bannerbanner
Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer
Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

Полная версия

Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

Настройки чтения
Размер шрифта
Высота строк
Поля
На страницу:
4 из 8

Im Januar 1837 traf dann der deutsche Botaniker Schimper in Adoa, damals der Hauptstadt Ubié’s, ein. Wilhelm Schimper wurde im Jahre 1804 zu Mannheim geboren. Zuerst als Drechslerlehrling, dann als Unteroffizier, fand er keine Befriedigung seines Wissensdranges, weshalb er sich nach München wandte, um dort Botanik zu studiren. Nachdem er eine tüchtige Ausbildung erlangt, trat er größere Reisen nach dem Orient an; er besuchte, vom württembergischen Reiseverein unterstützt, Algerien, Aegypten, die Sinaihalbinsel und Arabien, von wo er überall reiche Sammlungen nach Hause brachte. Im Jahre 1835 ging er, um seine durch Fieber untergrabene Gesundheit wiederherzustellen, über Massaua in die abessinischen Hochlande, wo er bei Ubié in Adoa eine freundliche Aufnahme fand und seinen wissenschaftlichen Sammlungen nachgehen konnte. Sein Einfluß bei diesem Fürsten stieg immer mehr, sodaß Schimper als Statthalter zuerst einen Distrikt an der Gallagrenze, dann den Distrikt Antitscho in Tigrié zu verwalten hatte. Mit einem Worte, er wurde die rechte Hand Ubié’s, als dessen Baumeister und Minister er sich unentbehrlich zu machen wußte. Schimper war bereits früher in Rom zum Katholizismus übergetreten, weshalb er die Lazaristenmissionen unter de Jacobis in Abessinien unterstützte, was er um so leichter mit Einfluß auszuführen wußte, als er mit einer Tochter des Landes sich vermählt hatte. Auch begann er für Frankreich zu wirken, von wo aus er Unterstützungsgelder bezog, um dafür seine Sammlungen an den Jardin des plantes in Paris einzusenden. Nach dem Sturze Ubié’s hatte Schimper anfangs viel Ungemach auszustehen, doch kam er später bei Theodoros wieder in Gnade. Im Jahre 1861 schrieb Theodor von Heuglin über ihn: „Mein alter Freund Schimper wird bald wieder im Stande sein, seine botanischen und zoologischen Sammlungen fortzusetzen, die in den letzten fünf bis sechs Jahren ausschließlich nach Frankreich gegangen sind. Dr. Schimper zählt jetzt 57 Jahre, ist aber immer noch der alte rüstige und bewegliche Mann, voll unverwüstlichen Humors, als den ich ihn vor vielen Jahren hier kennen zu lernen das Vergnügen hatte.“

Bald nachdem Schimper in Abessinien sich niedergelassen hatte, beauftragte die französische Regierung die Aerzte Aubert und Dufey, wieder ein gutes Vernehmen mit den Eingeborenen herzustellen, das durch das Auftreten verschiedener französischer Abenteurer gestört worden war. Leider waren diese beiden Gesandten keineswegs die einer solchen Aufgabe gewachsenen Männer, denn durch eine Kette von Thorheiten und Schlechtigkeiten setzten sie den europäischen Charakter in der Achtung des Volks ganz herunter und vermehrten die Schwierigkeiten, die dem europäischen Verkehr im Lande schon im Wege standen. Dr. Aubert kehrte im Februar 1838 von Adoa nach Kairo zurück, während Dufey durch Schoa nach der Küste des Rothen Meeres ging und als der erste Europäer die gefährliche Straße von Ankober nach Tadschurra zurücklegte. Die Sendung dieser beiden Männer wurde, da das französische Interesse an Abessinien sich mehrte, die Vorläuferin einiger andern politischen und wissenschaftlichen Expeditionen von Frankreich aus, die vom Jahre 1839 an erfolgten. Zwei derselben waren 1839 und 1841 unter Lefêbvre’s, eine 1840 unter Combes’ Anführung (welcher zum zweiten male Abessinien besuchte) nach Tigrié und auch nach Amhara gegangen. Ubié, der damals noch in Tigrié herrschte, behandelte namentlich Lefêbvre sehr verächtlich, musterte die ihm vom Könige Ludwig Philipp übersandten Geschenke und sagte zu seinem Schatzmeister: „Nimm diesen Unrath in die Schatzkammer hinüber.“ Der Gesandte wurde trotzdem aufgefordert, am Essen mit theilzunehmen, wobei reichlich Honigwein kredenzt wurde, der den Herrscher bald trunken machte. In diesem Zustande forderte er den Herrn Gesandten auf, vor ihm zu tanzen, was nur durch das muthige Auftreten des Dolmetschers verhindert werden konnte. In Verbindung mit den französischen Gesandtschaften stand auch die Reise des belgischen Generalkonsuls in Kairo Blodell, im Jahre 1841, die um deswillen zu erwähnen ist, weil sie, von Massaua ausgehend, ganz Abessinien von Osten nach Westen durchkreuzte, indem Blodell über Sennar und Chartum nach Kairo zurückkehrte. Reiche wissenschaftliche Arbeiten lieferte um dieselbe Zeit die Expedition des Franzosen Galinier nach Tigrié, Semién und Amhara.

Combes war von Ubié gut aufgenommen worden, aber die freundschaftlichen Verhandlungen wurden bald abgebrochen durch die Ankunft der Gebrüder d’Abbadie, von denen der eine Ubié beleidigt hatte durch seinen Antheil an einem Streifzuge gegen seine Truppen. Die d’Abbadie’s wurden mit der Drohung verwiesen, daß, wenn sie je wieder ihre Füße in Ubié’s Gebiet tragen sollten, dieselben ihnen abgehauen würden. Ebenso mußten infolge dieses Vorfalles Combes und Lefêbvre das Land verlassen. Abgesehen von ihren politischen Intriguen waren die Gebrüder Anton und Michael d’Abbadie ausgezeichnete, mit tüchtigen Kenntnissen versehene und reich begüterte Männer, die nicht unwesentlich für die Erweiterung unserer Kunde Abessiniens thätig waren und sind, wenn sie auch ihr Hauptaugenmerk auf die Verbreitung des Katholizismus und auf die Förderung der Interessen Frankreichs gewandt haben mögen. Nach langen Vorbereitungen und einigen mißglückten Versuchen gelang es 1842 Anton d’Abbadie, über Tigrié in das Binnenland einzudringen, wo er sich mit der Erforschung Enarea’s, Kaffa’s und des Quellgebiets des Uma beschäftigte. Nach zehnjähriger Abwesenheit kehrten beide Brüder 1848 nach Frankreich zurück, wo sie die Resultate ihrer Arbeiten in einzelnen Abhandlungen veröffentlichten.

Politik und Religions- oder Missionsangelegenheiten begannen überhaupt allmälig bei den abessinischen Reisenden die Hauptsache, die Wissenschaft aber die Nebensache zu werden. Englische Reisende und protestantische Missionäre wirkten im Interesse Großbritanniens, katholische Sendboten und französische Reisende im Interesse Frankreichs. Kein Wunder also, daß die abessinischen Fürsten, welche die Plane bald durchschauten, mißtrauisch wurden und einzelne Reisende schlecht behandelten. Der abenteuerlichste unter allen war wohl Rochet d’Héricourt, nach Isenberg’s Bericht ein französischer Glücksritter, der sich mehrere Jahre hindurch in Kairo als Chemiker und Mineralog aufhielt und beständig mit dem Plane umging, nach Abessinien zu reisen, um sich dort Geld zu machen. Nachdem ihm mehrere Versuche mißlungen waren, setzte er endlich 1839 sein Vorhaben ins Werk, indem er den deutschen Missionären nach Schoa folgte. Als er dort jedoch nicht gleich zu großen Reichthümern gelangte, wurde er ungehalten und von dem Könige für halb verrückt angesehen. Bald sollte sich die Sache jedoch wenden und Rochet zu großem Ansehen gelangen. Da der König, dessen erste Frage an jeden ankommenden Europäer gewöhnlich die war, was er verstehe, Rochet’s chemische Fertigkeiten in Pulvermachen, Seifensieden, Zuckerfabriziren und andern Dingen bemerkte, stieg letzterer hoch in seiner Achtung. Außerdem versprach der Franzose, ihn von einer gewissen heimlichen Krankheit zu heilen, und als diese Kur zu gelingen schien, wurde er dem Könige unentbehrlich. Rochet benutzte nun, wie es die Franzosen gewöhnlich thun, die steigende Gunst beim Könige, sich politisch mächtig zu machen, indem er Schoa dem französischen Einflusse zu eröffnen und den Engländern entgegenzuwirken suchte. Als er nach neunmonatlichem Aufenthalte wieder in sein Vaterland zurückkehren wollte, bestimmte er den Negus dahin, ihm einen Brief und Geschenke an den König Ludwig Philipp von Frankreich mitzugeben und auf diese Weise eine politische Verbindung zwischen Frankreich und Schoa einzuleiten. Dieses einseitige Vorgehen suchten aber in Englands Interesse die deutschen Missionäre, namentlich Krapf, zu verhindern, indem sie den König bewogen, eine Botschaft nach Bombay zu senden, um einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit England abzuschließen. Als Erwiederung dieser Botschaft erschien dann die glänzende Ambassade unter Kapitän Harris.

Inzwischen war Rochet in Paris angekommen und hatte die dortige Regierung seinem Wunsche, mit Schoa in Verbindung zu treten, geneigt gefunden. Nachdem er eine Beschreibung seiner Reise herausgegeben hatte („M. Rochet d’Héricourt, Voyage sur la côte occidentale de la Mer Rouge, dans le pays d’Adel et le Royaume de Choa.“ Paris 1841), kehrte er im Auftrage seiner Regierung und der Pariser Akademie der Wissenschaften wieder nach Schoa zurück. Kaum an der Küste angelangt, wußte er es durchzusetzen, daß der König von Schoa befahl, keinen andern Europäer, sei er Franzose oder Engländer, außer ihm nach Schoa kommen zu lassen, bei Verlust des Lebens. Infolge dessen mußten denn die deutschen Missionäre Krapf, Isenberg und Mühleisen von Zeyla aus, wohin sie sich 1842 zu einer zweiten Reise nach Schoa begeben hatten, unverrichteter Dinge umkehren. Rochet bereiste nun weit und breit das Innere des Landes und gab uns in einem zweiten Werke („Second voyage“, Paris 1846) neue werthvolle Nachrichten über Schoa.

Nach Isenberg erhielt Rochet nur durch ein listiges Vorgeben die Erlaubniß des Königs, in das Innere von Schoa vorzudringen. Er behauptete nämlich, nur dann den König heilen zu können, wenn er ein Präparat von einem ungeborenen Hippopotamus mache, das er aus einem fernen See holen müsse. Das nachtheiligste Licht auf Rochet’s Wahrheitsliebe und Glaubwürdigkeit wirft indessen wol, was der deutsche Missionär Ludwig Krapf über ihn berichtet. Beide befanden sich im November 1839 im Kriegslager des Königs Sahela Selassié von Schoa, der auf einem Feldzuge gegen die Galla begriffen war. Man war in der Nähe der Quellen des Hawaschflusses, allein beide Europäer bekamen sie nicht zu Gesicht, während Rochet sich in seinem Reisewerke für deren Entdecker ausgiebt. Der biedere Krapf giebt uns den nöthigen Kommentar zu dieser wissenschaftlichen Schwindelei. „Rochet“ so schreibt Krapf, „sagte zu mir im Verlaufe des Feldzuges, daß wir angeben müßten, die Quellen des Hawasch wirklich gesehen zu haben. Als ich ihm erwiederte, daß dieses ja nicht der Fall gewesen, antwortete er lächelnd: Oh, wir müssen Philosophen sein.“ – So erlauben sich gewissenlose Reisende Geographie zu machen oder vielmehr zu fälschen.

Die Anzahl der Reisenden, welche Abessinien besuchten, beginnt sich nun ungemein zu häufen, sodaß wir nur die wichtigsten unter ihnen hervorheben können.

Dr. Beke, früher englischer Konsul in Leipzig, reiste 1840 von London nach Aden, unterstützt von den Freunden Afrika’s, um in Schoa und den angrenzenden Ländern Nachrichten über das Innere und besonders über den geistigen Zustand der dasselbe bewohnenden Völker einzusammeln. Glücklich kam er über Tadschurra in Ankober an, wo der Missionär Krapf ihm Hülfe leistete und sich in den Verhandlungen zwischen Beke und dem Könige manche Beschwerden und Unannehmlichkeiten zuzog. Später, nach Ankunft der englischen Gesandtschaft und von dieser unterstützt, reiste er nach Godscham, von wo er durch die Provinzen Jedschau, Waag und Enderta nach Antalo ziehend, Tigrié erreichte. Die Frucht seines langen Aufenthalts waren verschiedene wissenschaftliche Werke; namentlich widmete er sein Augenmerk der politischen Rivalität der Franzosen und Engländer im Rothen Meere, welche die großen Fragen des Suezkanals und des ostindischen Ueberlandwegs einschließt und über welche er in seinem Werke „The French and the English in the Red Sea“ seine Ansichten niedergelegt hat.

Mit Schimper’s Schicksal im engsten Zusammenhange steht ein anderer deutscher Landsmann, dem wir bei Abfassung dieses Werkes zu ganz besonderm Danke verpflichtet sind. Christoph Eduard Zander, von dem ein Theil der charakteristischen Illustrationen dieses Buches herrührt, ward am 22. Oktober 1813 in der kleinen anhaltischen Stadt Radegast geboren. In seiner Heimat, wo er noch immer den besten Ruf genießt, wird er als ein Mann von bescheidenem, anspruchslosem Wesen und tief religiösem Charakter geschildert, der eine ganz besondere Fertigkeit in den verschiedensten technischen Dingen besaß. Zander erlernte die Landwirthschaft, wandte sich dann aber zur Malerei und hielt sich zu seiner Ausbildung längere Zeit in München auf. Neben seiner Kunst interessirte er sich aber auch lebhaft für das Artilleriewesen, eine Neigung, die ihm später sehr zu statten kam. Da es ihm nicht gelang, als Maler und Zeichner seinen Unterhalt hinreichend zu erwerben, ging er auf den Rath einiger Freunde zu Dr. Schimper. Nach einer langen Fahrt durch das Rothe Meer, auf welcher er von Krankheit und Hunger geplagt wurde, warf seine Barke am 12. September 1847 bei Massaua Anker. Durch den Tarantapaß stieg er in das abessinische Hochland hinauf und schrieb in Halai einen Brief an Schimper, in welchem er diesen von seiner Ankunft in Kenntniß setzte. Trotz einer niederschlagenden, ihn zurückweisenden Antwort beschloß er dennoch, nach Antitscho, Schimper’s Distrikt, vorzudringen. Da aber ringsum das Land von Rebellen verwüstet wurde, konnte dies nicht ohne Lebensgefahr geschehen; doch gelangte er glücklich an sein Ziel, wo er von dem Landsmann gut aufgenommen wurde. Als Gehülfe Schimper’s bei dessen naturwissenschaftlichen Arbeiten durchstreifte er weit und breit das Land, sammelnd und zeichnend, bis er endlich zum Oberhofbaumeister des Regenten Ubié vorrückte, von diesem Ländereien und Vieh erhielt und den Auftrag bekam, die Kirche von Debr Eskié in Semién zu bauen, dieselbe, in welcher am 11. Februar 1855 Theodor II. vom Abuna zum Herrscher über Gesammt-Abessinien gekrönt wurde. In Ubié’s Gunst immer mehr steigend, wurde Zander in den Adel erhoben; auch verheirathete ihn dieser Fürst mit einem schönen Gallamädchen. In der großen Schlacht von Debela am 9. Februar 1855, in welcher der alte Ubié von dem Emporkömmling Theodor besiegt wurde, kommandirte Zander die Artillerie des ersteren. Als alles für Ubié verloren war, trat Zander in die Dienste Theodor’s und wurde Befehlshaber der befestigten Insel Gorgora im Tanasee, wo er die Schatzkammer und ein Zeughaus des Königs zu hüten hatte. Dieser, der den tüchtigen, in allen technischen Dingen erfahrenen Mann zu schätzen wußte, machte ihn zu seinem Vertrauten und höchsten militärischen Würdenträger. Als solcher stand Zander auch noch 1868 an der Seite Theodor’s. Seine werthvollen Arbeiten über Abessinien, die uns in vieler Beziehung neue Gesichtspunkte eröffnen, sind in dem vorliegenden Buche benutzt worden und gereichen demselben als Originalbeiträge zur besondern Zierde.

In jene Zeit, in welcher Abessinien gleichsam von europäischen Reisenden durchschwärmt war und ein Missionsversuch dem andern folgte, fallen auch die geographisch nicht unwichtigen Züge des italienischen Mönches Giuseppe Sapeto durch die nördlichen Grenzländer der Mensa, Bogos und Habab. Begleitet von den Brüdern d’Abbadie landete er im Jahre 1838 in Massaua und erreichte am 3. März desselben Jahres Adoa. Er wußte sich bei Ubié in Gunst zu setzen und gründete zu Adoa nach Vertreibung der protestantischen Geistlichen (siehe darüber weiter unten) eine katholische Mission, besuchte Gondar, sah sich aber nach fünfjährigem Aufenthalt – wie Isenberg angiebt, infolge liederlichen Lebens – durch Krankheit genöthigt, nach Aegypten zurückzukehren; aber 1850 begab er sich aufs neue nach Massaua, indem er längs der Westküste des Rothen Meeres hinaufreiste und nun mit dem Missionär Stella in die Länder der Bogos, Mensa und Habab vordrang, über die wir einen ausführlichen Bericht mittheilen werden. Es war dies gleichsam eine neue Entdeckung, denn in der That kannte man kaum den Namen der Habab, und die andern beiden Völker existirten bis dahin für uns nicht. Sapeto’s Werk erschien erst 1857 zu Rom und führt den Titel: „Viaggio e missione cattolica fra i Mensa, i Bogos e gli Hahab.“

Das in Rede stehende Gebiet ist wegen seiner leichten Zugängigkeit dann häufig das Ziel europäischer Reisenden geworden und uns nun fast so genau bekannt wie ein Land Europa’s. Am 13. Juli 1857 brach ein österreichischer Löwenjäger, Graf Ludwig Thürheim, nach Mensa auf, besuchte Keren, wo die katholischen Missionäre sich niedergelassen hatten, und gelangte glücklich durch Barka und Taka nach Chartum.

Die vorzüglichsten Nachrichten über jene Länder, werthvolle, bleibende Schätze der geographischen Literatur, verdanken wir indessen dem Schweizer Werner Munzinger. Dieser gelehrte, unternehmende Mann wurde 1832 zu Olten geboren. Er studirte in Bern und München Geschichte, Naturwissenschaften und orientalische Sprachen; in den letzteren vervollkommnete er seine Kenntnisse zu Paris. Schon im Jahre 1852, also im Alter von zwanzig Jahren, begab er sich nach Kairo, trat dort später in ein Handelsgeschäft, unternahm dann 1854 eine kaufmännische Reise nach dem Rothen Meere und benutzte die günstige Gelegenheit zu einem Ausfluge nach den Bogosländern. Es war schon damals sein Plan, sich dort niederzulassen, und er führte denselben unverweilt aus. Im Jahre 1855 ging er, mit Sämereien und Waffen wohl versehen, nach Keren, wo er dann längere Zeit gewohnt hat. Dort verfaßte er auch sein 1859 zu Winterthur erschienenes Werk „Ueber die Sitten und das Recht der Bogos“, dessen Vorrede aus Keren vom 31. November 1858 datirt ist. Er lebte wissenschaftlichen Forschungen, trieb dabei auch Handelsgeschäfte und machte sich bei dem Volke so beliebt, daß er oft das Richteramt ausübte und mit Regierungsgeschäften betraut wurde. Er fand aber auch Muße zur Ausarbeitung seiner Studien und schrieb nicht nur eine Grammatik des Belem, der Sprache der Bogos, sondern übersetzte in dieselbe einzelne Abschnitte der Bibel. Die inhaltreiche Arbeit über die Bogos war jedoch nur die Vorläuferin eines größeren Werkes: „Ostafrikanische Studien“ (Schaffhausen 1864), in welchem auch das Land der Marea, der Kunama oder Bazen und deren physikalische Verhältnisse in mustergiltiger Weise geschildert werden. Auf beide Arbeiten kommen wir später zurück; ebenso auf die Reise des Herzogs Ernst von Sachsen-Koburg-Gotha in jenen solchergestalt erschlossenen Gegenden im Jahre 1862.

Nicht unerwähnt darf hier bleiben, was die verschiedenen Missionäre, namentlich Isenberg und Krapf, für unsere Kenntniß Abessiniens gethan haben, deren Wirken bei der Schilderung der Missionsversuche die gebührende Würdigung erhält, während die Reise des vortrefflichen Franzosen Wilhelm Lejean im Jahre 1863, der in die Gefangenschaft des Königs Theodoros II. gerieth, gleich so vielen andern Europäern, in einem besondern Kapitel besprochen wird.

Hier soll nur noch die deutsche Expedition, oder wenigstens der Theil derselben, welche unter v. Heuglin und Steudner bis Etschebed in Dschama-Gala vordrang, als würdiger Schluß dieser Aufzählung der Reisen in Abessinien, ihre Erwähnung finden. Es handelte sich bekanntlich darum, das Schicksal des in Afrika verschollenen deutschen Reisenden Eduard Vogel aus Leipzig aufzuhellen, von dem man glaubte, daß ihn der Sultan von Wadaï zu Wara in Gefangenschaft halte. Zu dem Ende trat auf Anregung des Dr. August Petermann in Gotha ein Comité zusammen, welches in ganz Deutschland Sammlungen veranstaltete, eine Instruktion entwarf und mit der Leitung der Expedition Theodor v. Heuglin betraute. Ihm wurden als Botaniker beigegeben Dr. Hermann Steudner, geboren 1832 zu Greiffenberg in Schlesien, der Mechaniker Kinzelbach aus Stuttgart, welcher Positionsbestimmungen vornehmen sollte, M. L. Hansal, ein mit den Gegenden am oberen Weißen Nil schon vertrauter Mann, und endlich Werner Munzinger, der sich in Massaua an die Expedition anschließen sollte.

Theodor v. Heuglin, einer der bedeutendsten Reisenden der Gegenwart, geboren den 20. März 1824 zu Hirschlanden in Württemberg, unternahm bereits im Jahre 1850 eine Reise längs dem Rothen Meere, durchzog dann 1853 mit dem österreichischen Konsul Dr. Reitz von Galabat aus einen bedeutenden Theil Abessiniens, worüber er in seinen „Reisen in Nordostafrika“ (Gotha 1857) berichtete. Er wurde österreichischer Konsul in Chartum, erforschte die Somaliküste, sowie abermals das Rothe Meer, und trat schließlich an die Spitze der deutschen Expedition, die sich Glück zu wünschen hatte, einen so umsichtigen, thätigen und mit den Verhältnissen des Landes vertrauten Führer zu erhalten.

Am 17. Juni 1861 landeten die Mitglieder glücklich in Massaua, von wo sie sich nach Mensa und Keren in Bogos begaben, um sich auf die große Reise gehörig vorzubereiten. Mit Anfang Oktober, nachdem die eigentliche Sommerregenzeit zu Ende war, rüstete man sich zum Aufbruch, zog durch die bergige Provinz Hamasién und trennte sich zu Mai Scheka in Serawié. Munzinger und Kinzelbach reisten von hier aus am 11. November längs dem Mareb weiter nach Westen, um Nachrichten über Eduard Vogel einzuziehen, während Heuglin und Steudner einen höchst beschwerlichen, an Abenteuern, aber auch an Ausbeute reichen Zug nach Süden unternahmen, der sie bis ins Gallaland und das Feldlager des Königs Theodoros II. führte. Die Reisenden besuchten in Adoa den greisen Botaniker Schimper, machten mit ihm einen Ausflug nach den Ruinen von Axum, kreuzten den Takazzié, überstiegen die Alpen von Semién und zogen am 23. Januar 1862 in der Hauptstadt Gondar ein. Ihre Absicht, in westlicher Richtung weiter nach Westen vordringen zu dürfen, wurde vereitelt, denn aufs strengste hatte der Negus Befehl ertheilt, die Reisenden vor sich zu führen. Geleitet von deutschen Missionären begaben sie sich nun, am Nordufer des Tanasees hin, über Gafat und Magdala, das 15,000 Fuß hohe Kollogebirge durchziehend, in das Feldlager des Königs zu Etschebed im Lande der Dschama-Gala. Der Empfang war ein außerordentlich gnädiger, und reich beschenkt durften die Reisenden am 25. April den Rückweg antreten, auf welchem sie das 13,000 Fuß hohe Gunagebirge passirten, bei Wochni die abessinische Grenze erreichten und über Metéme und Gedaref nach Chartum gelangten, dessen Moschee ihnen am 7. Juli 1862 entgegenleuchtete. Die großen Reisen Heuglin’s und Steudner’s auf dem Weißen Nil und dem Gazellenfluß in Gemeinschaft mit den Damen Tinné, wobei Steudner im Dschurdorfe Wau am 10. April 1863 dem Klimafieber erlag, gehören nicht hierher. Außer in geographischer Beziehung war das Ergebniß der deutschen Expedition, welche allerdings das ursprüngliche Ziel, die Aufsuchung Eduard Vogel’s, aus den Augen verlor, namentlich für die Botanik und Zoologie von großem Werthe. Nachdem die Berichte derselben einzeln in den „Geographischen Mittheilungen“ und der Berliner „Zeitschrift für Erdkunde“ erfolgt, faßte sie Heuglin nochmals in seiner „Reise nach Abessinien“ (Jena 1868) zusammen.

Das Land, seine Pflanzen- und Thierwelt

Begrenzung. – Das Hochland. – Geologie Abessiniens. – Der versteinerte Wald. – Heiße Quellen. – Oberflächengestaltung. – Natürliche Felsenfestungen. – Die Alpen Semiéns. – Charakter der Flüsse. – Ihr Anschwellen. – Ursachen der Nilüberschwemmungen. – Der Tanasee und der Abai. – Klimatische Verhältnisse. – Die Vegetationsgürtel. – Kola. – Woina Deka. – Deka. – Die niederen Thiere. – Vögel. – Säugethiere. Ihre Lebensweise, Nutzanwendung, Jagd.

Am südlichen Ende des Rothen Meeres, schroff gegen dessen Gestade abstürzend, aber langsam und allmälig gegen Ost-Sudan sich abstufend, liegt zwischen dem 16. und 8. Grade nördlicher Breite das afrikanische Alpenland Abessinien. Ringsum dehnen sich weite, ungesunde und glühende Sandwüsten aus, natürliche Grenzen, die den Verkehr erschweren und die ungeheure Bergfeste gegen feindliche Angriffe von außen zu schützen scheinen. Im Norden sind die Hochlande von Mensa, Bogos und die von den Beni-Amer am Barka bewohnten Gegenden die Grenze; im Westen das Gebiet der heidnischen Bazen, die wild- und steppenreichen, vom Setit und Salam durchflossenen Theile Ost-Sudans, der Neger-Freistaat Galabat und ein Gürtel von größtentheils unbewohnten, feuchten, mit Bambus und Waldregion bedeckten neutralen Gebiets, das sich gegen Ost-Senaar ausdehnt; im Süden bildet eine Strecke weit der Blaue Nil die Grenze, dann aber fast unbekannte, von den Gala bewohnte Distrikte; endlich im Osten, wo die Gebirgsmauern Abessiniens am steilsten abfallen, sind es die wasserlosen, von räuberischen muhamedanischen Hirtenvölkern bewohnten Küstenlandschaften, welche die Grenze ausmachen.

Ganz Abessinien ist im wesentlichen ein Hochland, das von allen Seiten mit steilen Rändern aus dem Flachlande aufsteigt. Wenn der Reisende diesen jähen Rand mühsam erklommen hat, während seine Füße von den scharfen Steinen geritzt, seine Kleider von den Stacheln der Mimosen zerrissen wurden, sieht er ein zweites und bald ein drittes Plateau vor sich, ebenso jäh wie das erste, ebenso rauh und zerklüftet. Wie an ein zerstörtes Titanenwerk erinnernd, drängen sich die Berge in den wunderbarsten Formen durcheinander. Hier Tafelberge gleich zertrümmerten Mauern, dort runde Massen in Gestalt von Domen, hier gerade oder geneigte, oder umgestürzte Kegel, spitz wie Kirchthürme, dort Säulenreihen in Gestalt ungeheurer Orgeln. In der Ferne verschmelzen sie mit Wolken und Himmel, und in der Dämmerung meint man ein aufgeregtes Meer vor sich zu sehen. Aber dieses Felsenmeer ist in seinem Innern keineswegs so starr und öde, als es der äußere Anblick erwarten läßt. Obgleich sich seine Berge in weiten Flächen oft zu einer Höhe von 10,000 Fuß erheben und ihre höchsten, sich in die Wolken verlierenden Gipfel über 15,000 Fuß hoch aufragen, birgt sich doch in seinen Thälern und Klüften manche Abwechselung, manche Landschaft voll tropischer Fülle.

На страницу:
4 из 8