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Der Aether gegen den Schmerz
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Der Aether gegen den Schmerz

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Язык: Немецкий
Год издания: 2017
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Johann Friedrich Dieffenbach

Der Aether gegen den Schmerz

Vorrede

Bei der Herausgabe dieser Schrift beabsichtigte ich zweierlei. Zuerst wollte ich die neue, vielverheißende Entdeckung der Stillung des Schmerzes, in ihrem wahren Werthe darstellen. Zweitens durch sie zur Stillung der Schmerzen des Hungers der Armen mit beitragen. Könnte ich Beides erreichen, so würden die Abendstunden welche ich auf meine Arbeit verwendete, angenehm vollbracht sein.

Daß ich bei der Bearbeitung des Gegenstandes ohne Vorurtheile für oder wider gewesen bin, kann ein Jeder sehen, welcher diese Schrift durchblättern will. Wenn er vielleicht auf der einen Seite mich als Freund des Aethers ansieht, wird er auf der anderen mich für einen Gegner desselben halten; das kommt, weil ich das Für und das Wider erwogen, Andere gehört, und selbst gesehen habe.

Daß ich aber vorsichtig in meinem Urtheil gewesen bin, mitten im allgemeinen Aetherrausch, wird man mir nicht übel nehmen. Die sich im tiefsten Frieden gewaltig bewegende Zeit hat binnen Kurzem so viele Erfindungen und Entdeckungen geschaffen, welche, mit Enthusiasmus aufgenommen, zum Theil nur eine kurze Lebensdauer hatten, da sie nicht das leisteten, was man sich von ihnen versprach. Daraus entsprang die Furcht, es mögte mit dem Aether auch so sein.

Ich will einmal versuchen, einen Soldaten, welcher der wichtigsten neueren Erfindungen theilhaftig geworden wäre, ins Feld zu stellen. Er verläßt das älterliche Haus mit dem Daguerreotyp-Medaillon von Vater und Mutter auf der kindlichen Brust. Seine Waffe ist ein Percussions-Gewehr. Er ist bekleidet mit einem Waffenrock von Filztuch, darüber hängt ein Paletot von Macintosh; er trägt ungenähte, mit Holzstiften zusammengefügte Maschinen-Stiefeln. Seinen Leib umgiebt ein Gürtel mit einer Tasche von künstlichem Leder. Sie beherbergt Schießbaumwolle und conische Kugeln. Im Tornister befinden sich außer den Bekleidungsstücken zwei Flaschen, die eine mit Binellischem Wasser, die andere mit Schwefeläther gefüllt; jenes zur schnellen Blutstillung bei Verwundungen, dieser als Betäubungsmittel beim Ausschneiden von Kugeln, bei der Abnahme eines Beins u. s. w. Die zweihalsige Feldflasche aus welcher er nur Wasser trinkt, denn er gehört zum Mäßigkeitsverein, bildet den Athmungsapparat. Sein Eßsack enthält das neue Oelkuchenbrot. Das Magazin seines Helmes beherbergt ein Büchschen von Neusilber mit Streichzunder und Streichkerzchen, und statt der nicht mehr üblichen Pfeife eine Patent-Cigarrentasche mit Cigarren, darunter auch einige Brustcigarren beim Husten. So armirt und equipirt besteigt der junge Krieger den Eisenbahnwagen. Die Locomotive stößt ihren gellenden, herzzerreißenden Schrei aus, und mit sausender Windesschnelle führt ihn der Dampf zum Heere, und in zwei Tag- und zwei Nachtfahrten, er hat sein Oelkuchenbrot noch nicht verzehrt, sind die zweihundert Meilen durchflogen, und er blickt dem Feinde ins Angesicht! Er ist Artillerist. Sein Auge sieht mit Wonne die neuen, blanken galvano-plastisch plattirten sicheren Geschütze, aber statt dem Feinde Verderben zu bringen, zerspringen sie beim ersten Schuß und zerreißen die Glieder der Männer welche sich ihrem Dienste geweihet.

Von den hier bei einem einzigen Menschen in Anwendung gebrachten neuen Erfindungen, sind mehrere, welche so großes Aufsehen erregten, schnell wieder vergessen worden. Das Binellische Wasser, welches vor 15 bis 20 Jahren als untrügliches Blutstillungsmittel beinah so großes Aufsehen wie jetzt der Aether erregte, leistete nicht mehr wie kaltes Wasser. Das Filztuch hörte als Bekleidungsstoff bald wieder auf, weil es nicht hielt; der Macintosh ebenfalls, weil man dabei zwar von außen trocken blieb, aber von innen naß wurde; die conischen Kugeln sind noch nicht ins praktische Leben getreten; aber die schöne, weiße Schießbaumwolle hat wieder dem schwarzen Pulver weichen müssen, und statt den Tod zu geben, den bescheidenen Dienst einer heilenden Helferin bei Geschwüren übernehmen müssen.

Dem Aether aber wünschen wir, daß er sich halten möge, obgleich es schon anfängt stiller von ihm zu werden. Leistet er nur die Hälfte von dem, was man bis jetzt noch von ihm glaubt, so hat Jackson einen Theil der Schuld, mit welcher Amerika Europa verpflichtet ist, abgetragen, seinem Namen aber die Unsterblichkeit gesichert.

Allen den Aerzten welche mich mit Beiträgen und Notizen aus fremden Zeitschriften, so wohlwollend bei meiner Arbeit unterstützten, statte ich hiermit meinen ergebenen Dank ab, es sind die mir sehr werthen Herren Ender, Fürstenberg, v. Graefe, Henoch, La Pierre, Meyer, Reiche, Schuft, Straßmann und Völker.

Endlich kann ich nicht unerwähnt lassen, daß die Herren Buchhändler Hirschwald und Aber die mühevolle Verbreitung dieser Schrift, ohne irgend ein anderes Interesse, als das einen wohlthätigen Zweck zu fördern, übernommen haben, wofür ich denselben hiermit meine öffentliche Anerkennung ausdrücke.

Der schöne Traum, daß der Schmerz von uns genommen, ist zur Wirklichkeit geworden. Der Schmerz, dies höchste Bewußtwerden unserer irdischen Existenz, diese deutlichste Empfindung der Unvollkommenheit unseres Körpers, hat sich beugen müssen vor der Macht des menschlichen Geistes, vor der Macht des Aetherdunstes. Wohin wird, oder wohin kann diese große Entdeckung noch führen? Durch sie ist die halbe Todesbahn zurückgelegt, der Tod hat nur noch sein halbes Grauen. Fürchtet der Mensch nicht eben so sehr die Schmerzen des Todes als den Tod selbst, und erscheint unserer Phantasie die Pein einer großen chirurgischen Operation nicht fast eben so furchtbar als der Tod, und treibt uns nicht die höchste Noth dazu, um diesen abzuwehren?

Wie hoffnungs- und vertrauensvoll werden von nun an die Kranken auf die zu bestehende blutige Operation hinblicken, deren Schrecknisse vor allen ihren Sinnen verborgen bleiben, und statt deren wohl ein schönes Traumbild vor ihre Seele tritt, und das Erwachen schon ein Erwachen zur Genesung ist.

Wie vielen Unglücklichen, an großen chirurgischen Uebeln leidenden, verzehrt nicht die Furcht vor den Schmerzen der bevorstehenden Operation die letzten Lebenskräfte, der sie sich endlich erschöpft hingeben. Jetzt ist es ein fröhliches Hinblicken auf den tragischen Moment, dessen Handlung ihnen entrückt bleibt. War der zu Operirende sonst die erste, wichtigste Person, so ist er jetzt eigentlich gar nicht dabei zugegen.

Wenn es also nicht zweifelhaft ist, daß die Furcht vor einer großen chirurgischen Operation einen nachtheiligen Einfluß auf den Kranken haben kann, so hoffen wir auch, daß der Schmerz kein nothwendiges Attribut ihrer Ausführung sei, und daß seine Aufhebung nicht eine bloß augenblickliche Wohlthat, sondern auch ein Beförderungsmittel der Genesung sei. Dies kann aber erst die Zukunft lehren.

Was wir aus früheren Beobachtungen über schwere Verwundungen bei berauschten Personen wissen, zeigt uns, daß durch diesen Zustand eine bedenkliche Vergrößerung der Gefahr herbeigeführt wird, so daß man den Arzt, welcher einen Berauschten operirt hätte, für unwissend oder gewissenlos angesehen hätte. Sehr ungünstig zeigte sich aber die absichtliche Anwendung betäubender Mittel, wie des Opiums, des Bilsenkrauts, der Belladonna und anderer ähnlicher Narcotica zur Stillung des Schmerzes bei chirurgischen Operationen. Ohne ihn gänzlich zu unterdrücken, führten sie eine gefährliche Abspannung des ganzen Nervensystems herbei, wodurch der natürliche Krankheitsverlauf gestört, die Heilung verzögert, wenn nicht gar eine wirkliche Lebensgefahr dadurch herbeigeführt wurde. Selbst der künstlich bewirkte magnetische Schlaf zeigte sich als Schmerzstillungsmittel nicht vortheilhaft, und die danach zurückbleibende Abspannung des ganzen Körpers verschaffte auch dieser Methode keinen weiteren Eingang.

Daß indessen der durch Einathmen der Aetherdämpfe herbeigeführte Rausch ein leichter, ätherischer, gewöhnlich nur Minuten anhaltender bald wieder verschwindender, und wesentlich verschieden von dem durch den Genuß geistiger Getränke herbeigeführten sei, haben indessen die neueren, zahlreichen Beobachtungen hinlänglich bewiesen. Nur in einigen seiner Mit- und Nachwirkungen verläugnet er nicht ganz die Natur des Rausches von geistigen Getränken überhaupt, so wie er auch in besonderen Fällen gefährliche Störungen herbeiführen kann.

Wenn wir nun die neue Entdeckung als den größten Gewinn für das leidende Menschengeschlecht erkennen, sein Todesbangen zu heben, seine Klagen verstummen zu machen, seine Schmerzen zu stillen, so muß dieselbe dem Arzte eine ganz veränderte Stellung dem Kranken und der blutigen Kunst gegenüber geben. In dieser Beziehung stellt sich die Sache von ganz verschiedenen Seiten dar.

Dem Arzte kann die schwierige chirurgische Operation durch die Ruhe, Stille und Empfindungslosigkeit des Kranken sehr erleichtert werden. Derjenige, welcher nicht gewohnt ist, chirurgische Operationen auszuüben, und der sich dazu durch dringende Umstände genöthigt sieht, wird mit größerem Selbstvertrauen an das Werk gehen und es mit mehr Leichtigkeit vollenden, wenn er nicht durch die Unruhe und die Klagelaute des Kranken gestört wird. Auch selbst der Geübte kann von diesen günstigen Umständen einen Gewinn ziehen, da er durch Nichts von seinem Handeln abgezogen wird. In jeder Beziehung scheint sich also durch dieses Mittel der Kreis der Ausübung der Chirurgie erweitert zu haben, wenn wir das Bild nur von der einen Seite betrachten. Minder hell erscheint es uns aber von der anderen angesehen.

An die Stelle des unerschütterlichen Vertrauens von Seiten des Kranken zu der Kunst des Arztes ist das Vertrauen zu der Aetherbetäubung getreten. Der Kranke fragt jetzt weniger danach, wer ihn operirt, ob gut oder minder gut, er ist gleichsam abwesend oder die dritte Person dabei. Der bisherige Standpunkt des Arztes ist dadurch verrückt. Hatte er sonst einen Kranken vor sich, so hat er jetzt zwei. Einen, welchen er operiren soll, und einen zweiten, welcher innerlich so krank zu sein scheint, daß er ihm mit allerlei Arzeneimitteln zu Hülfe kommen mögte. Er muß sich Gewalt anthun, um sich zu überzeugen, daß er ihn selbst in diesen Zustand versetzt habe, und zwar zu des Kranken und seiner eigenen Erleichterung. Dies Alles kann er nicht so schnell fassen. Er steht allein in trauriger Isolirung da. Der Betäubte weiß bei der Operation nichts von seinem Arzte, und der Arzt nichts von seinem Kranken. Das Band der wechselseitigen Mittheilung ist zerrissen, der ihn selbst hebende, milde Zuspruch wird nicht vernommen, die Frage nicht beantwortet, es herrscht eine grausige Einsamkeit. Es bangt ihm beim Anblick des bewußtlos Blutenden, ob er des Aethers auch zu viel genossen. Er mögte fragen, indem er hierhin und dorthin sein Messer in eines lebenden Menschen Fleisch einsenkt, wie? wo? was? um danach den Stahl zu richten und zu wenden, einem Nerven auszuweichen, ihn nicht mit der Zange zu fassen, – aber keine Antwort, als ein dumpfes Stöhnen, ein Zucken, eine dämonische Bewegung der Hand nach dem leidenden Orte.

Er fühlt sich unheimlich mächtig über den, der sich im Leben dem Aether, im Scheintode ihm ergeben hat, nicht wie früher aus freier Wahl, sondern aus banger Furcht vor dem Schmerz. Laut- und empfindungslos liegt der freiwillig aus dem Kreise der Lebenden, Empfindenden, Denkenden Herausgetretene mit geschlossenen Augen wie ein sanft Schlummernder da, und in beängstigender Einsamkeit vollendet der Arzt sein Werk. Aber nicht jeder Kranke schlummert sanft und ruhig unter der Schärfe des Messers. Ein Anderer geräth in excentrische Aufregung, glühende Phantasien bemeistern sich seiner, und im Gefühle der unnennbaren Seeligkeit treten glänzende Traumbilder vor seine Seele, Sphärenmusik und himmlische Melodien streifen sanft an sein Ohr, und in einem unermeßlichen Raum von azurblauem und gelblichem Goldschein verliert sich das innre Auge, im grellen Contrast zu dem Messer in seinem Fleische, zu der Säge in seinem Beine, zu der Hand in seinen Gedärmen, zu dem Haken in seinem Auge und zu dem sich ergießenden warmen Blute, – und dabei entströmen Worte des Entzückens seinem Munde. – Noch ein Anderer, sonst im Leben fein, sanft und mild, wird plötzlich zum Wütherich; im Zustande einer wilden, rohen Aufregung, wähnt er sich unter Räubern und Mördern, seinem Munde entströmen die bittersten Verwünschungen. Durch Wort und That sucht er der vermeinten Gewalt zu begegnen, er schmettert mit Faustschlägen Alles zu Boden, stürzt wie ein Besessener auf Alles los, und wären es blanke Waffen, oder ein jäher Abgrund, oder die Gluth eines Schmelzofens, er stürzte sich hinein.

Ein Vierter wird zum vollkommenen Narren. Derselbe Mensch, welchen wir mit tief ergebenem Ausdruck seinem ernsten Geschick entgegengehen sahen, wird in einigen Minuten zum Possenreißer umgeschaffen, grinzt, lacht, geberdet sich ganz wie ein alberner Thor, und ist nicht minder schwer zu regieren als jener, welcher uns für seine Mörder ansah.

Alle diese Umstände sind nun wenig geeignet, dem Arzte die Operation zu erleichtern, vielmehr stößt er dadurch auf Hindernisse, welche ihm früher ganz unbekannt waren. Als Neuling tritt er jetzt an den neuen Kranken. In dem Augenblicke, wo dieser das verhängnißvolle Rohr an seinen Mund bringt, um den benebelnden Aetherdunst in seine Lungen einzuziehen, sagt ihm der angstvolle Blick des sanft berauschten Leidenden noch ein Lebewohl – und bald umnebeln sich seine Sinne – und allein steht der Arzt mit seinen Gehülfen da, und schnell beginnt die Kunst den Kampf mit der Krankheit oder auch zugleich mit dem Aufgeregten.

Ein freundlicheres Bild zeigt sich uns jetzt wieder. Es ist vollbracht. Man sieht kein Blut mehr. Die Wunde ist verbunden. Wo bin ich? sagt der die Augen öffnende und tief athmende Kranke. Ich habe wohl geträumt? Fängt die Operation bald an? Er glaubt es anfangs nicht, wenn man ihm sagt, daß sie geschehen sei. Die Frau will nicht glauben, daß man ihr die Brust abgenommen, ein Anderer, daß man ihm eine Nase angesetzt habe, jene führt die Hand nach der Stelle, wo die Brust gesessen, und fühlt, daß sie leer ist; dieser bringt die Finger ins Gesicht, verwundert, daß ihm über Nacht eine neue Nase gewachsen sei, und er fragt wohl seinen Arzt, wo kommen Sie denn her? Staunen und Verwunderung ergreift diesen. Nicht über sein Werk, sondern über jene dämonische, großartige Erscheinung von Seyn und Nichtseyn. Er steht ihr gegenüber wie ein kleines Kind ohne Begriff, das zusammenfährt, wenn es ernst angesehen wird. Auch er bedarf der Fassung, der Sammlung, auch er erwacht aus einem Rausche, und reibt sich die Augen, und beginnt dann erst wieder frei zu athmen.

Wünschte er sich besonders bei der wilden, stürmischen Aufregung des Kranken während der Operation auf den alten Standpunkt zurück, so fühlt er sich doch zu sehr von dieser neuen, großen Erscheinung überwältigt und zu dieser großartigen Entdeckung hingerissen, daß er es gern etwas schwerer haben will, wenn nur der Kranke weniger leidet. Er gelobt sich, ihre Wohlthat näher zu ergründen, und sie in allen ihren Beziehungen näher zu erforschen. Dies möge denn auch die Aufgabe und das Streben aller Aerzte sein, damit dieselbe von allen Unannehmlichkeiten und Gefahren bei ihrer Anwendung immer mehr befreit, und das Vollkommenste werde, was je der menschliche Geist ersonnen hat. Möge denn Jacksons Patent die Anerkennung der Welt sein.

Der Aether

Der Schwefeläther wurde zuerst im Jahre 1544 von einem Arzte, Valerius Cordus, unter dem Namen »süßes Vitriolöl« beschrieben. Er hat das Verfahren zur Bereitung und die Eigenschaften des Aethers angegeben, der Ruhm der Erfindung gebührt ihm indessen nicht, da schon in früheren Jahrhunderten weingeistige Mischungen des Aethers zu medizinischen Zwecken angewendet wurden. Die Mittheilungen des Cordus und sein neues Oel scheinen sich aber keiner besonderen Theilnahme erfreut zu haben, denn schon im folgenden Jahrhundert war der Aether wiederum gänzlich unbekannt, bis im Jahre 1792 ein deutscher Chemiker, Frobenius, von Neuem das Interesse der Aerzte und Scheidekünstler auf ihn lenkte, und ihn mit dem vielversprechenden, poetischen Namen »Aether« belegte. Diesen schönen Namen verdankt er theils der Neigung der Alchymisten, pomphafte Bezeichnungen für ihre Arcana zu wählen, theils seinen physicalischen Eigenschaften, seiner Flüchtigkeit, seiner Farblosigkeit, seiner stark lichtbrechenden Kraft und seiner leichten Brennbarkeit. Froben war glücklicher, als der Medicus Cordus. Der Aether wurde von nun an vielfach untersucht, und von den berühmten Aerzten des 18ten Jahrhunderts in die Heilmittellehre eingeführt, unter denen namentlich Friederich Hoffmann durch seinen liquor anodynus, die bekannten Hoffmannstropfen, – Aether mit 3 Theilen Weingeist versetzt – viel zur Verbreitung desselben beigetragen hat.

Die Aetherarten werden durch Einwirkung stärkerer Säuren auf Alkohol erzeugt. Der Schwefeläther, Aether schlechtweg, wird gewonnen, indem man ein Gemisch von 9 Theilen concentrirter Schwefelsäure und 5 Theilen Alkohol von 85 % in einer Retorte bis zum Sieden erhitzt. Durch eine Vorrichtung an der Retorte lässt man fortwährend so viel Alkohol in das Gemisch hineinfliessen, als aus demselben Flüssigkeit überdestillirt. Die sich entwickelnden Dämpfe werden in einer durch auftröpfelndes Wasser, Schnee u. s. w. sorgfältig abgekühlten Vorlage zu einer Flüssigkeit condensirt, welche den sogenannten rohen Aether darstellt. Dieser rohe Aether, welcher noch Wasser, kleine Mengen Alkohol und gewöhnlich auch etwas schweflige Säure enthält, wird durch kalihaltiges Wasser gereinigt, dann über Kohlenpulver und gebrannter Magnesia rectificirt. Reiner Aether darf Lackmuspapier nicht röthen, nicht nach schwefliger Säure riechen, auch sonst keinen Nebengeruch haben. Soll der Aether ganz wasserfrei dargestellt werden, so muss man ihn nach der Rectification durch einen Zusatz von gebranntem Kalk einer nochmaligen Reinigung unterwerfen. – Wegen seiner Eigenschaft, mit Säuren eine chemische Verbindung einzugehen, Salze mit ihnen zu bilden, haben die Chemiker der neueren Zeit den Aether als das Oxyd eines hypothetischen Kohlen-Wasserstoff-Radicals, des Aethyls, (4 Kohlenst., 10 Wasserstoff. Ae.) angesehen, und damit das Gesetz der binären Verbindung auch auf die organische Chemie ausgedehnt. Sie bezeichnen demzufolge den Aether, welcher aus 4 Atomen Kohlenstoff, 10 Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff besteht, als Aethyloxyd, Ae+O, den Alkohol, welcher aus 4 Kohlenst., 12 Wasserst. und 2 Sauerst. zusammengesetzt ist, und sich nur durch ein Plus von einem Atom Wasser (1 Sauerst., 2 Wasserst.) vom Aether unterscheidet, als Aethyloxydhydrat, und so fort.

Es würde zu weit führen, die verschiedenen Theorien über die Aetherbildung ausführlicher anzugeben. Wir begnügen uns mit einigen kurzen Andeutungen. Da nämlich die Schwefelsäure durch den Proceß der Umwandlung des Alkohols in Aether nicht zersetzt wird, und da der Weingeist, wie bereits erwähnt, nur durch das Wasseratom in seiner Zusammensetzung vom Aether differirt, so lag die Vermuthung sehr nahe, als bedinge die concentrirte Schwefelsäure nur durch ihre starke Verwandschaft zum Wasser die Umänderung des Alkohols in Aether. Diese von Fourcroy und Vauquelin aufgestellte Theorie ist durch weitere Experimente und Forschungen über diesen Gegenstand sehr erschüttert worden, und gegenwärtig fast gänzlich verlassen. Die electro-chemische Theorie erklärt die Aetherbildung aus der electrischen Spannung, welche in dem in Rücksicht der chemischen Affinität indifferenten Alkohol durch die starke Säure hervorgerufen wird, und welche ihn zwingt, sich in eine Basis umzubilden. Auch die Lehre von der Contact-Wirkung hat die Deutung des Vorganges auf sich nehmen wollen.

Von den Eigenschaften des Aethers sind einige schon oben erwähnt worden, andere mögen hier noch folgen. Der Aether hat einen eigenthümlichen, höchst durchdringenden Geruch und Geschmack; sein specifisches Gewicht (Gay-Lussac) ist bei +20° = 0,713, das specif. Gewicht seines Gases = 2,586. Er kocht bei gewöhnlichem Luftdruck in einer Temperatur von 28° R. Bei -24,8° R. fängt er an in weissen, glänzenden Nadeln zu erstarren, und bei -36° R. bildet er eine weiße, feste, krystallisirte Masse. Er brennt mit einer hellen, weißgelben, Ruß absetzenden Flamme, ist mit Weingeist in allen Verhältnissen, mit Wasser, welches ⅟10 seines Gewichts Aether auflöst, nicht mischbar. Campher, Phosphor, Kautschuk, fette, aetherische Oele, Chlormetalle u. s. w. werden von demselben aufgelöst. – Einer Eigenthümlichkeit des Aethers, nämlich der leichten Brennbarkeit, muß hier nochmals gedacht werden. Wegen seiner Flüchtigkeit werden die Dünste schnell durch größere Räume verbreitet, und es läßt sich nicht bestimmen, in welche Entfernung ein brennendes Licht von einem offenen, mit Aether gefüllten Gefäße gesetzt werden mag. Schon mehrmals sind Unglücksfälle dadurch vorgekommen, daß man in der Nähe eines Lichtes Aether aus einem Gefässe in das andere goß. Kürzlich hat Runge auf diesen Uebelstand aufmerksam gemacht, und an die Möglichkeit gefährlicher Explosionen in Folge von Entzündung des mit der Luft gemengten Aethergases erinnert. Es bildet dieses Gemenge eine Art von Knallgas, und seine Wirkungen sind denen des in atmosphärischer Luft verbrennenden Waßerstoff- oder Sumpfgases ähnlich. Es könnte sich daher z. B., wenn keine Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, bei der Anwendung des Glüheisens oder der Moxen sehr leicht ereignen, dass sich die durch den Aether erzielte Betäubung über eine zu große Zahl von Individuen ausdehnte.

Wirkung des flüssigen Aethers

Die Wirkung des flüssigen Aethers auf unseren Organismus ist von der des Alkohols wenig verschieden, und besteht vornehmlich in einer flüchtigen Erregung, d. h. in einer Steigerung der Thätigkeiten der Organe, welche eine schnelle Rückkehr zum Gleichmaß gesunder Wechselwirkung gestattet. Die Reizung des Gefäßsystems ist geringer, als bei anderen flüchtigen Stoffen, dagegen werden die Centralorgane des Nervensystems entschiedener und auf eigenthümliche Weise in Anspruch genommen.

Die örtliche Wirkung des Aethers äußert sich auf der Haut dadurch, daß er dieselbe durch seine schnelle Verflüchtigung in bedeutendem Grade erkalten macht. Die Gefäße ziehen sich zusammen, die Haut wird blaß, blutleer. Je dünner nun aber die Oberhaut ist, um so leichter gelangt die Aetherflüßigkeit zu den Nervenausbreitungen unter derselben, und die Empfindung der Kälte weicht einem Gefühle von Hitze, Brennen, Schmerz. Die Gefäße erweitern sich, die Haut wird roth, blutreich. Auf den Schleimhäuten tritt die letztere Reihe von Erscheinungen fast momentan ein, da ihr sehr dünnes, feuchtes Oberhäutchen für Flüssigkeiten durchgängiger ist. Es entsteht, wenn wir eine geringe Menge Aether zu uns nehmen, zunächst eine heftige Reizung der Geruchs- und Geschmacksnerven, so wie der Schleimhaut des Schlundes, später ein Gefühl vermehrter Wärme im Magen, welches sich über den ganzen Unterleib verbreitet. Vom Magen aus gelangt der Aether mit großer Schnelligkeit in die Blutmaße und mit dieser zum Gehirn und Rückenmark, von denen aus er seine Wirkungen gegen die verschiedensten peripherischen Nervenprovinzen entfaltet. Wie er auf die Nervenmassen und Fasern des Gehirns und Rückenmarks einwirkt, welche Art von Stoffumsetzungen oder Stoffänderungen er in ihnen zu Stande bringt, wissen wir nicht. Ich gestehe, daß ich mich bei der von neueren Chemikern aufgestellten Theorie von der Zersetzung des Aethers und von der Verbrennung seiner Elemente im Blute, wie palpabel sie auch scheinen mag, nicht beruhigen kann, vielmehr scheinen die Wirkungen des Aethers vorzugsweise davon abzuhängen, daß ein Theil der aufgenommenen Masse unverändert zum Gehirn und Rückenmark geführt wird, und in diesen gewiße materielle Veränderungen hervorruft. Wie dem auch sein mag, mit der Aufnahme des Aethers in das Blut wird der Cyclus seiner allgemeinen Wirkungen eröffnet. Die Förderung der wurmförmigen Bewegung des Darmkanals, die vermehrte Absonderung der Magensaftdrüsen, die leichtere, vielleicht auch vermehrte Ausscheidung der Galle bilden gewissermaßen eine Zwischen- und Uebergangsstufe von den lokalen zu den allgemeinen Wirkungsphänomenen. Aber nicht allein die Absonderung der im Darmkanal befindlichen oder ihm anhängenden Drüsen, auch die der übrigen secernirenden Apparate wird gehoben, z. B. der Nieren, der Schweißdrüsen in der Haut, der Schleimbälge auf fast allen Schleimhäuten. Das höher gestimmte Gehirnleben, insoweit es die Quelle unseres Seelenlebens ist, spiegelt sich in den mannigfaltigsten Nüancen in Gedanke und Wort, Wille und Bewegung, Phantasie und Erfindung. – Wir merken noch an, daß der Aether (es ist hier immer von flüssigem Aether die Rede) nicht so leicht berauschen soll, als Alkohol. In größeren Dosen kann er leicht Erbrechen erregen, sehr große haben den Tod zur Folge. Würgen, Erbrechen, Schwindel, Lähmung der Sinnesnerven, der Muskeln, der Lungen, des Herzens bezeichnen die eingetretene Vergiftung.

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