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Er winkte ab. Ich begann von neuem. Aber Blumenthal wußte ebenso, daß seine Stärke hinter seinem Schreibtisch lag. Er setzte seine Brille ab und ging mich jetzt erst richtig an. Wir kämpften wie ein Tiger mit einer Pythonschlange. Blumenthal war der Python. Ehe ich mich umsehen konnte, hatte er mir schon fünfzehnhundert Mark abgehandelt. Mir wurde angst und bange. Ich griff in die Tasche und nahm Gottfrieds Amulett fest in die Hand.

»Herr Blumenthal«, sagte ich ziemlich erschöpft, »es ist ein Uhr, Sie müssen sicher zum Essen!«

Ich wollte um alles in der Welt‚ raus aus dieser Bude, in der die Preise wie Schnee zerschmolzen.

»Ich esse erst um zwei«, erklärte Blumenthal ungerührt, »aber wissen Sie was? Wir können jetzt die Probefahrt machen.«

Ich atmete auf. »Nachher reden wir dann weiter«, fügte er hinzu. Ich atmete wieder ein.

Wir fuhren zu seiner Wohnung. Zu meinem Erstaunen war er im Wagen plötzlich wie ausgewechselt. Gemütlich erzählte er mir den Witz vom Kaiser Franz Josef, den ich längst kannte. Erst vor seiner Wohnung wurden wir wieder Seriös. Er bat mich zu warten, er wolle seine Frau holen.

»Mein lieber dicker Cadillac«, sagte ich und klopfte dem Wagen auf den Kühler, »hinter dieser Witzeerzählerei steckt sicher wieder eine neue Teufelei. Aber sei nur ruhig, wir kriegen dich schon unter Dach und Fach. Wenn ich diesem direkten Nachkommen noch hundert Mark nachlasse, will ich mein ganzes Leben keinen Schnaps mehr trinken.«

Frau Blumenthal erschien. Ich erinnerte mich an alle Ratschläge von Lenz und verwandelte mich aus einem Kämpfer in einen Kavalier. Blumenthal hatte dafür nur ein niederträchtiges Lächeln. Der Mann war aus Eisen. Er hätte Lokomotiven verkaufen sollen, aber keine Trikotagen. Ich sorgte dafür, daß er hinten in den Wagen kam und seine Frau neben mich.

»Wohin darf ich Sie fahren, gnädige Frau?« fragte ich schmelzend.

»Wohin Sie wollen«, meinte sie, mütterlich lächelnd.

Ich begann zu plaudern. Ich sprach so leise, daß Blumenthal nicht viel verstehen konnte. So sprach ich freier. Es war ohnehin schon schlimm genug, daß er hinten saß. Wir hielten. Ich stieg aus und sah meinen Feind fest an.

»Sie müssen doch zugeben, daß der Wagen sich wie Butter fährt, Herr Blumenthal.«

»Was heißt schon Butter, junger Mann«, entgegnete er sonderbar freundlich, »wenn die Steuern einen auffressen. Der Wagen kostet zuviel Steuern.«

»Herr Blumenthal«, sagte ich, »Sie sind Geschäftsmann, zu Ihnen kann ich, aufrichtig reden. Das sind keine Steuern, das sind Spesen. Sagen Sie selbst, was erfordert ein Geschäft denn heute? Sie wissen es – nicht mehr Kapital wie früher –, Kredit braucht es! Und wie kriegt man Kredit? Immer noch durchs Auftreten. Ein Cadillac ist solide, aber nicht altmodisch – gesundes Bürgertum –, er ist die lebendige Reklame fürs Geschäft.«

Blumenthal wandte sich belustigt an seine Frau. »Ein jüdisches Köpfchen hat er, wie? Junger Mann«.

»Die Farbe hier kleidet Sie übrigens sehr gut, gnädige Frau – gedämpftes Kobaltblau zu Blond…«

»Hören Sie, Herr Lohkamp! Ich weiß, daß ich Ihnen noch tausend Mark abhandeln kann, aber ich tue es nicht. Es hat mir Spaß als Geschäftsmann gemacht, wie Sie gearbeitet haben. Herr Lohkamp, Respekt! Wenn Sie mal ohne Stellung sind, rufen Sie bei mir an.«

Er schrieb einen Scheck aus und gab ihn mir. Ich traute meinen Augen nicht! Vorauszahlung! – ein Wunder!

»Herr Blumenthal«, sagte ich, »erlauben Sie mir, zu dem Wagen zwei kristallene Aschenbecher und eine erstklassige Gummifußmatte gratis dreinzugeben.«

»Schön«, meinte er, »da kriegt der alte Blumenthal auch mal was geschenkt.«

Dann lud er mich für den nächsten Tag zum Abendessen ein. Frau Blumenthal lächelte mir mütterlich zu.

»Es gibt gefüllten Hecht[5]«, sagte sie weich.

»Eine Delikatesse«, erklärte ich. »Dann bringe ich Ihnen gleich den Wagen mit. Morgen früh lassen wir ihn zu.«

Ich flog wie eine Schwalbe zurück zur Werkstatt. Aber Lenz und Köster waren zum Essen gegangen. Nur Jupp war da.

»Verkauft?« fragte er.

»Das möchtest du wohl wissen«, sagte ich. »Hier, da hast du einen Taler. Bau dir ein Flugzeug dafür.«

»Also verkauft«, grinste Jupp.

»Ich fahre jetzt zum Essen«, sagte ich, »aber wehe, wenn du den andern was sagst, bevor ich zurück bin.«

»Herr Lohkamp«, beteuerte er und wirbelte den Taler durch die Luft, »ich bin ein Grab.«

»So siehst du aus«, sagte ich und gab Gas.

Als ich auf den Hof zurückkam, machte Jupp mir ein Zeichen.

»Was ist los?« fragte ich. »Hast du den Schnäbel nicht gehalten?«

»Herr Lohkamp! Wie Eisen!« Er grinste.

»Nur – der Fordfritze ist drin.«

Ich ließ den Cadillac auf dem Hof stehen und ging in die Werkstatt. Der Bäckermeister war da und beugte sich gerade über ein Buch mit Farbproben. Er trug einen karierten Gürtelmantel mit breitem Trauerflor. Neben ihm stand eine hübsche Person mit schwarzen Augen, einem offenen Mäntelchen und zu kleinen Lackschuhen. Der Bäcker hatte gegen Rot Bedenken, weil er doch in Trauer war. Er schlug ein fahles Gelbgrau vor.

»Ach was«, maulte die Schwarze, »ein Ford muß auffallend lackiert sein. Sonst sieht er nach nichts aus.«

Sie schickte Blicke nach uns aus. Ein munteres Kind! Schließlich einigten sich beide auf Resedagrün. Das Mädchen wollte ein helles Verdeck dazu haben. Doch da wurde der Bäckermeister stark: Irgendwo sollte die Trauer herauskommen. Er setzte ein schwarzes Lederverdeck durch. Dabei machte er nebenbei noch ein Geschäft; denn er bekam das Verdeck ja gratis und Leder war teurer als Stoff. Die beiden gingen. Aber auf dem Hof gab es noch einen Aufenthalt. Die Schwarze hatte den Cadillac erblickt.

»Sieh mal, Puppi, das ist ein Wagen! Fabelhaft! Das lass‘ ich mir gefallen!«

Im nächsten Augenblick hatte sie die Tür schon offen und saß drin.

»Das sind Sitze! Kolossal! Wie Klubsessel! Das ist was anderes als der Ford!«

»Na, komm schon«, sagte Puppi mißmutig.

Mit Mühe bekam der Bäcker sein schwarzes Juwel endlich aus dem Wagen und zog etwas gekränkt und stark verärgert ab. Wir sahen dem Paar nach.

»Ein Mann von schnellen Entschlüssen!« sagte ich. »Reparierter Wagen – neue Frau – alle Achtung!«

»Na«, meinte Köster, »an der wird er noch Freude haben.«

»Otto, nimm Abschied von unserm Cadillac-Kinde! Es gehört nicht mehr uns.«

Ich zog den Scheck heraus. Lenz fiel beinahe auseinander.

»Doch nicht – was? Etwa – bezahlt?« flüsterte er heiser.

»Was dachten Sie Anfänger denn?« fragte ich und schwenkte den Scheck hin und her. »Ratet!«

»Vier!« rief Lenz mit geschlossenen Augen.

»Vierfünf«, sagte Köster.

»Fünf«, schrie Jupp von der Pumpe aus herüber.

»Fünffünf«, sagte ich.

Lenz riß mir den Scheck aus der Hand. »Unmöglich!«

»Herr Lenz«, sagte ich, »der Scheck ist so sicher, wie Sie unsicher sind! Mein Freund Blumenthal ist für die zwanzigfache Summe gut. Mein Freund, verstehen Sie, bei dem ich morgen abend gefüllten Hecht esse.«

»Du hast tadellos verkauft, Robby«, sagte Köster.

»Gibst du mir fünfzig Mark Vorschuß?« fragte ich.

»Hundert. Hast‘s verdient.«

»Kinder, wir machen Schluß für heute!« schlug Köster vor. »Genug für einen Tag verdient! Wollen mit Karl‚ rausfahren und zum Rennen trainieren.«

»Jupp«, sagte Otto lachend, »du kommst mit!«

Wir fuhren zunächst zur Bank und gaben den Scheck ab. Lenz ruhte nicht, bis er wußte, daß er in Ordnung war. Dann hauten wir ab, daß die Funken aus dem Auspuff stoben.

8

Ich stand meiner Wirtin gegenüber.

»Wo brennt‘s?« fragte Frau Zalewski.

»Nirgendwo«, erwiderte ich. »Ich will nur meine Miete bezahlen.«

Es war noch drei Tage zu früh, und Frau Zalewski fiel vor Erstaunen fast um.

»Kann ich heute abend mal die beiden Brokatsessel aus Ihrem Salon haben?«

»Gefällt Ihnen Ihr Zimmer nicht mehr?«

»Doch. Aber Ihre Brokatsessel gefallen mir besser.«

Ich erklärte ihr, daß ich vielleicht Besuch von einer Kusine bekäme und dazu das Zimmer gern etwas hübscher haben möchte. Sie lachte.

»Kusine, und wann kommt die Kusine?«

»Es ist noch gar nicht sicher«, sagte ich, »aber wenn sie kommt, natürlich früh, frühabends, zum Essen«.

»Die Brokatsessel können Sie haben. Stellen Sie die roten Plüsch solange in den Salon.«

»Danke schön. Morgen bringe ich alles zurück. Den Teppich auch.«

»Teppich?« Sie drehte sich um. »Wer hat denn hier ein Wort vom Teppich gesagt?«

»Ich. Und Sie auch, eben gerade.Der gehört doch dazu«, sagte ich. »Die Sessel stehen doch drauf.«

Ich war dabei, meine Bude auszuschmücken. Nachmittags hatte ich mit Patrice Hollmann telefoniert. Sie war krank gewesen, und ich hatte sie fast eine Woche nicht mehr gesehen. Jetzt waren wir um acht Uhr verabredet, und ich hatte ihr vorgeschlagen, bei mir zu essen und nachher in ein Kino zu gehen. Die Brokatsessel und der Teppich wirkten pompös; aber die Beleuchtung dazu war schrecklich. Ich klopfte deshalb nebenan bei der Familie Hasse, um mir eine Tischlampe auszuleihen. Frau Hasse saß müde am Fenster. Ihr Mann war noch nicht da. Er arbeitete jeden Tag freiwillig ein bis zwei Stunden länger, um nur ja nicht entlassen zu werden.

Sie holte mir die Lampe. Dann ging ich zu Erna Bönig, um mir ihr Grammophon zu holen. Erna kniete vor ihrem Koffer nieder und suchte mir eine Anzahl Platten heraus.

»Wollen Sie Foxtrotts?« fragte sie.

»Nein«, erwiderte ich. »Ich kann nicht tanzen.«

Sie sah erstaunt auf. »Sie können nicht tanzen? Ja, was machen Sie dann, wenn Sie ausgehen? Ein Mann, der nicht tanzen kann, wäre bei mir abgemeldet.«

»Aber es gibt ja auch noch andere Platten. Sie spielten da neulich eine sehr schöne – es war eine Frauenstimme mit so einer Art Hawaiimusik…«

»Ah, die ist fabelhaft. ›Wie hab‘ ich nur leben können ohne dich…‹, nicht wahr?«

»Richtig!«

Ich packte aus, was ich zum Abendbrot eingekauft hatte, und machte alles zurecht, so gut ich konnte. Aus der Küche war keine Hilfe für mich zu erwarten. Aber es ging auch so, und bald kannte ich meine alte Bude nicht wieder in ihrem neuen Glanz. Die Sessel, die Lampe, der gedeckte Tisch – ich spürte, wie eine unruhige Erwartung sich in mir sammelte. Ich brach auf, obschon ich noch über eine Stunde Zeit hatte. Draußen wehte der Wind. Die Laternen brannten schon.

Die Haustür klappte.

»Hallo«, sagte Patrice Hollmann, »so tief in Gedanken?«

»Nein, gar nicht! Aber wie geht es Ihnen? Sind Sie wieder gesund? Was haben Sie denn gehabt?«

»Ach, nichts Besonderes. Erkältet und ein bißchen Fieber.«

Sie sah gar nicht krank und angegriffen aus, Im Gegenteil, – ihre Augen waren mir noch nie so groß und strahlend erschienen, ihr Gesicht war ein wenig gerötet.

»Sie sehen prachtvoll aus«, sagte ich. »Ganz gesund! Wir können eine Menge unternehmen.«

»Das wäre schön«, erwiderte sie. »Aber heute geht es nicht. Ich kann heute nicht.«

Ich starrte sie verständnislos an. »Sie können nicht?«

Sie schüttelte den Kopf. »Leider nicht.« Ich begriff immer noch nicht. Ich glaubte, sie hätte sich das mit meiner Bude anders überlegt und wollte nur nicht bei mir essen.

»Ich habe schon bei Ihnen angerufen«, sagte sie, »damit Sie nicht vergebens kämen. Aber Sie waren schon weggegangen.«

Jetzt verstand ich endlich. »Sie können wirklich nicht? Den ganzen Abend nicht?« fragte ich.

»Heute nicht. Ich muß irgendwohin. Leider habe ich es auch erst vor einer halben Stunde erfahren.«

»Können Sie das denn nicht verschieben?«

»Nein, das geht nicht.« Sie lächelte. »Es ist so etwas wie eine geschäftliche Sache.«

Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Mit allem hatte ich gerechnet, nur damit nicht. Ich glaubte ihr kein Wort. Geschäftliche Sache – sie sah nicht nach geschäftlichen Sachen aus! Wahrscheinlich war es nur eine Ausrede. Sicher sogar. Was konnte man abends schon für geschäftliche Besprechungen haben? So was machte man vormittags! Und man erfuhr es auch nicht erst eine halbe Stunde vorher. Sie wollte einfach nicht, das war alles. Ich war auf eine kindische Weise enttäuscht. Jetzt spürte ich erst, wie sehr ich mich auf den Abend gefreut hatte. Ich ärgerte mich darüber, daß ich so enttäuscht war, und ich wollte nicht, daß sie es merkte.

»Also schön«, sagte ich, »dann ist nichts zu machen. Auf Wiedersehen.«

Sie sah mich forschend an.

»So eilig ist es nicht. Ich bin erst um neun verabredet. Wir können noch etwas Spazierengehen. Ich war die ganze Woche nicht draußen.«

»Gut«, sagte ich.

Ich fühlte mich plötzlich müde und leer. Wir gingen die Straße entlang. Der Abend war klargeworden, und die Sterne standen zwischen den Dächern. Patrice Hollmann blieb stehen.

»Wie schön das ist, wenn man so lange im Zimmer gewesen ist! Zu schade, daß ich fort muß! Dieser Binding – immer eilig und im letzten Moment –, er hätte wirklich die Sache auf morgen verlegen können!«

»Binding?« fragte ich. »Sie sind mit Binding verabredet?«

Sie nickte. »Mit Binding und noch jemand. Auf diesen Jemand kommt es an. Ernsthaft geschäftlich. Können Sie sich das denken?«

»Nein«, erwiderte ich, »das kann ich mir nicht denken.«

Sie lachte und sprach weiter. Aber ich hörte nicht mehr zu. Binding – das war mir wie ein Blitz in die Knochen gefahren. Ich dachte nicht daran, daß sie ihn viel länger kannte als mich. Das Mädchen paßte ja überhaupt nicht zu mir! Was war ich denn schon? Ein Fußgänger, der sich mal einen Cadillac geborgt hatte, eine Schnapsdrossel, nichts weiter! So was war an jeder Straßenecke zu finden. Zurück, dachte ich, rasch zurück! Eine Ahnung, eine Hoffnung – was war schon viel gewesen! Es war sinnlos, sich darauf einzulassen. Nichts wie zurück!

»Wir können uns morgen abend treffen, wenn Sie wollen«, sagte Patrice Hollmann.

»Morgen abend habe ich keine Zeit«, erwiderte ich.

»Oder übermorgen oder irgendwann in dieser Woche. Ich habe in den nächsten Tagen nichts vor.«

»Es wird schwierig sein«, sagte ich. »Wir haben heute einen eiligen Auftrag bekommen, da müssen wir wahrscheinlich die ganze Woche durch bis nachts arbeiten.«

Es war Schwindel, aber ich konnte nicht anders. Wir überquerten den Platz und gingen die Straße am Friedhof entlang. Ich merkte, daß sie mich ansah.

»Ich glaube, wir müssen jetzt umkehren«, sagte sie.

»Ja«, erwiderte ich, »das glaube ich auch.«

Wir standen vor der Haustür.

»Leben Sie wohl«, sagte ich, »und viel Vergnügen noch.«

Sie antwortete nicht. Mit ziemlicher Mühe brachte ich meine Augen von dem Klingelknopf an der Tür los und sah sie an. Ihre Augen flimmerten, und dann lachte sie, herzlich und unbekümmert, sie lachte mich einfach aus.

»Sie Kindskopf«, sagte sie, »o Gott, was sind Sie noch für ein Kindskopf!«

Ich starrte sie an.

»Na ja. Sie finden mich wohl etwas idiotisch, was?«

Sie lachte. Rasch machte ich einen Schritt vor und zog sie fest an mich, mochte sie denken, was sie wollte. Ihr Gesicht war dicht vor mir, ich spürte den schwachen Pfirsichgeruch ihrer Haut – dann näherten sich ihre Augen, und ich fühlte plötzlich ihre Lippen auf meinem Mund – Sie war fort, ehe ich richtig wußte, was los war.

Ich ging zurück und kam an Muttchens Wurstkessel vorbei.

»Gib mir mal eine große Bockwurst«, sagte ich strahlend.

»Mit Senf?« fragte Muttchen in ihrer sauberen, weißen Schürze.

»Mit sehr viel Senf, Muttchen!«

Ich aß die Wust genießerisch im Stehen auf und ließ mir aus dem International von Alois dazu ein Glas Bier herausreichen.

»Der Mensch ist ein komisches Wesen, Muttchen, was?« fragte ich.

»Das kannst du wohl glauben«, erwiderte sie eifrig. »Kommt da gestern ein Herr, ißt zwei Wiener mit Senf, und nachher kann er sie nicht bezahlen. Schön, es war spät, kein Mensch sonst da, was sollte ich machen, das kennt man ja, ich lasse ihn laufen. Und stell dir vor, heute kommt er wieder und bezahlt die Wiener und gibt mir noch ein Trinkgeld.«

»Gib mir noch eine Bockwurst«, sagte ich, »ich habe so eine Lust am Leben.«

»Hast du deinen feinen Posten noch?« fragte sie mich.

Ich nickte. »Ja, Muttchen. Ich verdiene jetzt gut.«

»Sieh man zu, daß du ihn hältst.«

»Werde schon aufpassen, Muttchen.«

Ich kam nach Hause. Ich klopfte bei Georg Block. Eine Lichtritze stand unter seiner Tür. Er büffelte.

»Komm, Georgie, fressen«, sagte ich.

Er sah auf. Sein blasses Gesicht rötete sich.

»Hab‘ keinen Hunger.«

Er dachte, es wäre aus Mitleid. Deshalb wollte er nicht.

»Sieh dir‘s erst mal an«, sagte ich. »Es wird sonst schlecht. Tu mir den Gefallen.«

Im grellen Oberlicht der Bude standen die Brokatsessel von Frau Zalewski. Die Hassesche Lampe prangte, die Ananas leuchtete, die hochfeine Leberwurst, der Lachsschinken, die Flasche Sherry… Als ich mit dem sprachlosen Georgie im besten Einhauen war, klopfte es an die Tür. Ich wußte, was jetzt kam.

»Paß mal auf, Georgie«, flüsterte ich und rief: »Herein!«

Die Tür öffnete sich, und herein trat, funkelnd vor Neugier, Frau Zalewski. Zum erstenmal in meinem Leben brachte sie mir persönlich die Post. Sie hatte ein Spitzenkleid mit Fransenschal und Brosche mit dem Bild des seligen Zalewski als Medaillon. Ein zuckersüßes Lächeln gefror jäh auf ihrem Gesicht; verblüfft starrte sie auf den verlegenen Georgie. Ich brach in ein herzloses Gelächter aus. Sie faßte sich rasch.

»Aha, versetzt«, sagte sie giftig.

»Stimmt«, gab ich zu.

Welch ein Glück, daß es mit der Einladung nichts geworden war.

»Und da lachen Sie noch? Ich habe ja immer gesagt: Wo andere Menschen ein Herz haben, sitzt bei Ihnen eine Schnapsflasche.«

»Ein gutes Wort«, erwiderte ich. »Wollen Sie uns nicht ein wenig die Ehre geben, gnädige Frau?«

Sie zögerte. Aber dann siegte die Neugier, vielleicht doch noch etwas zu erfahren. Ich öffnete die Flasche Sherry.

Spät, als alles still geworden war, nahm ich meinen Mantel und eine Decke und schlich über den Korridor zum Telefon. Ich kniete vor dem Tisch nieder, auf dem der Apparat stand, legte mir Mantel und Decke über den Kopf, hob den Hörer ab und hielt mit der linken Hand den Mantel unten zu. So war ich sicher, daß mich niemand belauschen konnte. Patrice Hollmann war zu Hause.

»Sind Sie von Ihrer geheimnisvollen Besprechung schon lange zurück?« fragte ich.

»Schon fast eine Stunde.«

»Schade. Hätte ich das gewußt.«

Sie lachte. »Nein, es hätte nichts genützt. Ich liege zu Bett und habe schon wieder etwas Fieber. Es ist ganz gut, daß ich früh nach Hause gekommen bin.«

»Fieber? Was ist denn das nur für ein Fieber?«

»Ach, nichts Wichtiges. Was haben Sie denn heute abend noch gemacht?«

»Ich habe mich mit meiner Wirtin über die Weltlage unterhalten. Und Sie? Hat Ihre Sache geklappt?«

»Ich hoffe, daß sie klappt. Gute Nacht – schlafen Sie gut…«

9

Sonntag. Der Tag des Rennens. Köster hatte die letzte Woche jeden Tag trainiert. Abends hatten wir dann bis in die Nacht Karl bis kontrolliert, geschmiert und in Ordnung gebracht. Jetzt saßen wir am Ersatzteillager und warteten auf Köster, der zum Startplatz gegangen war. Wir waren alle da: Grau, Valentin, Lenz, Patrice Hollmann und vor allem Jupp. Jupp im Overall, mit Rennbrille und Rennhaube. Er war Kösters Beifahrer, weil er am leichtesten war.

»Wie kommen Sie eigentlich zu Ihrem englischen Vornamen?« fragte Gottfried Patrice Hollmann, die neben ihm saß.

»Meine Mutter war Engländerin. Sie hieß auch so. Pat.«

»Ah, Pat, das ist was anderes. Das spricht sich viel leichter.«

Er holte ein Glas und eine Flasche hervor.

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Примечания

1

Но водка была для нее, что сало для крысы.

2

Призрак шоссе

3

Ее угнетал страх приближающейся старости.

4

Зимнее мужское пальто

5

Фаршированная щука

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