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Nichts Als Verstecken
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Nichts Als Verstecken

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Sie wählte zunächst Johns Nummer, runzelte dann ein wenig die Stirn und wählte stattdessen Robert.

Keine Antwort.

Sie trat ungeduldig auf der Stelle und entschied sich dann doch dafür Johns Nummer zu wählen, wobei sie versuchte ihr Handy mit ihrem Körper vor Agent Marshall abschirmte, die geduldig im Türrahmen wartete. Zu sich selbst murmelnd hielt Adele ihr Handy ans Ohr und wartete darauf, dass John abhob.

Ein paarmal Klingeln später hörte sie erst ein Rauschen, dann Agent Renees Stimme, die laut und wütend auf Französisch durchs Telefon dröhnte. „Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen aufhören, mich anzurufen. Ich schwöre, ich werde Sie jagen und Ihr Haus niederbrennen – verstehen Sie mich? Ich will Ihre beschissene Feuchtigkeitscreme nicht und wer auch immer meinen Namen auf Ihre Anrufliste gesetzt hat, wird es bitter bereuen!”

Dann, bevor Adele auch nur ein Wort sagen konnte, legte John auf und sie stand da, wie angewurzelt und etwas verwirrt. Adele atmete durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus und zählte langsam in ihrem Kopf. Einundzwanzig, Zweiundzwanzig.

Dann wählte sie erneut und wartete, sie wurde langsam ungeduldig. Agent Marshall beobachtete sie neugierig von der Tür aus.

„Was zur Hölle?!“, John begann ausfallend zu werden. „Glauben Sie, ich mache Witze, weil…“

„John, ich bin's“, polterte Adele auf Englisch heraus. „Adele. Halt mal kurz die Klappe.”

Eine Pause. Dann ein sanftes Räuspern, eine weitere Pause in peinlichem Schweigen. Dann sagte John mit abgehackter, gezwungen ruhiger Stimme, jetzt auf Englisch: „Adele? Wie schön, von dir zu hören.”

„Ganz meinerseits.“ Ein leichtes Lächeln berührte, ihre Mundwinkel, verblasste dann aber ebenso schnell wieder. Sie runzelte die Stirn. „Warte mal – warum ist meine Nummer nicht in deinem Handy gespeichert?”

John grunzte auf der anderen Leitung. „Ich habe nur zwei Nummern in diesem Handy gespeichert. Die Nummer von der Arbeit und die meiner Mutter.”

Adele rollte mit den Augen, sagte: „Ich verstehe. Und Feuchtigkeitscreme, hm? Welche Art von Abonnements hast du sonst so abgeschlossen?”

„Lustig. Wie ich hörte, hast du wieder einen Fall auf dieser Seite des großen Teiches.”

Adele nickte, dann bemerkte sie, dass John sie nicht sehen konnte und ging näher an das vom Boden bis zur Decke reichende Fenster heran, wobei ihr Atem das Glas beschlagen ließ, während sie in die Alpen starrte. „In den Bergen, ja“, sagte sie. „Eigentlich ist das der Grund, warum ich anrufe. Es gab ein zweites Paar – Schweizer. Auch sie sind verschwunden.”

„Die Haneser, ja“, sagte John. „Verschwunden in Frankreich, auch in den Bergen.”

Adele räusperte sich und neigte den Kopf leicht. „Ah, du weißt also schon Bescheid.”

„Ich weiß nicht nur Bescheid.“, sagte John, der jetzt, da sie auf Englisch sprachen, etwas langsamer war. „Ich arbeite daran, zusammen mit Robert.”

„Du bist? Perfekt – ich wollte mich ohnehin mit der DGSI abstimmen. Glaubst du, dass…“

„Naja, eigentlich, Adele, möchte der Exekutive, dass die Fälle getrennt bleiben. Er will sich nicht in den deutschen Fall einmischen. Im Moment behandeln wir die Fälle als hätten sie nichts miteinander zu tun.“, sagte er mit einem entschuldigenden Ton in seiner Stimme. Dann machte er eine kurze Pause.

Adele fühlte, wie sie den Kopf schüttelte. „Wir können noch nicht wissen, ob sie miteinander zusammenhängen oder nicht“, sagte sie. „Sicherlich weiß Foucault das.”

Renee seufzte am anderen Ende und atmete so laut in den Lautsprecher, dass Adeles Ohr zu pfeifen begann. Sie zuckte zusammen, wartete aber noch, während der Franzose weitersprach. „Das weiß ich. Das weißt du. Aber es geht hier um Politik.“ Er sagte Politik, als wäre es ein schmutziges Wort sagen.

„Oh? Welche Politik?”

„Lass es mich so ausdrücken. Wer ist dein Babysitter?”

Adele warf der jungen deutschen Agentin im Türrahmen einen verstohlenen Blick zu. Sie räusperte sich und sagte feinfühlig: „Eine alte Bekannte.”

„Ah ja. Aber er oder sie ist vom BKA, oder?”

„Positiv.”

„Das meine ich mit Politik. Das BKA hat vor Ort seine Hände im Spiel, zusammen mit den Einheimischen und – wegen unseres Falls – schnüffeln auch die Franzosen herum, und Interpol auch. Auch die Italiener, wollen aufgrund der Nationalität der Opfer an den Ermittlungen beteiligt werden. Das weiß ich aus vertrauenswürdiger Quelle.”

Adele kratzte sich am Kinn. „Ah. Wie groß sind also die Chancen, die DGSI einzuschalten?“, fragte sie mit schwindender Hoffnung.

Ein weiteres Stöhnen am anderen Ende.  „Die Chancen gehen gegen Null. Die DGSI verfolgt da einen klaren Kurs. Foucault sagte etwas über zu viele Köche, die den Brei verderben. Ich habe es nicht ganz verstanden. Ich glaube, er hat mir durch die Blume gesagt, dass ich ein Feigling bin.”

Adele seufzte, hielt sich ihre freie Hand vor die Augen und ging langsam vom großen Fenster weg in Richtung der kleinen Küchenzeile im vorderen Teil der Suite. Sie nahm sich ein Glas aus dem untersten Schrank und begann, etwas Wasser einzuschenken, wobei sie den Flaschendeckel nur leise öffnete, um viel Lärm zu vermeiden.

„Okay“, sagte sie, als John fertig war. „Aber das Schweizer Ehepaar – Ihr untersucht diesen Fall, oder?”

„Richtig. Robert und ich arbeiten als Partner an diesem Fall. Ich muss sagen, dein alter Chef ist das, was die Jungs in der Einheit einen Schläfer genannt hätten.”

„Schläfer?”

„Er macht anfangs nicht den Eindruck, als hätte er etwas drauf, aber wenn er sich erst einmal festgebissen hat, geht er ab wie eine Rakete. Guter Mann. Er ist seltsam, aber ich mag ihn.”

Adele schmunzelte über die Beschreibung ihres alten Mentors. Sie stellte sich Robert vor; ein kleiner, prüder, überkorrekter Mann mit Haarteil und zwei fehlenden Zähnen. Er war wie ein Vater für sie gewesen und der beste Detective, den sie kannte.

„Hey, ähm, Mist, ich muss los, American Princess. Ich schreibe dir eine Nachricht, wenn es Neuigkeiten gibt. Hmm, eigentlich, streich das – Robert wird dich auf dem Laufenden halten.”

„Erzähl mir nicht, dass du meine Nummer trotzdem nicht einspeichern wirst“, sagte Adele spielerisch.

John kicherte. „Vielleicht eines Tages, hm? Noch eine Sache… Warte mal.“ Johns Stimme wurde leiser, was nur bedeuten konnte, dass er das Telefon zur Seite gelegt hatte. Adele hörte ihn von etwas weiter im Raum rufen: „Bleib dran – leg bloß nicht auf! Bleib dran!“ Dann, wieder lauter, sagte er: „Ich muss los. Aber Adele, bitte, pass auf dich auf.”

Adele hielt ihr Glas Wasser und starrte auf die teuren Holzschränke in der Küchenzeile.

„Bin ich immer. Warum gerade jetzt?”

„Ich meine nicht die mordenden Grizzlybären, oder was immer das sein soll. Ich meine deine Babysitter, die Medien. Die Politik.“ Damit machte er die Situation noch schlimmer. Adele war diese vermeintliche Gefahr vorher nicht bewusst gewesen.

„Ich werde vorsichtig sein.“ Adele nahm einen Schluck aus ihrem Glas, sie weigerte sich, dorthin zu sehen, wo Agent Marshall immer noch geduldig in der Tür wartete.

„Ja, aber ich meine es ernst. Unsere Vorgesetzten wollen um jeden Preis vermeiden, dass die Verbindung zwischen den vermissten Paaren durchsickert. Verstanden? Wir reden hier von einem echten Karrierekiller, wenn das rauskommt. Normalerweise ist es mir scheißegal, was diese Sesselfurzer wollen, aber du bist eher der Karriere-Typ, oder?”

„Ich werde vorsichtig sein. Danke, John.”

Ohne sich auch nur zu verabschieden, legte John auf und Adele hörte wieder einmal nichts als Stille aus dem Telefonhörer. Sie rümpfte die Nase und steckte ihr Telefon in die Tasche, nahm einen weiteren großen Schluck aus ihrem Glas Wasserglas und versuchte zu verarbeiten, was ihr gerade gesagt worden war.

„Ah, Verzeihung?“, rief Marshall von der Tür aus an und brachte sie dazu Adele zurück ins Englische zu wechseln. Der junge Agent winkte mit der Hand.

Adele blickte hinüber.

„Entschuldigung“, wiederholte Marshall auf Englisch, „Aber, ähm“, räusperte sie sich.

„Wer war das?”

Adele hob eine Augenbraue. „Verzeihung?”

Marshall zuckte kurz vor Verlegenheit, ließ aber nicht locker und deutete auf Adeles Tasche. „Mit wem haben Sie auch geredet – nur, es ist wichtig, dass wir einige Details des Falles unter Verschluss halten. Eigentlich sehr wichtig. Wichtiger als…“ Sie runzelte die Stirn und hielt sich dann aber zurück, schüttelte den Kopf und wartete geduldig auf Adeles Antwort.

Sie wollte sagen, wichtiger als den Fall zu lösen. Adele war sich dessen sicher. Sie schüttelte müde den Kopf. „Nur ein Gesetzeshüter. Es ist alles in Ordnung.“ Stirnrunzelnd verstaute sie das Glas und wandte sich wieder Agent Marshall zu. „Sollte ich etwas über die Hintergründe des Falles wissen?”

Marshall sah erleichtert aus und lächelte höflich, aber etwas komisch von der Tür aus. „Hintergründe?”

Adele nickte. „Richtig – jeder scheint übervorsichtig an diesen Fall heranzugehen. Könnten Sie mir sagen, warum?”

Agent Marshall nagte an ihrer Lippe und Adeles Augen verengten sich. Die jüngere Agentin mimte die unschuldige und unerfahrene, aber man wurde nicht ohne ein gewisses Maß an Gerissenheit und Disziplin BKA-Agentin. Sie wusste nicht, ob es sich um eine Handlung oder einfach nur um ein Persönlichkeitsmerkmal handelte, aber sie wäre dumm, wenn sie in der Nähe eines Agenten einer anderen Behörde nicht auf der Hut wäre.

„Okay“, sagte Marshall und räusperte sich. „Das ist nicht allgemein bekannt, aber ein Grund dafür, dass die Einheimischen auf einen Bärenangriff plädieren, ist, um die Aufmerksamkeit von der Brisanz des Falls abzuhalten. Ein Bärenangriff? Wird schnell wieder in Vergessenheit geraten. Aber zwei vermisste Paare? Möglicherweise ermordet.”

Adele fokussierte Marshall, ohne zu blinzeln. „Warum?“, fragte sie schlicht und einfach.

„Ich selbst kenne das Ausmaß nicht. Aber nach dem, was man mir gesagt hat, müssen Sie es wohl wissen.“ Diesmal war Marshall an der Reihe, ihre Stimme zu senken und ihr über die Schulter zu schauen. Sie ging weiter in den Raum und schloss die Tür hinter sich. „Es gibt noch ein weiteres Ferienresort in der Region Wettersteinspitzen. Es heißt Wetter Retreat.”

„Und?“

„Also“, antwortete sie und zögerte das Wort über das übliche Maß hinaus. „Das Resort wird morgen eröffnet. Verstehen Sie?”

Adele blinzelte. „Ein Resort wie dieses hier?“ Sie blickte wieder zum Fenster, zu den vielen Gebäuden, die das Haupthotel umgeben.

„Eigentlich sogar noch größer. Und teurer“, sagte Marshall. „Wir sprechen hier von Hunderten von Millionen, die investiert wurden. Und wenn vor der Eröffnung herauskäme, dass ein Mord ganz in der Nähe stattgefunden hat… Sie können sich die Presse und die wirtschaftliche Katastrophe vorstellen, ja? Tausende von Arbeitsplätzen, Tourismus, Infrastruktur. Verloren.“

Sie schüttelte den Kopf.

Adele starrte Marshall an. Sie fühlte ein kaltes Frösteln an ihren Handrücken, während sie die jüngere Agentin entgeistert ansah. War Marshall hier, um bei der Lösung des Falls zu helfen? Oder um Adele daran zu hindern, Ärger zu verursachen?

Sie konnte es nicht fassen. „Ein Multimillionen-Dollar-Projekt wird morgen eröffnet… Lassen Sie mich raten, alle möglichen Politiker und Prominente usw. … Das volle Programm?”

„Ich weiß nicht, was Sie mit dem vollen Programm meinen“, sagte Marshall. „Aber ja, es werden wichtige Leute dort sein. Verstehen Sie? Wir müssen Stillschweigen bewahren.”

Ob ich das verstehe? Ja, dachte sich Adèle. Sie begann nur allzu gut zu verstehen. Sie wollten nicht, dass Adele den Fall löste, sie wollten, dass sie ihn unter den Teppich kehrte; dass sie die Dinge unter Verschluss hielt. Oder sie sollte den Fall still und heimlich hinter den Kulissen lösen.

„Schon gut“, sagte Adele kurz angebunden. „Können wir wenigstens mit dem Such- und Rettungsdienst sprechen? Den Tatort sehen? Ich habe gehört, dass er im Wald liegt – ich schätze, so weit abgelegen, dass sich niemand davon auf den Schlips getreten fühlt.“

Marshall lächelte, obwohl sie es zu unterdrücken versuchte. „Ja, natürlich. Ich rufe den Teamleiter an, er soll uns dort treffen. Brauchen Sie noch etwas? Essen? Ich könnte etwas bestellen…“

„Mir geht es gut“, fiel ihr Adele in Wort. „Ich würde gerne den Tatort sehen. Haben Sie ein Auto?”

Agent Beatrice Marshall nickte erneut und drehte sich ohne ein Wort um, öffnete die Hotelzimmertür und ging in den Flur hinaus, mit einer freundlichen Geste, die Adele signalisierte  ihr zu folgen.

KAPITEL SECHS

Adele erinnerte sich, warum sie sich für San Francisco als Wohnort in den USA entschieden hatte. Manche Menschen waren einfach nicht für die Kälte geschaffen.

Sie zog ihre Kapuze weit über die Ohren und straffte die Zugbändern der dicken Flanelljacke, um ihren Hals vor dem kalten Wind zu schützen. Jede Brise wurde zu einer Herausforderung, jedes leise Knirschen des Schnees unter ihren Stiefeln versetzte ihr eine Gänsehaut. Der Weg war nicht lange zuvor geräumt worden und dafür war Adele dankbar. Ohne ihre robusten Stiefel vermutete sie, wären, die zwei Meilen vom Parkplatz durch den Schnee zu stapfen eine Farce gewesen. Schlimmsten Falls wären ihr dabei die Füße abgefroren.

Vor ihnen führte Luka Porter, der Leiter des freiwilligen Bergrettungsteams, die beiden Agenten entlang der verschneiten Skipisten.

„Neuschnee“, rief er auf Deutsch über die Schulter und fuhr mit seinem Handschuh durch den pulvrigen Schnee.

„Ich sehe Skispuren; sind sie frisch?“, rief Adele. Sie räusperte sich, schluckte ein paar Mal und stellte fest, dass nicht nur ihre Lippen rissig, sondern auch ihre Kehle trocken war.

Sie vermisste San Francisco. Innerlich murrend, aber sich weigernd, ihren deutschen Kollegen Schwäche zu zeigen, folgte Adele Luka in einen Baumhain am Ende des zugeschneiten Weges.

Er zeigte mit der Hand auf den Hain. „Hier habe ich sie gefunden“, sagte er leise. Seine Worte klangen düster. „In Stücke gerissen – wirklich scheußlich. Viel Blut“, fügte er hinzu. „Wahrscheinlich waren sie noch am Leben, während sie verstümmelt wurden.“ Er schauderte, sein Gesicht wurde blass.

Adele nickte und sah zu den Bäumen hinüber. Abgesehen von kaum sichtbaren Skispuren, von denen sie vermutete, dass sie von Such- und Rettungsmannschaften stammten, gab es kaum physische Beweise. Dem Bericht zufolge waren keine Fußabdrücke gefunden worden und die Leichen waren längst geborgen worden – zumindest das, was von ihnen übriggeblieben war.

„Was ist Ihre Theorie?“, fragte sie. Sie ließ ihren warmen, nebligen Atem in Richtung der Baumblätter strömen, die durch das Licht der Sonne, Muster auf dem Boden abzeichneten.

Luka kratzte sich unter seiner Thermomütze an einem Ohr. „Ein Braunbär, höchstwahrscheinlich“, sagte er wissentlich. „Sie waren jahrzehntelang aus den Alpen verschwunden, aber vor ein paar Jahren gab es einige Sichtungen. Wir sind nur“ – er blickte über seine Schulter und dann hinunter auf eine Smartwatch an seinem Handgelenk – „etwa zwei Meilen von dem Resort entfernt, in dem sie sich aufhielten.”

„In dem Resort, in dem Sie untergekommen sind“, sagte Agent Marshall leise, die hinter Adele stand.

Adele nickte, um zu zeigen, dass sie es verstanden hatte, schwieg aber weiter, um von Lika weitere Informationen zu erhalten.

„Ich habe keine Bärenspuren gesehen“, fügte er hinzu. „Aber der Schnee hat das meiste verdeckt.“, sagte er Achsel zuckend. „Wirklich schade – ich bin mir nicht ganz sicher, was die beiden in diesem Hain gemacht haben. Ich vermute, Mr. Und Mrs. Beneveti waren auf einem Skiausflug und der Bär entdeckte sie und ergriff seine Chance. Sie kamen von der Hauptroute ab und versuchten, sich in den Bäumen zu verstecken.“ Er schüttelte den Kopf.

„Das ist wohl nicht gut ausgegangen.”

„Nein“, sagte Adele. „Ich schätze, das ist es nicht. Sie glauben also, es war ein Bär?”

Luka hielt inne, runzelte die Stirn, als er sich ganz umdrehte und sie ansah.

„Glauben Sie, dass es nicht so war?“

Agent Marshall räusperte sich und schob sich hastig zwischen Adele und Luka. Sie rieb ihre Hände mit den Handschuhen aneinander und atmete hinein, als wolle sie sie wärmen.

„Ich fürchte, wir können die Einzelheiten der Untersuchung nicht besprechen“, sagte sie. „Haben Sie sonst noch etwas gefunden? Haben Sie etwas gesehen?”

Lukas Augen blinzelten gedankenverloren, doch dann sagte er: „Nein, nichts. Obwohl ich gehört habe, dass das Pärchen reich und einflussreich war. Schade, dass ihnen so etwas passiert ist. Das zeigt wohl, dass man mit Geld nicht alles kaufen kann.”

„Danke“, sagte Adele höflich. Dann bewegte sie sich durch den Tatort, langsam, vorsichtig, ihre Augen aufmerksam nach vorne gerichtet. Der schneebedeckte Boden lieferte wenig physische Beweise. Die Tatortfotos, die sie im Flugzeug gesichtet hatte, waren direkt nach dem Fund gemacht worden. Es hatte deutlich weniger Neuschnee gelegen. Aber die Bäume… die Bäume waren immer noch freistehend, sichtbar.

Sie bemerkte keine Schnitte oder Brüche entlang der Bäume – oder in der Nähe der kleinen Äste der Setzlinge. Sie wusste nicht viel über Bären. Aber sie wusste, dass es seltsam war, dass die Bäume selbst unberührt geblieben waren, obwohl ein, zwei Tonnen schweres Muskel- und Fellknäuel hier hereingekommen war, um zwei flüchtende Skifahrer zu jagen.

Nein. Die Fotos vom Tatort ließen auf ein Beil oder eine Axt schließen. Verrostet, vielleicht stumpf. Aber definitiv menschlich. Wer auch immer der Mörder war, er musste sich in der Gegend auskennen. Die Skipiste war bekannt, aber nicht offensichtlich. Wer auch immer die Benevetis getötet hatte, hatte sie beobachtet und auf sie gewartet.

Nun lag es an Adele, herauszufinden, warum.

„Sehen Sie etwas?“, fragte Agent Marshall.

Adele sah zurück und schüttelte den Kopf nur ganz leicht. „Nichts Neues. Wann, sagten Sie, wird dieses neue Resort eröffnet?”

„Morgen“, sagte Marshall. Als sie verstummte, huschten ihre Augen erst zu Luka und zurück zu Adele.

„Millionäre, Politiker und Mord“, sagte Adele mit einem humorlosen Lächeln. „Klingt wie der Anfang eines Films.”

Und nach einer weiteren Untersuchung der Bäume und des schneebedeckten Bodens drehten Adele und die beiden Deutschen um und begannen ihre lange Wanderung zurück auf dem Weg in Richtung des Resorts. Vage konnte Adele nur hoffen, dass der Fall von John und Robert in Frankreich besser lief. Sie hoffte, dass dem Schweizer Paar nicht dasselbe schreckliche Schicksal wie den Benevetis widerfahren war.

KAPITEL SIEBEN

„Schon das zweite Sicherheitstor“, murmelte John auf Französisch. „Was bewachen die hier drin, Hmm? Einen Haufen Gold?“ Er schaute durch die schwach getönte Windschutzscheibe, als sich die automatischen Tore vor dem DGSI-Fahrzeug öffneten und sein Partner den Wagen schließlich weiterfahren konnte.

„Es ist ein sehr exklusives Ferienresort“, sagte Robert geduldig. „Sie legen viel Wert auf Privatsphäre.“

John warf dem viel kleineren Mann einen Blick zu und hob eine Augenbraue.

„Freunde von Ihnen?”

Robert lenkte das Fahrzeug auf der einsamen Straße in Richtung des Resorts, das etwas abgelegen war. Das französische Resort war allein aufgrund seiner Größe schon beeindruckend. Nur wenige andere Länder waren vergleichbar mit dieser Anzahl an Skipisten und Liften – und auch nicht mit den kleinen Dörfern, die durch Seilbahnen miteinander verbunden waren, die durch die Luft schwebten, oder mit den Skipisten, die sich entlang der Berge entlangzogen.

Beide Seiten der Straße, die sie gerade hinauffuhren, waren mit Ornamenten gesäumt – darunter Skulpturen und malerische Pavillons aus Glas und Holz unter alten, hohen Bäumen. Ein paar Wachen, deren Waffen außer Sichtweite versteckt waren, lächelten höflich unter den Blauhelmen hervor und nickten, als das herannahende Fahrzeug vorbeifuhr. Eine der Wachen warf einen längeren Blick in Richtung des DGSI-Wagens. Wahrscheinlich hatte er in den Monaten, in denen reiche Touristen in auffälligen Coupés unterwegs waren, noch nie eine normale Limousine gesehen.

Bonjour!“, rief der Soldat und hob seine flache Mütze zum Gruß. Sogar die Wache nippte an einer Tasse Glühwein und schien schnell eine Zigarette in einem Aschenbecher ausgedrückt zu haben, als sie sich näherten.

John konnte einen Soldaten schon aus einer Meile Entfernung erkennen. Und die letzten sechs Wachen, die sie passiert hatten, hatten allesamt so ausgesehen. Ex-militärische private Sicherheitsleute waren nicht billig. Andererseits sah in diesem bewachten Resort nichts billig aus.

Robert räusperte sich. „Nicht alle Wohlhabende sind miteinander verwandt“, sagte er.

„Wohlhabend? Sie meinen stinkreich, oui?”

Robert runzelte ein wenig die Stirn, seine Hände umklammerten das Lenkrad, vorbildlich auf zehn und zwei Uhr, seine Augen klebten pflichtbewusst auf der Straße vor ihm. Sein Haar war nach hinten gegelt und wenn er sprach, sah John gelegentlich die zwei fehlenden Zähne im vorderen Teil des Mundes des älteren Agenten.

Er war sich immer noch nicht ganz sicher, was er von dem kleinen Mann halten sollte. Roberts alte Partnerin Adele hatte eine Vorliebe für ihn und der Ermittler war in der DGSI so etwas wie eine Legende, aber die Hälfte der Zeit war es für John fast unmöglich zu erkennen, was der Franzose dachte.

„Wo parken wir?“, fragte John, als sie in einen Kreisverkehr einfuhren und unterhalb von alten Steinsäulen zum Stehen kamen, die gegenüber vier breiten Glasschiebetüren am oberen Ende einer sanft geschwungenen Marmortreppe lagen.

„Das werden wir nicht“, sagte Robert zunächst.

Er zog seine Fahrhandschuhe aus und stellte den Motor ab. Dann wechselte er zu einem Paar Handschuhen, das er auf dem Rücksitz platziert hatte und zog sie vorsichtig an. John beobachtete all dies mit leichter Belustigung.

„Schöne Fäustlinge“, sagte er.

„Vielen Dank. Ich danke Ihnen.“ Das zweite Danke galt dem Hotelbediensteten, der sich beeilte und Robert die Tür öffnete.

„Mr. Henry!“, begrüßte ihn der Diener. „Es ist schön, Sie zu sehen!”

Robert weigerte sich, John anzusehen, als er den Gruß erwiderte und stieg steif aus dem Fahrzeug aus und übergab ihm seine Schlüssel. Der junge Mann mit der roten Mütze und dem purpurroten Outfit lächelte John höflich an, als ein zweiter Mitarbeiter herüber eilte und dem großen DGSI-Agenten die Tür öffnete.

John kratzte sich an der Narbe an der Unterseite seines Kinns, dann stieg er mit mehr als nur ein wenig Unbehagen aus dem Fahrzeug aus.

Robert zupfte seinen Ärmel zurecht. Er hatte darauf bestanden, einen Anzug und einen Caban zu tragen, um sich zu wärmen. John hingegen trug nur zwei Kapuzenpullover, einen über dem anderen. Robert hatte ihm, auf der Fahrt in die Alpen, zweimal angeboten eine Jacke zu kaufen, aber John hatte abgelehnt. Meistens, obwohl er es Robert gegenüber nicht zugab, bereitete es ihm pure Freude, den Ausdruck des Unbehagens auf dem Gesicht des älteren Agenten zu sehen, jedes Mal, wenn er den Saum eines von Johns Pullovern unter dem anderen hervorstehen sah.

„Gepäck?“, fragte der Diener, der Johns Tür geöffnet hatte.

Der große Franzose grunzte und streckte sein Bein aus, als er aus dem Auto stieg.

„Der alte Mann hat welches. Aber ich nicht.”

Der Diener warf John einen seltsamen Blick zu, nickte aber, um zu zeigen, dass er verstanden hatte, bevor er zum Kofferraum eilte und Roberts drei separate Koffer packte.

John beobachtete mit ironischem Humor, wie der Begleiter die Koffer einen nach dem anderen die Marmortreppe hinauftrug. John war sich nicht sicher, auf was Robert nicht verzichten konnte, sodass er drei Koffer brauchte. John war relativ sicher, dass er in seinem Leben noch nie nur einen einzigen Koffer gepackt hatte. Sie würden nur ein paar Tage hier sein – was er nicht in einem Geschenkladen kaufen konnte, konnte er wahrscheinlich im Hotel ausleihen. Alle schicken Hotels hatten so etwas.

John beäugte die Schiebetüren mit stärkstem Misstrauen, als Robert steif die Marmortreppe hinaufging und darauf wartete, dass der Bedienstete, der immer noch den letzten Koffer des Ermittlers schleppte, innehielt, den Koffer abstellte und die Tür mit einem Lächeln öffnete, bevor er das Atrium des Resorts betrat.

Einen Moment lang blieb Robert in der Kälte stehen, verzog das Gesicht und hustete.

John fragte: „Ist alles in Ordnung?”

Aber Robert winkte ab und ging ins Hotel.

John folgte Robert mit den Händen in den Taschen seines Kapuzenpullovers gesteckt und stolzierte die Marmortreppe hinauf. Auf beiden Seiten rahmten vorstehende, turmförmige Erker das Gebäude aus Stein, Glas und Baumstämmen ein. Selbst John, der nie eine Vorliebe für die feineren Dinge entwickelt hatte, hielt inne, um die Architektur zu bewundern. Er bemerkte auch drei blau getönte Fenster, die als perfekter Aussichtspunkt für einen Scharfschützen dienen konnten.

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