe keine Skrupel. Ich habe gehört, dass er sehr reich ist. Im Grunde ist er schließlich nur ein Behinderter, den man leicht beeinflussen kann. Mach schnell.

Deine Monique.

Ich weiß nicht, wie lange ich auf den Brief starrte, vielleicht ein paar Minuten, vielleicht Stunden. Plötzlich verlor alles an Bedeutung, so als ob mein Leben nur als Anhängsel von Monique und meinem Vater einen Sinn hatte. Ich hätte gewollt, dass sie beide sterben, und dieser schreckliche Gedanke, der nur einen Augenblick aufblitzte, erfüllte mich mit Entsetzen. Monique hatte versucht, mich zu lieben, natürlich auf ihre eigene egoistische Art und Weise. Und mein Vater ... na ja, die schönen Erinnerungen an ihn waren so spärlich, dass sie mir die Kehle zuschnürten. Aber er war immerhin mein Vater. Derjenige, der mir das Leben geschenkt hatte, und dann sich dazu berechtigt fühlte, es mit Füssen zu trampeln.

Ich faltete den Brief langsam mit übertriebener Sorgfalt und Aufmerksamkeit zusammen. Dann schloss ich ihn in die Schublade meines Nachtkästchens.

Geld.

Monique brauchte Geld. Schon wieder. Ich hatte alles verkauft, was ich in London besaß, was in der Tat sehr wenig war, um ihr zu helfen, und schon nach wenigen Wochen waren wir wieder am Ausgangspunkt angelangt. Ich wusste, dass Vaters Pflege teuer war, aber jetzt bekam ich es tatsächlich mit der Angst zu tun. Wenn Sebastian Mc Laine mir kündigen würde - und Gott allein weiß, ob er außer zum eigenen Vergnügen noch andere gute Gründe dafür hatte – stände ich auf der Straße. Wie konnte ich nur, nach alldem was geschehen war, ihn um einen Vorschuss bitten? Schon allein der Gedanke daran, ließ mich ermüden. Monique hatte nie zu viele Skrupel, sie hatte diese beneidenswerte Dreistigkeit, aber ich war anders. Kommunikation war nicht gerade meine Stärke, um Hilfe zu bitten gar unmöglich. Ich hatte zu viel Angst, abgelehnt zu werden. Nur einmal hatte ich es getan und ich kann mich immer noch an den Geschmack des Neins erinnern, an das Gefühl der Ablehnung, das Geräusch der Tür, die mir ins Gesicht geschlagen wurde.

„Kyle ist wirklich ein Faulpelz. Er ist heute Nachmittag mit dem Auto verschwunden und erst vor einer halben Stunde zurückgekehrt. Herr Mc Laine ist außer sich. Diesem Nichtsnutz sollte man in den Hintern treten, sage ich Ihnen. Den armen Mann ohne Hilfe lassen!“ Mrs. Mc Millians Stimme war voller Verachtung, als ob Kyle ihr persönlich ein Unrecht zugefügt hätte.

Ich stocherte weiterhin mit meiner Gabel im Essen, ohne auch nur ein bisschen Appetit zu verspüren.

Die Gouvernante redete weiter, ausschweifend wie immer, und bemerkte es nicht. Ich lächelte ihr gezwungen zu und zog mich in das finstere Gewühl meiner Gedanken zurück. Wie sollte ich das Geld auftreiben? Nein, ich hatte keine andere Wahl. In zwei Wochen würde ich mein Gehalt ausgezahlt bekommen. Monique musste eben warten. Ich hätte ihr alles geschickt, in der Hoffnung, dass das nicht unvorsichtig war. Das Risiko, fristlos entlassen zu werden, war erschreckend real. Herr Mc Laine war ein unberechenbarer Mann mit einem einzigartigen und offensichtlich unzuverlässigen Temperament.

Ich zog mich auf mein Zimmer zurück, wo ich so verstört ankam, dass ich weder weinen noch still stehen konnte. Ich ging zu Bett in der Hoffnung, dass mich der Schlaf überkommen würde, aber das dauerte ziemlich lang. Inzwischen hatte ich keine Kontrolle mehr über irgendetwas, ich war von meinem eigenen Körper ausgeschlossen.

Es ist sicherlich nicht nötig zu sagen, dass ich in dieser Nacht nicht geträumt habe.

Siebtes Kapitel

Das Brummen in meinem Kopf war wie eine brodelnde schwarze Masse, die mich ohne Ausweg umschloss. Der Empfang von Mc Laine war nicht so eisig wie ich erwartet hatte, vielleicht, weil er mich einfach ignorierte, nicht einmal meinen Gruß erwiderte er. Den ganzen Morgen tat er so, als ob ich nicht da wäre, und ich wurde von meinem eigenen Unglück verschlungen.

„Verdammt! Verfluchter Computer!“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch, und verfehlte den PC nur um Haaresbreite.

Ich versuchte ganz natürlich mit ihm zu sprechen. „Stimmt irgendwas nicht?“

Er grinste, ohne mich anzusehen. „Irgendwas? Nichts stimmt. Gar nichts.“

Ich schwieg und wartete auf seine Erklärung.

„Er funktioniert nicht mehr, verdammt noch mal!“ Er sprach mit einem grimmigen Tonfall und deutete auf den Computer.

Ich stellte mich unbeholfen neben ihn und versuchte, ihm zu helfen, auch wenn ich nur über minimalste technologische Kenntnisse verfügte.

Er protestierte nicht, als ich mich hinabbeugte, um auf den Bildschirm zu sehen. Ich fühlte seine Blick auf mir, und seinen Atem, der so nahe war, dass er mir die Wange wärmte.

Schnell wie eine Gazelle richtete ich mich wieder auf und ging zu meiner Seite des Tisches zurück, wobei ich über meine eigenen Füße stolperte.

„Möchten Sie, dass ich einen Techniker rufe?“ schlug ich leise vor.

„Versuchen Sie bitte das Licht anzuschalten.“

Meine Finger betätigten mehrmals den Lichtschalter, ohne Ergebnis. „Stromausfall.“

Sein Blick schoss in meine Richtung. „Das ist nicht das erste Mal. Wir sind hier nicht in London, Miss Bruno. Wir sind eher Höhlenbewohner. Vielleicht sollten Sie in die Metropole zurückkehren.“

Dieser Vorschlag schnürte mir die Kehle zu. Wenn er mich fortjagen würde... Meine Lippen öffneten sich leicht, gaben aber keinen Ton von sich. Ich war zu feige, um meinen Ängsten Ausdruck zu geben.

Er griff nach einem Notizbuch mit glänzendem Einband, seine Haltung war aggressiv. „Ich werde nicht zulassen, dass die Moderne über die Vergangenheit siegt. Ich habe gerade eine Inspiration, da kann ich keine wertvolle Zeit verlieren.“

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