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Die Mormonen
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Die Mormonen

Язык: Немецкий
Год издания: 2017
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Im Sommer 1838 kam es bei Gelegenheit einer Wahl von Beamten in Caldwell-County, wo man die Mormonen nicht stimmen lassen wollte, zu Thätlichkeiten zwischen den feindlichen Parteien. Es erfolgten mehrere Verwundungen, und einer der Heiligen wurde erstochen. Im Herbste nahmen die hierauf sich entspinnenden gegenseitigen Neckereien den Charakter ernstlicher Feindseligkeiten an. Eine aus den eifrigsten Jüngern Smiths gebildete Schaar, Daniten oder Würgengel genannt, verbrannte die Ortschaften Gallatin und Millport, wogegen die Antimormonen, unter dem Oberbefehle des Methodistenpredigers Bogard, der später wegen Mordes nach Texas flüchtete, mehrere Farmen der Heiligen beraubten und zerstörten. Endlich griff ein Haufe Mormonen eine Milizcompagnie, die von dem Anführer im Dunkel der Nacht für eine Rotte Pöbel gehalten wurde, mit Flintenschüssen an, und diese mußte sich mit Verlust mehrerer Todten zurückziehen.

Damit war der Bürgerkrieg im Kleinen da. Der Gouverneur Boggs rief die Miliz des Staates Missouri zu den Waffen, um den Ruhestörungen ein Ende zu machen. Diese Landwehr war vom brennendsten Hasse gegen die fanatische Secte erfüllt, und so war ihre nächste Waffenthat, daß sie in einem Blockhause bei Hauns Mill vierundzwanzig wehrlose und unschuldige Mormonen, meist Frauen, Greise und Kinder, mit kaltem Blute niederschoß. Einige Tage nachher erschienen die Generale Clark und Lucas mit 3500 Mann vor Far West. Beim Anblicke dieser offenbaren Uebermacht ergaben sich die Heiligen, die damals 1100 Streiter zählten, legten ihre Waffen nieder und lieferten auf Verlangen sechs ihrer Führer, darunter den Propheten, zur Bestrafung aus. Diese wurden nur durch das Dazwischentreten des Generals Doniphan vor dem Erschießen bewahrt, in's Gefängniß gebracht, um unter der Anklage des Hochverraths, des Mordes und der Brandstiftung vor Gericht gestellt zu werden. Die große Masse des unseligen Volkes aber mußte mit ihrem gesammten Eigenthume die Kriegskosten bezahlen, und mitleidlos trieben die Vollstrecker der Befehle des mindestens nicht unparteiischen Gouverneurs die Armen mit Weib und Kind mitten im November über die Grenzen des Staates auf die öden Prairien von Iowa, wo Massen von ihnen durch Kälte, Hunger und Krankheit den Tod fanden.

Das war eine schwere Heimsuchung. Aber ihr folgte eine Glanzperiode, deren man eine Secte von so gemeinem Ursprunge und so gemischtem Wesen nicht fähig halten sollte. Die Exulanten wurden von dem Nachbarstaate Illinois freundlich aufgenommen, und nachdem sie sich hier in Quincy und dessen Umgebung einige Wochen aufgehalten, wählten sie, von Dr. Gallant auf diesen gut gelegenen Punkt aufmerksam gemacht, das Städtchen Commerce zum bleibenden Aufenthalte, welches sie in Nauvoo – das heißt auf neuägyptisch »die Schöne« – umtauften. Diese neue »ewige Wohnung« der Heiligen vom jüngsten Tage lag in Hancock-County auf einem Hügelvorsprunge am Mississippi, nicht weit vor den Des Moines-Wasserschnellen, am Rande einer prachtvollen, wellenförmigen Prairie, die durch den Fleiß der Ankömmlinge rasch in reichtragende Felder verwandelt wurde. Commerce war ein Haufe elender schmuziger Blockhütten gewesen, Nauvoo war schon nach Verlauf von drei Jahren die größte und schönste Stadt in Illinois.

Smith und die anderen Führer der Secte, welche mit ihm in's Gefängniß gebracht worden waren, benutzten den 4. Juli, wo ihre Wächter den Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung durch allzureichlichen Genuß geistiger Getränke gefeiert hatten, zur Flucht über die Grenze. Bei den Ihrigen eingetroffen, wußten sie zu bewirken, daß die Gesetzgebung von Illinois den Mormonen außergewöhnliche Vorrechte zur Förderung ihrer Colonie gewährte, und mit diesen versehen, wuchs dieselbe mit unerhörter Schnelligkeit. Rasch entstanden Straßen und Plätze, Häuser und Blumengärten. Die benachbarten Sümpfe, welche Anfangs tödtliche Fieberluft aushauchten, wurden durch großartige Drainirungsanstalten entwässert. Meilenweit in's Land hinein sah man auf eingezäunten Aeckern Mais und Weizen reifen, während die Prairie herrliches Viehfutter gewährte. Kaufleute eröffneten Läden mit den Erzeugnissen des Ostens, welche die Dampfboote auf dem Strome herzuführten. Eine Freimaurerhalle und ein Concerthaus, eine Universität und ein großer Gasthof, zu dessen Wirthe Jehova in einer feierlichen Offenbarung vom 19. Januar 1841 den Propheten selbst bestimmte, wurden erbaut. Einer Gesellschaft, zur Betreibung der Landwirthschaft im Großen wurde Concession ertheilt, und als die Mormonen eine Legion zur Vertheidigung ihrer Niederlassung errichteten, lieferte ihnen der Staat die Waffen dazu.

Die Krone des Ganzen aber versprach der Tempel zu werden, zu welchem am 6. April 1841 der Grundstein gelegt wurde. Das Modell dazu hatte der Prophet von einem Engel empfangen. Die Ausführung mußte einem »heidnischen,« d. h. einem ungläubigen Baumeister übertragen werden, welcher, als Smith ihm den »Bauplan des Herrn« beschrieb, anfänglich Schwierigkeiten machte, sich aber schließlich einverstanden erklärte. Smith hatte erkannt, daß ein solches Centralheiligthum ein gutes Bindemittel sein werde, und so wurde seine Errichtung in allen auswärtigen Gemeinden als religiöse Pflicht gepredigt. Die Kosten des Werkes, welches nach seiner Vollendung gleichsam als versteinertes Charakterbild der wunderlichen und doch zugleich imposanten Secte, die es geschaffen, die Stadt überragte, beliefen sich auf mehr als eine halbe Million Dollars, ungerechnet die Arbeitstage, womit unvermögende Mormonen ihren Beitrag abgezahlt hatten. Es war ein hundertachtundzwanzig Fuß langes, achtzig Fuß breites und sechzig Fuß hohes Viereck, dessen flaches Dach auf dreißig Pfeilern von eigenthümlicher Structur ruhte. Die Basis war ein Halbmond, und die Kapitäler bestanden aus einem strahlenumkränzten Menschenantlitze, über dem zwei Hände zwei Posaunen hielten. Zwischen diesen Pfeilern liefen um das Viereck vier Reihen Fenster, zwei im Rundbogenstyle und zwei kreisrunde. Drei Thüren, zu denen man auf je vier Stufen emporstieg, führten ins Innere, und über dem Ganzen erhob sich ein hundertfunfzig Fuß hoher Thurm. Ein gewaltiges Marmorbassin, getragen von zwölf kolossalen Stieren, sollte im Erdgeschoß als Taufbecken dienen. Das Material des ganzen, mit Ausnahme des Thurms, nicht unschönen Bauwerks war weißer Kalkstein.

Und wie der Tempel und die Stadt des Mormonengottes, so wuchs auch sein Reich und die Zahl seiner Anbeter. Wie ein Magnet wirkte »Mormon Joe« trotz der Streitschriften, womit die Geistlichkeit aller Secten ihn bekämpfte, bis über das Meer hinüber. Alle Jahre wurden zweimal Generalconferenzen abgehalten, in welchen Missionaire für Europa, Afrika und Asien gewählt wurden. Bei einer Conferenz wurden deren mehrere Hunderte hinausgesendet, und obwohl sie sich binnen drei Tagen zur Abreise »ohne Beutel und Stab« bereit zu machen hatten und nicht selten Jahre lang von Familie und Geschäft entfernt blieben, trat nie der Fall ein, daß einer sich dem »Auftrag aus der Höhe« zu folgen geweigert hätte. Die zwölf Apostel Smiths, denen die Beaufsichtigung der fremden Gemeinden oblag, fanden fast allenthalben die Arbeit dieser Prediger mit Erfolg belohnt, und nicht allzusehr übertrieben scheint es, wenn die Mormonen sich im Jahre 1843 rühmten, allein innerhalb der Vereinigten Staaten an hunderttausend Bekenner ihres Glaubens zu haben. Nicht weniger verbreitet war die Lehre Smiths in Großbritannien, wo die Apostel Young, Parley Peter Pratt und Heber Kimball namentlich in den Manufacturdistricten Englands sowie in Schottland, vor Allem aber unter der unwissenden Landbevölkerung von Wales großen Anhang gewonnen, und durch Ueberreichung des Buchs Mormons an die Königin sogar bei Hofe Proselyten zu machen versucht hatten. Der außerordentlich thätige, sprachenkundige Apostel Taylor ging nach Jerusalem, um die dortigen Juden zu bekehren. Andere schifften nach den britischen Besitzungen in Ostindien und Australien, noch Andere sogar nach den Inseln der Südsee, wo ihnen die Eingeborenen in Masse zufielen. Männer, die in Amerika für Gelehrte gelten konnten und allenthalben für ziemlich geschickte Sophisten angesehen werden dürften, vertheidigten die sich jetzt immer mehr mit mystischen Doctrinen füllenden Katechismen des Mormonenthums. Vier Zeitungen, wovon eine in England erschien, stritten für die geistlichen und weltlichen Angelegenheiten der Secte. Die Verhältnisse in Nauvoo ordneten sich von Tage zu Tage besser, und von einem baldigen Erlöschen des Trugbildes, welches wie ein ungeheures Irrlicht alle unklaren Köpfe im Bereiche des anglo-sächsischen Lebens in seinen Sumpf lockte, konnte nicht mehr die Rede sein.

Die Mormonen gestatteten auch Nichtgläubigen die Niederlassung in Nauvoo, und die glänzenden Aussichten, welche die Stadt hatte, führten viele tüchtige Kräfte dahin. Allein die Einwanderung beschränkte sich nicht auf diese. Pferdediebe und Falschmünzer, Räuber und Betrüger aller Art flüchteten unter die Fittiche der neuen Colonie, deren Behörden, wenn sie sich zur Taufe bequemten und den Zehnten zahlten, nicht sehr nach der Vergangenheit solcher Neophyten fragten. Auch Speculanten auf Baustellen in der Stadt stellten sich ein; da dieselben jedoch weder von der Taufe, noch von dem Zehnten etwas wissen wollten, so wurden sie schnell misliebig und die Herren vom Rathe fanden Mittel, sich ihrer zu entledigen. Man bot ihnen eine genügende Summe für ihren Grundbesitz, und gingen sie darauf nicht ein, so wurden sie »fortgeschnitzelt«. Drei Mann bekamen den Auftrag, sich gegen eine Geldvergütung für die aufgewendete Zeit mit einem Stuhle, einem Taschenmesser und einem Stöckchen versehen, vor das Haus des Hartnäckigen zu verfügen, sich niederzusetzen und in bekannter Yankeemanier ihr Schnitzeln zu beginnen. Kam der Betreffende aus der Thür, so starrten die Schnitzler ihn an, sagten aber kein Wort. Ging er auf den Markt, so folgten sie ihm, sprachlos weiter schnitzelnd. Er mochte sie auslachen, mochte schimpfen, drohen, fluchen, es wurde durchaus keine Notiz davon genommen. Die Straßenjugend sammelte sich und erfüllte die Luft mit Geschrei und Gelächter, die Schnitzler kümmerte auch das nicht. Sie arbeiteten mit einer Andacht fort, als ob sie dem lieben Gott seine Sterne zu schnitzeln hätten. Ihr stierer Blick folgte dem Unseligen vom Morgen bis zum sinkenden Abend. Kehrte er heim, so setzten sie sich gelassen wieder vor seine Fenster und schnitzelten. Bei einem Beispiele soll die menschliche Natur ganze drei Tage diese sonderbare Tortur ausgehalten haben. In den meisten Fällen jedoch wurde das Opfer weit eher mürbe. Es verkaufte dann sein Hab und Gut für den angebotenen Preis und eilte, der aus dem Anblicke der Schnitzmesser hervordrohenden Verrücktheit zu entfliehen.

Weniger friedsamer Natur waren die Mittel, deren man sich gegen eine aus abgefallenen Mitgliedern der Secte entstandene Partei bediente, und jetzt stehen wir vor dem großen Wendepunkte in der Geschichte des Propheten und seiner Secte. Smith hatte den Gipfel seiner Macht erreicht. Er war von der Stadt Nauvoo zu ihrem Mayor, von der Legion zum General ernannt worden. Alle Klagen, die gegen ihn anhängig gemacht wurden, fielen bei den Geschworenen durch. Er »hielt die Schlüssel zum Himmelreiche in der Hand,« und sein Wort war auch in irdischen Dingen Gesetz. Im Mai 1844 hatte er sogar die Kühnheit, mit Veröffentlichung eines politischen Glaubensbekenntnisses, worin er unter Anderm sich für Errichtung einer Nationalbank, für Verminderung der Beamten und der Congreßmitglieder, für Aufhebung der Strafen wegen Desertion in Heer und Flotte, und für Entlassung aller in den Zuchthäusern verwahrten Verbrecher (die durch Liebe und Weckung ihres Ehrgefühls gebessert werden sollten) aussprach, neben Clay, Calhoun und Benton als Bewerber um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten aufzutreten. Es geschah dies lediglich zur Augenweide der Seinen, wiewohl die Mormonen behaupten, der Prophet würde unzweifelhaft bei der nächsten Wahl gesiegt haben, wenn er sie erlebt hätte.

Die Ereignisse schnitten die Gelegenheit zu einer nochmaligen Bewerbung ab. Unerwartet zogen sich dunkle Wolken über dem Haupte des Himmelsstürmers zusammen. Die Nachbarn in Hancock-County begannen sich zu beschweren, daß die Bewohner von Nauvoo sich an ihrem Vieh vergriffen, und daß gegen die Diebe bei den Behörden der Stadt kein Recht zu erlangen sei. Die Zeitungen von Illinois sprachen von einer Verschwörung, durch welche die Mormonen die Verfassung umzustoßen und an ihre Stelle eine Priesterschaft einzusetzen beabsichtigten. Gerüchte verbreiteten sich, daß Joseph Smith und einige andere von den Leitern der Secte in sogenannter »geistlicher Ehe« ein Leben voll Unzucht und Ausschweifung führten. Die letztere Beschuldigung wurde vorzüglich von der bereits erwähnten Partei in Nauvoo selbst erhoben. Mehrere einflußreiche und talentvolle Mormonen, die sich entweder in der Heiligkeit des Propheten oder – und das war wohl der häufigere Fall – in der Hoffnung, durch ihn zu Macht und Vermögen zu gelangen, getäuscht sahen, verließen seine Fahne und begannen ihn öffentlich als Wollüstling, Trunkenbold und hochmüthigen Tyrannen darzustellen. Eine gewisse Miß Brotherton klagte, er und Brigham Young haben sie unter dem Vorgeben, Gott habe sie Joseph zur zweiten Frau gegeben, verführen wollen. Smith griff diese Gegner in seiner Zeitung »The Wasp« mit dem Stachel bittersten Hasses an. Die Abtrünnigen, geführt von einem gewissen Dr. Foster, auf dessen Frau der Prophet es gleichfalls abgesehen haben sollte, fuhren dagegen in dem »Nauvoo Expositor« eine Gegenbatterie auf. Dieses Blatt bewarf in seiner ersten Nummer das Haupt der Kirche mit einer solchen Masse Schmuz, daß der Stadtrath dagegen einschreiten zu müssen glaubte. Elf Mitglieder von zwölfen erklärten den Expositor für eine Schmach von Nauvoo, und nicht zufrieden damit, begab man sich unverweilt nach der Druckerei des Blattes, zerstörte die Pressen, verstreute die Typen in die Straße und verbrannte die vorgefundenen Exemplare der Auflage. Smith und sein Bruder Hyrum ließen sich von ihrem Verdrusse über die Enthüllungen Fosters verleiten, die von dieser Gewaltthat Zurückkehrenden zu beloben und ihnen sogar Belohnung zu verheißen. Foster und seine Partei dagegen suchten gerichtliche Hilfe nach, und es erging ein Verhaftsbefehl gegen die Tumultuanten. Allein dieselben wurden durch ein sogenanntes Habeascorpus sogleich in Freiheit gesetzt. Der mit Ausführung des Verhaftsbefehls beauftragte Beamte wendete sich nun, von der Stadtbehörde zurückgewiesen, an die Grafschaftsbehörde und erschien im Auftrage dieser mit bewaffneter Macht, um die Verhaftung der Schuldigen zu bewirken, aber das Volk von Nauvoo rottete sich zusammen und verhinderte ihn an seiner Absicht. Als darauf die Miliz zusammenberufen wurde, um das Ansehen der Gesetze gegen die Anmaßung der Mormonen zu vertheidigen, antwortete Smith in seiner Eigenschaft als Mayor und General damit, daß er die Stadt in Belagerungszustand erklärte.

Damit war die Angelegenheit auf einen Punkt gediehen, wo der Trotz der Mormonen biegen oder brechen mußte. Der Gouverneur von Illinois erschien in Carthage, dem Sitze der Grafschaftsbehörden, und forderte Smith, indem er ihm Sicherheit seiner Person verbürgte, auf, vor ihm zu erscheinen, um sich zu verantworten. Der Prophet schickte, statt selbst zu kommen, zwei Gesandte, Taylor und Bernhisel, um mit Ford zu verhandeln. Dieser, damit nicht zufrieden, beorderte drei Compagnien Miliz unter einem Obersten nach Nauvoo, um den Propheten nebst seinem Bruder, dem »Patriarchen« ins Gefängniß zu bringen. Darauf flüchteten die Beiden über den Mississippi nach Iowa, kehrten indeß, da der Stadtrath es für das Beste erklärte, sich zu unterwerfen, und da überdies eine Freisprechung zu hoffen war, zurück und brachen nach Carthage auf. Auf dem Wege dahin begegneten sie Abgesandten des Gouverneurs, welche den Auftrag hatten, die Legion von Nauvoo zur Niederlegung der Waffen aufzufordern. Sie gingen mit diesen nach der Stadt zurück und bewirkten, daß man dem Befehle nachkam. Hierauf begaben sie sich nach Carthage, wo sie nebst zweien von den Aposteln, Richards und Taylor, ins Gefängniß gebracht wurden, um dort die Entscheidung der gegen sie erhobenen Anklage zu erwarten. Ford glaubte damit vorläufig die Sache beigelegt zu haben. Er entließ die Mehrzahl der zusammengezogenen Truppen, verfügte sich nach Nauvoo, ermahnte hier die Mormonen, sich ruhig zu verhalten, da allen Parteien Gerechtigkeit geschehen sollte, und begab sich dann nach Carthage zurück.

Auf dem Wege begegnete ihm ein Eilbote, der ihm meldete, daß während seiner Abwesenheit der Pöbel das Gefängniß von Carthage gestürmt, die Wache überwältigt, und den Propheten nebst seinem Bruder erschossen habe. Dies war am Nachmittag des 27. Juni geschehen. Ford befürchtete, die Mormonen würden sofort in Masse aufbrechen, um den Mord ihres Propheten zu rächen, und rieth den Bewohnern von Carthage, den Ort zu verlassen, während er selbst sich, um das Weitere zu erwarten, nach Quincy verfügte, und nur ein schwaches Detachement Miliz unter General Denning in Carthage zurückblieb.

So endete die Laufbahn eines Mannes, dessen wahre Biographie noch zu schreiben ist und vielleicht nie geschrieben werden wird. Seinen Verehrern ist er der große Märtyrer des neunzehnten Jahrhunderts, seinen Gegnern ein Schurke der schwärzesten Art, dem nur allzu spät zu Theil ward, was ihm gebührte. Daß er ungewöhnliche Talente besaß, wird Niemand leugnen können. Aus allen seinen Maßregeln leuchtet eine tiefe Kenntniß der Menschen und Verhältnisse hervor. Der Muth und die Ausdauer, die er inmitten unablässiger Verfolgungen entwickelte, waren der besten Sache würdig. Wenige verstanden so gut zu organisiren. Wenige wußten so geschickt wie er mit Geistern umzugehen, die im Genusse der unbeschränktesten Freiheit aufgewachsen waren. Wenige nur möchten sich finden, die der Aufgabe gewachsen wären, ein Gemisch der widersprechendsten, allenthalben mit unreinen Trieben durchdrungenen, in irdischen Dingen von Selbstsucht, in himmlischen von wilder Phantasie bewegten Elemente in dem Grade zu bändigen und zu leiten, daß dieses Chaos Resultate gebäre, wie das Mormonenreich und seine Hauptstadt Nauvoo.

Viele von den Zügen in seinem Charakter sind für ein europäisches Auge nahezu unbegreiflich. Ein Prophet in Frack und weißer Ballweste, der sein Evangelium mit Gassenhauern und Witzen der Straße würzt und Reden in der Sprache der Lastträger mit Citaten aus den Classikern durchflicht, gehört in's Reich der Möglichkeit, wird aber immerhin zu den seltnen Erscheinungen zählen. Ein Mann, der neben den Pflichten, die ihm sein Amt als oberster Priester, als Offenbarer göttlicher Geheimnisse, als Pförtner an der Thür des Himmelreichs auferlegt, auch noch Zeit findet, die Geschäfte eines Bankdirectors, eines Bürgermeisters, eines Generals und eines Hotelwirths zu besorgen, steht unserm Gefühle nach an der Grenze des Wahrscheinlichen und schon eine Strecke jenseit derselben. Wenn aber Mormonen selbst die folgenden Anekdoten von ihrem Propheten erzählen, so weiß man in der That nicht, ob neben dem Geiste Mohamed's nicht auch ein gutes Stück des seligen Eulenspiegel in ihm wiederaufgelebt war. Mehrmals nämlich geschah es, daß Joseph plötzlich die Maske des Gottgesandten fallen ließ, auf öffentlicher Straße einen Neubekehrten zum Ringkampfe herausforderte und den verblüfften Heiligen nicht eher von dannen ließ, bis er ihn seiner ganzen Länge nach auf den Boden hingelegt und dadurch den Beweis geführt hatte, daß der Ruf athletischer Kraft, in dem er stand, nicht gelogen habe. Mehrmals auch kam es vor, daß von Neulingen, die sich bei dem Propheten meldeten, all ihr Geld als Darlehen für den Tempelbau verlangt und dann nicht die mindeste Notiz mehr von ihnen genommen wurde, sodaß der Arme genöthigt war, sich als Tagelöhner mit Schaufel und Axt sein Brot zu verdienen. Hielt er diese Prüfung seiner Treue einige Monate aus, so wurde er eines Tages plötzlich zum Propheten berufen, und dieser verlieh ihm ein entsprechendes Stück Land nebst den Mitteln, es sich darauf bequem zu machen.

Die Mehrzahl der Mormonen war auf die Nachricht von Smith's Ermordung für sofortige Eröffnung des Vertilgungskriegs gegen die »Heiden«. Dumpf rollte die Lärmtrommel durch die Straßen, allenthalben sammelten sich drohende Gesichter, selbst die Weiber riefen zur Rache auf. Die Führer aber wußten das Volk für den ersten Tag zu beschwichtigen, um ihm am nächsten, wo die Hitze sich durch Ueberlegung gemäßigt, zu beweisen, daß man nicht stark genug sei, um das Schwert der Strafe selbst zu schwingen, und so begnügte man sich mit der Hoffnung, daß die Zeit nahe sei, wo Gott den Mord seines Knechtes rächen werde. Als Gouverneur Ford sich versichert hatte, daß die Mormonen keine Ungesetzlichkeit begehen würden, so entließ er die Miliz, die sich rasch gesammelt hatte, und der Kriegszustand wurde aufgehoben.

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Wanderungen zwischen Hudson und Mississippi, von Moritz Busch, Stuttgart und Tübingen, Cotta'scher Verlag, 1854.

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