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Durchs wilde Kurdistan
Durchs wilde Kurdistan

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Durchs wilde Kurdistan

Язык: Немецкий
Год издания: 2016
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»Meinetwegen. Wie wollt Ihr Euch tragen? Als Türke, oder als Kurde?«

»Kurde.«

»So müßt Ihr allerdings schwarzrot gehen; das ist die kurdische Leibfarbe. Also kurdische Hosen. Eine Weste, ein Hemd, welches über die Hose getragen wird.«

»Schwarzrot?«

»Ja.«

»Kariert?«

»Meinetwegen! Es muß vom Hals bis auf die Knöchel reichen. Dann einen Rock oder Mantel darüber.«

»Schwarzrot!«

»Natürlich!«

»Kariert?«

»Meinetwegen! Sodann einen Turban von der riesigen Größe, wie ihn vornehme Kurden zu tragen pflegen.«

»Schwarzrot?«

»Auch!«

»Kariert?«

»Meinetwegen!«

»Dann einen Gürtel, Strümpfe, Schuhe, Waffen – —«

»Schwarzrot!«

»Habe nichts dagegen!«

»Und kariert?«

»Laßt Euch meinetwegen noch das Gesicht schwarzrot karieren!«

»Wo kaufen diese Sachen?«

»Da weiß ich selbst keinen Rat. Einen Basar finden wir ja erst in Amadijah. Vielleicht aber gibt es auch hier einen Händler, denn Spandareh ist ein großes Dorf. Und – – – Ihr habt ja Geld, viel Geld, nicht?«

»Viel, sehr viel, well! Werde alles bezahlen!«

»Werde einmal fragen.«

Ich wandte mich an den Vorsteher:

»Gibt es hier einen Urubaschi[28]?«

»Nein.«

»Gibt es einen Mann, der jetzt nach Amadijah reiten und für diesen Fremdling Kleider holen könnte?«

»Ja, aber der Basar wird erst morgen offen sein, und die Kleider können also erst spät eintreffen.«

»Oder ist ein Mann hier, der uns ein Kleid bis Amadijah leihen würde?«

»Du bist mein Gast; ich habe ein neues Panbukah[29]; ich werde es ihm sehr gern leihen.«

»Auch einen Turban?«

»Es gibt hier keinen, der zwei Turbane hätte; aber eine Mütze kannst du sehr leicht erhalten.«

»Was für eine Art?«

»Ich gebe dir eine Kulik[30], die ihm passen wird.«

»Welche Farbe hat sie?«

»Sie ist rot und hat schwarze Bänder.«

»So bitte ich dich, dies alles für morgen früh zu besorgen. Du gibst uns einen Mann mit, den wir bezahlen. Wir werden ihm in Amadijah den Anzug für dich zurückgeben. Aber ich wünsche, daß von dieser Sache nicht gesprochen werde!«

»Wir beide werden schweigen, ich und mein Bote!«

Jetzt kam das Nachtmahl für den Engländer. Er bekam einige Reste, welche wir übrig gelassen hatten und denen ein neues Ansehen gegeben worden war. Er schien nicht bloß Appetit, sondern sogar Hunger zu haben; denn zwischen seinen langen, breiten, gelb glänzenden Zähnen verschwand der größte Teil dessen, was ihm vorgelegt wurde. Mit innerlicher Genugtuung bemerkte ich, daß man ihm auch einen jener kleinen Braten servierte, welche ich für Tauben gehalten hatte. Er ließ nicht das kleinste Knöchelchen davon übrig. Später setzte man ihm unter anderem einen zierlich gearbeiteten Holzteller vor, der ein niedliches Gerichtchen enthielt, welches die Form eines Beefsteak hatte und einen solchen Wohlgeruch verbreitete, daß ich selbst noch Appetit bekam, obgleich ich ganz gegen meine sonstige Gewohnheit bereits sehr reichlich gegessen hatte. Ich mußte wissen, was dies war.

»Sidna, was ist dies für ein schönes Gericht?« fragte ich die Frau, welche den Engländer bediente.

»Es ist Tschekurdschek[31],« antwortete sie.

»Wie wird es bereitet?«

»Die Heuschrecken werden geröstet, klein gestoßen und in die Erde gelegt, bis sie anfangen, zu riechen. Dann habe ich den Teig in Olivenöl gebraten.«

Auch nicht übel! Ich nahm mir vor, dieses höchst wichtige Rezept meinem guten Master Fowling-bull nicht lange vorzuenthalten. Während er noch aß, ging ich hinab, um nach den Pferden zu sehen. Sie waren wohl versorgt. Bei ihnen standen Halef, der Dolmetscher, der Buluk Emini und der Arnaute, im heftigen Streite, der aber bei meinem Erscheinen sofort abgebrochen wurde.

»Was zanket ihr, Halef?« fragte ich diesen.

Er deutete auf den Arnauten.

»Dieser Mensch schändet dich, Sihdi. Er hat gedroht, dich und mich zu ermorden, weil ich ihn auf deinen Befehl niedergeworfen habe.«

»Laß ihn reden! Tun wird er wohl nichts.«

Da legte der Arnaute die Hand an die Pistole und rief:

»Schweig, Mensch! Oder willst du dich mit diesen deinen Knechten heute noch in der Dschehennah treffen?«

»Tschit-i, ker, werujem, ti szi szlep – sei still, Hund! Ich glaube, du bist vollständig blind!« antwortete ich ihm arnautisch. »Siehst du nicht die Gefahr, in welche du dich begibst?«

»In welche?« fragte er ganz verdutzt.

»Male ti pucshke ne gadschaju dobo – diese Pistolen treffen nicht gut!« antwortete ich, auf seine Waffe deutend.

»Warum?«

»Budutschi um-e-m öno bölje – weil ich es besser kann!« Zu gleicher Zeit hielt ich ihm meinen Revolver entgegen. Ich hatte die Gewalttätigkeit dieser arnautischen Soldaten genugsam kennen gelernt, um selbst einen so einfachen Fall nicht zu leicht zu nehmen. Der Arnaute achtet das Leben eines Menschen gleich nichts. Er schießt wegen eines Schluck Wassers einen andern ruhig nieder und beugt dann dafür mit derselben Ruhe sein Haupt unter das Schwert des Henkers. Wir hatten diesen Khawaß beleidigt; ein Schuß war ihm zuzutrauen. Dennoch nahm er die Hand von den Pistolen und fragte im Tone der Verwunderung:

»Du sprichst die Sprache von Schkiperia[32]?«

»Wie du hörst!«

»Bist du ein Schkipetar?«

»Nein.«

»Was sonst?«

»Ich bin ein Nematz[33], und ich sage dir, daß die Leute aus Nemacschka[34] es verstehen, mit deinesgleichen umzuspringen.«

»Ein Nematz bist du nur? Kein Madschar, kein Rusz, kein Szrbin[35] und kein Turcschin? Obictz-i dschawo-wraga – fahre zum Teufel!«

Er erhob blitzschnell die Pistole und drückte los. Hätte ich nicht das Auge fest auf die Mündung der Waffe gehalten, so wäre mir die Kugel in den Kopf gegangen; so aber fuhr ich mit dem Kopf rasch zur Seite nieder, und die Kugel ging über mich hinweg. Ehe er den zweiten Lauf abfeuern konnte, hatte ich ihn unterlaufen und preßte ihm die Arme an den Leib. »Soll ich ihn erschießen, Sihdi?« fragte Halef.

»Nein. Bindet ihn!«

Um seine Arme nach hinten zu bekommen, mußte ich sie einen Augenblick freigeben. Das benutzte er, riß sich los und sprang davon. Im nächsten Augenblicke war er zwischen den Bäumen, welche die Häuser trennten, verschwunden. Alle Anwesenden eilten ihm nach, aber sie kehrten bald wieder zurück, ohne ihn gesehen zu haben.

Der Schuß hatte auch die Andern herbei gelockt.

»Wer hat geschossen, Sir?« fragte Lindsay.

»Euer Khawaß.«

»Auf wen?«

»Auf mich«

»Ah! Fürchterlich! Weshalb?«

»Aus Rache.«

»Ist richtiger Arnaut! Hat getroffen?«

»Nein.«

»Ihn erschießen, Sir; sofort!«

»Er ist entflohen.«

»Well; laufen lassen! Kein Schade!«

Damit hatte er allerdings sehr recht. Der Arnaute hatte mich nicht getroffen, warum also blutdürstig sein? Zurück kam er sicherlich nicht wieder, und ein hinterlistiger Anfall stand wohl auch nicht zu befürchten. Der Engländer brauchte nun, da er mich gefunden hatte, weder ihn noch den Dolmetscher, und so wurde auch dieser letztere abgelohnt, und zwar mit der Weisung, daß er morgen früh Spandareh verlassen und nach Mossul zurückkehren könne.

Die übrige Zeit des Abends verbrachten wir mit den Kurden in lebhafter Unterhaltung, die mit einem Tanze schloß, der uns zu Ehren veranstaltet wurde. Man lud uns ein, in den Hof zu kommen. Dieser bildete ein Viereck, das von einem niederen Dache eingeschlossen wurde, auf dem sämtliche anwesende Männer Platz nahmen. Hier lagen, hockten und knieten sie in den malerischsten Stellungen, während sich gegen dreißig Frauen in dem Hofraume zum Tanze versammelt hatten.

Sie bildeten einen doppelten Kreis, in dessen Mitte ein Vortänzer stand, der einen Wurfspieß schwang. Das Orchester bestand aus einer Flöte, einer Art von Geige und zwei Tamburins. Der Vortänzer gab das Zeichen zum Beginne durch einen lauten Ruf. Seine Tanzkunst bestand aus den mannigfaltigsten Arm- und Beinbewegungen, die er immer auf ein und derselben Stelle ausführte. Der Kreis der Frauen ahmte dieselben nach. Ich fand nicht, daß diesem einfachen Tanze irgend ein Gedanke, irgend eine Idee zugrunde liege; aber dennoch gewährten diese Frauen mit ihren eckigen Turbanmützen, von denen lange, über den Rücken geschlungene Schleier herabwallten, bei der ungewissen Fackelbeleuchtung einen ganz hübschen Anblick.

Als dieser einfache Tanz beendet war, gaben die Männer ihre Zufriedenheit durch ein lautes Murmeln zu erkennen, ich aber zog ein Armband hervor und rief die Tochter des Vorstehers, die mich beim Essen bedient hatte und sich jetzt mit unter den Tänzerinnen befand, zu mir herauf. Es bestand aus gelben Glasstücken und hatte das täuschende Ansehen jenes rauchigen, halb durchsichtigen Bernsteins, der im Oriente so beliebt, gesucht und teuer ist. Bei einem deutschen Tabulettkrämer hätte ich dieses Armband mit fünfzig bis sechzig Pfennigen bezahlt; hier aber richtete ich voraussichtlich eine Freude damit an, die mir bedeutend höher angerechnet wurde.

Das Mädchen kam herbei. Alle Männer hatten gehört, daß ich sie zu mir verlangte, und wußten, daß es sich um eine Belobigung handeln werde. Ich mußte der Höflichkeit meiner Erzieher Ehre zu machen suchen.

»Komm herbei, du lieblichste Tochter der Kurden von Missuri! Auf deinen Wangen glänzt das Licht Schefag[36], und dein Antlitz ist lieblich wie der Kelch Sumbul[37]. Deine langen Locken duften wie der Hauch Gulilik[38], und deine Stimme klingt wie der Gesang Bulbuli[39]. Du bist das Kind der Gastfreundschaft, die Tochter eines Helden, und wirst die Braut eines weisen Kurden und eines tapferen Kriegers werden. Deine Hände und Füße haben mich erfreut, wie der Tropfen, der den Durstigen labt. Nimm dieses Bazihn[40], und denke meiner, wenn du dich damit schmückest!«

Sie errötete vor Freude und Verlegenheit und wußte nicht, was sie antworten sollte.

»Az khorbane ta, Hodia – ich bin dein eigen[41], o Gebieter,« lispelte sie endlich.

Dies ist ein gebräuchlicher Gruß der kurdischen Frauen und Mädchen, einem vornehmen Manne gegenüber. Auch der Dorfälteste war so erfreut über die seiner Tochter gewordene Auszeichnung, daß er sogar die orientalische Zurückhaltung ganz vergaß und sich das Geschenk reichen ließ, um es zu betrachten.

»O wie herrlich, wie kostbar!« rief er aus und ließ das Armband ringsum von Hand zu Hand gehen. »Das ist Bernstein, so guter, prächtiger Bernstein, wie ihn der Sultan nicht köstlicher an seiner Pfeife trägt! Meine Tochter, dein Vater kann dir keine solche Hochzeitsgabe schenken, wie sie dir dieser Emir gegeben hat. Aus seinem Munde ertönt die Stimme der Weisheit, und von den Haaren seines Schnurrbartes träufelt die Güte. Frage ihn, ob er es dir erlaubt, ihm so zu danken, wie eine Tochter ihrem Vater dankt!«

Sie errötete noch mehr als vorhin; aber sie fragte dennoch:

»Erlaubst du es, Herr?«

»Ich erlaube es.«

Da bog sie sich zu mir, der ich auf dem Boden saß, hernieder und küßte mich auf den Mund und auf die beiden Wangen; dann aber eilte sie schnell davon.

Ich war über diese Art, seine Dankbarkeit zu beweisen, nicht erstaunt; denn ich wußte, daß es den Mädchen der Kurden erlaubt ist, Bekannte auch mit einem Kusse zu begrüßen. Einem höher Stehenden gegenüber würde eine solche Vertraulichkeit eine Beleidigung sein, und daher hatte ich eigentlich meine Güte verdoppelt, indem ich den Kuß gestattete. Dies sprach der Vorsteher auch sofort aus.

»Emir, deine Gnade erleuchtet mein Haus, wie das Licht der Sonne die Erde erwärmt. Du hast meine Tochter begnadigt, damit sie sich deiner erinnern möge; erlaube, daß auch ich dir ein Andenken verehre, damit du Spandareh nicht vergessen mögest!«

Er bog sich über die Kante des Daches vor und rief das Wort »Dojan«[42] in den Hof hinab. Sogleich ertönte ein freudiges Gebell; eine Türe wurde geöffnet, und ich bemerkte, daß die unten Stehenden einem Hunde Platz machten, damit er über die Treppe herauf zu uns kommen könne. Nur einen Augenblick später stand derselbe vor dem Aeltesten und liebkosete ihn. Es war einer jener kostbaren gelbgrauen und außergewöhnlich großen und starken Windhunde, die in Indien, Persien und Turkestan bis nach Sibirien hinein Slogi genannt werden. Bei den Kurden wird diese seltene Rasse Tazi genannt. Sie ereilen die flüchtigste Gazelle; sie holen oft selbst den wilden Esel und das windschnelle Tschiggetai ein und fürchten sich vor keinem Panther und vor keinem Bären. Ich muß gestehen, daß mich der Anblick dieses Tieres mit lebhafter Bewunderung erfüllte. Er war als Hund ebenso kostbar, wie mein Rappe dieses Prädikat als Pferd verdiente.

»Emir,« meinte der Vorsteher, »die Hunde der Missurikurden sind berühmt weit über unsere Berge hinaus. Ich habe manchen Tazi erzogen, auf den ich stolz sein konnte; keiner aber hat diesem hier geglichen. Er sei dein!«

»Nezanum, diese Gabe ist so wertvoll, daß ich sie nicht annehmen kann,« antwortete ich ihm.

»Willst du mich beleidigen?« fragte er sehr ernst.

»Nein, das will ich nicht,« lenkte ich ein. »Ich wollte nur sagen, daß deine Güte größer ist als die meinige. Erlaube, daß ich den Tazi annehme, aber gestatte mir auch, dir dieses Fläschlein zu geben!«

»Was ist es? Ein Wohlgeruch aus Persien?«

»Nein. Es ist von mir gekauft worden beim Beith Allah in der heiligen Stadt Mekka und enthält das Wasser vom Brunnen Zem-Zem.«

Ich machte es vom Halse los und reichte es ihm. Er war so gewaltig erstaunt, daß er vergaß, zuzugreifen. Ich legte es in seinen Schoß.

»O Emir, was tust du!« rief er endlich entzückt. »Du bringst in mein Haus die herrlichste Gabe, welche Allah der Erde verliehen hat. Ist es dein Ernst, daß du sie mir schenkest?«

»Nimm sie hin; ich gebe sie dir sehr gern!«

»Gesegnet sei deine Hand, und stets weile das Glück auf deinem Pfade! Kommt her, ihr Männer, und befühlt diese Flasche, damit die Güte des großen Emir auch euch beglücken möge!«

Die Flasche ging von Hand zu Hand. Ich hatte mit ihr die größte Freude gestiftet, die es nur geben kann. Als sich das Entzücken des Vorstehers einigermaßen gelegt hatte, wandte er sich wieder zu mir:

»Herr, dieser Hund ist nun dein. Spucke ihm dreimal in das Maul, und nimm ihn heut unter deinen Mantel, wenn du schlafen gehest, so wird er dich nie wieder verlassen!«

Der Engländer hatte das alles mit angesehen, ohne den Vorgang recht zu verstehen. Er fragte mich:

»Zem-Zem verschenkt, Master?«

»Ja.«

»Well! Immer fort damit! Wasser ist Wasser!«

»Wißt Ihr, was ich dafür bekommen habe?«

»Was?«

»Diesen Hund.«

»Wie? Was? Nicht möglich!«

»Warum nicht?«

»Zu kostbar. Kenne die Hunde! Dieser ist fünfzig Pfund wert!«

»Noch mehr. Aber dennoch gehört er mir.«

»Warum?«

»Weil ich der Tochter des Ortsvorstehers das Armband geschenkt habe.«

»Schrecklicher Kerl! Kolossales Glück! Erst Pferd von Mohammed Emin, gar nichts zu bezahlen, und nun auch Windhund! Ich Pech dagegen. Nicht einen einzigen Fowling-bull gefunden. Schauderhaft!«

Auch Mohammed bewunderte den Hund, und ich glaube gern, daß er ein klein wenig eifersüchtig auf mich war. Ich muß gestehen, ich hatte Glück.

Kurz bevor ich mich zur Ruhe begab, ging ich noch einmal zu den Pferden. Der Vorsteher traf mich dort.

»Emir,« fragte er halb laut, »darf ich eine Frage aussprechen?«

»Sprich!«

»Du willst nach Amadijah?«

»Ja.«

»Und noch weiter?«

»Das weiß ich noch nicht.«

»Es ist ein Geheimnis dabei?«

»Das vermutest du?«

»Ich vermute es.«

»Warum?«

»Du hast einen Araber bei dir, der nicht vorsichtig ist. Er schlug den Aermel seines Gewandes zurück, und dabei habe ich die Tätowierung seines Armes gesehen. Er ist ein Feind der Kurden und auch ein Feind des Mutessarif; er ist ein Haddedihn. Habe ich richtig gesehen?«

»Er ist ein Feind des Mutessarif, aber nicht ein Feind der Kurden,« antwortete ich.

Dieser Mann war ehrlich; ich konnte ihn nicht belügen. Es war jedenfalls besser, ihm zu vertrauen, als ihm eine Unwahrheit zu sagen, die er doch nicht geglaubt hätte. Er sprach weiter:

»Die Araber sind stets Feinde der Kurden; aber er ist dein Freund und mein Gast; ich werde ihn nicht verraten. Ich weiß, was er in Amadijah will.«

»Sage es!«

»Es ist viele Tage her, daß die Krieger des Mutessarif einen gefangenen Araber hier durchführten. Sie stiegen bei mir ab. Er war der Sohn des Scheik der Haddedihn und sollte in Amadijah gefangen gehalten werden. Er sah deinem Freunde so ähnlich wie der Sohn dem Vater.«

»Solche Aehnlichkeiten kommen sehr oft vor.«

»Ich weiß es, und ich will dir dein Geheimnis gar nicht rauben; aber eins will ich dir sagen: Kehrest du von Amadijah zurück, so kehre bei mir ein, es mag am Tage sein oder mitten in der Nacht, im Geheimen oder öffentlich. Du bist mir willkommen, auch wenn der junge Araber bei dir ist, von dem ich gesprochen habe.«

»Ich danke dir!«

»Du sollst mir nicht danken! Du hast mir das Wasser des heiligen Zem-Zem gegeben; ich werde dich beschützen in jeder Not und Gefahr. Wenn dich aber dein Weg nach einer andern Richtung führt, so mußt du mir eine Bitte erfüllen.«

»Welche?«

»Im Tale von Berwari liegt das Schloß Gumri. Dort wohnt der Sohn des berühmten Abd el Summit Bey; eine meiner Töchter ist sein Weib. Grüße sie und ihn von mir. Ich werde dir ein Zeichen mitgeben, an dem sie erkennen, daß du mein Freund bist.«

»Ich werde es tun.«

»Sage ihnen jede Bitte, die du auf dem Herzen hast; sie werden sie dir gern erfüllen, denn kein wackerer Kurde liebt die Türken und den Mutessarif von Mossul.«

Er trat in das Haus. Ich wußte, was der brave Mann bezweckte. Er erriet, was wir vorhatten, und wollte mir auf alle Fälle nützlich sein. Ich ging nun schlafen und nahm den Windhund mit. Als wir am andern Morgen erwachten, erfuhren wir, daß der Dolmetscher des Engländers Spandareh bereits verlassen habe. Er hatte den Weg nach Bebozi eingeschlagen.

Ich hatte mit Mohammed Emin in demselben Gemache geschlafen; dem Engländer aber war ein anderer Raum angewiesen worden. Er trat jetzt zu uns herein und – wurde mit einem hellen Gelächter empfangen. Niemand kann sich den Anblick denken, welchen uns der brave Master Lindsay bot. Vom Halse bis herab zu den Füßen war er vollständig rot und schwarz, allerdings noch nicht kariert, und auf dem hohen, spitzigen Kopfe saß wie ein umgekehrter Kaffeesack die kurdische Mütze, von welcher lange Bänder wie die Fangarme eines Polypen herabhingen.

»Good morning! Warum lachen?« grüßte er sehr ernst.

»Vor Freude über Euer außerordentlich amüsantes Exterieur, Sir.«

»Well! Freut mich!«

»Was tragt Ihr hier unter dem Arme?«

»Hier? Hm! Ein Paket, denke ich!«

»Das sehe ich allerdings auch. Was enthält es?«

»Ist mein Hat-box, meine Hutschachtel.«

»Ah!«

»Habe den Hut eingewickelt, auch Gamaschen und Stiefel. Well!«

»Das konntet Ihr alles hier lassen!«

»Hier? Warum?«

»Wollt Ihr Euch mit diesen unnützen Kleinigkeiten schleppen?«

»Unnütz? Kleinigkeiten? Schauderhaft! Brauche sie doch wieder!«

»Aber wohl nicht gleich.«

»Kehren wir zurück nach hier?«

»Das ist zweifelhaft.«

»Also! Hat-box wird mitgenommen! Versteht sich!«

Das weite Gewand schlotterte ihm um den hagern Leib wie ein altes Tuch, das man einer Vogelscheuche umgehangen hat. Das störte ihn aber nicht. Er nahm würdevoll an meiner Seite Platz und meinte siegesbewußt:

»Nun bin ich Kurde! Well!«

»Ein echter und richtiger!«

»Famos, ausgezeichnet! Prachtvolles Abenteuer!«

»Eins aber fehlt Euch noch!«

»Was?«

»Die Sprache.«

»Werde lernen.«

»Das geht nicht so schnell, und wenn Ihr uns nicht schaden wollt, so seid Ihr gezwungen, unter zwei Entschlüssen einen zu fassen.«

»Welche Entschlüsse?«

»Entweder Ihr geltet für stumm – – —«

»Stumm? Dumb? Abscheulich! Geht nicht!«

»Ja, für stumm oder gar taubstumm.«

»Sir, Ihr seid verrückt!«

»Danke! Es bleibt aber doch dabei. Also, entweder Ihr geltet für stumm, oder Ihr habt ein Gelübde getan – – —«

»Gelübde? Well! Schöner Gedanke! Interessant! Welches Gelübde?«

»Nicht zu sprechen.«

»Nicht zu reden? Kein Wort? Ah!«

»Kein einziges!«

»Keine Silbe?«

»Keine! Nämlich nur dann, wenn wir beobachtet sind. Befinden wir uns aber allein, so könnt Ihr reden nach Herzenslust.«

»Ist gut! Nicht ganz übel! Werde Gelübde tun! Wann geht es an?«

»Sofort, nachdem wir Spandareh verlassen haben.«

»Well! Einverstanden!«

Nach dem Morgenkaffee erhielten wir noch allerhand Proviant eingepackt; dann stiegen wir zu Pferde. Wir hatten Abschied von allen Mitgliedern des Hauses, außer dem Hausherrn selbst, genommen und sagten auch den Andern, die sich versammelt hatten, Lebewohl. Der Vorsteher hatte satteln lassen, um uns eine Strecke Weges zu begleiten.

Hinter Spandareh gab es einen sehr beschwerlichen, kaum reitbaren Weg, der uns zu den Tura-Ghara-Bergen emporführte. Es gehörten fast die Füße von Gemsen dazu, diesen Felsenpfad zu überwinden, aber wir langten glücklich auf der Höhe an. Hier hielt der Vorsteher sein Pferd an, nahm aus der Satteltasche ein Paket und sagte:

»Nimm dies, und gib es dem Manne meiner Tochter, wenn du nach Gumri kommen solltest. Ich habe ihr ein persisches Tuch und ihrem Manne für seine Mehin[43] einen Dizgin[44] versprochen, wie ihn die Kurden von Pir Mani führen. Wenn du ihnen diese Sachen bringst, so wissen sie, daß du mein Freund und Bruder bist, und werden dich so aufnehmen, als ob ich es selber wäre. Aber ich wünsche um deinetwillen dennoch, daß du wieder zu mir zurückkehren mögest.«

Er deutete auf einen Reiter, der uns gefolgt war und bei Halef und dem Baschi-Bozuk hielt.

»Das ist der Mann, der mir den Anzug dieses Fremdlings wieder bringen wird. Ihm könntest du auch das Paket geben, wenn du merkst, daß dich dein Weg nicht nach Gumri führt. Und nun scheiden wir! Aaleïk sallam, u rahhmet Allah – der Friede und die Barmherzigkeit sei mit dir!«

Wir umarmten und küßten uns, dann gab er auch den Andern die Hand und kehrte um. Ich hatte in ihm einen Mann kennen gelernt, an den ich noch heute mit Achtung und Wohlwollen zurückdenke.

Drittes Kapitel: In der Festung

Wir ritten weiter. Der Weg ging bergab in das Tal von Amadijah hinunter. Dieses Tal wird von einer Sandsteinablagerung gebildet und von sehr vielen Schluchten durchschnitten, in denen rauschende Waldbäche strömen. Sie führen alle ihr Wasser dem Zab entgegen. Die Schluchten und Gelände sind mit kräftigen Eichenwaldungen bestanden, die bedeutende Galläpfelernten liefern, mit denen die Bewohner einen einträglichen Handel treiben. In der Ebene liegen zahlreiche chaldäische Dörfer, die aber entweder öde und verlassen sind, oder nur wenige Bewohner zählen, da die Chaldäer sich vor den Bedrückungen der Türken und den Einfällen räuberischer Kurdenstämme gern in die Berge zurückziehen.

Durch diese Landschaft, deren Eichen mich heimatlich anmuteten, ritten wir unserm Ziele entgegen.

»Darf ich reden?« fragte Lindsay leise.

»Ja. Wir sind ja unbelauscht.«

»Aber der Kurde hinter uns?«

»Kommt nicht in Betracht.«

»Well! Dorf hieß Spandareh?«

»Ja.«

»Wie Euch gefallen?«

»Sehr. Und Euch, Sir?«

»Prächtig! Guter Wirt, gute Wirtin, feines Essen, schöner Tanz, prachtvoller Hund!«

Bei dem letzten Worte blickte er auf das Windspiel, welches neben meinem Pferde hertrabte; ich war so vorsichtig gewesen, es mittels einer Leine an meinen Steigbügel zu binden. Uebrigens hatte der Hund bereits Freundschaft mit meinem Pferde geschlossen und schien es genau zu wissen, daß ich sein Herr geworden sei. Er blickte mit seinen großen, klugen Augen sehr aufmerksam zu mir empor.

»Ja,« antwortete ich. »Alles war schön, besonders das Essen.«

»Exzellent! Sogar Taube und Beefsteaks!«

»Hm! Glaubt Ihr wirklich an die Taube?«

»Well! Warum nicht?«

»Weil es keine war.«

»Nicht? Keine Taube. War welche!«

»War keine!«

»Was sonst?«

»Es war das Tier, das von den Zoologen den lateinischen Namen Vespertilio murinus oder myotis erhalten hat.«

»Bin kein Zoologe. Auch nicht Latein!«

»Diese Taube heißt gewöhnlich Fledermaus.«

»Fleder – – —«

Er hielt inne. Seine Geschmacks- und Verdauungsnerven wurden beim Klange dieses Wortes in eine Anstrengung versetzt, durch welche sein Mund in eine trapezoide und perennierende Höhlenöffnung verwandelt wurde, in welcher man die schönste Entdeckungsreise vornehmen konnte. Sogar die lange Nase schien in Mitleidenschaft gezogen zu sein, denn ihre Spitze bekam jene weiße Färbung, von welcher der Dichter gesungen haben soll: »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß mir so traurig ist!«

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