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Настоящие немецкие сказки братьев Гримм / Die echten deutschen Märchen der Brüder Grimm

Da trat ein Mann herein, der war größer als alle andere und sah fürchterlich aus; er war aber alt und hatte einen langen weißen Bart. »O du Wicht«, rief er, »nun sollst du bald lernen was Gruseln ist, denn du sollst sterben.« »Nicht so schnell«, antwortete der Junge, »soll ich sterben, so muß ich auch dabei sein.« »Dich will ich schon packen«, sprach der Unhold. »Sachte, sachte, mach' dich nicht so breit; so stark wie du bin ich auch, und wohl noch stärker.« »Das wollen wir sehen«, sprach der Alte, »bist du stärker als ich, so will ich dich gehen lassen; komm, wir wollen's versuchen.« Da führte er ihn durch dunkle Gänge zu einem Schmiedefeuer, nahm eine Axt und schlug den einen Amboß mit einem Schlag in die Erde. »Das kann ich noch besser«, sprach der Junge, und ging zu dem anderen Amboß; der Alte stellte sich neben hin und wollte zusehen, und sein weißer Bart hing herab. Da faßte der Junge die Axt, spaltete den Amboß auf einen Hieb und klemmte den Bart den Alten mit hinein. »Nun hab' ich dich«, sprach der Junge, »jetzt ist das Sterben an dir.« Dann faßte er eine Eisenstange und schlug auf den Alten los, bis er wimmerte und bat, er möchte aufhören, er wollte ihm große Reichtümer geben. Der Junge zog die Axt raus und ließ ihn los. Der Alte führte ihn wieder ins Schloß zurück und zeigte ihm in einem Keller drei Kasten voll Gold. »Davon«, sprach er, »ist ein Teil den Armen, der andere dem König, der dritte dein.«

Indem schlug es zwölf und der Geist verschwand, also daß der Junge im Finstern stand. »Ich werde mir doch heraushelfen können«, sprach er, tappte herum, fand den Weg in die Kammer und schlief dort bei seinem Feuer ein. Am anderen Morgen kam der König und sagte: »Nun wirst du gelernt haben was Gruseln ist?« »Nein«, antwortete er, »was ist's nur? Mein toter Vetter war da, und ein bärtiger Mann ist gekommen, der hat mir da unten viel Geld gezeigt, aber was Gruseln ist, hat mir keiner gesagt.« Da sprach der König: »Du hast das Schloß erlöst und sollst meine Tochter heiraten.« »Das ist alles recht gut«, antwortete er, »aber ich weiß noch immer nicht was Gruseln ist.«

Da ward das Gold herausgebracht und die Hochzeit gefeiert, aber der junge König, so lieb er seine Gemahlin hatte und so vergnügt er war, sagte doch immer: »Wenn mir nur gruselte; wenn mir nur gruselte.« Das verdroß sie endlich. Ihr Kammermädchen sprach: »Ich will Hilfe schaffen, das Gruseln soll er schon lernen.« Sie ging hinaus zum Bach, der durch den Garten floß und ließ sich einen ganzen Eimer voll Gründlinge holen. Nachts, als der junge König schlief, mußte seine Gemahlin ihm die Decke wegziehen und den Eimer voll kaltes Wasser mit den Gründlingen über ihn herschütten, daß die kleinen Fische um ihn herumzappelten. Da wachte er auf und rief: »Ach, was gruselt mir, was gruselt mir, liebe Frau! Ja, nun weiß ich was Gruseln ist.«

Der Wolf und die sieben jungen Geißlein
Es war einmal eine alte Geiß, die hatte sieben junge Geißlein und hatte sie lieb, wie eine Mutter ihre Kinder lieb hat. Eines Tages wollte sie in den Wald gehen und Futter holen, da rief sie alle sieben herbei und sprach: »Liebe Kinder, ich will hinaus in den Wald, seid auf eurer Hut vor dem Wolf; wenn er hereinkommt, so frißt er euch alle mit Haut und Haar. Der Bösewicht verstellt sich oft, aber an seiner rauhen Stimme und an seinen schwarzen Füßen werdet ihr ihn gleich erkennen.« Die Geißlein sagten: »Liebe Mutter, wir wollen uns schon in acht nehmen, ihr könnt ohne Sorge fortgehen.« Da meckerte die Alte und machte sich getrost auf den Weg.
Es dauerte nicht lange, so klopfte jemand an die Haustür und rief: »Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von euch etwas mitgebracht.« Aber die Geißerchen hörten an der rauhen Stimme, daß es der Wolf war. »Wir machen nicht auf«, riefen sie, »du bist unsere Mutter nicht, die hat eine feine und liebliche Stimme, aber deine Stimme ist rauh; du bist der Wolf.« Da ging der Wolf fort zu einem Krämer und kaufte sich ein großes Stück Kreide; die aß er und machte damit seine Stimme fein. Dann kam er zurück, klopfte an die Haustür und rief: »Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von euch etwas mitgebracht.« Aber der Wolf hatte seine schwarze Pfote in das Fenster gelegt, das sahen die Kinder und riefen: »Wir machen nicht auf, unsere Mutter hat keinen schwarzen Fuß wie du; du bist der Wolf.« Da lief der Wolf zu einem Bäcker und sprach: »Ich habe mich an den Fuß gestoßen, streich mir Teig darüber.« Und als ihm der Bäcker die Pfote bestrichen hatte, so lief er zum Müller und sprach: »Streu mir weißes Mehl auf meine Pfote.« Der Müller dachte, »der Wolf will einen betrügen« und weigerte sich, aber der Wolf sprach: »Wenn du es nicht tust, so fresse ich dich.« Da fürchtete sich der Müller und machte ihm die Pfote weiß. Ja, so sind die Menschen.
Nun ging der Bösewicht zum drittenmal zu der Haustür, klopfte an und sprach: »Macht mir auf, Kinder, euer liebes Mütterchen ist heimgekommen und hat jedem von euch etwas aus dem Walde mitgebracht.« Die Geißerchen riefen: »Zeig uns erst deine Pfote, damit wir wissen, daß du unser liebes Mütterchen bist.« Da legte er die Pfote ins Fenster und als sie sahen, daß sie weiß war, so glaubten sie, es wäre alles wahr, was er sagte, und machten die Tür auf. Wer aber hereinkam, das war der Wolf. Sie erschraken und wollten sich verstecken. Das eine sprang unter den Tisch, das zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank, das sechste unter die Waschschüssel, das siebente in den Kasten der Wanduhr. Aber der Wolf fand sie alle und machte nicht langes Federlesen: eins nach dem andern schluckte er in seinen Rachen; nur das jüngste in dem Uhrkasten das fand er nicht. Als der Wolf seine Lust gebüßt hatte, trollte er sich fort, legte sich draußen auf der grünen Wiese unter einen Baum und fing an zu schlafen.

Nicht lange danach kam die alte Geiß aus dem Walde wieder heim. Ach, was mußte sie da erblicken! Die Haustür stand sperrweit auf: Tisch, Stühle und Bänke waren umgeworfen, die Waschschüssel lag in Scherben, Decke und Kissen waren aus dem Bett gezogen. Sie suchte ihre Kinder, aber nirgends waren sie zu finden. Sie rief sie nacheinander bei Namen, aber niemand antwortete. Endlich als sie an das jüngste kam, da rief eine feine Stimme: »Liebe Mutter, ich stecke im Uhrkasten.« Sie holte es heraus und es erzählte ihr, daß der Wolf gekommen wäre und die anderen alle gefressen hätte. Da könnt ihr denken, wie sie über ihre armen Kinder geweint hat.
Endlich ging sie in ihrem Jammer hinaus und das jüngste Geißlein lief mit. Als sie auf die Wiese kam, so lag da der Wolf an dem Baum und schnarchte, daß die Äste zitterten. Sie betrachtete ihn von allen Seiten und sah, daß in seinem angefüllten Bauch sich etwas regte und zappelte. »Ach Gott«, dachte sie, »sollten meine armen Kinder, die er zum Abendbrot hinuntergewürgt hat, noch am Leben sein?« Da mußte das Geißlein nach Hause laufen und Schere, Nadel und Zwirn holen. Dann schnitt sie dem Ungetüm den Wanst auf und kaum hatte sie einen Schnitt getan, so streckte schon ein Geißlein den Kopf heraus, und als sie weiter schnitt, so sprangen nacheinander alle sechs heraus und waren noch alle am Leben, und hatten nicht einmal Schaden gelitten, denn das Ungetüm hatte sie in der Gier ganz hinuntergeschluckt. Das war eine Freude! Da herzten sie ihre liebe Mutter und hüpften wie ein Schneider, der Hochzeit hält. Die Alte aber sagte: »Jetzt geht und sucht Wackersteine, damit wollen wir dem gottlosen Tier den Bauch füllen, solange es noch im Schlafe liegt.« Da schleppten die sieben Geißerchen in aller Eile die Steine herbei und steckten sie ihm in den Bauch, soviel sie hineinbringen konnten. Dann nähte ihn die Alte in aller Geschwindigkeit wieder zu, daß er nichts merkte und sich nicht einmal regte.
Als der Wolf endlich ausgeschlafen hatte, machte er sich auf die Beine, und weil ihm die Steine im Magen so großen Durst erregten, so wollte er zu einem Brunnen gehen und trinken. Als er aber anfing zu gehen und sich hin und her zu bewegen, so stießen die Steine in seinem Bauch aneinander und rappelten. Da rief er:
»Was rumpelt und pumpeltin meinem Bauch herum?Ich meinte es wären sechs Geißleinso sind's lauter Wackerstein.«Und als er an den Brunnen kam und sich über das Wasser bückte und trinken wollte, da zogen ihn die schweren Steine hinein und er mußte jämmerlich ersaufen. Als die sieben Geißlein das sahen, da kamen sie herbeigelaufen, riefen laut: »Der Wolf ist tot! der Wolf ist tot!« und tanzten mit ihrer Mutter vor Freude um den Brunnen herum.

Der gute Handel
Ein Bauer, der hatte seine Kuh auf den Markt getrieben und für sieben Thaler verkauft. Auf dem Heimwege mußte er an einem Teich vorbei, und da hörte er schon von weitem wie die Frösche riefen: »Ak, ak, ak, ak.« »Ja«, sprach er für sich, »die schreien auch ins Haberfeld hinein; sieben sind's, die ich gelöst habe, keine acht.« Als er zu dem Wasser herankam, rief er ihnen zu: »Dummes Vieh, das ihr seid! wißt ihr's nicht besser? sieben Thaler sind's und keine acht.« Die Frösche blieben aber bei ihrem »ak, ak, ak, ak.« »Nun, wenn ihr's nicht glauben wollt, ich kann's euch vorzählen«, holte das Geld aus der Tasche und zählte die sieben Thaler ab, immer vierundzwanzig Groschen auf einen. Die Frösche kehrten sich aber nicht an seine Rechnung und riefen abermals: »Ak, ak, ak, ak.« »Ei«, rief der Bauer ganz bös, »wollt ihr's besser wissen als ich, so zählt selber«, und warf ihnen das Geld miteinander ins Wasser hinein. Er blieb stehen und wollte warten, bis sie fertig wären und ihm das Seinige wiederbrächten, aber die Frösche beharrten auf ihrem Sinn, schrien immerfort: »Ak, ak, ak, ak«, und warfen auch das Geld nicht wieder heraus. Er wartete noch eine gute Weile, bis der Abend anbrach, und er nach Hause mußte, da schimpfte er die Frösche aus und rief: »Ihr Wasserpatscher, ihr Dickköpfe, ihr Klotzaugen, ein groß Maul habt ihr und könnt schreien, daß einem die Ohren wehtun, aber sieben Thaler könnt ihr nicht zählen: meint ihr, ich wollte da stehen, bis ihr fertig wärt?« Damit ging er fort, aber die Frösche riefen noch »ak, ak, ak, ak« hinter ihm her, daß er ganz verdrießlich heimkam.

Über eine Zeit erhandelte er sich wieder eine Kuh, die schlachtete er, und machte die Rechnung, wenn er das Fleisch gut verkaufte, könnte er soviel lösen, als die beiden Kühe wert wären, und das Fell hätte er obendrein. Als er nun mit dem Fleisch zu der Stadt kam, war vor dem Tore ein ganzes Rudel Hunde zusammengelaufen, voran ein großer Windhund: der sprang um das Fleisch, schnupperte und bellte: »Was, was, was, was.« Als er gar nicht aufhören wollte, sprach der Bauer zu ihm: »Ja, ich merke wohl, du sagst »was, was«, weil du etwas von dem Fleisch verlangst, da sollt ich aber schön ankommen, wenn ich dir's geben wollte.« Der Hund antwortete nichts als »was, was.« »Willst du's auch nicht wegfressen und für deine Kameraden da gut stehen?« »Was, was«, sprach der Hund. »Nun, wenn du dabei beharrst, so will ich dir's lassen, ich kenne dich wohl und weiß, bei wem du dienst; aber das sage ich dir, in drei Tagen muß ich mein Geld haben, sonst geht dir's schlimm: du kannst mir's nur herausbringen.« Darauf lud er das Fleisch ab und kehrte wieder um: die Hunde machten sich darüber her und bellten laut: »Was, was.« Der Bauer, der es von weitem hörte, sprach zu sich: »Horch, jetzt verlangen sie alle was, aber der große muß mir einstehen.«

Als drei Tage herum waren, dachte der Bauer: »Heute abend hast du dein Geld in der Tasche« und war ganz vergnügt. Aber es wollte niemand kommen und auszahlen. »Es ist kein Verlaß mehr auf jemand«, sprach er, und endlich riß ihm die Geduld, daß er in die Stadt zu dem Fleischer ging und sein Geld forderte. Der Fleischer meinte, es wäre ein Spaß, aber der Bauer sagte: »Spaß beiseite, ich will mein Geld; hat der große Hund euch nicht die ganze geschlachtete Kuh vor drei Tagen heimgebracht?« Da ward der Fleischer zornig, griff nach einem Besenstiel und jagte ihn hinaus. »Wart«, sagte der Bauer, »es gibt noch Gerechtigkeit auf der Welt!« und ging in das Königliche Schloß und bat sich Gehör aus. Er ward vor den König geführt, der dasaß mit seiner Tochter und fragte, was ihm für ein Leid widerfahren wäre? »Ach«, sagte er, »die Frösche und die Hunde haben mir das Meinige genommen, und der Metzger hat mich dafür mit dem Stock bezahlt«, und erzählte weitläufig, wie es zugegangen war. Darüber fing die Königstochter laut an zu lachen, und der König sprach zu ihm: »Recht kann ich dir hier nicht geben, aber dafür sollst du meine Tochter zur Frau haben; ihr Lebtag hat sie noch nicht gelacht, als eben über dich, und ich habe sie dem versprochen, der sie zum Lachen brächte. Du kannst Gott für dein Glück danken.« »O«, antwortete der Bauer, »ich will sie gar nicht; ich habe daheim nur eine einzige Frau, und die ist mir schon zu viel. Wenn ich nach Hause komme, so ist mir nicht anders als ob in jedem Winkel eine stände.« Da ward der König zornig und sagte: »Du bist ein Grobian.« »Ach, Herr König«, antwortete der Bauer, »was könnt Ihr von einem Ochsen anderes erwarten als Rindfleisch!« »Warte«, erwiderte der König, »du sollst einen anderen Lohn haben. Jetzt pack dich fort, aber in drei Tagen komm wieder, so sollen dir fünfhundert vollgezählt werden.«

Wie der Bauer hinaus vor die Tür kam, sprach die Schildwache: »Du hast die Königstochter zum Lachen gebracht, da wirst du was rechtes bekommen haben.« »Ja, das mein ich«, antwortete der Bauer, »fünfhundert werden mir ausgezahlt.« »Hör«, sprach der Soldat, »gib mir etwas davon! Was willst du mit all dem Geld anfangen!« »Weil du's bist«, sprach der Bauer, »so sollst du zweihundert haben, melde dich in drei Tagen beim König, und laß dir's aufzählen.« Ein Jude, der in der Nähe geständen und das Gespräch mit angehört hatte, lief dem Bauer nach, hielt ihn beim Rock und sprach: »Gottes Wunder, was seid ihr ein Glückskind! ich will's euch wechseln, ich will's euch umsetzen in Scheidemünz, was wollt ihr mit den harten Thalern?« »Mauschel«, sagte der Bauer, »dreihundert kannst du noch haben, gib mir's gleich in Münze, heute über drei Tage wirst du dafür beim Könige bezahlt werden.« Der Jude freute sich über das Profitchen und brachte die Summe in schlechten Groschen, wo drei soviel wert sind als zwei gute. Nach Verlauf der drei Tage ging der Bauer, dem Befehl des Königs gemäß, vor den König. »Zieht ihm den Rock aus«, sprach dieser, »er soll seine fünfhundert haben.« »Ach«, sagte der Bauer, »sie gehören nicht mehr mein, zweihundert habe ich an die Schildwache verschenkt, und dreihundert hat mir der Jude eingewechselt, von Rechts wegen gebührt mir gar nichts.« Indem kam der Soldat und der Jude herein, verlangten das Ihrige, das sie dem Bauer abgewonnen hätten und erhielten die Schläge richtig zugemessen. Der Soldat ertrug's geduldig und wußte schon wie's schmeckte; der Jude aber hat jämmerlich: »Au weih geschrien! sind das die harten Thaler?« Der König mußte über den Bauer lachen, und da aller Zorn verschwunden war, sprach er: »Weil du deinen Lohn schon verloren hast, bevor er dir zu Teil ward, so will ich dir einen Ersatz geben: geh in meine Schatzkammer und hol dir Geld, so viel du willst.« Der Bauer ließ sich das nicht zweimal sagen und füllte in seine weiten Taschen was nur hinein wollte. Danach ging er ins Wirtshaus und überzählte sein Geld. Der Jude war ihm nachgeschlichen und hörte, wie er mit sich allein brummte: »Nun hat mich der Spitzbube von König doch hinters Licht geführt! Hätte er mir nicht selbst das Geld geben können, so wüßte ich, was ich hätte, wie kann ich nun wissen, ob das richtig ist, was ich so auf gut Glück eingesteckt habe!« »Gott bewahre«, sprach der Jude für sich, »der spricht despektierlich von unserem Herrn, ich lauf und geb's an, da krieg ich eine Belohnung, und er wird obendrein noch bestraft.« Als der König von den Reden des Bauern hörte, geriet er in Zorn und hieß den Juden hingehen und den Sünder herbeiholen. Der Jude lief zum Bauer: »Ihr sollt gleich zum Herrn König kommen, wie Ihr geht und steht.« »Ich weiß besser, was sich schickt«, antwortete der Bauer, »erst laß ich mir einen neuen Rock machen; meinst du, ein Mann, der soviel Geld in der Tasche hat, sollte in dem alten Lumpenrock hingehen?« Der Jude, als er sah, daß der Bauer ohne einen anderen Rock nicht wegzubringen war, und weil er fürchtete, wenn der Zorn des Königs verraucht wäre, so käme er um seine Belohnung und der Bauer um seine Strafe, so sprach er: »Ich will Euch für die kurze Zeit einen schönen Rock leihen aus bloßer Freundschaft; was tut der Mensch nicht alles aus Liebe!« Der Bauer ließ sich das gefallen, zog den Rock vom Juden an und ging mit ihm fort. Der König hielt dem Bauer die bösen Reden vor, die der Jude hinterbracht hatte. »Ach«, sprach der Bauer, »was ein Jude sagt, ist immer gelogen, dem geht kein wahres Wort aus dem Munde; der Kerl da ist imstande und behauptet, ich hätte seinen Rock an.« »Was soll mir das?« schrie der Jude, »ist der Rock nicht mein? Hab ich ihn Euch nicht aus bloßer Freundschaft geborgt, damit Ihr vor den Herrn König treten konntet?« Wie der König das hörte, sprach er: »Einen hat der Jude gewiß betrogen, mich oder den Bauer«, und ließ ihm noch etwas in harten Thalern nachzahlen. Der Bauer aber ging in dem guten Rock und mit dem guten Geld in der Tasche heim und sprach: »Diesmal hab ich's getroffen.«

Der wunderliche Spielmann
Es war einmal ein wunderlicher Spielmann, der ging durch einen Wald mutterseelen allein und dachte hin und her, und als für seine Gedanken nichts mehr übrig war, sprach er zu sich selbst: »Mir wird hier im Walde Zeit und Weile lang, ich will einen guten Gesellen herbeiholen.« Da nahm er die Geige vom Rücken und fiedelte eins, daß es durch alle Bäume schallte. Nicht lange, so kam ein Wolf durch das Dickicht dahergetrabt. »Ach, ein Wolf kommt! nach dem trage ich kein Verlangen«, sagte der Spielmann; aber der Wolf schritt näher und sprach zu ihm: »Ei, du lieber Spielmann, was fiedelst du so schön! das möcht ich auch lernen.« »Das ist bald gelernt«, antwortete ihm der Spielmann, »du mußt nur alles tun, was ich dich heiße.« »O Spielmann«, sprach der Wolf, »ich will dir gehorchen, wie ein Schüler seinem Meister.« Der Spielmann hieß ihn mitgehen, und als sie ein Stück Weges zusammen gegangen waren, kamen sie an einen alten Eichbaum, der innen hohl und in der Mitte aufgerissen war. »Sieh her«, sprach der Spielmann, »willst du fiedeln lernen, so lege die Vorderpfoten in diesen Spalt.« Der Wolf gehorchte, aber der Spielmann hob schnell einen Stein auf und keilte ihm die beiden Pfoten mit einem Schlag so fest, daß er wie ein Gefangener da liegen bleiben mußte. »Warte da solange, bis ich wieder komme«, sagte der Spielmann und ging seines Weges.
Über eine Weile sprach er abermals zu sich selber: »Mir wird hier im Walde Zeit und Weile lang, ich will einen anderen Gesellen herbeiholen«, nahm seine Geige und fiedelte wieder in den Wald hinein. Nicht lange, so kam ein Fuchs durch die Bäume dahergeschlichen. »Ach, ein Fuchs kommt!« sagte der Spielmann, »nach dem trage ich kein Verlangen.« Der Fuchs kam zu ihm heran und sprach: »Ei, du lieber Spielmann, was fiedelst du so schön! das möcht ich auch lernen.« »Das ist bald gelernt«, sprach der Spielmann, »du mußt nur alles tun, was ich dich heiße.« »O Spielmann«, antwortete der Fuchs, »ich will dir gehorchen, wie ein Schüler seinem Meister.« »Folge mir«, sagte der Spielmann, und als sie ein Stück Weges gegangen waren, kamen sie auf einen Fußweg, zu dessen beiden Seiten hohe Sträucher standen. Da hielt der Spielmann still, bog von der einen Seite ein Haselnußbäumchen zur Erde herab und trat mit dem Fuß auf die Spitze, dann bog er von der andern Seite noch ein Bäumchen herab und sprach: »Wohlan, Füchslein, wenn du etwas lernen willst, so reich mir deine linke Vorderpfote.« Der Fuchs gehorchte und der Spielmann band ihm die Pfote an den linken Stamm. »Füchslein.« sprach er, »nun reich mir die rechte!« die band er ihm an den rechten Stamm. Und als er nachgesehen hatte, ob die Knoten der Stricke auch fest genug waren, ließ er los, und die Bäumchen fuhren in die Höhe und schnellten das Füchslein hinauf, daß es in der Luft schwebte und zappelte. »Warte da solange, bis ich wiederkomme«, sagte der Spielmann und ging seines Weges.

Wiederum sprach er zu sich: »Zeit und Weile wird mir hier im Walde lang; ich will einen anderen Gesellen herbeiholen«, nahm seine Geige und der Klang erschallte durch den Wald. Da kam ein Häschen dahergesprungen. »Ach, ein Hase kommt!« sagte der Spielmann, »den wollte ich nicht haben.« »Ei, du lieber Spielmann«, sagte das Häschen, »was fiedelst du so schön, das möchte ich auch lernen.« »Das ist bald gelernt«, sprach der Spielmann, »du mußt nur alles tun, was ich dich heiße.« »O Spielmann«, antwortete das Häslein, »ich will dir gehorchen wie ein Schüler seinem Meister.« Sie gingen ein Stück Weges zusammen, bis sie zu einer lichten Stelle im Wald kamen, wo ein Espenbaum stand. Der Spielmann band dem Häschen einen langen Bindfaden um den Hals, wovon er das andere Ende an den Baum knüpfte. »Munter, Häschen, jetzt spring mir zwanzigmal an dem Baum herum«, rief der Spielmann, und das Häschen gehorchte, und wie es zwanzigmal herumgelaufen war, so hatte sich der Bindfaden zwanzigmal um den Stamm gewickelt und das Häschen war gefangen, und es mochte ziehen und zerren wie es wollte, es schnitt sich nur der Faden in den weichen Hals. »Warte da so lange, bis ich wiederkomme«, sprach der Spielmann und ging weiter.
Der Wolf indessen hatte gerückt, gezogen, an dem Stein gebissen und so lange gearbeitet, bis er die Pfoten frei gemacht und wieder aus der Spalte gezogen hatte. Voll Zorn und Wut eilte er hinter dem Spielmann her und wollte ihn zerreißen. Als ihn der Fuchs laufen sah, fing er an zu jammern und schrie aus Leibeskräften: »Bruder Wolf, komm mir zur Hilfe, der Spielmann hat mich betrogen.« Der Wolf zog die Bäumchen herab, biß die Schnüre entzwei und machte den Fuchs frei, der mit ihm ging und an dem Spielmann Rache nehmen wollte. Sie fanden das gebundene Häschen, das sie ebenfalls erlösten, und dann suchten alle zusammen ihren Feind auf.
Der Spielmann hatte auf seinem Wege abermals seine Fiedel erklingen lassen und diesmal war er glücklicher gewesen. Die Töne drangen zu den Ohren eines armen Holzhauers, der alsbald, er mochte wollen oder nicht, von der Arbeit abließ, und mit dem Beil unter dem Arme herankam, die Musik zu hören. »Endlich kommt doch der rechte Geselle«, sagte der Spielmann, »denn einen Menschen suchte ich und keine wilden Tiere.« Und fing an und spielte so schön und lieblich, daß der arme Mann wie bezaubert dastand und ihm das Herz vor Freude aufging. Und wie er so stand, kamen der Wolf, der Fuchs und das Häslein heran, und er merkte wohl, daß sie etwas Böses im Schilde führten. Da erhob er seine blinkende Axt und stellte sich vor den Spielmann, als wollte er sagen: »Wer an ihn will, der hüte sich, der hat es mit mir zu tun.« Da ward den Tieren angst und liefen in den Wald zurück, der Spielmann aber spielte dem Manne noch eins zum Dank und zog dann weiter.

Die zwölf Brüder
Es war einmal ein König und eine Königin, die lebten in Frieden miteinander und hatten zwölf Kinder, das waren aber lauter Buben. Nun sprach der König zu seiner Frau: »Wenn das dreizehnte Kind, was du zur Welt bringst, ein Mädchen ist, so sollen die zwölf Buben sterben, damit sein Reichtum groß wird und das Königreich ihm allein zufällt.« Er ließ auch zwölf Särge machen, die waren schon mit Hobelspänen gefüllt, und in jedem lag das Totenkißchen, und ließ sie in eine verschlossene Stube bringen, dann gab er der Königin den Schlüssel und gebot ihr, niemand etwas davon zu sagen.