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Rittmeister Brand; Bertram Vogelweid
»Also wirklich … Meine Frau hat schon öfters das Vergnügen gehabt, Herr Rittmeister« …
»Nicht mehr. Ich habe meinen Militärcharakter abgelegt.«
»Ja so, also richtig, also – bitte.«
Wenn Du nur nicht so verflucht martialisch aussähest, Du alte Tugendpolizei, dachte Eduard.
Er hatte den Gast in das ebenso elegant wie gediegen eingerichtete Comptoir geführt, wies ihm dort einen bequemen Fauteuil an und setzte sich ihm gegenüber an den Schreibtisch. Da hatte er die Taster der elektrischen Glocken in der Nähe. Ihr Anblick und der des Telephons an der Wand war ihm erfreulich. Es berührte ihn auch angenehm, als er aus dem zweiten Zimmer die süße Stimme Fräulein Juliens, die mit dem Zuschneider konferirte, herüberflöten hörte.
Brand nahm von dem ihm angebotenen Platz nur so viel in Anspruch, als seine schmächtige Gestalt durchaus brauchte. Er saß kerzengerade, mit fest geschlossenen Beinen, und als Eduard ihm den Hut, den er in der Hand behalten hatte, abnehmen wollte, lehnte er kurz ab: »Nicht nöthig. Ich habe Ihnen nur mitzutheilen, daß der verstorbene Major von Müller ein Kamerad von mir gewesen ist. Erst neulich habe ich erfahren, daß seine Wittwe hier lebt. In wie traurigen Verhältnissen, theilte Ihre Frau Gemahlin mir mit. Ich bin nun entschlossen, Frau von Müller und ihre Kinder in meine Obhut zu nehmen. Soeben war ich Zeuge des Benehmens, das Sie sich gegen diese Dame erlauben; wohl nur, weil sie von Ihnen für schutzlos gehalten wird. Sie ist es nicht mehr. Wer sie beleidigt mit einem einzigen Worte, einem einzigen Blick, beleidigt mich. Ich aber versichere Ihnen, daß ich Beleidigungen nicht dulde. Das lassen Sie sich gesagt sein.«
Er stand auf, und Eduard folgte seinem Beispiel. Er sprach nicht, er verbeugte sich nur, über sein wohlgenährtes Gesicht flog ein Ausdruck … Alles zugleich, cynisch, frech, feige.
Brand nahm sich zusammen; er wollte seinen Zorn nicht überwallen lassen. Das kostete ihn einen schweren Kampf. Unbegreiflich! Seinen Soldaten gegenüber war seine Ruhe unerschütterlich, seine Geduld unerschöpflich gewesen. Wie kam dieser Bengel zu der Ehre, ihn dergestalt in Aufregung zu bringen?
XI
Diese Frage war nicht die einzige, die ihn bedrängte. Das erste Wiedersehen zwischen Sophie und ihm war für sie ein mit Schrecken verbundenes, für ihn ein glückliches gewesen, denn er hatte ihr einen Dienst leisten dürfen. Was aber nun? Ihr gleich, ihr heute noch einen Besuch abstatten, ginge nicht an. Es sähe gar zu hungrig aus nach Lob und Dank, und wahrlich dadurch, daß man einen Zudringlichen fern gehalten hat, erwirbt man doch zu allerletzt das Recht, selbst zudringlich zu sein. Andererseits wieder – verfluchtes Dilemma! – möchte er doch um keinen Preis gleichgültig und theilnahmslos erscheinen.
Vierundzwanzig Stunden lang ertrug Brand die Zweifelsqualen. Länger nicht.
Am nächsten Tag war das Wetter schön, er hatte Klein-Peterl im Stadtpark besucht und wie gewöhnlich unter der fröhlich spielenden Jugend lehr- und segensreich gewaltet. Als es Zwölf schlug, als die Zeit wiederkehrte, zu der die tapfere Frau gestern ausgewandert war, um den Ertrag ihrer Arbeit heimzuholen, als sie vor seinem Geiste stand, wie er sie mit Augen gesehen hatte, in ihrer lieblichen Verwirrung beim unerwarteten Wiedersehen – da war’s beschlossen: »Um Drei bin ich bei ihr.«
Die Stunde schien ihm die passendste für einen ersten Besuch. Es ist eine so hübsche Stunde, diese dritte – nach der Mittagshöhe. Sie lastet nicht mehr drückend schwül und ist doch kräftig von Sonnenlicht durchtränkt. Die dritte Nachmittagsstunde hat manche Analogie mit gewissen gesetzten Jahren im Leben …
Brand ging ins Restaurant, rascher als nothwendig gewesen wäre, und hatte, nach Hause zurückgekehrt, schon um halb zwei Uhr seine Cigarre fertig geraucht. Dann wurde Toilette gemacht. Cylinder Nr. 2, dunkelgrauer Straßenanzug Nr. 2. Alles sehr einfach, aber bürsten mußte Peter den Hut, den Anzug, die Stiefel, daß ihm das Herz weh that um den Filz, das Tuch und das Leder. Brand warf sogar einen Blick in den Spiegel, schüttelte den Kopf und sah unzufrieden aus. Ist auch an seinem Lebenstage früher Nachmittag … oder naht schon der Abend?
Es muß heute eine Andere sein, dachte Peter. Zu den Besuchen bei der »Marchand’ Mod’« wird nur Garderobe Nr. 1 angelegt. Nun ja, von so einer Putzgredl will man sich nicht spotten lassen.
»Jetzt geh’ ich,« sagte Brand, und hinter den armseligen Worten schwoll es empor wie komprimirter Jubel, dem man ein bißchen Luft macht. »Wohin glaubst Du wohl?« setzte er nach kurzem Nachdenken hinzu, und sah den guten Peter, und wußte selbst nicht warum, streng an: »Zur Frau Major von Müller.«
Peter war verblüfft; er gestand sich ungern, daß er nicht wußte, was er denken sollte von seinem Rittmeister. So stieß er denn einen Seufzer aus und sprach: »Die Frau Major von Müller, ja. Belieben jetzt in Klausenburg zu sein, die Frau Major.«
»Sie war dort, ist jetzt in Wien.«
»Da muß sie g’rad hergereist sein, Herr Rittmeister, stotterte Peter, und ein Licht ging ihm auf, sonnenhell, sonnengroß, und er platzte aufleuchtenden Blickes heraus: »Die Frau Major sind jetzt auch eine Witib.«
»Was – auch? Wer – auch?« Ein solcher Esel! setzte er im Stillen hinzu, ob man mit einem solchen Esel ein Wort reden darf, das nicht absolut zum Dienst gehört.
Die kleine Verstimmung Brands verflog im Augenblick, in dem er aus dem Hause trat. So schlecht das Wetter gestern gewesen, so wunderschön war es heute. In strahlender Herrlichkeit stand die Sonne am lichtblauen Himmel; ein verklärender, wie von Millionen winziger Fünkchen durchschimmerter Dunst lag über den Prachtbauten der Ringstraße und über den fernen Bergen. Das alte, ewig junge Wien prangte im Frühlingsschmuck seiner Alleen, Rasenplätze und Gärten: aber noch lag ein winterlicher Hauch in der Luft und gab ihr etwas Kerniges, Stärkendes. Jeder Blick trank Schönheit, jeder Athemzug Kraft, und mit jedem Schritte, den Brand vorwärts machte, steigerte sich sein Glücksgefühl, und sein Unternehmungsgeist wirbelte, wirbelte empor, bis er ins Übermüthige umschlug.
Dietrich trat in einen äußerst eleganten Spielereiladen und kaufte dort den gediegensten Malkasten, der sich auf Lager fand, und die größte Pariser Puppe: ein Wickelkind, von einem lebendigen nur dadurch zu unterscheiden, daß es im zartesten Alter schon beim leisesten Drucke »Papa« und »Mama« quietschte.
Da Brand durchaus nicht wünschte, beladen wie er war, einem Bekannten zu begegnen, nahm er einen Wagen und fuhr bis an die Ecke der Berggasse. Indessen fühlte er sich auch hier nicht ganz behaglich: die Puppe war schlecht verpackt, aus einem Spalt des Papiers kam eine ihrer blonden Locken zum Vorschein, und aus einem anderen ihre rosenfarbige Hand, und mit der schlug sie einem seiner Grundsätze ins Gesicht. Wie oft hatte er Mütter und Gouvernanten gewarnt: »Von dem Tragen großer Puppen werden die Kinder schief.« Und was wird Frau von Müller sagen, wird sie es nicht taktlos finden, daß er gleich beim ersten Besuche mit Geschenken angerückt kommt?
Er verwünschte den Ankauf, zu dem ihn der berauschende Einfluß der Frühlingsluft verleitet hatte und würde seine Übereilung gar zu gern ungeschehen gemacht haben. Die Gasse war ziemlich öde, die wenigen Menschen, die er traf, schenkten ihm keine Aufmerksamkeit; er glaubte etwas wagen zu dürfen, er unternahm den Versuch, sein Paket hinter ein Hausthor zu legen. Aber das unselige Puppenzeug quietschte, und ein angetrunkener Maurer, der plötzlich, wie aus einer Versenkung, auftauchte (es dürfte die Kellerstiege gewesen sein, erklärte Brand sich später), schrie ihn an, das Haus sei kein Findelhaus, er möge sein Kind wo anders weglegen.
In der Entrüstung über diese stupide Verdächtigung fand Dietrich seine Seelenstärke wieder. Mit dem Bewußtsein, daß er Frau von Müller gegenüber nur eine Ungeschicklichkeit, nicht aber ein Unrecht begehe, verfolgte er seinen Weg, erreichte sein Ziel und stieg die schmale Wendeltreppe des alten Hauses mit ihren gefährlich ausgetretenen Stufen empor. Auf dem Gange wendete er sich nach rechts. Dicht neben der Thür 6½ befand sich ein Fenster, das ein weißer Vorhang von innen verhüllte. Brand zog an dem Glockenstrang, und dabei durchzuckte es ihn vom Wirbel bis zur Sohle wie ein elektrischer Schlag.
Alter Mann! alter Mann, was sind das für Gefühle? So war Dir ja zu Muthe, als Du, ein zwanzigjähriger Lieutenant, der unvergeßlich schönen Frau Bürgermeisterin von Wilna zum Geburtstag gratuliren gingst, mit einem Rosenbouquet.
Die Glocke tönte, wie sie zu tönen pflegt in den Wohnungen der Armen: »Bring was, bring was!« sagt sie. Ein Zipfel des Vorhangs wurde in die Höhe gehoben und hinter der sehr sauber geputzten Fensterscheibe erschien ein ältliches, gutmüthiges Frauengesicht. Brand wurde mit prüfendem Blick gemustert und schien einen Vertrauen einflößenden Eindruck zu machen; der Vorhang sank wieder, die Thür öffnete sich.
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