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Reise über Indien und China nach Japan.
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Reise über Indien und China nach Japan.

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Язык: Немецкий
Год издания: 2017
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Am 30. Jänner fuhren wir Morgens und Vormittags nahe den westlichen, steinigen und meist sterilen Küsten der Inseln Kephalonia und Zante vorbei und sahen weder nach Westen noch nach Süden nirgends mehr Land. Nachmittags kam das Schiff in das Mittelländische Meer und wir erblickten im Osten die Gebirge der griechischen Halbinsel Morea und hierauf die Südwestspitze von Griechenland, den südlichsten Punkt von Europa. Der heutige Tag hat sich mehr aufgeklärt, es ist trotz einiger Wolken sonnig, und statt des Sciroccos bläst ein kräftiger Westwind, welcher den Dampfer im fortgesetzten mässigen Schaukeln erhält, wodurch des Holländers Gesundheit etwas in's Wanken kommt.

Die Fahrtgeschwindigkeit des Dampfschiffes beträgt 19 km in der Stunde, somit ungefähr 450 km in 24 Stunden, und demgemäss werden wir heute Abend, in der Nähe der Südostspitze Europas, von Triest aus gegen 1400 km zurückgelegt haben. Die Fahrtgeschwindigkeit ist wegen des stetig uns entgegenblasenden Windes und wegen der grossen Befrachtung des Dampfers eine geringere als die normale.

Im gleichen Masse des Vorwärtsschreitens gegen Süden nimmt auch die Temperatur zu, und zwar stieg das Thermometer in 24 Stunden oder nach zurückgelegten 450 km um 2½° R. In Triest zeigte das Thermometer am 27. Jänner 6° R. Wärme und heute, also nach drei Tagen, steht es zur Mittagszeit zwischen 13 und 14° R. Wärme.

Am 31. Jänner Früh gelangten wir an das Südwestende der Insel Kreta oder Candia und fuhren bis zum Abend längs der südlichen Küste dieser langgestreckten Insel, um uns dann direct gegen Port Said zu wenden. Die Insel Candia ist, insoweit sie sich unserem Auge eröffnete, ein bergiges Land, von tiefen Thälern durchzogen und nur mit recht schütterem Grase und einzelnen Büschen bewachsen. Sie trägt im Allgemeinen den Charakter unserer Karstländer und besitzt ausschliesslich an ihrer Nordküste einen culturfähigen und auch cultivirten Boden. Daher kommt es, dass sich die Städte Kanea, Rethymnon, Megalokastron u. s. w. an der Nordseite der Insel befinden, während sich im Süden nur wenige kleine Fischerdörfer zeigen. Der in der Mitte der Insel in der Richtung West-Ost sich hinziehende höchste Gebirgskamm ist auf seinen bis 2500 m hohen Spitzen zur Zeit mit Schnee bedeckt.

Der Himmel ist trotz Sonnenscheines leicht bewölkt und die Meeresoberfläche ist mässig bewegt und hat eine dunkelblaue Färbung. Der Wind schlug wieder in Scirocco um, der während der Nacht so heftig wurde, dass das Schiff in stärkere Schwankungen gerieth.

Bezüglich der Schiffsbeköstigung will ich dem schon Gesagten einige Worte beifügen. In der Zeit von 8-9 Uhr Morgens erhalten wir Milchkaffee mit Brot. Gegen 10 Uhr werden hors d'oeuvres, ein Ragout, Roastbeef oder dergleichen mit Zuthat und Dessert servirt. Um 1 Uhr folgt ein ähnliches Menü. Um 6 Uhr Abends gibt es potage, hors d'oeuvres, boeuf bouilli garni, Braten mit Salat, gedünsteten Reis mit currie (Gemisch indischer Gewürze), Mehlspeise, Dessert und Kaffee und um 9 Uhr Thee mit Gebäck. Die Auswahl und Zubereitung der Speisen ist vortrefflich. An Getränken findet man Pilsner Bier und einen sehr guten dalmatinischen Wein; die ½ Liter Flasche Bier, sowie die ¼ Liter Flasche Wein kostet 30 kr. Gold oder 36 kr. ö. W. Doch sind auch sehr gute österreichische und französische Weine in Flaschen, sowie Champagner, Säuerlinge und Liqueure in grosser Menge vorhanden.

Der besseren Orientirung halber lasse ich nachstehend einen Vergleich der verschiedenen Längenmasse folgen:

01 Myriameter = 10 km;

01 deutsche oder geographische Meile = circa 7·4 km;

01 englische Meile = circa 1·6 km;

01 Seemeile = circa 1·85 km;

01 km = circa 1333 österreichische Schritte zu 75 cm;

010 Myriameter = circa 13½ deutsche Meilen = circa 62½ englische Meilen = circa 54 Seemeilen;

010 deutsche Meilen = circa 7·4 Myriameter = circa 46 englische Meilen = 40 Seemeilen.

Am 1. Februar war das Land nach allen Richtungen hin entschwunden; man sah nur mehr nach oben den leicht bewölkten Himmel, nach unten das wogende Meer und rundum am Horizonte die Kante des sich nach abwärts neigenden Meeres, in dessen weiterer Fortsetzung der Himmel seine Basis einzutauchen scheint.

Der Südwind (Scirocco) von der libyschen Wüste, also von Tripolis und vom Nordwesten Aegyptens kommend, blies heute so heftig, dass die Wogen oben mit weissem Gischt gekrönt waren, und das Schiff ziemlich starke Schaukelbewegungen machte. Das Gehen an Bord ist für einen mit solchen Schwankungen nicht vertrauten Menschen recht schwierig, doch der Aufenthalt auf dem Decke gewährt einen eigenthümlichen Reiz, welcher hervorgerufen wird, durch den Rundblick über das weite, tiefblaue, so bewegte und mit weissen Punkten übersäete Meer, durch das Vernehmen der Töne, welche wie ein Sausen und ein Rauschen von den sich überstürzenden Wellen herauf-, und wie ein Brausen und ein Schwirren aus der Takelage niederklingen, und endlich durch den Anblick der, dem Schiffe stets folgenden, weitbeschwingten weissen Möven.

Die Temperatur ist seit dem 30. Jänner mit Rücksicht darauf, dass wir uns nun immer mehr gegen Südost, ja gegen Ostsüdost wendeten, nicht mehr in derselben Weise wie früher gestiegen, so dass das Thermometer nicht über 16° R. zeigt.

Durch unsere fortgesetzte Bewegung gegen Osten hat sich indess die Tageszeit mit unserer Uhrzeit erheblich verändert, und zwar ist bis jetzt der Sonnenauf- und Niedergang, sowie die Mittagszeit schon um 45 Minuten früher eingetreten als in Triest, wonach auch unsere Uhren gerichtet werden mussten.

Um 8½ Uhr Abends des 1. Februar befanden wir uns in der Mitte zwischen der Südostspitze von Candia und dem Hafen von Port Said, das ist von beiden Punkten je 400 km entfernt, ferner 500 km südlich von der Küste von Kleinasien und 200 km nördlich von den afrikanischen Gestaden.

Täglich werden von einem Schiffsofficiere die Punkte genau eruirt, an welchen sich das Schiff zu den verschiedenen Zeitmonaten befindet. Am verlässlichsten erfolgt dies durch die Fixirung der Lage des Schiffes zu den Himmelskörpern und der hieraus sich ergebenden Berechnung des betreffenden Punktes, wozu dem Schiffsofficiere geeignete Instrumente und Berechnungstafeln zu Gebote stehen. Sind dann solche Punkte genau bestimmt, so können weitere leicht gefunden werden durch die Erwägung der Richtung und der Fahrtgeschwindigkeit des Schiffes. Die Richtung wird durch die Boussole angezeigt und die Fahrtschnelligkeit ergibt sich entweder durch die Beobachtung und Berechnung der Umdrehung der Dampfschraube oder durch die Beobachtung der Zeigerstellung auf dem Shiplog, das ist ein kleines Uhrwerk, an welchem mit einer langen starken Schnur eine im Meere schwimmende Schraube befestigt ist, die durch die Zahl ihrer Umdrehungen im Wasser die hinterlegte Strecke auf dem Zifferblatte ersichtlich macht. Wind, Wellenschlag etc. beeinflussen aber diese Bestimmungen in solcher Weise, dass sie nur auf verhältnissmässig kurzen Strecken genügende Verlässlichkeit bieten. Die genaue Fixirung der Punkte kann indess nur, wie oben gesagt, auf astronomischem Wege gemacht werden.

Der 2. Februar (Donnerstag, Marien-Feiertag) brachte uns den ersten wolkenfreien, sonnenhellen und beinahe windstillen Tag. Wie auf Sammt gebettet, glitt unser Schiff ruhig dahin, die Meeresoberfläche war nur leicht gekräuselt und schimmerte silbern im Sonnenglanze und azurblau im Schatten. Um 11 Uhr Vormittags zeigten sich die Conturen der südafrikanischen Küste, und der Capitän theilte mir mit, dass das Schiff um 3 Uhr Nachmittags bei Port Said anlegen werde. Am südlichen Horizonte wurden Vormittags zuerst Alexandrien, dann Damiette sichtbar, und schliesslich landete der Dampfer im Hafen von Port Said.

Aufenthalt in Port Said

Die Stadt Port Said ist auf dem Sande und Erdreiche erbaut, welche von der Aushebung des Suez-Canales herrühren, und welche zur Anlegung eines grossen Hafenplatzes verwendet wurden. Sie theilt sich in den europäischen und in den arabischen Theil. Der erstgenannte Stadttheil besteht aus Steinhäusern mit niedrigen Dächern und mit in jedem Stockwerke rundum angefügten Balkonen, der arabische Theil zeigt elende, oft zwei Stock hohe Bretterbuden. Nach dem Landen des Schiffes wurde dasselbe überlaufen von kupferbraunen Arabern, in langen Kleidern, blossfüssig, mit rothem oder weissem Fez auf dem Kopfe, welche in allen Sprachen zur Ueberfahrt auf's Land drängten, und von europäischen Händlern, welche ihre Tücher, Pfeifen, Cigarretten und Ansichts-Correspondenzkarten zum Kaufe anpriesen.

Ich sah mir dieses wüste Treiben eine Weile an und liess mich dann nach der Stadt hinrudern und von einem Händler in eine Verkaufshalle führen, in welcher Tropenkleider feil geboten wurden. Aus dem Durchlesen des erzherzoglichen Tagebuches wusste ich bereits, dass auf der ganzen Strecke alle Händler die Preise ihrer Waaren sehr hoch angeben und dass dieselben erst nach langwierigem lästigen Feilschen auf den annähernd wirklichen Werth reducirt werden können. So begehrte der eine der Verkäufer für eine mit Briefstempel versehene Ansichtskarte anfänglich 16 kr. ö. W. (drei Stück für 1 Franc) und gab sie schliesslich um 12 kr. (fünf Stück für 1 sh) her. Ich nahm 60 Stück solcher Karten, um sie an alle jene Personen auszufertigen, welchen ich schreiben wollte, oder welchen ich derartige Karten versprochen hatte. In gleicher Weise war es der Fall bei den Tropenkleidern, von welchen ich mir einen weissen Piquetanzug, einen mit arabischer Zeichnung versehenen langen Mousselinrock als Schlafkleid, einen weissen Korkhelm, ein Paar weisse Zeugschuhe mit Kautschuksohlen und drei weisse Cravatten um 26 sh = 1 Pfund und 6 sh oder 15 fl. 60 kr. ö. W. erstand, nachdem ich diese Gegenstände von dem ursprünglich gebotenen Preise von 40 sh = 24 fl. ö. W. auf die obgenannte Summe herabgemindert hatte.

Eine Jagd auf dem nahe gelegenen Menzala-See, wo tausende Pelikane, Flamingos, viele Arten von Wildenten, Tauchern u. s. w. vorkommen, konnte unser liebenswürdiger Consul nicht arrangiren, weil vorher die Bewilligung hierzu seitens der ägyptischen Regierung hätte gegeben werden müssen.

Am 3. Februar Vormittags besichtigte ich noch einmal die Stadt Port Said. Bei dieser Gelegenheit sah ich ägyptische Soldaten, sämmtlich Neger, in blauen Uniformen mit gelben Knöpfen adjustirt, die sich recht gut präsentirten; sie haben ausserdem noch lichtgelbe Mäntel, die sie beim Aufziehen der Wache auf dem Arme tragend mit sich nehmen, weil diese Kleidungsstücke am Abend, wo es recht kühl wird, angezogen werden müssen.

Dass die Stadt, wie erwähnt, erst seit Eröffnung des Suez-Canales, das ist seit dem Jahre 1869 besteht, zeigt sich an den durchgehend geraden und sich senkrecht durchschneidenden Strassen und an der guten Erhaltung der Häuser im europäischen Theile. Die daran sich anschliessende arabische Holzstadt verräth dagegen Elend und entsetzlichen Schmutz in einer noch viel ärgeren Weise, als man dies in den galizisch-bukowinaischen Judenorten, z. B. Sadagora u. s. w., begegnet. An hervorragenden Gebäuden fällt die Moschee mit ihrem Minaret und das aus Eisen erbaute, vier Stock hohe englische Hôtel, Eastern Exchange, sowie der prachtvolle Palast der Suez-Compagnie auf.

Die Fiaker haben recht hübsche Wagen, an welche aber abgetriebene arabische Pferde vorgespannt sind. Schmutzige Tramwaywagen durchziehen die Stadt, und auch an Radfahrern und Radfahrerinnen fehlt es nicht.

Fahrt von Port Said nach Aden

3. Februar. Nach abgestattetem Besuche beim Consul und dem Lloydagenten und nach eingenommenem Gabelfrühstück setzte sich unser Dampfer um 3 Uhr Nachmittags wieder in Bewegung und fuhr in den Suez-Canal ein. Dieser Canal wurde von Lesseps in der Zeit von 1859 bis 1869 erbaut. Er hat eine Länge von 162 km, die für jedes Schiff genügende Tiefe von 19 m und eine für ein grosses Schiff nöthige Breite; sowie nach je 10 km eine Ausweichstelle mit den dazu gehörigen Signalstationen. Die Kosten des Canalbaues beliefen sich auf 240 Millionen Gulden.

Unter dem Vorwande der Zinsendeckung für das aufgewandte Capital und der Bestreitung der immerhin sehr grossen Auslagen für die Schiffbarerhaltung des Canales werden von jedem passirenden Schiffe unverhältnissmässig hohe Gebühren eingehoben. Die Suez-Compagnie fordert nämlich von jedem Schiffe eine Durchfuhrsgebühr von 9½ Franken per Tonne Schiffsfracht und von 10 Franken per Person. Der Dampfer Maria Theresia mit 2400 t Fracht und etlichen Passagieren zahlte für die Durchfahrt die Summe von beinahe 24.000 Franken. Im Jahre 1898 passirten 3098 Dampfschiffe mit 7¼ Millionen Tonnen und mit ½ Million Personen den Canal. Man berechne nun die Höhe der jährlichen Gesammteinnahmen und wird es erklärlich finden, dass die Suez-Canal-Actien nun sehr hoch stehen.

Unser Consul in Port Said erzählte mir, dass die spanische Flotte für das zweifache Passiren des Canales während des letzten Krieges eine Million Franken zahlen musste.

Wenn der Suez-Canal nicht bestünde, und die Schiffe somit um die Südspitze von Afrika fahren müssten, so würde dies einen um mehr als 20.000 km längeren Weg und bei der Fahrtgeschwindigkeit des Dampfers Maria Theresia einen Mehrbetrag an Zeit von etwa 50 Tagen und ein Mehrerforderniss an Geld nur für Kohle ungefähr von 30.000 Franken beanspruchen. Der Dampfer benöthigt nämlich für die Fahrtschnelligkeit von 19 km oder 10 Seemeilen per Stunde mehr als eine Tonne Kohle zum Preise von über 23 Franken, das ist per Tag etwa 600 Franken.

Der Canal durchschneidet die arabische Wüste und wird in den ersten 20 km von dem sehr ausgedehnten Menzala-See flankirt. Während der Fahrt sieht man an den Ufern des Sees unzählige Wasservögel dicht aneinander stehen, die rosenrothen Flamingos, die schwerfälligen Pelikane und die verschiedenartigsten Enten und Taucher. Das Schiessen auf diese Vögel vom Schiffe aus ist untersagt. Nach dem Vorbeifahren an dem See erblickt man beiderseits, soweit das Auge reicht, die Wüste mit ihrem wellenförmig gelagerten gelben Sande.

4. Februar. Zeitlich Morgens fuhr das Schiff an den am Canale gelegenen Bitter-Seen vorbei, welche vielfach für jenen Theil des Rothen Meeres gehalten werden, durch welchen einst die Israeliten zogen.

Um 8 Uhr Früh fuhren wir bei Suez aus dem Canale in den gleichnamigen Golf, hielten etwa eine Stunde seitwärts von Suez an und setzten sonach die Fahrt fort.

Obgleich noch der Südwind blies und es sonnig war, zeigte das Thermometer, welches in Port Said die Höhe von 20° R. erreichte, eine Abnahme von zwei Graden. Oestlich des Golfes dehnt sich die Halbinsel Sinaï aus, westlich desselben befindet sich der südliche Theil von Unter-Aegypten. Beiderseits sieht man kahle, nur hie und da mit sehr wenig Gestrüpp bewachsene Berge, und weiter hinein erscheinen rechts und links viele, viele Meilen weit trostlose Wüsteneien.

In Port Said sind zwei Passagiere zugewachsen; ein protestantischer Missionär und seine grosse, sehr corpulente Frau, welche von Amerika nach Vorder-Indien reisen, um dort die christliche Religion zu verbreiten.

Während der Fahrt im Suez-Canal sah ich eine kleine Karawane, welche aus zwei Arabern auf zwei Kameelen und zwei zu Fuss daherschreitenden Arabern bestand, längs der Küste nach Port Said ziehen. Die Kameele mit dem langen, tief vorgestreckten Halse gehen gravitätisch im langsamen, aber sehr raumgreifenden Schritte, im sogenannten Pass, das heisst, stets die Füsse derselben Seite gleichzeitig vorsetzend, und verursachen dem Reiter dadurch eine schiebend schaukelnde Bewegung, welche demselben zu Beginn des Reitens von Kameelen im hohen Grade lästig werden soll.

Im Golfe von Suez wurden während der Fahrt in der Kohlenkammer zwei Leute angetroffen, welche sich in Port Said gelegentlich der Kohlenaufnahme dort eingeschlichen hatten, um auf diese Art kostenfrei weiterreisen zu können. Der eine der beiden Männer stand im 18. Lebensjahre, war von mittelgrosser, schwächlicher Statur und stammte aus der Gegend von München, der andere, ungefähr 26 Jahre alt, ziemlich gross und kräftig aussehend, gab die Umgebung von Köln am Rhein als seine Heimat an. Beide Burschen waren vernachlässigt und zerlumpt und hatten sich schon lange Zeit in der Welt herumgetrieben. Der Schiffscapitän beabsichtigt, diese Leute in Aden dem deutschen Consulate behufs ihrer Repatriirung zu übergeben.

Nachmittags trat der Scirocco heftig auf, doch ging das Schiff ziemlich ruhig vorwärts. Im Osten sah man den Berg Sinaï im Sonnenscheine erglänzen – jenen Berg, von welchem, der Ueberlieferung nach, Moses die Tafeln mit den zehn Geboten Gottes brachte. Im Westen war die ganze Küste durch eine riesige Sandwolke vollkommen verdüstert, ein sicheres Anzeichen dafür, dass der Sturm den Sand der dortigen arabischen Wüste aufwirbelt und durch die Lüfte trägt.

Während der Nacht schlug der Wind in südwestliche Richtung um und trug den Wüstensand, einer dichten, trockenen Wolke gleichend, weit über das Schiff hinaus, wodurch die Leitung des Schiffes wegen behemmter Aussicht bedeutend erschwert wurde.

Sonntag, den 5. Februar, befanden wir uns im Rothen Meere, nachdem wir in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar an der Südspitze der Halbinsel Sinaï und bei Ras Mahumed vorbeigefahren waren.

Noch immer müssen wir die mit Wüstensand vermengte Luft einathmen; dieser Sand ist so fein, dass er in unmittelbarer Nähe mit freiem Auge nicht wahrgenommen werden kann, sondern erst in der Ferne als eine gelbe, nebelhafte Wolke sichtbar wird und sich erst mit der Zeit durch seine Ablagerungen unangenehm bemerkbar macht. Das ganze Schiff, Mobiliar, Kleider u. s. w., werden mit diesem feinen Sande bedeckt, derselbe dringt in alle Falten und in die Taschen der Kleider, ja selbst in das Innere der Uhren ein.

Bei 18° R. haben wir einen ziemlich starken Südostwind, der ein unausgesetztes Schaukeln des Schiffes verursacht. Die Strecke von Triest nach Port Said beträgt circa 2500 km, zu deren Zurücklegung wir sechs Tage benöthigten. Die Entfernung von Port Said nach Aden wird auf ungefähr 2700 km, und jene von Aden nach Bombay auf etwa 2900 km berechnet. Unser Schiff dürfte daher, wenn es seine Fahrt nicht etwas beschleunigt, mit Einschluss des eintägigen Aufenthaltes in Aden, bis zu seiner Ankunft in Bombay noch 15 Tage brauchen, und somit erst am 22. Februar dort anlangen.

Am 6. Februar passirten wir Vormittags den Wendekreis des Krebses, und mithin befinden wir uns in der tropischen Zone. Die Wärmegrade deuten dies aber noch nicht an, denn das Thermometer zeigt nicht mehr als 18° R., eine für das Rothe Meer verhältnissmässig geringe Temperatur, welche durch das Umschlagen des Windes in Nordost herbeigeführt wurde.

Da der Wendekreis des Krebses in den 23½ Grad nördlicher Breite, und Triest in den 45½ Grad nördlicher Breite fällt, so sind wir am 6. Februar Vormittags um 22 Grad, oder 330 österreichische Meilen, oder um 2500 km südlicher als Triest, eine Entfernung, welche der von Stockholm nach Messina gleicht. Da Wien um 280 km nördlicher als Triest liegt, so befinden wir uns 2780 km südlicher als unsere Kaiserstadt. Was den Unterschied an Breitegraden betrifft, so liegt Triest im 14. Grad östlicher Länge, während wir heute an Ort und Stelle den 37. Grad östlicher Länge zählen und somit um 23 Grad östlicher als Triest sind – eine Distanz, welche der von Strassburg bis nach Kiew gleichkommt. Bei dem Umstande, als die einmalige Drehung eines Breitekreises der Erde 24 Stunden währt, das sind 360 Grade in 24 Stunden, so ist der um 15 Grad östlicher gelegene Meridian um eine Stunde in der Tageszeit voraus. Es entspricht also ein Grad Breite gerade vier Minuten unserer Zeitrechnung, woraus es sich ergibt, dass wir am 6. Februar 23 × 4, das ist um 92 Minuten der Tageszeit von Triest voraus sind. Im Vergleiche zu Wien, welches ungefähr im 16. Grad östlicher Länge liegt, beträgt der Zeitunterschied nur 84 Minuten.

Auch am heutigen Tage verdeckt die ringsum gelagerte Wüstenstaubwolke die beiderseitigen Ufer. Die Schnelligkeit des Schiffes mag jetzt 10 Seemeilen oder 18 km in der Stunde betragen.

Am 7. Februar währt der Nordostwind noch fort, und zwar im erhöhten Masse, wodurch einerseits das Schaukeln des Schiffes zunimmt, anderseits aber durch Aufziehen der Segel die Fahrt beschleunigt wird. Das Wetter ist heiterer als in den beiden letzten Tagen, gestattet aber noch immer keine Aussicht auf die beiderseitigen Ufer, denn am Horizont lagern stets nebelhafte Gebilde. Die Temperatur ist auf 20° R. gestiegen, macht sich aber des heftigen Windes halber nicht stark fühlbar, dabei empfindet man es indess als grosse Wohlthat, auf dem Schiffe Bäder nehmen zu können. Die Temperatur des Meerwassers beträgt jetzt 19° R., sonst hat sie gewöhnlich den gleichen Wärmegrad wie die Luft, ja mitunter ist das Meerwasser sogar wärmer als die Temperatur der Luft.

Im Verlaufe der Fahrt vom 6. zum 7. Februar befanden sich ostwärts der arabischen Küste die den Muhamedanern heiligen Städte Medina, und etwas über 300 km südlich davon Mekka, die beiden Hauptpilgerorte aller Korangläubigen. Westlich vom Dampfer liegt das zu Aegypten gehörige Nubien, durchquert vom Nil, jenem Flusse, welcher in der Nähe des Aequators aus dem Victoria-See tritt und sich nach einem mehr als 4000 km langen Laufe in das Mittelländische Meer ergiesst, wobei er späterhin bei seinen jährlichen Ueberschwemmungen die mitgenommenen Erdbestandtheile absetzt und hierdurch die grosse Fruchtbarkeit von Unter-Aegypten herbeiführt. Der Nil ist der längste von allen Flüssen der Erde. An der Grenze von Nubien gegen Sudan hat die englisch-ägyptische Armee im verflossenen Jahre nach bewunderungswerther, umsichtiger Einleitung und Durchführung von militärischen Massregeln die schier unüberwindlich scheinenden Derwischtruppen vollständig geschlagen, und hierdurch ein, für diesen Theil von Afrika heilsames Werk vollbracht. Am Abende des 7. Februar trat die Nordspitze des grossen Reiches Abessinien hervor, jenes Reiches, welches die Italiener nach dem unglücklichen Feldzuge unter der Oberleitung des Generals Barattieri aufgegeben haben.

Am 8. Februar erblickten wir im Südwesten der Halbinsel Arabien das Land Jemen, von welchem Heinrich Heine in seinem Gedichte »Asra« behauptet, dass die Menschen dort sterben, wenn sie lieben. Die Temperatur stieg einstweilen auf 22° R., und bei etwas umdüstertem Himmel nahm der Wind allmälig ab.

Das Leben auf dem Schiffe richtete ich mir ganz angenehm ein. Nach meinem ersten Frühstück, also nach 8 Uhr Morgens, gehe ich auf das Deck und halte Umschau, wobei ich auf der Karte die Stelle aufsuche, wo sich das Schiff eben befindet, dann beurtheile ich die allgemeine Lage, und spaziere hierauf auf dem Deck herum oder nehme ein Bad. Um 10 Uhr Früh wird das zweite Frühstück eingenommen, während welchem ich hauptsächlich mit dem Schiffscapitän conversire. Von 11 bis 1 Uhr Mittag schreibe ich an diesen Blättern und mache mir sonstige Vormerkungen. Um 1 Uhr Mittags, zur Zeit des zweiten Gabelfrühstücks, promenire ich abermals auf dem Deck, welches mittlerweile mit Plachen überdeckt wurde. Hierauf beschäftige ich mich von 2 bis ½6 Uhr mit Lectüre, besonders mit der von Murray in englischer Sprache geschriebenen Zusammenstellung der Sehenswürdigkeiten von Indien und Japan, und gehe dann um 6 Uhr zum Diner. Nach dem Essen spielt der holländische Passagier lustige Weisen auf dem Clavier, später lese ich noch aus Baron Hübner's Werke »Autour du monde« jenen Theil, der von China handelt, nehme eine Schale Thee und gehe um 10 Uhr Abends zu Bette. Die Cabine glich in der Nacht vom 8. zum 9. Februar, trotz des nur mit Jalousien verschlossenen Fensters, einem Dampfbade.

Am 9. Februar war es leicht umwölkt, ziemlich windstill und die Luft hatte 23° R. Um 10 Uhr Vormittags fuhren wir bei der an Arabiens Küste gelegenen Stadt Mocca vorbei, nach welcher die rühmlich bekannte Kaffeesorte benannt ist, und um 6 Uhr Abends passirte das Dampfschiff die Meerenge von Bab el Mandeb, das Thor der Thränen, kam dabei an der, in der Mitte derselben gelegenen, den Engländern gehörigen Insel Perine vorbei und gelangte nun aus dem Rothen Meere in den Golf von Aden, respective in den Indischen Ocean. Hierauf wendete sich das Schiff von Afrika nach Osten ab, um nach Aden zu fahren. Der Name »Rothes Meer« soll daher rühren, dass in den Monaten Juli und August der von dem Winde hergebrachte Wüstenstaub durch die Sonnenstrahlen einen rothen Schimmer erhält. Zur Zeit meiner Durchfahrt hatte das Meer die gleich tiefblaue Färbung wie anderwärts.

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