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BIONIK

Knabe Verlag Weimar

Riesenseerose und Kristallpalast

Bernd Hill

1. Auflage Oktober 2014

©

2014 Knabe Verlag Weimar

Trierer Straße 65 99423 Weimar

Alle Rechte sind dem Verlag vorbehalten.

Grafische Bearbeitung Nicole Laka

Satz und Layout Nicole Laka

Lektorat Julia Roßberg


Dieses Buch folgt den Regeln der neuen deutschen

Rechtschreibung.

ISBN 978-3-944575-07-0

www.knabe-verlag.de

BERND HILL

wurde 1947 geboren. Er studierte an der PH/Uni-

versität Erfurt im Schwerpunkt Polytechnik. 1987 promovierte er

über Erfindungsmethodik, 1995 erfolgte seine Habilitation über

Biostrategien und biologische Organisationsprinzipien an der

Martin-Luther-Universität Halle.

Von 1998 bis 2012 lehrte Prof. Hill an der Universität Münster

im Fachbereich Physik, Institut für Technik und ihre Didaktik.

In verschiedenen Unternehmen führt er Innovationskurse durch

und bezieht die angewandte Bionik in systematische Produkt-

entwicklungsprozesse ein. Seine Forschungstätigkeit bezieht sich

auf Innovationsstrategien, technische Kreativität sowie systema-

tische und angewandte Bionik.

BILDNACHWEIS

Illustrationen Prof. em. Dr. Bernd Hill

Seite 12: Brockhaus Konversations-Lexikon, 1898, Tafel „Ausstellungsgebäude“;

Seite 29: Fotos: Haenke-Museum Chribská/Tschechien; Seite 48: © Jorge Zuzarte;

Seite 65: unbekannt, publiziert in der Illustrated London News vom 17. November 1849;

Seite 67: © Stiftung Friedenstein Gotha; Seite 69: © Brockhaus Konversations-Lexikon, 1898,

Tafel „Ausstellungsgebäude“, Seite 75: Farblithografie von Louis Haghe; Victoria & Albert

Museum.

Alle hier nicht mit anderer Quelle benannten Fotos stammen vom Autor.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ............................................................. 5

1

Einleitung ...................................................... 7

2

Die Riesenseerose – Vorbild für den Kristallpalast? ................. 11

3

Auf der Suche nach dem grünen Gold............................. 19

4

Die Entdeckung der Riesenseerose................................ 25

5

Das botanische Wunder Riesenseerose (Victoria) ................... 43

6

Die Tragfähigkeit der Riesenblätter ............................... 49

7

Die Erfindung des Glashauses ................................... 60

8

Die erste Weltausstellung 1851 in London ......................... 66

Arbeitsblatt 1: Richtig oder falsch? ..................................... 77

Arbeitsblatt 2: Quiz „Wie-Wer-Was?“ .................................. 79

Arbeitsblatt 3: Auf dem Wasser laufen ohne einzusinken? ................. 80

Literatur............................................................ 82

Register ............................................................ 85

1.

Die Natur als Ideenschmiede

2. Von Flugfrüchten abgeschaut

3. Leichtbau – Konstruktionsprinzipien der Natur abgeschaut

4. Riesenseerose und Kristallpalast

5. Schmetterlingen abgeschaut

6. Vom Fliegen

7. Schätze aus dem Tropenwald

8. Schwimmen und Tauchen

9. Wärmedämmung

10. Seil- & Netzkonstruktionen

11.

Klimatisierung und Lüftung

12. Schönheit der Natur

13. Tarnen und Täuschen

14. Das 1 x 1 des Erfindens

15. Wettrüsten der Sinne

16. Werkzeuge der Natur

17. Verpacken

18. Roboter und Prothesen

19. Erfinden mit der Natur

20. Bionik in Wald und Flur

Alle Titel der Buchreihe (nach Erscheinen):

5

D

er

vierte Band „Riesenseerose und Kristallpalast“ setzt die Buchreihe

unter dem Motto „Frag' die Natur“ fort. Diese Reihe wendet sich an eine breite

Leserschaft. Sie ist sowohl auf aktiven Wissenserwerb, als auch auf das eigen-

ständige Forschen, Entdecken, Experimentieren und Erfinden ausgerichtet.

Comics und Infoboxen lockern dabei die Wissensaneignung auf. Der Leser

erfährt durch eigenes Handeln an interessanten Sachverhalten die Funkti-

onalität, Vielfalt, Effizienz und Schönheit der Natur und ihre Nutzung. Die

Texte enden nicht mit der Aufnahme erklärenden Wissens, sondern machen

neugierig und fordern zum Hinterfragen, Beobachten, Forschen, Modellieren,

Experimentieren und Konstruieren auf. Anschaulich werden Methoden des

Problemerkennens und -lösens dargestellt, um eigenes Entdecken und Erfinden

zu ermöglichen und so Freiräume für Kreativität zu schaffen.

Damit erschließt sich in persönlicher Weise die faszinierende Welt der Natur-

phänomene und ihre Nutzung.

Lernen von der Natur

VORWORT

Die Bände enthalten:

Sachinformationen über interessante und erstaunliche biologische und

technische Phänomene,

Abenteuer des Entdeckens und Erfindens in Form von Bildergeschichten,

6

Denk- und Arbeitsweisen von Entdecker- und Erfinderpersönlichkeiten,

nützliche Methoden zur individuellen Erschließung von Natur und

Technik

und spannende Experimente zur Erkenntnisgewinnung sowie Selbst-

bau- Anleitungen zur praktischen Erprobung.

Im fortlaufenden Text dienen folgende Symbole zur Orientierung:

Viel Spaß beim Lesen,

Forschen und Experimentieren.

i

Infobox zur Begriffserläuterung

8

Modelle

l

Methoden zur Erkenntnis-

T

Experimente

gewinnung und -umsetzung

7

D

a

s sich in der Natur eine Fülle von Anregungen für technische Kons-

truktions- und Verfahrensweisen finden lassen, erkannte in der ersten Hälfte

des 19. Jahrhunderts der geniale Erbauer des Londoner Kristallpalastes Joseph

Paxton (1803–1865). Als Gärtner und Erfinder verstand er es schon früh, un-

terschiedliche Fachgebiete zur Gewinnung neuer Erkenntnisse miteinander zu

verbinden. Er nutzte zielgerichtet gewonnene Erkenntnisse aus der Natur und

übertrug diese auf technische Konstruktionen, wie Gewächshäuser und den ge-

nannten Kristallpalast. Paxton ging es dabei nicht um eine direkte Übertragung

von der Natur auf die Technik, sondern um die Gewinnung von Anregungen

zur Lösungsfindung.

Durch Untersuchung biologischer Vorbilder, Anfertigung von Modellen und

Durchführung von Experimenten findet man heraus, wie diese mit einem Mini-

mum an Material- und Energieaufwand ein Maximum an Stabilität und Zuver-

lässigkeit verwirklichen. Es geht hierbei um das Entdecken und Entschlüsseln

von Konstruktionsprinzipien aus dem Pflanzen- und Tierreich.

Bestehen bleibt aber das Problem, wie solche Prinzipien kreativ in die Größen-

verhältnisse und Materialien der Technik umzusetzen sind. Das ist ein grundle-

gendes Problem der Bionik, also des Lernens von der Natur, mit dem sich Paxton

auch konfrontiert sah.

Natur als Ideenquelle

EINLEITUNG

1

8

Bei Paxton bestimmte das biologische Vorbild den Ausgangspunkt bei der

Lösungsfindung, von dem aus eine Weiterentwicklung unter speziellen technisch-

technologischen und ökonomischen Bedingungen erfolgen musste. Die architek-

tonische Lösung, die Dach- und Kuppelkonstruktion des Kristallpalastes, stellte

dabei das Ergebnis eines Erfindungsprozesses dar, an dessen Anfang als Natur-

vorbild das Blatt der Riesenseerose stand. Baupläne der Natur, also solche von

Pflanzen und Tieren, dienen dem Erfinder als erstes, unfertiges Lösungsmuster,

Als Prinzip wird allgemein eine vereinfachte Darstellung mit symbolischen

Elementen bezeichnet. Beispiel: Wirkprinzip des Fliegens und Schwimmens

Bionik ist eine Wissenschaft, die das Lernen von der Natur zum Ziel hat. Sie

besteht daher aus den Begriffen Biologie und Technik. Bionik befasst sich mit

der Übertragung von Entdeckungen aus dem Pflanzen- und Tierreich auf die

Technik. Der Mensch erfindet daraus neue Geräte, Maschinen und Anlagen

sowie Verfahren. Die funktionieren viel besser als ihre Vorgänger, brauchen meist

weniger Energie und kommen mit weniger Material aus.

i

Prinzip

i

Bionik

A

A

FA

FA

FW

FV

FR

FW

A

angeströmte Querschnittsfläche

(cm

2

oder m

2

)

F

A

Auftriebskraft (N)

F

R

resultierende Kraft (N)

F

W

Strömungswiderstand (N)

F

V

Vortriebskraft (N)

α

Flügelanstellwinkel (Vogel)/

Flossenausschlagwinkel (Fisch)

Biologie

Technik

Bionik

+

=

9

sozusagen als Denkanregung. So wies die Dach- und Kuppelkonstruktion des

Londoner Kristallpalastes nur bedingte Ähnlichkeit mit der Struktur der Blatt-

unterseite der Seerose auf.

Die Natur diente dem Menschen von jeher als Lehrmeisterin und Vorbild für

die Lösung neuer, zu bewältigender technischer Probleme. Jedoch kam er vielem,

was die Natur sozusagen für sich gelöst hatte, erst viel später auf die Spur. Die

lebende Natur hat gegenüber der technischen Entwicklung einen Vorsprung von

vielen Millionen Jahren. Auch wenn es in der Vergangenheit so war, dass in der

Technik Lösungen existierten, die es auch schon längst in der Natur gab, so ist es

immer wieder eine Notwendigkeit, die Natur nach ihren Lösungen zu befragen.

Dabei ist es eine Tatsache, dass es für jedes zu lösende technische Problem, eine

Vielzahl von passenden Lösungsprinzipien in der lebenden Natur gibt.

Wer also die Natur bewusst als Lösungs- und Ideenquelle nutzt, wird viele

interessante Denkanregungen erhalten. Das Buch zeigt auf, wie Naturlösungen

in Technik und Architektur übertragen werden. Der Inhalt orientiert sich an der

Natur als Ideen- und Lösungsquelle

Funktionsprinzip

Erhöhung der Stabilität und

Knicksteifigkeit bei minimalem

Aufwand an Biomasse durch

innere Hohlräume und äußere

Materialanhäufung.

Strukturprinzip

Anwendung:

Leichtbau

in der Technik

Flügeldecke des Rüsselkäfers

Schädelknochen eines Vogels

Wand des Grashalmes

Bienenwabe

Riesenseerosenblatt

Meerestang

Längsschnitt

10

Leitlinie „Biologische Phänomene entdecken – technische Lösungen erfinden“.

Zunächst werden neben der Entdeckungsgeschichte der Riesenseerose auch

ihre biologischen Merkmale beschrieben. Danach ist dargestellt, wie das Leicht-

bauprinzip dieser Seerose in der Architektur von Glashäusern unterschiedlicher

Größe umgesetzt wurde.

Auch hierbei werden dem Leser einfache Methoden des Forschens und Entde-

ckens zur Erkenntnisgewinnung sowie solche des Erfindens zur Erkenntnisum-

setzung vorgestellt.

Ein spannendes Abenteuer des Entdeckens und Erfindens steht bevor – los geht's.

Entdecken und Erfinden sind kreative Handlungen beim Lösen von Problemen in

Naturwissenschaft und Technik.

Entdecken bedeutet etwas wahrzunehmen, was in der Umwelt existiert, also

die Aufdeckung bestehender, bisher aber unbekannter Gesetzmäßigkeiten oder

Sachverhalte in Natur, Gesellschaft und Technik.

Erfinden dagegen ist das Erzeugen neuartiger technischer Lösungen, die auf

industrieller Anwendbarkeit und auf technischen Fortschritt sowie auf einer

erfinderischen Leistung beruhen.

i

Entdecken und Erfinden

Öffnen einer Blüte (Entdeckung):

Kronblätter vieler Blüten können

durch Verändern der Temperatur-

bzw. der Lichtintensität Öffnungs-

oder Schließbewegungen ausführen.

Stadionüberdachung (Erfindung):

Öffnen oder Schließen des

Daches durch einen hydraulischen

Mechanismus.

11

D

ie

großen Schwimmblätter der Riesenseerose machten ihre Entdecker

neugierig auf deren Bauweise. Sie fragten sich, wie eine solch riesengroße dün-

ne Blattfläche stabilisiert wird. Das Geheimnis ihrer Stabilität fanden sie an der

Natur als Anregung zum Problemlösen

DIE RIESENSEEROSE – VORBILD

FÜR DEN KRISTALLPALAST?

Blattunterseite.

Fähigkeit eines Systems (z.B. Laubblatt) nach einer Störung durch äußere

Einwirkungen (z.B. Sturm) wieder in den Ausgangszustand zurück zu kehren.

Stabilität

i

A

f

B

Sturm

A

Ausgangszustand

B

Zustand bei Belastung

durch Sturm

f

Durchbiegung

2

12

Es ist ein ästhetisch anzuschauendes und stabiles

System miteinander verbundener langer Rippen

und dazwischen liegender kurzer Stege, welche

die erforderliche Steifigkeit der großen Blatt-

membran erzeugen. Man nennt es auch das

Prinzip der radialen Verrippung.

Ob die Struktur der Blattunterseite der Rie-

senseerose Vorbild für das Überdachungssystem

des Londoner Kristallpalastes auf der Weltausstel-

lung von 1851 war, wird in Büchern und Zeitschriften

unterschiedlich gedeutet.

Die Fachleute sind hier unterschiedlicher Meinung. Manche gehen davon aus,

dass eine Analogie der Struktur zwischen Blattunterseite und Überdachungs-

system besteht. Andere dagegen verneinen diese Aussage.

Blattunterseite der

Riesenseerose

Londoner Kristallpalast

13

Welche Aussage ist nun richtig? An welchem Vorbild hat sich der englische

Architekt und Erbauer des Kristallpalastes, Joseph Paxton, orientiert? Gab es

überhaupt ein Vorbild für den Kristallpalast? Fragen über Fragen. Machen wir

Die Analogiebildung ist eine Methode zur Gewinnung und Übertragung von

Erkenntnissen über den Aufbau und die Funktion bzw. das Verhalten von

Pflanzen und Tieren auf technische Sachverhalte.

Analogiebildung

l

Muschelschale

Restaurantdach

14

uns mit der forschend-entdeckenden Arbeitsweise und dem Denkstil Paxtons

vertraut, dann finden wir Antworten auf unsere Fragen.

Ab 1828 konstruierte und baute Paxton Gewächshäuser, um neu entdeckte

und wertvolle Pflanzenarten aus den Tropen im kühlen Klima Englands zu

kultivieren. Paxton, der sich auch wissenschaftlich mit Botanik beschäftigte,

gab ab 1831 mehrere Botanische Zeitschriften heraus. Nach der Entdeckung der

Riesenseerose standen in diesen Zeitschriften mehrere Veröffentlichungen über

ihre botanische Beschreibung. Dadurch gewann Paxton genaue Erkenntnisse

über ihren Bau und ganz besonders über das Stabilisierungsprinzip ihrer großen

Blattflächen, ein an der Blattunterseite angeordnetes Netz von strahlenförmigen

und konzentrischen Rippen. Sicherlich fand man hier Anregungen und erste

Lösungsansätze für das Bauprinzip der Glaseindeckung von Gewächshäusern.

Auch setzte sich in dieser Zeit im Gewächshausbau die Erkenntnis durch, dass

geneigte Glasflächen mehr Licht durchlassen als eben angeordnete. Aufbauend

Das „Great Observatory“

15

auf diesen Informationen erfand Paxton 1832 das Prinzip des gefalteten Glas-

daches. Dieses Berg- und Tal-Dachsystem wurde „Ridge- and furrow-System“

genannt.

Nach diesem Prinzip baute Paxton 1836 aus Gusseisen und Glas ein großes

Gewächshaus in Chatsworth, das so genannte „Great Observatory“. Es bestand

aus bogenförmigen Längsträgern, an denen sich beiderseits die Stege für die

Glaseindeckung befanden.

Paxton wurde damit als Spezialist eines materialsparenden Bauverfahrens in

Leichtbauweise schnell bekannt.

Als es 1846 in England erstmals gelang, den Samen der Riesenseerose zum

Keimen zu bringen, war die Zeit reif, ein spezielles Gewächshaus für diese Seerose

zu bauen. 1849 errichtete Paxton ein solches Glashaus in dem schon im Herbst des

gleichen Jahres erstmals die Riesenseerose blühte. Anlässlich der Eröffnung dieses

neuen Gewächshauses hielt Paxton eine Eröffnungsrede und sagte: „Die Natur war

der Ingenieur. Die Natur hat ein Blatt hervorgebracht mit Längs- und Querträgern

und Stützen die ich, von ihr geliehen und sie in diesem Gebäude umgesetzt habe.“

Dieses Gewächshaus hatte ein horizontales Faltglasdach, welches er sich 1850

patentieren ließ.

ERFINDUNG DURCH PRINZIPÜBERTRAGUNG

Paxton diente das Stabilisierungsprinzip der Blattunterseite der Riesenseerose hier

sicherlich als Anregung für die Konstruktion seiner Gewächshäuser. Es ist anzu-

nehmen, dass er das System von Längs- und Querrippen mit anderen Materialien

und Größenverhältnissen auf seine Gewächshausbauten übertrug. Ihm ging es

nicht darum die Rippenanordnung von der Blattunterseite zu kopieren, sondern

um die Übertragung des zugrunde liegenden Prinzips. Beim Riesenseerosenblatt

handelt es sich ja um eine schwimmende Konstruktion, bei der die Blattrippen im

Wasser neben der Trage- und Stützfunktion auch die Aufgabe haben, die seitlich

wirkenden Wellenbewegungen aufzunehmen. Außerdem handelt es sich beim

Blatt um eine ebene, kreisförmige Struktur. Bei der Dachkonstruktion dagegen

hat man es mit einer räumlich gefalteten Rechteckanordnung zu tun. Prinzipiell

sind jedoch aus statischer Sicht die Grundelemente miteinander vergleichbar.

16

Die Längsbalken des Gewächshausdaches entsprechen den längeren radialen

Blattrippen. Die kurzen, kreisförmig angeordneten Zwischenstreben des Riesen-

seerosenblattes übernehmen beim Faltdach die unterspannten Querbalken aus

Holz. Die vielen eingebauten Glasscheiben entsprechen insgesamt der Blatt-

membran der Riesenseerose.

Prinzip der radialen Verrippung bei der Riesenseerose

und bei der Kuppel des Kristallpalastes

Konstruktionsdetail

Die Statik ist ein Teilgebiet der Physik, in dem der Ruhezustand eines Körpers

unter dem Einfluss der auf ihn wirkenden Kräfte beschrieben wird.

i

Statik

17

KRISTALLPALAST MIT KONSTRUKTIONSELEMENTEN

DER GEWÄCHSHÄUSER

Wie wir abschließend feststellen können, finden sich wesentliche Konstruktionsele-

mente der Gewächshäuser im Dachaufbau des Kristallpalastes wieder. Diese Tatsache

zeigt sich auch bei der Vorderseite der halbkreisförmigen Palastkuppel. Hier wird

das Prinzip der radialen Verrippung in den gusseisernen Stützelementen deutlich.

Der Londoner Kristallpalast weist freilich ähnliche Stabilitätsstrukturen wie

die Blattunterseite der Riesenseerose auf. Insgesamt betrachtet war es ein Ent-

wicklungsprozess von Gewächshäusern, den Paxton vollzog, an dessen Ende der

Kristallpalast als Ergebnis stand.

Vorbild bei diesem Prozess war nach Aussage Paxtons das biologische

Stabilisierungsprinzip, welches nach den konstruktiven Anforderungen an die

Glashauskonstruktionen zielgerichtet verändert wurde. Anzunehmen ist auch,

dass Paxton zusätzlich von den Fensterrosen gotischer Kirchen mehr oder weniger

inspiriert worden sein könnte. Diese weisen ähnliche Muster auf.

Das erläuterte Vorgehen entspricht der bionischen Denk- und Handlungs-

weise. Hierbei geht es bei Übertragungen aus der Natur darum, das Prinzip des

biologischen Vorbildes zu erkennen und dieses dann schrittweise durch Vari-

ation seiner zugrunde liegenden Strukturmerkmale in eine technische Lösung

umzusetzen. Insofern hat die technische Lösung mehr oder weniger Ähnlichkeit

mit dem biologischen Vorbild. So verhält es sich auch bei der Dach- und Kuppel-

konstruktion des Londoner Kristallpalastes.

18

Ähnlichkeit von Lösungsmustern in Natur und Architektur

NATUR

ARCHITEKTUR

Stängelquerschnitt

vom Tausendblatt

Rosenfenster der

Kathedrale von Reims

Teil der Blattunterseite

der Riesenseerose

Rosenfenster der

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