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Unternehmensrecht
Erlöschen der Vollmacht
Die Vollmacht erlischt durch jederzeit möglichen Widerruf des Vollmachtgebers. Der Widerruf kann infolge des Abstraktionsprinzips auch erfolgen, wenn das der Vollmachterteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis fortbesteht (z. B. weil der Arbeitsvertrag des bevollmächtigten Arbeitnehmers nicht wirksam gekündigt werden kann), § 168 S. 2 BGB. Die Vollmacht erlischt aber dann automatisch, wenn das ihrer Erteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis endet (insoweit wird das Abstraktionsprinzip durchbrochen), § 168 S. 1 BGB.
Der Widerruf der Vollmacht erfolgt nach §§ 168 S. 3, 167 Abs. 1 BGB durch Erklärung des Vollmachtgebers entweder gegenüber dem Bevollmächtigten oder gegenüber dem Dritten. Wenn die Vollmacht allerdings als Außenvollmacht erteilt oder eine Innenvollmacht nach außen kundgetan wurde, bleibt sie dem Dritten gegenüber so lange in Kraft, bis dieser über das Erlöschen der Vollmacht in Kenntnis gesetzt wird (§§ 170, 171 BGB). Dies gebietet hier der Vertrauensschutz, da in einem solchen Fall der Dritte vom Widerruf der Vollmacht nichts wissen kann und deshalb schutzwürdig ist (vgl. § 173 BGB).
Beispiel: Teilt der Inhaber eines Supermarktes seinen Geschäftspartnern mit, dass er einen seiner Mitarbeiter zum Ankauf von Waren bevollmächtigt hat, und widerruft er später die Vollmacht, so gilt die Vertretungsmacht des Mitarbeiters den Geschäftspartnern gegenüber so lange fort, bis diese vom Widerruf der Vollmacht unterrichtet werden.
2.1.5.5Vertretung ohne Vertretungsmacht
Vertragsschluss durch Vertreter ohne Vertretungsmacht
Handelt der Vertreter ohne oder außerhalb seiner Vertretungsmacht, so wird der Vertretene durch die Willenserklärung des Vertreters nicht gebunden. Dieser Vertreter ist ein Vertreter ohne Vertretungsmacht (sog. falsus procurator).
Wenn der Vertreter ohne Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen einen Vertrag abgeschlossen hat, hängt dessen Wirksamkeit nach § 177 Abs. 1 BGB von der Genehmigung (also der nachträglichen Zustimmung, § 184 Abs. 1 BGB) des Vertretenen ab. Ob der Vertretene die Genehmigung erteilt, entscheidet er allein; der Vertragspartner kann lediglich eine Entscheidung von ihm verlangen, wobei sein Schweigen als Verweigerung der Genehmigung gilt (§ 177 Abs. 2 BGB). Bis zur Genehmigung kann aber auch der Vertragspartner seine Willenserklärung ausnahmsweise widerrufen und so den Schwebezustand beenden, es sei denn, er kannte bei Vertragsschluss den Mangel der Vertretungsmacht (§ 178 S. 1 BGB). Demnach ist der Vertrag zwischen dem Vertretenen und dem Vertragspartner zunächst schwebend unwirksam.
Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht
Wenn der Vertretene seine Genehmigung verweigert, kommt der Vertrag zwischen dem Vertretenen und dem Dritten endgültig nicht zustande. Dann haftet der Vertreter ohne Vertretungsmacht dem Vertragspartner gemäß § 179 Abs. 1 BGB nach dessen Wahl und unabhängig von einem Verschulden auf Erfüllung oder Schadensersatz (sog. Garantiehaftung).
Der Umfang der Haftung richtet sich danach, ob der Vertreter ohne Vertretungsmacht den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder nicht. Hat er den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so schuldet er dem Vertragspartner nur einen eingeschränkten Schadensersatz – den sog. Vertrauensschaden.
Beispiel: Fahrtkosten zum Ort des Vertragsschlusses.
Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht entfällt nach § 179 Abs. 3 S. 1 BGB sogar ganz, wenn der Vertragspartner den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder zumindest kennen musste (d. h. infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte, § 122 Abs. 2 BGB). Denn dann ist dieser nicht schutzwürdig.
Lösung zur Handlungssituation (Fallbeispiel 3)Zu prüfen ist der Anspruch der C gegen H auf Übereignung des Pkws gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB.
Voraussetzung für den Übereignungsanspruch der C gegen H ist ein wirksamer Kaufvertrag. Dieser benötigt zwei übereinstimmende Willenserklärungen.
C hat eine Willenserklärung, gerichtet auf den Kauf des Pkws des H abgegeben. H hingegen hat selbst keine Willenserklärung abgegeben. Er könnte indes wirksam von B vertreten worden sein (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB). B hat eine eigene Willenserklärung, gerichtet auf den Verkauf des Wagens des H, abgegeben. Dabei hat B auch kundgetan, dass er für den H agiert. Fraglich ist aber, ob B innerhalb seiner Vertretungsmacht agiert hat.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass B von H eine schriftliche Vollmacht zum Verkauf des Pkw erhalten hat (§ 167 Abs. 1 BGB). Diese war inhaltlich nicht beschränkt. Zwar sollte B möglichst viel (mindestens 3.000,– €) für das Auto erlösen. Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine interne Weisung, die lediglich das Auftragsverhältnis zwischen H und B und nicht das Außenverhältnis zu C berührt (anders wäre es, wenn auf der Vollmacht stünde, dass sie nur für einen Verkauf ab 3.000,– € gilt). Folglich handelte B mit Vertretungsmacht und seine Willenserklärung entfaltet Rechtswirkung gegenüber H (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB). Damit liegt ein wirksamer Kaufvertrag zwischen H und C vor.
Ergebnis: C hat gegen H einen Anspruch auf Übereignung des Pkw.
Anmerkung: Evtl. hat H gegen B im Innenverhältnis einen Anspruch auf Schadensersatz (§ 280 Abs. 1 BGB).
2.1.6.Anfechtung von Willenserklärungen
2.1.6.1Überblick
Willensmängel
Grundsätzlich soll der Erklärende an seiner abgegebenen Willenserklärung festgehalten werden. Dies verlangt der Schutz des Rechtsverkehrs, der auf die Gültigkeit von Willenserklärungen und die Bindungswirkung von Verträgen vertrauen darf. Daher ist es nur in Ausnahmefällen möglich, dass eine Willenserklärung von dem Erklärenden rückwirkend – durch Anfechtung – beseitigt werden kann. Voraussetzung hierfür ist ein rechtlich relevanter Willensmangel des Erklärenden. In einem solchen Fall steht der subjektive Wille des Erklärenden über dem Schutz des Rechtsverkehrs an der Verbindlichkeit der Erklärung.
Auch anfechtbare Willenserklärungen sind zunächst rechtsgültig, jedoch kann sich der Anfechtungsberechtigte durch eine Erklärung innerhalb einer bestimmten Frist von seiner Willenserklärung wieder lösen (sog. Gestaltungsrecht). Den Interessen des Rechtsverkehrs wird in manchen Fällen durch eine Schadensersatzpflicht des Anfechtenden Rechnung getragen.
Anfechtungsvoraussetzungen
Für eine wirksame Anfechtung müssen drei Voraussetzungen gegeben sein:
–Anfechtungserklärung
–Anfechtungsgrund
–Anfechtungsfrist.
Handlungssituation (Fallbeispiel 4)Nachdem H seine Prüfung zum „Geprüfte/r Betriebswirt/in nach der Handwerksordnung“ erfolgreich absolviert hat, möchte er sich nun wieder ein Auto anschaffen. Er geht deshalb zum Autohaus des Schlau (S). Als H den S wegen eines schicken Gebrauchtwagens anspricht, erzählt ihm S, das Auto sei unfallfrei – ohne dass er dies geprüft hat. H kauft daraufhin den Pkw. Später stellt sich heraus, dass der Wagen vor zwei Jahren einen schweren Unfall hatte.
Kann sich H vom Vertrag mit S wieder lösen?
(Lösung Seiten 39, 40)
2.1.6.2Anfechtungserklärung
Erklärung der Anfechtung
Da eine Anfechtung nicht automatisch erfolgt, bedarf es zunächst einer Anfechtungserklärung des Anfechtungsberechtigten gegenüber dem Anfechtungsgegner (§ 143 Abs. 1 BGB). Anfechtungsgegner ist bei einem Vertrag der andere Teil (§ 143 Abs. 2 BGB). Sollte dieser beim Vertragsschluss vertreten worden sein, so ist der Vertretene (und nicht der Vertreter) der richtige Anfechtungsgegner.
2.1.6.3Anfechtungsgrund
Gründe der Anfechtbarkeit
Bei den Anfechtungsgründen wird zwischen der Irrtumsanfechtung (§§ 119, 120 BGB) und der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bzw. widerrechtlicher Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) unterschieden.
Anfechtung wegen Irrtums
Der Erklärende kann nicht in allen Fällen seine Willenserklärung anfechten, in denen er sich bei deren Abgabe geirrt hat. Der Gesetzgeber erklärt vielmehr nur bestimmte Irrtümer – also Fehlvorstellungen über die Wirklichkeit – zu rechtlich beachtlichen Anfechtungsgründen.
•Inhaltsirrtum
Inhaltsirrtum
Beim Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1, 1. Var. BGB) weiß der Erklärende, was er sagt, er irrt sich aber über den objektiven Bedeutungsgehalt seiner Erklärung.
Beispiel: A bestellt bei B ein „Gros“ Toilettenpapier. A geht davon aus, dass es sich hierbei um eine große Rolle Toilettenpapier handelt, während ein Gros bei objektiv richtigem Verständnis als altertümliche Maßeinheit zwölf Dutzend (normale) Rollen Toilettenpapier bedeutet.
In solchen Fällen ist jedoch zu beachten, dass die Auslegung einer Willenserklärung der Anfechtung vorgeht. Deshalb gilt bei einem beiderseitigen Inhaltsirrtum das beiderseits Gewollte als Vertragsinhalt. Dann scheidet eine Anfechtung aus.
Beispiel: „Haakjöringsköd“ (siehe Abschnitt 2.1.4.2).
•Erklärungsirrtum
Erklärungsirrtum
Beim Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1, 2. Var. BGB) äußert der Erklärende etwas anderes, als er eigentlich erklären möchte. Anders als der Inhaltsirrtum vollzieht sich der Erklärungsirrtum also nicht bereits bei der Willensbildung, sondern – zeitlich später – bei der Erklärungshandlung selbst.
Beispiel: Versprechen, Verschreiben (Zahlendreher).
•Eigenschaftsirrtum
Eigenschaftsirrtum
Beim Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB) irrt der Erklärende über Eigenschaften der Person oder Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. Verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache sind alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die nach der Verkehrssitte auf deren Wert Einfluss haben (wertbildende Faktoren).
Beispiel: PS-Zahl beim Pkw, Goldgehalt bei einem Ring.
Nicht zu den verkehrswesentlichen Eigenschaften einer Sache zählt hingegen der Wert der Sache an sich, da es sich insoweit nicht um einen wertbildenden Faktor handelt.
•Übermittlungsirrtum
Übermittlungsirrtum
Beim Übermittlungsirrtum überbringt die zur Übermittlung einer Willenserklärung verwendete Person oder Einrichtung diese unrichtig (§ 120 BGB). Gemeint ist hier also der Fall, dass ein Bote versehentlich eine Willenserklärung falsch überbringt oder sich bei der technischen Übertragung der Erklärung ein Fehler einschleicht. Diese Fälle sind denen des Erklärungsirrtums vergleichbar mit dem Unterschied, dass dem Boten der Fehler unterläuft.
Beispiel: A beauftragt B, für ihn zwei Brötchen zu kaufen. Beim Bäcker verspricht sich B und verlangt drei Brötchen.
Zu beachten ist, dass § 120 BGB nur für den Boten, nicht hingegen für den Vertreter gilt. Denn der Vertreter gibt eine eigene Willenserklärung ab und überbringt nicht nur eine fremde.
Bei einer absichtlichen Falschübermittlung durch den Boten gelten die §§ 177 ff BGB analog, sodass der Bote haften muss, wenn der „Hintermann“ die Genehmigung des Vertrages verweigert.
•Abgrenzung: Bloßer Motivirrtum
Motivirrtum
Neben den zur Anfechtung berechtigenden Irrtümern der §§ 119, 120 BGB gibt es auch noch Irrtümer, bei denen der Erklärende kein Anfechtungsrecht hat. Diese Irrtümer werden unter dem Oberbegriff Motivirrtum zusammengefasst.
Der Motivirrtum erfolgt – ähnlich wie der Inhalts- und Eigenschaftsirrtum – bereits bei der Willensbildung und nicht erst bei der Abgabe der Willenserklärung. Das Risiko der fehlerhaften Willensbildung trägt hier aber der Erklärende.
Beispiel: A kauft einen Anzug, den er bei der geplanten Hochzeit seines besten Freundes anziehen möchte. Nun wird die Hochzeit abgesagt. In diesem Fall kann A seine Willenserklärung nicht anfechten, weil kein nach §§ 119, 120 BGB beachtlicher Irrtum vorliegt.
Kalkulationsirrtum
Einen Grenzfall der Irrtumsanfechtung stellt schließlich der sog. Kalkulationsirrtum dar. Hierbei wird zwischen dem offenen und dem versteckten Kalkulationsirrtum unterschieden. Während beim offenen Kalkulationsirrtum ein Anfechtungsrecht bestehen kann, scheidet ein solches beim versteckten aus.
Beispiel: A bietet dem B seine Handwerkerleistungen für 5.000,– € an. Soweit sich im Angebot des A ein offensichtlicher Rechenfehler verbirgt, kann A anfechten (Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1, 2. Var. BGB; offener Kalkulationsirrtum). Wenn das Angebot indes falsch ist, weil sich A bei der Bewertung der Rechenposten (etwa Höhe des Stundenlohns seiner Mitarbeiter) getäuscht hat, liegt ein unbeachtlicher Motivirrtum vor (versteckter Kalkulationsirrtum).
Schadensersatzpflicht des Anfechtenden
Schadensersatz nach Anfechtung
Soweit der Erklärende seine Willenserklärung nach §§ 119, 120 BGB anfechten kann, bevorteilt ihn dies gegenüber seinem Vertragspartner. Dies ist bedenklich, da der Vertragspartner i. d. R. für den Irrtum des Erklärenden nichts kann. Zum Ausgleich dafür hat der Gesetzgeber in § 122 Abs. 1 BGB eine Ersatzpflicht des Vertrauensschadens durch den Anfechtenden angeordnet.
Praxistipp: Vor diesem Hintergrund sollte ein Anfechtungsberechtigter vor Abgabe seiner Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB) genau prüfen, ob sich eine Anfechtung wirtschaftlich auch „lohnt“.
Die Schadensersatzpflicht tritt allerdings gemäß § 122 Abs. 2 BGB nicht ein, wenn der Vertragspartner den Grund der Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste (also infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte). Denn dann ist er nicht schutzwürdig.
Beispiel: B hat den offensichtlichen Rechenfehler im Angebot des A (und damit dessen Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1, 2. Var. BGB) selbst erkannt.
Anfechtung wegen Willensbeeinflussung
Die Anfechtungsgründe des § 123 Abs. 1 dienen dem Schutz der freien Willensbildung des Erklärenden gegen eine unangemessene Beeinflussung von außen.
Anders als bei der Irrtumsanfechtung nimmt hier i. d. R. der Vertragspartner in unzulässiger Weise Einfluss auf die Vorstellungen des anderen Teils, sodass das Bestehen eines Anfechtungsrechtes an sich selbstverständlich ist. Aus diesem Grund gibt es in diesen Fällen auch keine Schadensersatzpflicht nach § 122 Abs. 1 BGB, wenn der Anfechtungsberechtigte sein Anfechtungsrecht ausübt.
• Arglistige Täuschung
Arglistige Täuschung
Eine Täuschung i. S. v. § 123 Abs. 1 BGB stellt das Vorspiegeln falscher Tatsachen dar. Subjektiv muss der Täuschende mit Arglist handeln. Hierunter versteht man ein Handeln mit Wissen und Wollen (Vorsatz). Arglist liegt also auf jeden Fall dann vor, wenn der Täuschende von der Unwahrheit seiner Äußerung weiß. Sie ist aber auch gegeben, wenn nur Angaben „ins Blaue“ hinein gemacht werden.
Beispiel: Der Verkäufer eines Gebrauchtwagens behauptet gegenüber einem Verkaufsinteressenten, das Auto sei unfallfrei – ohne dies vorher geprüft zu haben.
•Widerrechtliche Drohung
Widerrechtliche Drohung
Unter einer Drohung versteht man das Inaussichtstellen eines empfindlichen Übels. Anfechtbar ist eine Willenserklärung aber nur dann, wenn die Drohung des anderen auch widerrechtlich ist. Dies ist der Fall, wenn sie gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Dafür muss entweder das eingesetzte Mittel oder der verfolgte Zweck bzw. die Verknüpfung von Mittel und Zweck widerrechtlich sein.
Beispiel: A sagt dem B, dass er ihn wegen einer Trunkenheitsfahrt anzeigen werde, wenn B den Vertrag mit ihm nicht abschließt. Zwar ist weder eine Strafanzeige noch ein Vertragsschluss für sich widerrechtlich, doch verstößt die Verknüpfung beider Aspekte gegen die guten Sitten.
2.1.6.4Anfechtungsfrist
Frist für Anfechtung
Die Anfechtung kann von dem Berechtigten nur binnen einer bestimmten Frist erklärt werden. Dies dient dem Schutz des Vertragspartners sowie der Rechtssicherheit. Die Länge der Anfechtungsfrist ist davon abhängig, auf welchen Grund das Anfechtungsrecht gestützt werden kann.
Soweit nur eine Irrtumsanfechtung nach §§ 119, 120 BGB möglich ist, muss sich der Anfechtungsberechtigte schnell entscheiden, ob er von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch machen will oder nicht. Denn die Anfechtung kann in diesen Fällen gemäß § 121 Abs. 1 BGB nur unverzüglich nach Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund erfolgen. Zwar bedeutet unverzüglich nach der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“ (und nicht sofort), dennoch bleiben als Überlegungsfrist i. d. R. nur ein paar Tage. Wurde der Anfechtungsberechtigte hingegen arglistig getäuscht oder widerrechtlich bedroht, beträgt die Anfechtungsfrist nach § 124 Abs. 1, 2 BGB ein Jahr ab Entdeckung der Täuschung bzw. ab Beendigung der Zwangslage. Diese deutlich längere Anfechtungsfrist nimmt Rücksicht darauf, dass das Anfechtungsrecht hier die Folge einer unzulässigen Willensbeeinflussung des Erklärenden ist.
Ausschluss der Anfechtung
Ausgeschlossen ist das Anfechtungsrecht in allen Fällen spätestens zehn Jahre nach Abgabe der Willenserklärung (§§ 121 Abs. 2, 124 Abs. 3 BGB). Diese Maximalfrist ist dann relevant, wenn der Berechtigte von dem Anfechtungsgrund innerhalb dieses Zeitraums keine Kenntnis erlangt.
2.1.6.5Rechtsfolgen der Anfechtung
Unwirksamkeit der Willenserklärung
Die Ausübung des Anfechtungsrechts führt dazu, dass die Willenserklärung des Anfechtenden als von Anfang unwirksam anzusehen ist (§ 142 Abs. 1 BGB). Durch den Wegfall dieser Willenserklärung scheitert dann auch ein abgeschlossener Vertrag. Sollten also z. B. bei einem Kaufvertrag die Leistungen bereits ausgetauscht worden sein, so erfolgten diese Verfügungsgeschäfte ohne rechtlichen Grund. Sie sind dann nach § 812 Abs. 1 BGB rückabzuwickeln.
Lösung zur Handlungssituation (Fallbeispiel 4)H könnte sich vom Vertrag mit S evtl. durch die Anfechtung seiner Willenserklärung wieder lösen (§ 142 Abs. 1 BGB). Neben einer Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1, 2 BGB) und der Einhaltung der Anfechtungsfrist ist hierfür Voraussetzung, dass ein Anfechtungsgrund besteht.
Ein Anfechtungsgrund könnte zum einen sein, dass dem gekauften Wagen die Eigenschaft „unfallfrei“ fehlt. Die Unfallfreiheit ist bei einem Auto grundsätzlich ein Faktor, der auf die Wertbildung Einfluss hat und damit eine Eigenschaft i. S. d. § 119 Abs. 2 BGB darstellt. Allerdings müsste H dem C dann Schadensersatz nach § 122 Abs. 1 BGB leisten. Ferner könnte dieser Anfechtungsgrund durch die vorrangigen kaufrechtlichen Mängelvorschriften (§§ 434 ff. BGB) verdrängt sein.
Ein besserer Anfechtungsgrund könnte hier deshalb die arglistige Täuschung des S gemäß § 123 Abs. 1, 1. Var. BGB sein. Eine Täuschung setzt voraus, dass eine falsche Tatsache vorgespiegelt wird. Dies ist hier der Fall, weil S behauptet, der Wagen sei unfallfrei. Allerdings scheint fraglich, ob S auch arglistig ist. Arglistig handelt nämlich grundsätzlich nur derjenige, der Täuschungsvorsatz hat. Dabei genügt es aber, dass der Täuschende mit der Möglichkeit rechnet, dass seine Aussage falsch ist (Angabe „ins Blaue“ hinein). So liegt es hier. Folglich hat S den H arglistig getäuscht. Damit liegt der Anfechtungsgrund des § 123 Abs. 1 BGB vor. Dieser hat für H auf jeden Fall den Vorteil, dass er dem S keinen Schadensersatz zahlen muss.
Ergebnis: H kann sich vom Vertrag mit S wieder lösen.
2.2Allgemeines Schuldrecht
2.2.1Das Schuldverhältnis
Schuldverhältnis als Sonderverbindung
Unter einem Schuldverhältnis versteht man ein Rechtsverhältnis, das eine Verpflichtung einer Person gegenüber einer anderen enthält. Der Anspruchsinhaber heißt Gläubiger, der Anspruchsgegner Schuldner (§ 241 Abs. 1 BGB). Bei einem gegenseitigen Vertrag ist die Gläubiger- bzw. Schuldnerstellung im Hinblick auf die jeweilige Leistungspflicht zu sehen.
Beispiel: Bei einem Kaufvertrag sind beide Vertragsparteien Gläubiger und Schuldner – der Verkäufer ist Gläubiger des Zahlungsanspruchs und Schuldner der Übereignungspflicht, der Käufer Gläubiger des Übereignungsanspruchs und Schuldner der Zahlungspflicht.
2.2.1.1Inhalt und Pflichten beim Vertrag
Typische Pflichten bei Verträgen
Den Kern des Vertrages begründen die sog. Hauptleistungspflichten. Sie sind für die Charakterisierung des jeweiligen Vertragstyps entscheidend und bilden seinen Hauptzweck ab.
Beispiel: Beim Kaufvertrag bestehen die Hauptleistungspflichten in der Übereignung der Kaufsache und der Bezahlung des Kaufpreises.
Ein Vertrag wird grundsätzlich nicht wegen möglicher Nebenleistungspflichten abgeschlossen. Diese begleiten aber die Hauptleistungspflichten und sichern deren ordnungsgemäße Erfüllung.
Beispiel: Verpackung von Waren, Beratung über technische Details.
Die Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) resultieren aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Wer mit einem anderen einen Vertrag schließt, ist in besonderer Weise – also mehr als ein unbeteiligter Dritter – gehalten, dem Vertragspartner keinen Schaden zuzufügen. Entscheidend dafür, welche Rücksichtnahmepflichten die Vertragsparteien konkret treffen, ist das jeweilige Vertragsverhältnis.
Beispiel: Bei einem Arbeitsvertrag als Dauerschuldverhältnis mit personalem Bezug bestehen weitergehende Rücksichtnahmepflichten (etwa Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers, Arbeitsschutzpflicht des Arbeitgebers) als bei einem auf schnellen Leistungsaustausch ausgerichteten Kaufvertrag.
2.2.1.2Die richtige Leistungserbringung
Bei einem Streit zwischen den Vertragsparteien geht es regelmäßig darum, dass eine Partei behauptet, die andere habe ihre Leistung nicht ordnungsgemäß erfüllt. Um also Ansprüche aus einer etwaigen Pflichtverletzung beurteilen zu können, ist es entscheidend, wie die jeweilige Leistung vertragsgemäß zu erbringen ist. Man unterscheidet insoweit zwischen der Leistungsart, der Leistungszeit und dem Leistungsort.
•Leistungsart
Stückschuld ≠ Gattungsschuld
Die Frage, was der Schuldner leisten muss, bereitet keine Probleme, wenn es im Vertrag z. B. um eine bestimmte Sache geht (Stückschuld). Dann ist klar, dass der Verkäufer diese eine Sache übereignen muss. Anders ist dies aber bei einer nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Leistung (Gattungsschuld).
Beispiel: Ein Pfund Mehl.
Im Falle einer Gattungsschuld bestimmt § 243 Abs. 1 BGB, dass die geleistete Sache von mittlerer Art und Güte sein muss. Den Schuldner trifft insoweit eine Beschaffungspflicht.
Beispiel: Der Schuldner muss das Pfund Mehl besorgen, solange es noch (irgendwo) Mehl gibt.
Konkretisierung
Diese hohen Anforderungen treffen den Schuldner allerdings nicht dauerhaft. Denn eine Gattungsschuld verwandelt sich in eine Stückschuld, sobald der Schuldner das zur Leistung seinerseits Erforderliche getan hat (§ 243 Abs. 2 BGB). Dieser Vorgang nennt sich Konkretisierung. Erforderlich ist dabei, dass die Leistung dem Gläubiger zur richtigen Zeit und am richtigen Ort angeboten wird. Ist dies der Fall, beschränkt sich die Leistungspflicht des Schuldners auf das konkrete Stück. Dies hat entscheidende Bedeutung dafür, ob sich der Schuldner bei einer Zerstörung der Sache darauf berufen kann, dass die Leistung unmöglich geworden ist und er deshalb nicht mehr zu leisten braucht (§ 275 BGB).
•Leistungszeit
Fälligkeit der Leistung
Bei der richtigen Leistungszeit geht es um die Frage, wann der Schuldner seine Leistung gegenüber dem Gläubiger erbringen muss (sog. Fälligkeit). Hierzu regelt § 271 Abs. 1 BGB, dass der Schuldner grundsätzlich sofort leisten muss. Wenn ein späterer Zeitpunkt vereinbart ist, muss der Schuldner nicht vorher leisten – er darf dies aber im Zweifel tun (§ 271 Abs. 2 BGB).
•Leistungsort
Richtiger Leistungsort
Der richtige Leistungsort beantwortet schließlich die Frage, wo der Schuldner seine Leistung an den Gläubiger zu erfüllen hat. Dieser Ort liegt nach § 269 Abs. 1, 2 BGB – wenn nichts anderes vereinbart wurde – am Wohn- bzw. Gewerbesitz des Schuldners. Der Gläubiger muss also grundsätzlich den geschuldeten Gegenstand beim Schuldner abholen (Holschuld). Bei einer Holschuld besteht die Leistung des Schuldners dann darin, die Sache aus dem Bestand auszusondern und den Gläubiger zum Abholen aufzufordern.