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Reise in Südamerika. Erster Band.
Reise in Südamerika. Erster Band.

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Reise in Südamerika. Erster Band.

Язык: Немецкий
Год издания: 2017
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Erhebt sich rasch der Wind, und die See fängt an stärkere Wellen zu werfen, so entsteht hie und da ebenfalls bisweilen ein Aufblitzen des Wassers, ohne Zweifel dadurch hervorgerufen, daß die Spitzen der sich überstürzenden Welle, die in einzelnen Tropfen herabfallen, irgend ein Individuum treffen.

Zum zweitenmale sah ich die See in einer größeren Ausdehnung im Hafen von Lima, in Callao, leuchten. Es war ebenfalls Windstille und die See buchstäblich spiegelglatt. Ich befand mich zufällig am Bord und des Abends auf Deck, als der Signalschuß vom Fort aus gegeben wurde. In demselben Augenblicke entstand vom Lande aus, sich rasch gegen die Einfahrt des Hafens hin fortpflanzend, ein Ausleuchten der See, am stärksten im ersten Momente, dann schwächer werdend, und nach einigen Sekunden fast gänzlich verschwunden. Dauer und Ausdehnung der Erscheinung mußten sogleich jeden Gedanken an einen Widerschein des Signalschusses aufheben. Aber die, wenn auch leise Erschütterung, welche dieser Schuß auf der Oberfläche der See hervorbrachte, reichte hin, die an der Oberfläche befindlichen Seethiere zu erregen und auf einige Augenblicke leuchtend zu machen.

Von dem Obersteuermanne jenes Schiffes, einem intelligenten Seemanne, und Mit-Augenzeuge jenes Phänomens erfuhr ich, daß er Aehnliches ebenfalls schon in andern Häfen beobachtet, und er gab dieselbe Ursache an, welche ich so eben entwickelte.

Ich habe durch diese beiden Fälle gezeigt, daß die See, oder vielmehr die Bewohner derselben, stets einer, wenn auch einer unbedeutenden Berührung oder eines äußerlichen Reizes bedürfen, um zu leuchten und ferner, welch eine leise Berührung genügt, um die vorher nicht gereizten Thiere zu erregen und leuchtend zu machen; ich habe zugleich die einzigen Beispiele angeführt, wo ich die See in einer weitern Ausdehnung leuchten sah.

Ich habe ferner oben ausgesprochen, daß ich das Leuchten der See niemals von Infusorien ausgehend, angetroffen habe.

Es ist mir wohl bekannt, daß man an verschiedenen Orten dieses beobachtet haben will oder hat. Ich selbst habe an verschiedenen Stellen und unter sehr verschiedenen Breitegraden allerdings ebenfalls das Meer im Umkreise des segelnden Schiffes mit einem Scheine leuchten gesehen, welcher matt, bläulich oder milchweiß und zugleich so gleichartig war, so durch die ganze Masse des Wassers verbreitet, daß man unwillkürlich an ganz unendlich kleine Individuen denken mußte, welche, vertheilt in großer Anzahl durch jene Stellen des Meeres, das Leuchten bedingten. Meist finden sich dort keine größeren Thiere, wie Salpen und ähnliche, welche eine intensivere, besonders hervortretende Helle verbreiten, und es mag der Schein ein phosphorähnlicher genannt werden. Solche Stellen fand ich z. B. in der Nordsee, im Kanale, noch weiter südlich, und selbst unweit der Wendekreise in manchen Nächten. Auch jenseits der Linie auf der südlichen Halbkugel und in entsprechenden Breitegraden, findet solches Leuchten statt.

Man glaubt, wenn man vom Borde aus in die See blickt, das Wasser so gleichförmig von dem leuchtenden Stoffe durchdrungen, daß man überzeugt ist, eine herausgespritzte kleinere Menge müsse ebenfalls und mit dem gleichen Lichte leuchten. Macht man aber den Versuch und schöpft in einem kleinern Gefäße, etwa in einem Glase, welches ein Litre faßt, so ist das geschöpfte und an Bord gezogene Wasser fast immer dunkel, und hat keine Spur irgend einer Lichterscheinung. Nur in einzelnen Fällen sieht man einen oder mehrere kleine feurige Punkte durch die Flüssigkeit sich hin und her bewegen, aber diese erhellen dann auf einige Momente die ganze im Glase befindliche Wassermenge. Schüttelt man das Glas heftig, oder schlägt man das Wasser mit einem passenden Stabe, so kommen häufig auch in anfänglich dunklem Wasser jene einzeln leuchtenden Punkte, welche sogleich das ganze Gefäß erhellen, zum Vorschein.

Die geringe Menge einiger solcher Individuen ist also hinreichend eine im Verhältniß ihrer Masse bedeutende Quantität Wasser auf kurze Zeit leuchtend zu machen, und derselbe Fall, wie hier im Glase, findet außen in der See statt.

Mit einiger Uebung gelingt es fast immer der leuchtenden Individuen habhaft zu werden, sie zu isoliren und das Wasser bleibt dann dunkel, es mag geschüttelt oder geschlagen werden. Sie waren mithin die Ursache des Leuchtens.

Diese Individuen aber sind, wenn auch meist sehr klein, doch stets noch mit freiem Auge zu erkennen und gehörten sehr oft dem Geschlechte der Entomostraca oder Insekten-Krebse, bisweilen aber auch anderen Formen an, welche ich indessen nicht näher zu bezeichnen oder zu bestimmen vermag, obgleich ich eine ziemliche Anzahl derselben unter dem Mikroskope zu zeichnen versuchte.

Auf solche Weise also habe ich das einförmige und schwache phosphorähnliche Licht der See niemals durch Infusorien, sondern stets durch Individuen bedingt gesehen, welche noch mit freiem Auge zu erkennen waren.

Aus dem bisher Gesagten geht hervor, wie verschiedenartig das Leuchten auftritt, wenn auch die Grundursache ein- und dieselbe ist. Namentlich scheint in der Nähe des Aequators, wie ich schon öfter erwähnte, die prachtvolle Lichtentwicklung stattzufinden, indem dort vorzüglich die größeren Quallen und Salpen leuchtend gefunden werden. Meist stehen diese Thiere in einiger Tiefe unter dem Wasser, aber in welcher kann nicht wohl genau angegeben werden, da optische Täuschungen mit unterlaufen. Berührt durch das segelnde Schiff, gereizt und leuchtend werdend, scheinen sie glühenden Glaskugeln ähnlich vorüberzuziehen, und das zwar scheinbar kaum einen Fuß tief unter dem Wasser, während die demselben mitgetheilte glänzende Helle einige Fuß in der Breite beträgt. Ich habe bei Tag einigemal Quallen gefangen, Scheibenquallen, langarmige und kegelförmige Medusen, welche, auf Deck in großen Gefäßen mit frischem Seewasser verwahrt, nach eingebrochener Dunkelheit, wenn sie gereizt wurden, lebhaft leuchteten, aber es gelang mir sehr selten, des Nachts mit dem Netze ein solches größeres Thier zu erhaschen. Aber, wie auch schon andere Beobachter angegeben haben, fand auch ich, daß das intensivste Licht von einer Salpe (der Pyrosoma) hervorgebracht wird. Ich konnte nur in einer Nacht, am 22. Mai, unter 22° 37' Länge und 8° 30' Breite, einiger Exemplare habhaft werden, da sie dort fast an der Oberfläche umherschwammen. Bekanntlich besteht die Pyrosoma aus einer Verwachsung einer großen Menge kleiner Individuen, bei welchen der Mund nach außen, der After nach innen und einer zentralen Höhle zu liegt. Die ganze Menge dieser zusammenhängenden Thiere bildet so einen Cylinder, der an dem einen Ende geöffnet ist. Durch gemeinschaftliche Zusammenziehung aller Thiere wird die centrale Oeffnung erweitert oder verengt und so wahrscheinlich die Bewegung bedingt. Wir fingen in jener Nacht etwa sechs bis acht Exemplare und lasen beim Lichte derselben in sonst vollständig dunkler Koje mit Bequemlichkeit. Ich habe jenesmal meinem Freunde W., der unwohl im Bette lag, aus einem kleinen zoologischen Vademecum eine kurze Betreibung dieser Thiere bei ihrem eigenen Lichte vorgelesen.

Wir hatten dieselben in eine Blechschüssel, mit Seewasser gefüllt, gelegt, und obgleich sie ungereizt vollständig dunkel waren, so reichte doch die leiseste Berührung hin, sie augenblicklich leuchten zu machen. Wurde die Schüssel von außen nur mit dem Fingernagel berührt, so leuchteten sogleich sämmtliche, in derselben befindliche Individuen mit dem schönsten Lichte. Wurde vorsichtig eines derselben (stets nämlich die Vereinigung der einzelnen Subjecte zum Ganzen, zur eigentlichen Salpe, als Thier gedacht) mit einem Stäbchen berührt, so leuchtete zuerst das gereizte Individuum, aber auch die anderen, direct nicht berührten fingen alsbald, wenn auch stets mit schwächerem Lichte, zu leuchten an.

Das Licht der Pyrosoma atlant. ist bläulich grün, von einer sehr schönen Modifikation des Farbentones, und das Thier scheint, sobald es leuchtet, transparent zu sein. Am glänzendsten und am längsten dauernd ist die feurige Furche, die das segelnde Schiff hinterläßt an jenen Stellen des Oceans, wo jene Thiere häufig sind.

Eine zierliche Erscheinung, geht ihr gleichwohl das Großartige der flammenden See um ein großes segelndes Schiff ab, sind die Tausende von Funken, die ein rasch gerudertes Boot begleiten, die durch jeden Ruderschlag funkelnd in die Höhe geworfen werden und die Ruder, so wie selbst die in See getauchte Hand feurig glänzend erscheinen lassen.

Flüchtig will ich über die Organe hinweggehen, welche bei der ganzen Reihe der leuchtenden Seethiere dasselbe bedingen. Wissenschaftliche Abhandlungen sind ausführlicher hierauf eingegangen und man hat gefunden, daß während einzelne Arten gänzlich zu leuchten und von dem phosphorescirenden Lichte überzogen oder durchdrungen scheinen, andere blos an einigen Stellen des Körpers erleuchtete Stellen besitzen. Ich habe eine ziemlich bedeutende Anzahl von leuchtenden Thieren aller Art, und unter sehr verschiedenen Breitegraden untersucht und habe dasselbe gefunden.

Im Allgemeinen gänzlich leuchtend sind die stets mehr oder weniger durchscheinenden Quallen und Salpen; mehr auf bestimmten Stellen, meist am untern Theile des Körpers, beschränkt, die Krebs-ähnlichen kleinen Thiere. Möglich, daß die Transparenz der Medusen und Salpen eine Täuschung vermittelt. Bei der überwiegenden Mehrzahl der kleinen von mir untersuchten und häufig auch unter dem Mikroskope gezeichneten Entomostraka habe ich mit Bestimmtheit gefunden, daß die bei Nacht leuchtenden Flecke bei Tage und selbst bei Lampenlicht röthlich gefärbt waren.

Ich zweifle nicht, daß mit Schärfe und Genauigkeit und in kurzer Zeit sich Wahrheiten über das Leuchtevermögen aller dieser Thiere herausstellen ließen, wenn man sie im friedlichen Studierzimmer stets frisch zur Hand haben und gute Instrumente, vielleicht auch chemische Agentien anwenden würde. Meist aber fehlen auf See, bei dem reichlichsten Material, die meisten Hülfsmittel zur genauen Untersuchung, der mangelnden Literatur nicht zu gedenken. Ich hatte ein kleines Mikroskop von Plössel bei mir, aber ich konnte kaum eine stärkere Vergrößerung als eine dreißigfache lineare anwenden, und öfters selbst diese nicht. Es ist nicht leicht ein Thier, was häufig nicht die halbe Größe eines Nadelkopfes erreicht, aus einem Eimer Wasser herauszufangen, entweder beim Lampenlichte, welches selten sehr brillant ist, oder in der Dunkelheit, blos durch des Thierchens eignes Leuchten geleitet, zudem da nach einigemal wiederholtem Reize dieselben bald sterben oder wenigstens nicht mehr leuchten.

Die besprochenen Erscheinungen haben für den, der die See befahren hat, ein solches Interesse und erwecken so vielgestaltige an sie geknüpfte Erinnerungen, daß man es mir vielleicht verzeihen wird, so lange bei denselben verweilt zu haben. Ich werde hinfür nur selten und flüchtig des Gegenstandes mehr erwähnen. Doch muß ich, ehe ich ihn verlasse, noch eine eigenthümliche Erfahrung anführen, welche ich gemacht habe. Es gelang mir nämlich nie, ein des Nachts leuchtendes Seethier, im absolut finsteren Raume, auch bei Tagszeit leuchtend zu machen. Ich fing öfters während des Tages sowohl kleine, als auch größere Individuen, von denen ich wußte, daß sie des Nachts leuchteten, brachte sie in meine Koje, und reizte dieselben, um sogleich nachher bei Tageslicht und unter dem Mikroskope das leuchtende Organ näher prüfen zu können. Aber ich habe nie, auch nie eine Spur eines Lichtscheins gefunden. Ich habe diese Versuche auf der Rückreise von Peru nach Europa angestellt, wo auf dem Schiffe durch die Gefälligkeit des Kapitains alle möglichen Hülfsmittel zu meiner Verfügung standen. Das kleine Prisma, welches von oben die Koje erhellt, wurde auf das sorgfältigste verschlossen. Die Thür, in Fugen laufend, und zum Schieben eingerichtet, wurde zugeschoben und von außen so dicht mit Tüchern verhängt, daß absolut alles Licht ausgeschlossen war; ich blieb dann etwa 30 Minuten in dem verdunkelten Raum, um eine Spur etwa eindringenden Lichts zu entdecken, und um mein Auge empfindlicher für den geringsten Lichtreiz zu stimmen, aber ich habe nie ein anderes Resultat als das oben angegebene erhalten können. Manche der Thiere, meist größere Medusen, welche nicht zu heftig gereizt worden waren, und welche überhaupt länger leben, leuchteten nach eingebrochener Nacht und dann selbst auf Deck, wo bei Sternenhelle deutlich die nächsten Gegenstände zu erkennen waren.

Ist das Leuchtorgan jener Thiere an eine gewisse Zeit gebunden, hängt diese Zeit zusammen mit dem Zwecke, den die Natur überhaupt damit verbunden hat, oder war mein Auge in der verhängten Koje immerhin noch nicht genug an die Dunkelheit gewöhnt, um die Lichterscheinung wahrnehmen zu können? Ich weiß es nicht, aber ich habe die Erfahrung wiedergegeben, wie sie sich mir geboten.

So viel vom Leuchten der See.

Die Temperatur war in jenen Breitegraden in der That eine wahrhaft köstliche zu nennen, wenigstens nach meiner Ansicht. Wir hatten meist günstigen Wind, und die Stillen, welche hier und da eintreten, wie solches dort öfters zu geschehen pflegt, dauerten nicht lange, und waren, für mich den Medusenjäger, so wie für die Seekranken gleich erwünscht. Regenschauer und einzelne Gewitter liefen wohl mit unter, aber vorübergehend, indessen war dann die Schwüle in unserer sogenannten Kajüte einigermaßen drückend, da auf das Skylight eine luftdicht schließende, mit Glas versehene, Decke gesetzt wurde. Einige jüngere Passagiere, welchen die tropische Hitze keine so angenehme Zugabe wie mir war, dem nicht leicht (physisch nämlich) irgendwo zu warm geworden ist, wurden unwohl und dies meist solche, welche längst die Seekrankheit überwunden hatten.

Ich gab den Patienten Brechweinstein und später Citronensäure, und sah auf diese Weise das Uebel leicht verschwinden.

Indessen brachte ich es auch beim Kapitain dahin, daß mittelst einiger Querhölzer jene Skylight-Decke hohl gestellt wurde, so daß zwar dem Regen gewehrt, nicht aber der Luft aller Zutritt abgeschlossen wurde. Eine weitere Verbesserung unserer Umstände brachte ich dadurch zuwege, daß ich den Genossen der Kajüte vorschlug, unser Kostüm zu vereinfachen. Leichte leinene Beinkleider und Hemden, Pantoffel dazu – und der Anzug für den Tag und für die Promenade auf Deck war beendet. Ich gestehe es mit Erröthen und Schamhaftigkeit. Wir hatten dort gewiß ein höchst ungebildetes Aussehen. Keine Strümpfe! nicht einmal jener Repräsentant der Cultur und Bildung, die Kravatte, wodurch sich, mit Ausnahme der behalsbandeten Kettenhunde, der Mensch vorzugsweise vom Thiere unterscheidet. –

Noch ein anderes Schutzmittel gegen die allzugroße Hitze in der Kajüte wurde am Skylight angebracht, ein Segel von etwa 12 bis 15 Fuß Höhe, gegen unten in einen Schlauch endend, welcher in die Kajüte führte. Die gegen das Segel strömende frische Luft wurde auf solche Weise stets in die Kajüte geführt und bewirkte auf diese Art eine in der That sehr angenehme Frische und perpetuelle Reinigung der untern Luft.

Ich muß gestehen, daß ich durch allerlei Kunstgriffe das Ende jenes Schlauches sehr häufig in unsere Koje zu leiten wußte, was den drei Mitbesitzern sehr wohl zu statten kam. Ich selbst schlief fast während der ganzen Zeit, in welcher wir uns unter den Wendekreisen befanden, unter freiem Himmel auf Deck.

Da mich die Matrosen gerne hatten, so weckten sie mich, ehe sie des Morgens das Schiff zu scheuern begannen, und ich entging so der Taufe, welcher nicht selten Passagiere ausgesetzt sind.

Anfänglich schleppte ich allabendlich mit Hülfe einiger freundlichen Genossen meine Matrazze nebst einigen wollenen Decken auf die Stelle, wo ich zu übernachten gedachte. Da aber einigemale Regen einfiel, und alle diese Requisiten schnell und ohne Beihülfe wieder hinabgeschafft werden mußten, beschränkte ich mich auf die wollenen Decken allein. Zuletzt ließ ich auch diese unten, und schlief à la Diogenes einfach in meinem Mantel auf den Brettern des Gangs. Ich lag etwas härter, aber ich hatte die große Bequemlichkeit, nicht mehr den Regen fürchten zu müssen. Bei größeren Schauern war ich rasch unter Deck, des Gepäckes ledig, kleinere aber wurden oben bestanden, öfters schlafend, im süßen Bewußtsein, daß die Sonne des morgigen Tages den einfachen Mantel leicht trocknen würde.

Ich komme bei dieser Gelegenheit auf einen eigenthümlichen Gegenstand, welchen ich mit einigen Worten behandeln will. Ich meine den schädlichen Einfluß, den das Mondlicht, und namentlich jenes des Vollmonds, unter den Wendekreisen äußern soll. Bei allen Seeleuten ist der Glaube verbreitet, daß der Mondschein giftig, wie sie sagen, einwirke. Im Mondscheine wird, selbst außerhalb der Tropen, nie ein Seemann mit unbedecktem Haupte auf Deck erscheinen.

Aber selten wird irgend ein ähnlicher Glaube allgemein unter einem ganzen Stande verbreitet sein, ohne daß irgend wie eine Wahrheit, ein Thatsächliches zu Grunde liegt. Die Folge des Schlafens oder überhaupt nur das Liegen mit unverhülltem Antlitze im Mondscheine soll Geschwulst im Gesichte, Lähmung, Blindheit, in manchen Fällen Wahnsinn und mit dem Tode endende Raserei herbeiführen. In Europa, irre ich nicht im südlichen Frankreich, sind ähnliche Erfahrungen gemacht worden.

Soldaten, welche des Nachts auf den Wällen einer Festung Schildwacht standen, wurden »mondblind.« Dies ist so viel ich weiß der wissenschaftliche Ausdruck für das Leiden, Mondblindheit, Nyctalopia und die vorzüglichste Erscheinung mit welcher es, nach der Aussage eines deutschen Arztes in Valparaiso, auftritt, ist eine mehr oder weniger verbreitete Geschwulst in der Augengegend, und die Eigenthümlichkeit, daß des Nachts vollständige Blindheit eintritt, sei nun Mondlicht oder Feuerbeleuchtung. Jener mir befreundete Arzt hatte als Oberarzt eine Abtheilung chilenischer Truppen über die Cordilleren begleitet und es fanden dort natürlich längere Zeit hindurch nächtliche Bivouaks im Mondscheine statt. Die Hälfte jener Soldaten wurden mit Mondblindheit befallen, und es dauerte einige Monate bis die Erkrankten vollständig geheilt waren.

Ich weiß nicht, ob der keusche unschuldige Mond wirklich die Schuld an dem Uebel trägt, ob es nicht vielleicht die rasche Abkühlung nach einem anstrengenden und erhitzenden Tagmarsche hervorgebracht hat, oder ob nicht andere klimatische, vielleicht nicht beachtete Einflüsse dasselbe hervorgerufen haben. So viel steht indessen fest, daß man dem Liegen im Mondschein alle Schuld aufbürdet, und daß eine leichte Verhüllung des Gesichtes dagegen schützen soll.

Es verdient noch bemerkt zu werden, daß unter den Seeleuten der Glaube herrscht, daß Fleisch geschlachteter Thiere, besonders aber das von Fischen, dem Scheine des Vollmondes ausgesetzt, leichter in Fäulniß übergehe als anderes, ja daß solches Fleisch beim Genusse selbst schädliche Eigenschaften habe. Es liegt eine eigene Mystik in diesem Glauben, der zusammenzuhängen scheint mit mancherlei Erfahrungen über die Einflüsse des Mondes, welche man von andern Seiten her gewonnen haben will. Indessen bedecken die Seeleute sorgfältig frisches Fleisch, was des Nachts über auf Deck bleiben soll und ich muß gestehen, daß ich eines Nachts sehr überrascht war, ein vollständig angekleidetes Schwein an der Schanzverkleidung stehen zu sehen, welches mit einem leichten Anstriche von Melancholie den Hauptmast zu betrachten schien. Die Sache klärte sich einfach dadurch auf, daß man das bei Tage geschlachtete Thier auf Deck gehängt, aber des Mondscheins halber mit alten Kleidern behangen und mit einem Hute bedeckt hatte. – Dem sei aber nun wie ihm wolle, sei die Sache ganz eine Fabel, oder sei sie halbe oder ganze Wahrheit, – so viel steht fest, daß ich nicht die geringste Anwandlung irgend eines Unwohlseins erfuhr, obgleich ich, während wir die Wendekreise durchschifften mit wenig Ausnahmen fast immer unter freiem Himmel und den Mondesstrahlen ausgesetzt schlief. Nicht selten brachten auch noch einige andere Passagiere die Nacht auf Deck zu, aber auch bei diesen zeigte sich Nichts dem Uebel ähnliches.

Aber ich habe an jene Nächte eine freudige dankbare Erinnerung bewahrt, die mich nicht verlassen hat in manchem Sturme der See und des Landes.

Wie oft habe ich dort jener lieben Herzen in der Heimath gedacht, von welchen ich sicher wußte, daß sie für mich schlugen, und deren Zahl ich nicht nennen will, weil Beispiel, Namen und Zahlen gehässig sind. Doch die feierliche Ruhe jener Nächte beschwichtigte den Kummer und die Sehnsucht. Die See, scharf abgegränzt bei Tage und scheinbar nur in mäßigen Dimensionen dem Auge erreichbar, erhält dort das Gepräge von Unermeßlichkeit durch jene fabelhaften Wolkengebilde, die vom Monde beleuchtet, die Gränze zwischen Himmel und Wasser verhüllen. Aber diese irdische Unendlichkeit, sie verschwindet, wenn sich der Blick zu den Gestirnen wendet, und weicht dem Gedanken an eine Ewigkeit, an eine Schöpfung ohne Anfang, ohne Ende, eine unumstößliche Wahrheit, eine unbegreifliche, und deshalb fast eine grauenhafte.

Oft habe ich in solchen Nächten jener ersten Blicke gedacht, wo ich als Knabe den Sternenhimmel betrachtet und wo ich nicht mehr recht die Erzählung meiner Wärterin glaubte, daß die Sternlein lauter Löchlein seien, durch welche der liebe Gott erlaube einen Theil seiner Herrlichkeit im Himmel zu erblicken, wohl auch herabblicke auf artige Kinder und sich freue über sie.

Später erfährt man freilich, daß der liebe Gott eine Constitution bekommen hat, daß alles nach Gesetz und Maaß gehen muß, und jene Bücher-Lehren oder wenigstens der Glaube daran nicht mehr zulässig und statthaft sei.

Ich mag den Freunden nicht bergen, daß ich dort zuweilen ein rechtes großes Kind gewesen und wohl bisweilen gewünscht, zu glauben wie ein kleines.

Während aber so in der Stille jener Nächte der Blick bald über das Wasser schweift und den Streiflichtern des Mondes folgt oder in den fernen Wolken mannichfache Gebilde zu erkennen glaubt, bald in der Tiefe des Himmels sich verliert und sich Spekulationen so verschiedener Art hingiebt, beginnen wir allmählig auf das Murmeln der neben uns vorüberziehenden Wellen unwillkürlich zu lauschen. Sie flüstern uns bisweilen seltsame Dinge zu diese Wellen, Dinge, die man nicht wieder erzählen kann und will, aber sie flüstern uns in den Schlummer.

Es ist Zeit, daß ich wieder einmal eines Datums erwähne, irgend etwas Wichtiges erzähle, was vorgefallen am Bord, ein Ereigniß melde. So will ich denn mittheilen, daß am 25. Mai (unter 22° 22' westlicher Länge und 4° 58' nördl. Breite) während einer Windstille ein Hai gefangen wurde. Dieses kann aber der vollkommensten Wahrheit gemäß an Bord, und besonders an Bord eines Passagier-Schiffes ein Ereigniß genannt werden. Ich hatte die Nacht auf Deck geschlafen, war aber gegen Morgen vom Regen vertrieben in meine Koje gegangen, als plötzlich gegen 5 Uhr ein furchtbarer Lärm auf Deck entstand. Der Ruf: ein Hai! der Alles übertönte, ließ auch mich so schnell als möglich auf Deck eilen, woselbst man eben beschäftigt war, jene »Hyäne des Meeres« an Bord zu ziehen. Man hatte schon seit einigen Tagen eine Angel ausgeworfen, welche unweit des Steuers befestigt, nachschleifte, aber obgleich schon mehrere jener Gäste den Köder, ein Stück Speck, umspielt, hatte doch erst am erwähnten Morgen einer derselben ernstlich angebissen. Das gefangene Thier war 7 Fuß lang und von beträchtlicher Stärke. Es ist übrigens keine ganz gefahrlose Sache, jene Ungethüme, welche natürlich an der Angel sich rasend geberden, an Bord zu bringen, und man muß sich wohl hüten in den Bereich des Rachens oder des Schweifes zu kommen. In letzterem entwickeln sie eine furchtbare Stärke und man versichert, daß unvorsichtig sich Nahenden öfters Arme und Beine zerschlagen worden seien. Der starke, 9 Zoll bis 1 Fuß große Angelhaken hängt an einer etliche Fuß langen Kette und diese an einem Taue. Sobald nun der Fisch auf Deck gezogen ist, wird durch einige Männer das Tau rasch um einen irgendwo befindlichen festen Gegenstand, etwa einen Kabelnagel geschlungen, so daß die Angel mit dem Kopfe des Thieres fixirt ist. Einer der Matrosen nähert sich dann behende dem wüthend um sich schlagenden Hai, und schlägt ihm mittelst eines breiten Beiles rasch den Schweif ab. Gewöhnlich wird hierauf auch der Kopf mit der Axt abgeschlagen, würde man aber dies zuerst thun, so würde der nicht mehr festgehaltene Körper arge Verwüstungen auf dem Decke anzurichten im Stande sein, da er, auch kopflos, noch lange Kraft und Bewegung besitzt.

Vom Körper des Hai nimmt man gewöhnlich die beiden Kiefer und das Rückgrat, welches die Matrosen trocknen und als »Rarität« zu Hause verkaufen. Alles übrige wird in See geworfen. Ich erinnerte mich in Chamisso's Reise um die Welt gelesen zu haben, daß der Hai von den russischen Seeleuten ohne Anstand gegessen wird. Auf mein Zureden gingen einige Passagiere mit mir zum Kapitain um ihn um den Hai zu bitten, d. h. um die Erlaubniß, daß der Koch ihn für uns bereiten dürfe. Wir erhielten zur Antwort, das sei gewiß unser Ernst nicht und überhaupt auf keinem Schiffe gebräuchlich. Ein Thier, was unsere Kameraden frißt, essen wir nicht, sagte mit einer gewissen Würde der Obersteuermann.

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