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Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer
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Der Klerus erreichte seinen Zweck vollkommen, denn Ras Ali schickte sogleich einen seiner Offiziere mit dem Befehle nach Gondar, daß der König augenblicklich das Schloß verlasse und die Krone niederlege, für welche er bei seiner Rückkehr von einem Kriegszuge einen Würdigeren ernennen werde, und diesem Befehle wurde ohne die mindeste Widersetzlichkeit Folge geleistet. So endete die nominelle Herrschaft Saglu Denghel’s nach einer Dauer von nur vier und einem halben Monate und so gingen damals die Protektoren mit dem „Könige“ um. Ras Ali wies dem abgesetzten Herrscher ein kleines Dorf in der Nähe des Tanasees als zukünftigen Wohnsitz und die geringen Einkünfte desselben zu seinem ferneren Unterhalte an. Lange Zeit blieb der Thron unbesetzt, und die folgenden Könige sind auch nur von chronologischem Interesse, da eine Bedeutung ihnen nicht mehr zukam und das Land in der That aus drei gänzlich getrennten Staaten, aus Schoa unter König Sahela Selassié, Amhara unter Ras Ali und Tigrié unter Ubié bestand. Im Verfolge unseres Werkes werden wir noch oft Gelegenheit haben, diese drei Theilfürsten zu erwähnen, von welchen namentlich der erstere und der letztere unser Interesse um deswillen in Anspruch nehmen, weil sie mit den Europäern in nahe Verbindungen traten und von verschiedenen Reisenden aufgesucht wurden. Ubié, etwa im Jahre 1800 geboren, war, nach Rüppell’s Bericht, ein Mann von hagerer Statur und mittlerer Größe; in der Kopfform und Körperhaltung sprach sich ein gewisser Adel aus und seine schönen lebhaften Augen verriethen Geist und Gewandtheit; seine Gesichtsfarbe war gelbbraun; sein schöngelocktes Haar kurz verschnitten. Man rühmte ihm Tapferkeit, Großmuth, Freigebigkeit und Gerechtigkeitsliebe nach. „Die Art, wie er den Frieden in Tigrié herzustellen und zu befestigen suchte,“ sagt Rüppell, „giebt eine offene und loyale Handlungsweise zu erkennen, wie sie die jetzigen Abessinier leider nicht verdienen.“ Auch mit Hülfe der Geistlichkeit suchte er seine Macht zu befestigen. Denn schon seit vierzehn Jahren war der Sitz des Metropoliten von Abessinien verwaist, als Ubié im Jahre 1841 mehr aus politischem als kirchlichem Interesse in Abba Salama einen neuen Abuna (Erzbischof) aus Kairo holen ließ. Er hatte schon längst darauf gesonnen, Ras Ali zu stürzen und durch Einsetzung eines neuen Königs auf den Thron von Gondar sich selbst zum Ras oder Protektor des Reiches, also zum obersten Machthaber des ganzen Landes, zu erheben. Der Abuna sollte durch seinen Einfluß auf die Kirche seine Macht verstärken und wol auch den neuen König salben, zu welchem der Prinz Tekla Georgis bestimmt war, der jedoch bald starb.

Allein keiner von beiden Rivalen, weder Ubié noch Ras Ali, sollte auf den alten Thron Abessiniens gelangen, – die Herrschaft fiel einem dritten zu, der, vom Glücke begünstigt, mit Thatkraft ausgerüstet, wenigstens zeitweilig dem grauenhaften Zustande ein Ende machte, welcher seit langem das Land zerfleischte und Rüppell die Worte abdrängte: „Ich muß gestehen, daß bei dem jetzigen gesetzlosen Zustande des ganzen Landes nicht der geringste Hoffnungsstrahl einer sittlichen Regenerirung der Nation leuchtet und daß der vollkommene Mangel einer kräftigen Regierung das Haupthinderniß dabei ist und um so schwerer zu beseitigen sein wird, da gegenwärtig auch nicht eine einzige Fraktion des Volkes an die Herstellung einer solchen denkt. Der letzte Schatten eines gemeinsamen politischen Oberhauptes ist mit der Absetzung des Kaisers Saglu Denghel geschwunden. Die Geschichte der letzten sechzig Jahre zeigt eine vollkommene politische Auflösung des Landes und dreht sich blos um die Häuptlinge, welche in den verschiedenen Provinzen, als gleichsam voneinander unabhängigen Staaten, sich zu unumschränkten Herrschern aufwarfen, durch List und Kühnheit ihre Nebenbuhler verdrängten und dann meistens selber wieder durch Treulosigkeit ihrer Verbündeten gestürzt wurden. So herrschen denn fortwährend Bürgerkriege, welche in der Regel keinen andern Zweck haben, als einen durch Versprechungen und Eidschwüre eingeschläferten Gegner zu verdrängen, und die Bewohner einiger Distrikte, die in einem kurzen Frieden etwas Eigenthum erlangt haben, auszuplündern. Die nothwendige Folge davon ist eine stets zunehmende Verarmung; das Grundeigenthum hat beinahe gar keinen Werth mehr; der Ackerbau wird immer mehr vernachlässigt; die Viehherden sind ungemein zusammengeschmolzen und der Verkehr ist wegen der großen Unsicherheit oft ganz unterbrochen.“

Rüppell bezieht diese Worte auf das Jahr 1833; allein sie hatten noch Geltung in der Mitte dieses Jahrhunderts; der traurige Zustand des armen Landes und Volkes, das nach Erlösung aus diesen Uebeln jammerte, war bis dahin und ist auch noch heute derselbe.

Auf eine Hoffnung aber baute seit alten Zeiten jedermann in Abessinien. Nach der Tradition sollte ein König Theodoros erscheinen, um dem Lande den ewigen Frieden zu bringen. Dieser Theodoros regierte einst schon im 15. Jahrhundert und ward heilig gesprochen; aber wie unser Barbarossa wird er, so glaubt der Abessinier, wiederkehren zu seiner Zeit, um das Reich des ewigen Friedens in Aethiopien einzuführen. An der Spitze seiner Scharen wird er das heilige Grabmal den Händen der Ungläubigen entreißen, die Türken aus Europa in ihre ursprüngliche asiatische Wildniß zurücktreiben, Mekka und Medina zerstören und die ganze muhamedanische Religion von der Erde vertilgen. Wo er hinkommt, weilt der Friede, und Jerusalem wird der Hauptsitz der abessinischen Kirche, welche sich dann zu Glanz und unerhörter Blüte entfalten wird. –

Wohl kam der Held, der den Thron bestieg, allein der ersehnte Friede blieb aus. Theodoros II., der Sohn einer armen Frau, vereinigte das Reich wieder in seiner starken Hand und hob es zu einer Stellung, wie zuvor nie.

Ueber die Verfassung Abessiniens können wir kurz berichten. Der Herrscher (Kaiser oder König) führt den Titel Negus oder Negus Nagast za Aitiopija, d. h. König der Könige von Aethiopien. Die Residenz war in der älteren Zeit zu Axum; gegen Ende des 13. Jahrhunderts, als die alte salomonische Dynastie wieder zur Regierung kam, eine Zeit lang zu Tegulet in Schoa, später zu Gondar, wenn auch das ehrwürdige Axum noch immer Krönungsort blieb. Allein der düstere Palast, den die Jesuiten zur Zeit des Königs Fasilides in Gondar errichtet hatten, behagte den Herrschern nicht, die lieber in ihrem rothen Zelte im freien Feldlager residirten und dort ihre Einkünfte an Herden, Getreide, Gold, Zeugen in Empfang nahmen, während sie die Zölle und Wegegelder den Verwaltern der Provinzen überließen. Im Grunde aber war der Negus Herr des ganzen Landes; er konnte nach Belieben jedem Verwalter seinen Grund und Boden nehmen, um denselben einem andern zu schenken, und von dieser Macht haben die Könige auch fortwährend reichlich Gebrauch gemacht. Ihre Macht war in der That unumschränkt, und nur über gewisse, durch Jahrhunderte alte Sitten und geheiligte Fundamentalordnungen wagten auch sie sich nicht wegzusetzen. Ein Adel existirte dem Namen nach; doch nur die Mitglieder des königlichen Geschlechtes erschienen bevorzugt, wenn auch die Brüder des Herrschers bis ins vorige Jahrhundert hinein in Staatsgefängnissen gehalten wurden, um keine Intriguen anzetteln zu können. Ein besonderes Ministerium gab es nicht, wohl aber zahlreiche Hof- und Staatsämter. Welche Rolle die Gouverneure und Majordomen (Ras) spielten, zu welchem Ansehen sie gelangten und wie sie ihre Gewalt an Stelle der Königsmacht setzten, wurde bereits gezeigt.

Nächst dem Ras war früher der mächtigste Gouverneur der von Tigrié, der den Titel Lika Kahenat (Hoherpriester) und Nabr Id als Hüter der Bundeslade in Axum führte. Der höchste Würdenträger ist gegenwärtig der Herzog oder Detschasmatsch (Dadjazmatsch, Djeaz, Djeatsch, Kasmati). Das Wort bedeutet eigentlich einen, „der an der Thüre kämpft“, um anzudeuten, daß im königlichen Heerlager dieser Würdenträger mit seinen Truppen die Stelle vor der Thüre des königlichen Zeltes hat und sich an die Leibgarde des Herrschers anschließt. Auf den Detschasmatsch folgt der Fit Auri, der Führer der Avantgarde. Er zieht mit seinen Truppen dem Heere rekognoscirend voran und lagert sich zwischen diesem und dem Feinde oder, wenn kein Feind da ist, in der Vorhut des Lagers. Niedere Würdenträger sind der Kanjasmatsch, der mit seinen Truppen zur Rechten des königlichen Zeltes lagert, und der Gerasmatsch zur Linken desselben. Neben diesen kriegerischen Würden gab es auch friedliche. Bei Hofe war eine Anzahl gelehrter Männer, Lik geheißen, die zusammen eine Art Gerichtshof bildeten und mit deren Hülfe schwierige Fälle entschieden wurden. Die Justiz war von der Verwaltung nicht geschieden und das Gesetzbuch Feta Negust, d. h. Richtschnur der Könige, umfaßte das weltliche und kanonische Recht.

Dies ist in kurzen Umrissen die politische Geschichte Abessiniens, die zu derjenigen der europäischen Staaten nicht in der geringsten Beziehung stehen würde, wäre das Land nicht ein christliches Reich. Gerade aber dem Christenthum verdankt es das Interesse, welches für dasselbe stets im Abendlande wach war und welches eine Reihe ausgezeichneter Forscher und Missionäre nach jenem bergigen Lande in Nordostafrika wallfahrten ließ, um uns Kunde von seinen Wundern, seinen Naturschönheiten, seinen Bewohnern und deren Religion zu bringen.

Sehen wir ab von der schon erwähnten Fahrt des Kosmas Indikopleustes, eines christlichen Kaufherrn aus Alexandria, welcher im 6. Jahrhundert die Bai von Adulis besuchte und dort eine wichtige Inschrift kopirte, die er in seiner „Topographia christiana“ veröffentlichte, so treffen wir zunächst wieder im Dogenpalast zu Venedig in dem Weltbilde des Fra Mauro (15. Jahrhundert) auf ein Gemälde Abessiniens von wunderbarer Treue. Nicht blos kennt der Venetianer den rechten Nebenfluß des Nil, den Takazzié, unter seinem wahren Namen, sondern er zeigt uns auch den spiralförmig gekrümmten Lauf des Blauen Nil, den er mit seinem abessinischen Namen Abai bezeichnet. Mehrere abessinische Landschaften, wie Gozan, Bagamidre (Begemeder), Hamara (Amhara) und Saba (Schoa), kommen bereits bei ihm vor. Auch die Küstenstriche des Osthorns von Afrika waren ihm wohlbekannt. In die Nähe der Bab el Mandeb verlegt er die Sitze der Danakil, die Stadt Zeyla und den Landstrich Adal. Er zeichnet uns dann den Lauf des Awasi (Hawasch), in dessen Nähe er die Stadt Härrär setzt.

Im 13. Jahrhundert unterhielt man von Rom aus einen schriftlichen Verkehr mit dem christlichen Abessinien und seit 1243 hören wir auch von Missionen, die dorthin entsendet wurden. Marino Sanuto machte deshalb zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Christen Europa’s aufmerksam, wie nützlich ein Bündniß mit den Glaubensgenossen in Nubien oder Habesch bei einem Kreuzzuge gegen Aegypten sein müßte. Seit der Mitte jenes Jahrhunderts wurde auch auf die abessinischen Könige der Titel des Erzpriesters Johannes übertragen und die Kunde von einem angeblich mächtigen Christenreich im Morgenlande vom chinesischen Himmelsgebirge plötzlich nach den Alpenländern am Blauen Nil verlegt. Botschafter dieser Erzpriester erreichten nicht blos die römische Kurie, sondern auch andere europäische Höfe, und die von ihnen eingezogene Kunde wurde getreulich auf den Karten niedergelegt. Als daher die Portugiesen unter Prinz Heinrich dem Seefahrer im 15. Jahrhundert ihre afrikanischen Entdeckungsreisen antraten, war das ferne christliche Reich, das die Geographen jener Zeit das „dritte Indien“ nannten, das äußerste Ziel, welches sie anfänglich ins Auge faßten und auf dem Wege des fabelhaften „Goldflusses“, der ganz Afrika der Quere nach durchströmen sollte, zu erreichen hofften.

Später, als der Seeweg nach Ostindien gefunden war und die Portugiesen sich dort festgesetzt hatten, beschifften sie auch das Rothe Meer und gelangten am 16. April 1520 nach Massaua, dem Ausfuhrhafen der Abessinier. Dort erreichten sie also das ursprüngliche Ziel des Infanten Heinrich, des Seefahrers, das Reich des afrikanischen Erzpriesters Johannes. Statt einer mächtigen Herrschaft, wie sie erwartet hatten, fanden sie aber nur ein beschränktes, in ihren Augen ärmliches Gebiet, rohe Bewohner und ein verwahrlostes Christenthum.

Die bald darauf folgende portugiesische Invasion und die Bemühungen der Jesuiten, die Abessinier zur katholischen Kirche zu bekehren, wurden bereits oben erwähnt. Durch die Berichte der Jesuiten-Missionäre erhielt man dann die erste ausführliche Kunde von den Glaubensbrüdern im Innern Afrika’s und ihrem Lande. Viele wichtige Nachrichten gelangten namentlich durch die Reise des Alvarez (1520–1526) zu uns, der ganz Aethiopien durchpilgerte und südwärts in ferne, noch jetzt beinahe unerforschte Gegenden vor mehr als 300 Jahren gedrungen ist. Bermudez hat uns einen kurzen Bericht über seine Gesandtschaftsreise (1555) hinterlassen; ausführlicher sind die fast gleichzeitigen Barreto und A. Orviedo, ferner Paez (1618), Ameida, Mendez (1625) und endlich P. Lobo, der 1640 nach Europa zurückkehrte.

Nun sollten auch die Deutschen ihren Theil an der Erforschung oder vielmehr Bekanntmachung Abessiniens haben. Im Jahre 1681 erschien zu Frankfurt am Main ein glänzendes literarisches Meisterstück deutscher Gelehrsamkeit, Hiob Leutholf’s (Ludolf’s) klassische „Historia aethiopica, sive brevis et succincta descriptio regni Habessinorum, quod vulgo male Presbyteri Joannis vocatur“, welcher noch mehrere Kommentare und Anhänge folgten. Die Natur des Landes und seine Einwohner, die Geschichte, die Religion und kirchlichen Verhältnisse, die Literatur Abessiniens werden darin ausführlich behandelt. Große Hülfe bei der Ausarbeitung seiner Werke erhielt Leutholf von dem amharischen Patriarchen Abba Gregorius, der kurze Zeit am Hofe des Herzogs Ernst von Sachsen-Gotha weilte und dessen Porträt in dem Kommentar mitgetheilt ist. Die Kleidung der Einwohner, Abbildungen der Pflanzen und Thiere, der Alterthümer des Landes sind in einer für die damalige Zeit sehr treuen Wiedergabe in den Werken Leutholf’s enthalten, der uns auch die Korrespondenz der abessinischen Könige mit den Königen Spaniens, ein Verzeichniß äthiopischer Manuskripte, Gebete und Liturgien, den abessinischen Kalender u. s. w. übermittelt hat und dessen Werk fast ein Jahrhundert lang die vorzüglichste Quelle über Abessinien blieb. Kurz darauf, nachdem Leutholf seine äthiopische Historie veröffentlicht hatte, durchzog 1698 der französische Arzt Poncet das ganze Land, indem er, von Sennar ausgehend, über Amhara und Tigrié bis Massaua gelangte. Gründlicher als alle seine Vorgänger förderte aber 70 Jahre später, durch Leutholf’s Geschichte angeregt, der Schotte James Bruce unsere Kenntniß des Landes durch Sammlung geschichtlicher Urkunden und Quellen, sowie durch genaue astronomische Ortsbestimmungen.

James Bruce, geboren den 14. Dezember 1730 zu Kinnaird in Schottland, wird für alle Zeiten als einer der bedeutendsten unter den abessinischen Reisenden dastehen. In Algier, wo er 1763 als englischer Konsul angestellt worden war, beschäftigte er sich eifrig mit dem Studium der morgenländischen Sprachen und machte von dort aus Reisen längs der Küste des Mittelmeers, den Nil aufwärts bis Syene und nach Baalbek und Palmyra in Asien, wo er die berühmten Alterthümer zeichnete. So vorbereitet trat er im Jahre 1769 seine große Reise an, auf der er von Massaua unter großen Mühen und Gefahren bis Gondar gelangte, wo er sich bei der hier ausgebrochenen Blatternseuche durch Anwendung europäischer Heilmittel sowol bei Hofe als im Volke großes Ansehen erwarb und Gelegenheit fand, in alle Einzelheiten des Volkslebens einzudringen, sowie mit dem furchtbaren Ras Michael freundlich zu verkehren. Er blieb über drei Jahre in Abessinien, fand die Quelle des Abai oder Blauen Nil im Südwesten des Tanasees und brachte ein ganzes Jahr damit zu, seine Reise nördlich durch das Land der wilden Schankela oder Schangalla (Heiden) und Nubien nach Alexandria fortzusetzen, das er im Mai 1773 glücklich erreichte. Seine Reisebeschreibung (Travels into Abyssinia) gab er in fünf Bänden erst 1790 zu Edinburg heraus, worauf er bald (16. April 1794) durch einen Sturz von der Treppe sein Leben endete. Er, der so vielen Gefahren getrotzt, so große Mühen und Beschwerden muthig ertragen, endete auf diese Weise! Die letzten vier Jahre seines Lebens waren ihm noch außerordentlich verbittert worden. Als er sein umfangreiches Werk veröffentlichte, fand das Publikum darin eine solche Menge von ungewöhnlichen Nachrichten, Uebertreibungen und Ungeheuerlichkeiten, daß man den Reisenden kurzweg für einen Lügner erklärte. Er wurde mit Zuschriften bestürmt, die weisen Kritiker behandelten ihn unbarmherzig, und namentlich konnte man sich über die Angabe, daß die Abessinier rohes Fleisch von lebenden Thieren genössen, nicht beruhigen, eine Angabe, auf die wir ausführlich zurückkommen. Man nannte ihn Mr. Mendax, Herr Lügner; aber die Zeit hat ihn gerechtfertigt, wenn er selbst auch nicht die Genugthuung erlebte, die Zweifler bekehrt zu sehen.

Drei Jahrzehnte waren seit Veröffentlichung von Bruce’s so oft angefochtener Beschreibung verflossen, als die englische Regierung den ersten Entschluß faßte, mit dem merkwürdigen abessinischen Volke in Verbindung zu treten. Lord Valentia wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts beauftragt, eine Reise ums Kap der guten Hoffnung herum nach dem Rothen Meere zu machen, die ganze ostafrikanische Küste wissenschaftlich zu untersuchen, besonders die genauesten Nachrichten über Abessinien einzuziehen und die geeigneten Schritte zu thun, eine Verbindung mit diesem Lande anzuknüpfen. Diese Reise war von vielen wichtigen Resultaten für die genauere Bekanntschaft mit den hervorragendsten Punkten an der ostafrikanischen Küste, sowie für die Belebung des indischen Handels begleitet; jedoch hatte sie für Abessinien nicht den Erfolg, den sie hätte haben können, wenn die Unterhandlungen kräftiger betrieben worden wären. Valentia selbst blieb in Mocha an der arabischen Küste, während er seinen wissenschaftlich gebildeten, tüchtigen Sekretär Henry Salt mit der Sendung nach Abessinien betraute. Dieser machte die Reise über Massaua, Arkiko, Halai, Dixan nach der Provinz Enderta, wo er, da er nicht zum Könige selbst in Gondar gelangen konnte, mit dem Ras Walda Selassié unterhandelte. (Vergl. oben S. 14S. 14.) Es gelang dem gewandten Salt durch die glänzenden Geschenke, welche er dem Ras im Namen Georg’s III. von England überreichte, denselben vom Wohlwollen der englischen Regierung zu überzeugen und ihn zu einer Verbindung mit England zu bewegen. Er kehrte mit ausführlichen Nachrichten über das Land und seine Bewohner und mit der Ueberzeugung zurück, daß sich hier England für die Erweiterung seines Handels als auch der Kultur ein weites und günstiges Feld eröffne. Einer von Salt’s Begleitern, Pearce, blieb am Hofe des Ras zurück. Dieser ersten Reise folgte bald darauf, gegen das Jahr 1814, nachdem Salt’s Gönner, Lord Valentia, in den Pairsstand erhoben worden war, eine zweite Gesandtschaft unter Salt’s eigener Führerschaft. Diese hatte den Erfolg, daß das gute Vernehmen zwischen England und dem alten Ras gestärkt und durch Pearce’s längeren Aufenthalt die Bekanntschaft mit Abessinien vermehrt wurde. Wieder traten nun politische Wirren in Tigrié ein, welche England die Lust benahmen, weiter in die Angelegenheiten des Landes einzugreifen, bis im Jahre 1841 Kapitän Harris nach Schoa ging und jene politische Mission ausführte, von welcher wir eine ausführliche Schilderung weiter unten nach dessen 1844 zu London erschienenem dreibändigen Werke „The highlands of Aethiopia“ mittheilen.

Es konnte nicht fehlen, daß bei den merkwürdigen Sagen, die über Abessinien umgingen, und bei der Unbekanntschaft, die über dessen Volk und Natur noch herrschten, auch die Deutschen ihren Antheil an der näheren Erschließung des Landes nahmen, nachdem Ludolf mit so gutem Beispiele, wenn auch nur theoretisch, vorangegangen war. Den Reigen eröffneten zwei der besten deutschen Naturforscher: W. F. Hemprich und C. G. Ehrenberg, welche schon früher Nubien durchzogen hatten und nun, von der preußischen Regierung unterstützt, das Rothe Meer besuchten. Von Massaua aus durchwanderte Hemprich die Küstengebirge, während Ehrenberg nach den heißen Quellen von Eilat zog. Nach Massaua zurückgekehrt, traf ihn der harte Verlust, am 30. Juni 1825 seinen Begleiter Hemprich dem Fieber erliegen zu sehen. Trotzdem war die naturgeschichtliche Ausbeute der Expedition ungemein reich, da nicht nur eine Menge ganz neuer Thierformen entdeckt, sondern auch in den Oscillatorien, Wesen zwischen Thier und Pflanzen, die Farbe des Rothen Meeres erkannt worden war.

Die bedeutendste und ergebnißreichste Reise in Abessinien führte nach Bruce abermals ein Deutscher, Eduard Rüppell, geboren 20. November 1794 zu Frankfurt a. M., aus. Reich begütert und vortrefflich in naturwissenschaftlicher wie astronomischer Beziehung vorbereitet, hatte er nach einem kleineren Ausflug nach dem Orient, Nubien, Kordofan und das Peträische Arabien 1823–1825 besucht und sich dann Abessinien als Hauptziel seiner Forschungsthätigkeit erkoren. Am 17. September 1831 landete er auf Massaua an der abessinischen Küste, wo er den Rest des Jahres und den nächsten Frühling zu Ausflügen in die Umgebung, nach Arkiko, dem Thale Modat, den Dahalakinseln und nach den Ruinen von Adulis benutzte. Am 29. April 1832 trat er dann den Marsch nach dem inneren Hochlande an, welches vor ihm wissenschaftlich nur von Bruce und Salt beschrieben worden war. Wurde auch die ganze Reise glücklich zurückgelegt, so verlief sie doch nicht ohne große Gefahren, denn in Tigrié, wo gerade Ubié ans Ruder gelangt war, wütheten noch die grausamsten Bürgerkriege. Für diesen Herrscher hatte Rüppell ein sonderbares Geschenk, nämlich eine schwere Kirchenglocke bestimmt, deren Transport auf dem Rücken von Maulthieren viel Mühe verursachte, aber mit großer Freude angenommen wurde, da Glocken in Abessinien sehr selten sind. Um sich einen Schutz auf der Reise zu verschaffen, lieh Rüppell einem abessinischen Großhändler 600 Maria-Theresia-Thaler und zog nun durch den Tarantapaß auf Halai, die abessinische Grenzstation, zu. Schon hatte er sein Gepäck in Massaua zur Ueberfahrt nach dem Festlande zurechtgelegt, als ihm von einem betrunkenen türkischen Soldaten, der eine Pistole auf ihn abschoß, fast das Leben geraubt und die große, wohl vorbereitete Reise verhindert worden wäre. Von Halai wandte sich Rüppell in südlicher Richtung nach Atigrat am Fuße des hohen Alequa, kreuzte am 20. Juli das tiefe Thal des reißenden Bergstroms Takazzié und stieg hierauf in die hohen, oft von Schnee bedeckten, kühn geformten Alpen der Provinz Semién, wo er den fast 12,000 Fuß hohen Paß am Selkiberge überschritt und auf den Alpenwiesen in jener Region neben Ericabüschen jene seltsame, in ihrer Form an die Palmen erinnernde Pflanze, die Dschibarra, entdeckte, welcher Fresenius den Namen Rhynchopetalum montanum gegeben hat. Am 12. Oktober hielt er seinen Einzug in die Königsstadt Gondar, wo er der Absetzung des Königs Saglu Denghel beiwohnte und bis zum 18. Mai 1833 verweilte. Die Zwischenzeit benutzte er zu einem Ausfluge in die heißfeuchte Niederung (Kolla) von Workemeder und Ermetschoho, nördlich von Gondar, wo seine Elephantenjäger reichliche Beute fanden. Dann zog er dem Ostufer des Tanasees entlang, dessen Höhe über dem Meere er zum ersten male zu 5732 Fuß bestimmte. Weiterhin gelangte er dann zu der Stelle, wo unfern der berühmten Brücke von Deldei der Abai oder Blaue Nil dem Tanasee entströmt.

Am 18. Mai 1833 brach Rüppell von Gondar auf, um über die alte Krönungsstadt Axum, wo er eine wichtige altäthiopische Inschrift entdeckte, und über Adoa, die Hauptstadt Tigrié’s, wieder nach Massaua zurückzukehren, das er am 29. Juni glücklich erreichte. Seine Ausbeute, die er von dieser Reise mit heimbrachte, war eine ungemein reiche, denn nicht nur hatte er viele Orts- und Höhenbestimmungen vorgenommen, die der Karte Abessiniens ein wesentlich anderes Gepräge geben, sondern auch archäologische, historische und ethnographische Forschungen angestellt, vor allem aber die zoologische Kenntniß des Landes bereichert, wie seine „Neue Wirbelthiere zur Fauna Abyssiniens gehörig“ und seine „Uebersicht der Vögel Nordostafrika’s“ beweisen.

Seine „Reise in Abyssinien“ erschien 1840 zu Frankfurt a. M. Für alle seine Arbeiten wurde ihm denn auch die wohlverdiente Auszeichnung zu Theil, daß ihm die Londoner geographische Gesellschaft die große goldene Medaille verlieh. Seine reichen Sammlungen vermachte er seiner Vaterstadt Frankfurt, wofür diese ihm eine lebenslängliche Pension aussetzte.

Auf Rüppell folgten 1835 zwei Franzosen, die Stiefbrüder Tamisier und Combes, mit dem angeblichen Zwecke des einen, Menschenkenntnisse zu sammeln, des andern, sich für die Poesie zu begeistern. Sie kamen unter vielen Gefahren bis Schoa. Beide Herren waren Mitglieder der Sekte der Saint-Simonisten und haben nach ihrer Rückkehr 1846 zu Paris vier starke Bände („Voyage en Egypte, en Nubie etc.“) einer sehr romantischen und wenig glaubhaften Erzählung ihrer Erlebnisse und Abenteuer veröffentlicht. Mit nicht viel mehr Glück machte im Jahre 1836 Baron von Katte einen kurzen Ausflug nach Adoa in Tigrié, kehrte jedoch bald wieder zurück und beschenkte Deutschland mit einer Reiseschilderung, an deren Genauigkeit der gewissenhafte Rüppell gar manches auszusetzen hat. („Reise in Abyssinien im Jahre 1836“. Stuttgart und Tübingen 1838.)

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