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Der Tee der drei alten Damen / Чаепитие трех старух. Книга для чтения на немецком языке
»Malan? Gesprochen? Von Ihnen?« Pillevuit schüttelt ratlos den Kopf. »Nein, er hat gesagt, ein kleiner Junge habe ihm aufgeregt mitgeteilt, die Apotheke sei noch immer geschlossen, und man höre Stöhnen durch die Türe. Und da sei er eben hingegangen. Die Türen seien offen gewesen, das heißt, die Türe, die vom Hausgang in die Wohnung führt, und die Tür von der Wohnung in den Laden. Und dann hat er mich gleich angerufen, als er den Körper gesehen hat.«
»Sehen Sie, Kommissar, Sie müssen nicht böse werden, aber Ihre Leute arbeiten unexakt. Malan ist fortgelaufen, und Sie können sich vorstellen, welch eine Aufregung es in einer kleinen Gasse hervorruft, wenn ein uniformierter Polizist aus einem Hausgang herausstürzt. Die Gemüsefrau wollte gleich schauen gehen, was los war, sie rief ihre Nachbarinnen herbei, es waren spielende Kinder auf der Straße. Diese ganze Meute wollte den Laden stürmen. Da hab ich mich vor den Eingang gestellt, habe nur ›Polizei‹ gesagt und das Abzeichen meines Tennisklubs gezeigt, das ich hier unter dem Rockaufschlag trage. So habe ich Ihnen doch die Jungfernschaft dieses Falles gerettet, und dafür müssen Sie mir dankbar sein.«
»O'Key.« , Pillevuits Augen glänzten feucht, war es die Rührung, war es der Alkohol, oder vielleicht beides? . »O'Key, Sie sind ein Freund. Was soll ich nun tun?«
Der Reporter stellte freudig fest, dass die ausgeworfenen Enterhaken nicht mehr zu entfernen waren. Doch als er antworten wollte, unterbrach ihn Pillevuit wieder:
»Nein, Sie sollen mich nicht für ganz borniert halten. Ich will versuchen zusammenzufassen: Wir haben also zwei mysteriöse Vergiftungsfälle, einen fremden Sekretär und einen Genfer Apotheker. Beide werden, so scheint es, durch das gleiche Gift zu ermorden versucht. Es muss also ein Bindeglied zwischen den beiden zu finden sein. Da haben wir Professor Dominicé, er kennt Crawley, er kennt, wie Sie behaupten, auch den Apotheker. Beide Male war er in der Nähe, als das Verbrechen begangen wurde. Wir finden beide Male ein Bündel Drähte, wie sie zu jeder Pravazspritze geliefert werden. Wir stellen ferner fest, dass der junge Sekretär am Abend seines. seines Unfalls eine Einladung des Professors erhalten hatte. Wir finden ferner bei dem Apotheker Dinge, die auf das Hineinspielen einer okkulten Sekte deuten. Wir wissen ferner, dass der Professor sich mit spiritistischen Phänomenen beschäftigt hat, dass seine Haushälterin früher Medium war – Donnerwetter« , unterbrach sich Pillevuit. »die dicke Frau, die mit dem Professor aus dem Haus des Apothekers gekommen ist, ist das.?«
»Natürlich ist sie das, nur weiter, Kommissar.«
»Ja, jetzt weiß ich nicht weiter. Denn einerseits behauptet die indische Exzellenz, ihr seien wertvolle Dokumente entwendet worden, und diese Dokumente habe Crawley gehabt. Also ein Mord mit einem klaren, politischen Hintergrund. Aber beim Apotheker scheint etwas anderes mitzuspielen. Eben dieses Hexenrezept, und die Münze und die gelbe Stirnbinde. Sagen Sie, O'Key, was ist's eigentlich mit diesen Hexensalben?«
»Die Hexensalben? Ein Rauschmittel, mein Lieber. Die armen Frauen hatten Visionen, sie meinten zu fliegen. Sie rieben sich mit der Salbe ein, gewöhnlich die Körperstellen, wo die Haut dünn war, Achselhöhlen und so weiter, dann klemmten sie sich einen Besenstiel zwischen die Beine, legten sich aufs Bett, sagten: ›Obenaus und nirgent an‹, und dann flogen sie zum Kamin hinaus, auf den Blocksberg oder sonst wohin, nach Thessalien, was weiß ich, und trieben dort Unzucht mit dem Teufel, dem Abraxas, dem Behemoth, dem Herrn der Fliegen und anderen Gewürms. Ja. So ging die Sache vor sich. Und dafür wurden sie verbrannt. Wenn man nämlich ein Teufelszeichen an ihrem Körper entdeckte. Und ich habe mir sagen lassen, der Apotheker sowohl als auch der junge Mann hätten in der Ellbogenbeuge einen Einstich gehabt, mit einem roten Hof darum, und das sah aus, wie eine ungeschickt gemachte, intravenöse Injektion. Vielleicht war es auch etwas anderes.«
Sie haben sicher schon Heu gesehen, das Pech gehabt hat. Es war halb trocken, dann regnete es drauf, dann trocknete es wieder, dann wurde es wieder nass, und dann wurde es eingeführt, noch halb feucht. Genau wie dieses Heu sah Pillevuits Bart aus. Er war matt und unansehnlich, gar nicht mehr stolz wogend, wie eine blonde Fahne.
Madge Lemoyne hatte die Abendvisite in aller Eile erledigt. Sie wollte in die Stadt, sie war unruhig. Wem sollte sie von ihrem merkwürdigen Patienten erzählen? Sie beschloss Professor Dominicé aufzusuchen und mit ihm über Jane Pochon zu sprechen. Als sie mit ihrem Zweisitzer gegen fünf Uhr vor dem Hause des Professors hielt, sprang Ronny als erster aus dem Wagen. Er ging kläffend auf einen Mann los, der an einer Straßenecke stand und in die Luft starrte. Der junge Mann (er war lang, sehr lang, trug rote drahtige Haare über einem mit Sommersprossen besäten Gesicht) schnalzte auf sonderbare Art mit der Zunge, stieß Laute aus, die wie ein zerquetschtes Gebell klangen, worauf Ronny einen kurvenreichen Freudentanz aufführte und den Mann stürmisch begrüßte. Auf die Rufe seiner Herrin hörte er nicht. Madge musste näher kommen und den Hund am Halsband packen, auch das nützte wenig. Ronny erstickte fast an seiner Freude.
Der Fremde verbeugte sich vor Madge (den Hut konnte er nicht ziehen, denn er war barhaupt). »Entschuldigen Sie« , sagte er. »Cyrill Simpson O'Key.«
»Oh, Sie sind Engländer?« fragte Madge und wurde rot. Das ärgerte sie, denn schließlich war sie eine berufstätige Frau und kein Backfisch, der errötet, wenn er von einem Herrn angesprochen wird. Das weitere Gespräch wurde auf Englisch geführt.
»Ich bin Ire« , sagte O'Key todernst und tätschelte Ronny, der vor Begeisterung über die neue Bekanntschaft fast in hysterische Krämpfe verfiel.
»Kennen Sie denn Ronny?« fragte Madge.
»Nein« , O'Key wackelte ein wenig mit der Nase, was Madge zum Lachen brachte. »Ich kenne nur die Airedaler Sprache und weiß, wie man einem Hunde ein Kompliment zu machen hat.«
Darauf entstand ein Schweigen. Ronny bellte hinter einem Radfahrer her, der einen großen Korb auf dem Rücken trug. Ronnys Antipathie gegen die moderne Technik erstreckte sich auch auf Fahrräder.
»Ja, ich muss weiter« , seufzte Madge, und sie empfand ihr Seufzen selber als unmotiviert. »Einen Besuch machen.«
»Oh« , sagte O'Key. »Sie wollen in dieses Haus? Zu dem Professor? Nehmen Sie sich in acht, Miss Lemoyne, der Professor wird beobachtet.«
»Beobachtet?« Madge war erschrocken. »Von wem denn?«
»Erstens von mir. Denn auch ich muss ihn sprechen und weiß nicht recht, wie ich es anstellen soll. Ihn einfach besuchen geht nicht, ihn auf der Straße abfangen gefällt mir nicht. Ich weiß nicht recht, was ich tun soll. Wissen Sie mir keinen Rat?«
»Ja, warum wollen Sie ihn denn sprechen? Wer sind Sie eigentlich?« wollte Madge wissen.
Das sei immerhin schwer zu definieren, erwiderte O'Key – und ganz verschwommen kam es ihm zum Bewusstsein, dass es ihm Schwierigkeiten machte, die Frau neben ihm anzulügen; sie gingen auf und ab, und Ronny versuchte während dieser Zeit die psychologischen Reaktionen eines Köters zu prüfen, der traurig an einer Ecke saß, indem er diesen Hund sachlich in den Schwanz kniff, – Ronny war nicht umsonst der Hund einer Seelenärztin – ja, wiederholte O'Key, er sei also eigentlich Reporter und von seiner Zeitung ausgesandt, um über eine dunkle Angelegenheit zu berichten. Es sei da ein junger Engländer, ein Diplomat, auf ziemlich mysteriöse Art in die Gefilde der Seeligen hinübergewechselt – Madge schaute bei dieser Ausdrucksweise kurz auf, schwieg aber – und das Londoner Publikum fühle sich von geheimnisvollen Begebenheiten nur allzu sehr angezogen. Als ob der Tod eines chinesischen Kulis nicht ebenso geheimnisvoll sei. Aber Kulis gebe es eben Millionen und diplomatische Sekretäre nur eine kleine Menge und das erkläre vielleicht zum Teil das Interesse eines hungrigen Publikums. Nun ja, kurz und gut, der Professor Dominicé scheine da etwas zu wissen, über den Tod dieses Sekretärs Crawley, und da sei noch die Geschichte mit dem Apotheker, die sei auch düster, und auch da habe der werte Gelehrte seine Hand im Spiele, es empfehle sich daher, ein Interview zu riskieren, nicht wahr. »Lachen Sie« , befahl O'Key plötzlich streng, dann stieß er selber ein Gewieher aus, das seine Zähne zeigte.
»Warum?« Hatte Madge es mit einem Verrückten zu tun? Aber der vielleicht Verrückte ließ ihr keine Zeit, auch nur den Versuch einer Diagnose zu stellen, er hatte ihren Arm gepackt.
»Lachen Sie« , befahl er wieder. »es muss aussehen, als ob wir alte Bekannte wären, und Sie müssen denken, ich hätte Ihnen soeben einen fabelhaften Witz erzählt. Hahaha« , und Madge lachte ängstlich mit. »Noch einmal!« Und noch einmal lachte Madge.
»Ich will Ihnen erklären, warum. Dort drüben an der Ecke steht ein reichlich unsympathischer Zweibeiner mit eingefettetem Schnurrbart, einer fettigen Krawatte und seine Hose hat Wülste über den Knien. Das ist Herr Deriaz, dem soeben telefonisch ein Rüffel überwiesen worden ist, und zwar von meinem Freunde, dem Kommissar Pillevuit. Weil nämlich besagter Geheimpolizist Deriaz gestern Abend nicht aufgepasst hat. Und nun geht es den Herrn gar nichts an, wer Sie sind, und in welchen Beziehungen Sie zu dem Professor stehen. Wir werden also zusammen den Professor besuchen, und Herr Deriaz wird dann seiner Behörde mitteilen können, dass ein Herr und eine Dame, nun ja, das wird er schon gut machen.«
Viertes Kapitel
Professor Dominicé führte ein unregelmäßiges Leben. Aber dies störte niemand, da er keine Familie und keine besorgte Gattin hatte. Wohl wurde er von seiner Haushälterin, eben jener Jane Pochon, deren Anblick auf die Seelenärztin Madge Lemoyne so niederdrückend wirkte, ausgiebig tyrannisiert, aber der Professor war über diese Tyrannei hoch erhaben. Er fühlte sie kaum.
Er führte ein unregelmäßiges Leben, sagten wir. Das heißt, er machte die Nacht zum Tag, stand spät auf, erst gegen Mittag, brauchte dann zwei, drei Stunden, bis er das Elend eines neubeginnenden Tages überwunden hatte; darum hatte er auch seine Vorlesungsstunden auf den Nachmittag gelegt. Er las an der Universität zwischen fünf und sechs Uhr und dies nur dreimal in der Woche, es war mehr ein Ehrenamt als ein Beruf. Obwohl zu sagen ist, dass Professor Dominicé in diesen drei wöchentlichen Stunden wahrscheinlich Wichtigeres zu sagen hatte, als gewisse seiner Kollegen in langatmigen Vorlesungen.
Heute war Professor Dominicé erst um zwei Uhr aufgestanden. Als er um sechs Uhr morgens heimgekommen war, hatte er gar nicht sein Schlafzimmer aufgesucht, sondern sich angekleidet auf das Sofa gelegt, das in seinem Arbeitszimmer stand. Nur den grauen Gehrock hatte er sorgfältig über einen Stuhl gehängt, den steifen Kragen darauf gelegt und die breite Plastronkrawatte unter einige Wälzer auf seinem Schreibtisch zum Glätten ausgebreitet. Hernach war er durch einen zähen Schlaf geschwommen, einen unruhigen und quälenden, so wie man durch ein bewegtes Wasser schwimmt, dessen Wellen bedrohend wirken. Aber selbst diesen Schlaf, so unruhig er auch gewesen war, hatte er noch als Wohltat empfunden, dem Erwachen gegenüber: dies war nun bewusste, graue Pein, aus der es keine Fluchtmöglichkeit gab.
Der Professor stand auf, ein nervöses Gähnen, das sich stets wiederholte und sich durch keinen Willensakt unterdrücken ließ, trieb ihm die Tränen in die Augen. Er ging ins Schlafzimmer, wusch sich, bürstete mit zwei Bürsten seinen Apostelbart, sah lange in den Spiegel, schüttelte den Kopf: er fand sich abstoßend, murmelte Worte, die übersetzt etwa ›grausige Fresse‹ bedeuteten, ging wieder ins Arbeitszimmer zurück, legte Kragen und Krawatte an, schloss eine Schublade auf und entnahm ihr eine Flasche, die mit einer farblosen Flüssigkeit gefüllt war. Dann war ein zitterndes Klirren zu hören; es war sehr still im Zimmer. Der Professor seufzte tief auf, er blieb noch einige Augenblicke sitzen, den Kopf in die Hand gestützt, das Gähnen hatte aufgehört, trocken wurden seine vorher tränenden Augen, und die Pupillen verengerten sich; sie waren schließlich genau so groß wie Stecknadelköpfe.
Wir wollen nicht allzu geheimnisvoll tun. Professor Dominicé war Morphinist, und dies seit einem Jahre. Wenige Leute nur wussten von dieser Tatsache, die wohl in seinem Leben keine allzu einschneidende Rolle gespielt hätte, wenn durch sie nicht eine rastlose Neugierde in ihm erwacht wäre, eine Neugierde, die ihn dazu trieb, die Wirkung der verschiedenen Nervengifte am lebenden Objekt zu studieren. Doch davon später.
Zwei Stunden saß der Professor ungestört an seinem Schreibtisch, der kleine Haufen Zettel, der links neben ihm lag, wurde immer dünner, während rechts von ihm die ins reine geschriebenen Foliobogen den schon vorhandenen Stoß vermehrten. Von Zeit zu Zeit nahm er seine Zuflucht zu der Flasche, dann war das leise Klirren im Raume wieder zu hören. Auf dem Schreibtisch brannte die Lampe, die Läden vor den Fenstern waren geschlossen, der Professor hasste das Tageslicht. Und beim Lichte der Lampe betrachtete er manchmal die Hand, welche die Feder hielt, es war eine magere Hand, mit jugendlicher Haut, ohne die blauen hervortretenden Venen, die sonst Greisenhände verunzieren, und jedes Mal, wenn der Professor diese seine Hand betrachtete, schüttelte er den Kopf, so, als betrachte er einen fremden, unsympathischen Gegenstand.
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